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Archiv "Entschliessungen zum Tagesordnungspunkt II: Gesundheitliche Auswirkungen von Armut" (10.06.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 23–24

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10. Juni 2013 A 1177 asymmetrisches Verhältnis. Daher darf und muss

auf die uneigennützige, den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Hilfe des Arztes/der Ärztin ver- traut werden können. Die Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit müssen dieses Vertrauen unein- geschränkt ermöglichen.

Der 116. Deutsche Ärztetag 2013 fordert da- her: Die politisch mitverantwortete Deprofessiona- lisierung der Ärztinnen und Ärzte zu „Leistungs - erbringern“, die Misstrauensbürokratie und der Missbrauch von Patienten als Wertschöpfungsob- jekt, auch durch Finanzierungssysteme im Ge- sundheitswesen, muss beendet werden. In Geset- zen, Verordnungen und Regelungen sind Ärztinnen und Ärzte in ihrer korrekten professionellen Be- zeichnung zu nennen. In konkreten, dokumentier- ten Fällen von Verstößen gegen die ärztliche Be- rufsordnung oder andere Vorschriften beteiligt sich die ärztliche Selbstverwaltung an der Aufklärung und Sanktionen; unsachgemäße allgemeine Be- schuldigungen nach Art eines Generalverdachts sind nicht zuletzt zum Schutz des Patienten-Arzt- Verhältnisses zu unterlassen. Verträge mit Bonus- leistungen, die auf rein wirtschaftlichen Anreizen beruhen oder den Anschein erwecken, der Arzt/die Ärztin müsse zu einer angemessenen ärztlichen Leistung gesondert motiviert werden, werden ab- gelehnt. Um Ärztinnen und Ärzte vor Eingriffen in ihre ärztliche Unabhängigkeit durch ökonomische Motive zu schützen, dürfen auch z. B. Geschäfts- führern von Kliniken keine Bonuszahlungen zuge- standen werden, die solche Übergriffe auf ärztliche Entscheidungen fördern.

Das System der umfassenden Vergütung von Krankenhausleistungen über Diagnosis Related Groups (DRGs) ist ebenfalls anfällig für ökonomisch motivierte Fehlanreize in der Behandlung von Kran- ken. Es muss daher dringend überprüft werden, ob das richtige Ziel einer ressourcenschonenden, transparenten und leistungsorientierten Finanzie- rung von Krankenhausleistungen anders und effi- zienter erreicht werden kann.

Diskreditierungskampagne stop- pen, Selbstverwaltung erhalten!

Der 116. Deutsche Ärztetag 2013 fordert die Kran- kenkassen zu einem sofortigen Stopp der unsägli- chen Diskreditierungskampagnen gegen die Ärzte- schaft in Klinik und Praxis auf.

Begründung:

Der 116. Deutsche Ärztetag 2013 fordert die Ver- antwortlichen in der Politik auf, dieses Verhalten von Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht weiter zu tolerieren.

Die pauschale Hochrechnung von Daten mit un- zureichender Recherchequalität und deren Veröf- fentlichung im Umfeld ärztlicher Großveranstaltun-

gen zeigen, dass es um eine reine Diffamierung der Ärzteschaft geht und nicht um Beiträge zur Quali- tätsverbesserung der Versorgung. Damit wird das Ziel der Kassen unverkennbar, das Vertrauen in die Arzt-Patient-Beziehung zu untergraben und sich selbst zum „Wahrer der Patienteninteressen“ zu sti- lisieren.

Die Vorwürfe der Krankenkassen gegenüber dem Ärztestand erwiesen sich in aller Regel als un- begründet.

Gesundheitliche Ressourcen sozial Benachteiligter stärken

Der 116. Deutsche Ärztetag 2013 stellt fest, dass zwischen den oberen und unteren Einkommens- schichten auch in Deutschland trotz eines relativ hohen Wohlstandsniveaus ein deutlicher Unter- schied hinsichtlich Lebenserwartung und Krank- heitslast besteht. Während weibliche Angehörige der untersten Einkommensgruppe bei Geburt eine um etwa sieben Jahre geringere Lebenserwartung als die der obersten Einkommensgruppe haben, beträgt der Unterschied bei Männern sogar etwa zehn Jahre. Das Risiko, z. B. einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, ist in der untersten Ein- kommensgruppe im Vergleich zur obersten um das Zweifache erhöht.

Deutliche schichtbezogene Unterschiede in der Kinder- und Jugendgesundheit hat auch die KiGGS- Studie (Studie des Robert-Koch-Instituts zur Ge- sundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutsch- land) zutage gefördert. Demnach sind Kinder der untersten Sozialschicht dreimal häufiger von einer Adipositas betroffen als Kinder der obersten Sozial- schicht. Hinsichtlich psychischer Auffälligkeiten be- trägt das Verhältnis etwa 1,5 zu 1, wobei zugleich ein erhebliches soziales Gefälle bei der Inanspruch- nahme therapeutischer Interventionen besteht.

Die beobachtbaren Unterschiede korrelieren mit unterschiedlichen materiellen Lebensbedingungen, der Verteilung psychosozialer Belastungsfaktoren, Unterschieden des Gesundheitsverhaltens sowie Faktoren der gesundheitlichen Versorgung. Auch die Unterschiede in der Wahrnehmung von Bildungs- chancen spielen eine wichtige kausale Rolle.

Als Ärzteschaft sehen wir unsere Verantwortung vor allem darin, auf eine Verringerung schichten- spezifischer Unterschiede in den Zugangsmöglich- keiten, in der Inanspruchnahme und Verfügbarkeit gesundheitlicher Leistungen einzuwirken.

Ärztinnen und Ärzte können sozial benachteilig- ten Personengruppen Unterstützung bei der Stär- kung ihrer gesundheitlichen Ressourcen, der Identi- fikation von Belastungsfaktoren und der Erschlie- ßung von Hilfsangeboten bieten.

Wir sind der Überzeugung, dass die erwartbaren Effekte präventiver und therapeutischer Bemühun- gen umso größer sind, je früher diese in der biogra- fischen Entwicklung ansetzen.

Deshalb spricht sich der 116. Deutsche Ärztetag 2013 zur Verringerung sozial bedingter Unterschie- de in Schwangerschaft und Kindheit dafür aus, dass

die Information und Ansprache zur Wahr - nehmung der Schwangerenvorsorgeuntersu- chungen vor allem bei solchen Frauen ver- bessert und intensiviert werden, die im be- sonderen Maße psychisch und sozial belastet sind. Dies sind insbesondere alleinerziehende Mütter, die über geringe finanzielle Mittel ver- fügen bzw. alleinerziehende Mütter mit Mi- grationshintergrund.

Schwangere entsprechend der 2011 novel- lierten Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die ärzt - liche Betreuung während der Schwanger- schaft und nach der Entbindung („Mutter- schafts-Richtlinien“) eingehend über die Ge- fahren des Konsums von Alkohol, Tabak und anderer psychotrop wirkender Substanzen während der Schwangerschaft aufgeklärt und zur Abstinenz motiviert werden;

im Rahmen der Kinderuntersuchungen nach

§ 26 SGB V verstärkt auch psychische und soziale Belastungsfaktoren bei Eltern und Kindern erhoben und Betroffene an entspre- chende Beratungs- und Hilfsangebote wei- tervermittelt werden. Hierfür sind geeignete Instrumente zu entwickeln und Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung zu stellen; der erforder- liche Mehraufwand ist in der ärztlichen Ver- gütung abzubilden.

ENTSCHLIESSUNGEN ZUM TAGESORDNUNGSPUNKT II

Gesundheitliche Auswirkungen von Armut

Eine gemeinsame Selbstverwaltung ist ohne jede Zukunft, wenn die enormen Leistungen der Ärzte- schaft weiterhin keine adäquate Anerkennung bei den Kassen finden. Respekt und Vertrauen als Grundlage gemeinsamer Problemlösungen können im derzeiti- gen Klima nicht gedeihen. Der 116. Deutsche Ärzte- tag 2013 fordert in diesem Zusammenhang die Me- dien auf, für ihre Berichterstattung die außerordentlich komplexen Themen im Gesundheitswesen sachge- recht zu prüfen und entsprechend zu berichten.

D O K U M E N T A T I O N Z U M 1 1 6 . D E U T S C H E N Ä R Z T E T A G

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A 1178 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 23–24

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10. Juni 2013

im Rahmen früher Hilfen eine bessere Ver- zahnung ärztlicher Hilfen rund um die Geburt und in früher Kindheit mit den Hilfsangeboten nach SGB V III und nach dem Gesetz zur Ko- operation und Information im Kinderschutz (KKG) erfolgt und entsprechende Leistungen auch im SGB V abgebildet werden. Ärztinnen und Ärzten müssen eine aktive Mitwirkung in den aufzubauenden regionalen Netzwerken

„Frühe Hilfen“ gemäß § 3 Abs. 2 KKG ermög- licht und bei Fragen zu Kindesvernachlässi- gung oder -missbrauch ärztliche Ansprech- partner zur Verfügung gestellt werden.

die vom öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) durchgeführten Schuluntersuchungen flä- chendeckend erhalten und weiter ausge- baut werden. Durch sie kann der Gesund- heitszustand von Kindern und Jugendlichen sozialschichtübergreifend erfasst und an erforder liche Hilfsangebote weitervermittelt werden.

Kinder- und Hausärzten ausreichende Heil- mittelbudgets zur Verfügung gestellt werden, so dass in ihrer Entwicklung beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen die erforderlichen therapeutischen Hilfen ermöglicht werden können;

Angebote der Gesundheitsförderung an Kin- dertagesstätten und Schulen weiter ausge- baut werden, so dass Kinder aller Sozial- schichten davon profitieren können.

Der 116. Deutsche Ärztetag 2103 begrüßt die im vorliegenden Gesetzentwurf zur Förderung der Prävention vorgesehene Ausweitung der Kinder - untersuchungen bis zum zehnten Lebensjahr und die „Erfassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken und eine darauf abgestimmte präventions- orientierte Beratung“ (siehe Koalitionsentwurf für ein Gesetz zur Förderung der Prävention § 26 Abs. 1 SGB V). Dadurch können gesundheitliche Fehlent- wicklungen besser erfasst und erforderliche Inter- ventionen frühzeitiger eingeleitet und engmaschig begleitet werden.

Zur Verringerung sozialschichtbedingter gesund- heitlicher Ungleichheit bei Personen im mittleren und höheren Lebensalter spricht sich der 116.

Deutsche Ärztetag dafür aus,

Langzeitarbeitslosen im besonderen Maße Angebote zur Gesundheitsförderung und Prä- vention von Erkrankungen verfügbar zu ma- chen und sie an diese heranzuführen,

ein flächendeckendes Netz aufsuchender medizinischer Hilfen für Wohnungslose auf- zubauen, Hürden in der Versorgung mit Arz- nei- und Hilfsmitteln abzubauen und weitere sozialkompensatorische Hilfen zur Verfügung zu stellen,

dass bestehende rechtliche, finanzielle und bürokratische Hürden für eine angemesse- ne medizinische Versorgung von Menschen

ohne gesicherten Aufenthaltsstatus abge- baut werden (siehe Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethi- scher Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten [Zentrale Ethikkommission]

bei der Bundesärztekammer „Versorgung von nicht regulär krankenversicherten Pa- tienten mit Migrationshintergrund“ vom 03. 05. 2013),

den ÖGD zu stärken, um auch den Patienten- gruppen eine angemessene gesundheitliche Versorgung zu ermöglichen, die durch die Regelversorgung nicht mehr erreicht werden oder diese selber nicht mehr wahrnehmen können (wie z. B. psychisch Kranke, Drogen- abhängige),

dass die gesundheitlichen Ressourcen älterer Menschen gestärkt und präventive Angebote zum Erhalt ihrer Gesundheit ausgebaut wer- den. Dadurch kann ein wesentlicher Beitrag zur Vermeidung, Verzögerung oder Minde- rung von Pflegebedürftigkeit geleistet wer- den, die bei vielen älteren Menschen zum Verlust angesparten Vermögens und damit in die Armut führen kann.

Der 116. Deutsche Ärztetag 2013 begrüßt die im Koalitionsentwurf für ein Gesetz zur Förderung der Prävention vorgesehene Stärkung der betrieb- lichen Gesundheitsförderung sowie die Auswei- tung der bestehenden Gesundheitsuntersuchung nach § 25 Abs. 1 SGB V auf die Erfassung und Be- wertung gesundheitlicher Risiken und Belastun- gen. Durch diese Maßnahmen können besonders belastete und präventionsferne Bevölkerungs-

gruppen besser identifiziert und entsprechend be-

raten werden.

Gesundheitliche Auswirkungen von Armut und sozialer Ungleichheit

Der 116. Deutsche Ärztetag 2013 hält es für erfor- derlich, dass die gesundheitlichen Auswirkungen von Armut und sozialer Ungleichheit wesentlich stär- kere Berücksichtigung finden, dies insbesondere in den Bereichen Prävention, Diagnostik und Therapie.

Deshalb spricht sich der 116. Deutsche Ärztetag 2013 dafür aus, Zusammenhänge zwischen Krank- heit und Armut sowie Zusammenhänge zwischen Krankheit und sozialer Ungleichheit strukturiert in die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung zu imple- mentieren.

Des Weiteren sollen neue Präventions- und Behandlungskonzepte entwickelt werden, die der höheren Erkrankungsrate im Falle von Armut und sozialer Ungleichheit Rechnung tragen.

Begründung:

Eine Reihe epidemiologischer Studien zeigt: Das Aus- maß gesundheitlicher Störungen korreliert in einem Land sehr eng mit dem Grad an Armut und sozialer Ungleichheit. Industrienationen mit höherer Ungleich- heit bei der Einkommensverteilung schneiden bei Le- benserwartung, Säuglingssterblichkeit, Fettleibigkeit, psychischen Erkrankungen, einschließlich Alkohol- und Drogensucht und Suizidrate, sehr viel ungünsti- ger ab als Industrienationen mit weniger sozialer Ungleichheit (u. a.: Wilkinson und Pickett 2009).

Überarbeitung der (Muster-)Fort- bildungsordnung

Der 116. Deutsche Ärztetag beschließt die überar- beitete (Muster-)Fortbildungsordnung (MFO) gemäß Anlage (www.aerzteblatt.de/131178) und bittet die Landesärztekammern, diese bundeseinheitlich und zeitnah in den Kammerbereichen umzusetzen.

Novellierung der (Muster-)Fort - bildungsordnung

Die 2004 erstmalig beschlossene (Muster-)Fortbil- dungsordnung (MFO) hat sich als anwendungssi-

cher, unbürokratisch und allen Arztgruppen gleicher- maßen gerecht werdend erwiesen. Voraussetzung hierfür war der für alle Ärztinnen und Ärzte freie und gleiche Zugang zu Fortbildung und zur Fortbildungs- punkten, wesentlich basierend auf dem Gebot der Arztöffentlichkeit von Fortbildung und der freien Wahl von Fortbildungsinhalten und -methoden.

Alle Vorschläge zur Novellierung der MFO werden sich daher daran messen lassen müssen, ob sie ei- nen Beitrag dazu leisten, die oben genannten Cha- rakteristika der MFO zu erhalten bzw. zu stärken. ENTSCHLIESSUNGEN ZUM TAGESORDNUNGSPUNKT III

Überarbeitung der (Muster-)Fortbildungs- ordnung

D O K U M E N T A T I O N Z U M 1 1 6 . D E U T S C H E N Ä R Z T E T A G

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