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Archiv "Medizinische Versorgung von Menschen mit schwerer geistiger Behinderung „Zeit zum Hinhören, Hinschauen und Mitfühlen“" (20.02.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 8⏐⏐20. Februar 2009 A335

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er Bielefelder Orthopäde Michael Markwort betreut rund 400 bis 450 teilweise schwerst- behinderte Menschen. Er hat seit 14 Jahren eine Zweigpraxis in Bethel und absolviert rund 170 bis 200 Hausbesuche im Quartal. Mark- wort engagiert sich gern dort, muss- te seine Budgetüberschreitungen aber bereits mehrfach vor der zu- ständigen Kassenärztlichen Vereini- gung Westfalen-Lippe und sogar dem Sozialgericht rechtfertigen.

„Dabei ist der Aufwand einfach viel größer. Rund sieben Prozent der Be- völkerung leiden an einer manifes- ten Osteoporose, in Bethel sind es aber 21 Prozent. Das Morbiditätsri- siko von behinderten Menschen ist viel höher als bei nicht behinder-

ten“, sagte Markwort gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. „Ich ha- be hier Fälle gesehen, die ich vorher überhaupt nicht gekannt hatte.“

Sein niedergelassener Kollege, der Allgemeinmediziner Demetrios Panteli, bestätigt diese Einschät- zung. Er berichtet, dass auch er in der Regel rund 700 Hausbesuche pro Jahr in Bethel absolviere, die nicht honoriert würden, da sie in die Pau- schale integriert seien. Diese Miss- achtung seines Engagements mach- ten nur die Dankbarkeit der Patien- ten und das gute kollegiale Verhält- nis zu den anderen Ärzten wieder wett. Doch nicht nur die Mediziner, sondern vor allem die behinderten Menschen leiden unter dieser Situa- tion. Wenn sie nicht die Möglichkeit

hätte, in die Praxis Markworts zu ge- hen, müsste sie weite Anfahrtswege zu anderen Orthopäden auf sich neh- men, was bei ihrer schweren körper- lichen Behinderung kaum möglich sei, erklärte Christel Stanick, die seit 39 Jahren in Bethel (siehe Kasten

„Bethel“)lebt. Aber von 93 Euro

„Taschengeld“ im Monat könne sie sich Taxifahrten nicht leisten, und die Krankenbeförderungskosten würden von der gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) nur selten erstattet. „Ich habe inzwischen Angst, zum Arzt zu gehen, weil ich dann vielleicht etwas bezahlen muss.“ Denn auch nicht erstattungs- fähige Arzneimittel, wie beispiels- weise Nasentropfen, müsse sie aus der eigenen Tasche zahlen. 1 MEDIZINISCHE VERSORGUNG VON MENSCHEN MIT SCHWERER GEISTIGER BEHINDERUNG

„Zeit zum Hinhören, Hinschauen und Mitfühlen“

Die Gesundheitsreformen der letzten Jahren waren für Menschen mit Behinderung alles andere als bedarfsgerecht. Darin sind sich Experten und Betroffene einig. Die Bundesärztekammer sucht nach Lösungen.

Foto:EPD

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Die Bundesärztekammer (BÄK) machte bei einem Symposium Mitte Dezember letzten Jahres in Berlin auf diesen Missstand aufmerksam.

„Wenn man bedenkt, dass Men- schen mit geistiger und mehrfacher Behinderung überdurchschnittlich häufig von zusätzlichen körperli- chen und psychischen Störungen betroffen sind, stimmt die Feststel- lung der unzulänglichen gesund- heitlichen Versorgung sehr bedenk- lich“, sagte BÄK-Präsident Prof.

Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. Sei- ner Ansicht nach waren die Gesund- heitsreformen der letzten Jahren al- les andere als bedarfsgerecht. So sei die Gruppe der Menschen mit geis- tiger und mehrfacher Behinderung in Deutschland überwiegend von Sozialhilfe abhängig. Die Gesetzge- bung der letzten Jahre habe aber die früheren Leistungen der Sozialhilfe, vor allem die Möglichkeit, Einmal- beihilfen für besondere Versor- gungsbedürfnisse zu leisten, prak- tisch vollständig beseitigt.

Diese faktische Diskriminierung stehe im offenkundigen Gegensatz zum Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes und den Forderun- gen des Übereinkommens der Ver- einten Nationen von Menschen mit Behinderungen vom Dezember 2006. Dort heißt es, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Ge- sundheitsleistungen erhalten sollen, die andere Menschen auch bekom- men. Darüber hinaus verlangt Arti- kel 25, dass ihnen Gesundheitsleis- tungen angeboten werden sollen, die „speziell wegen ihrer Behinde- rungen benötigt werden, soweit an- gebracht, einschließlich Früherken- nung und Frühintervention, sowie Leistungen, durch die, auch bei Kin- dern und älteren Menschen, weitere Behinderungen möglichst gering gehalten oder vermieden werden sollen“. In diesen Forderungen spie- gelte sich unter anderem die Er- kenntnis wider, dass Menschen mit Behinderungen oft einen in Qualität und Quantität überdurchschnittlichen Bedarf an gesundheitlicher Versor- gung haben. Für das Kinder- und Jugendalter gebe es – wenn auch oft unzureichend finanziert – eine Rei- he von spezialisierten Angeboten, zum Beispiel sozialpädiatrische

Zentren und Frühförderstellen. Im Erwachsenenalter dagegen fehlen nach Ansicht des BÄK-Präsidenten fast überall spezialisierte Angebote.

Dass sich vor allem das GKV- Modernisierungsgesetz nachteilig auf die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit geistiger Behin- derung ausgewirkt hat, davon geht eine Untersuchung des Stiftungsbe- reichs Behindertenhilfe und der Stiftungsbereich Integrationshilfen der von Bodelschwinghschen An- stalten Bethel aus. So lasse sich bei- spielsweise deutlich die Barriere- wirkung der Praxisgebühr und der Leistungsausschlüsse feststellen. 39 Prozent der für eine Studie Befrag-

ten hätten auf notwendige und ärzt- lich empfohlene Leistungen ver- zichtet; die Verzichte beziehen sich vor allem auf Zahnersatz (16 Pro- zent), Arznei- und Verbandmittel (elf Prozent) sowie Sehhilfe (elf Prozent). Der nahezu vollständige Rückzug der gesetzlichen Kranken- versicherung aus der Finanzierung von Sehhilfen führt für rund 40 Pro- zent der an der Untersuchung Teil- nehmenden mittelfristig zu einem Versorgungsproblem mit zu erwar- tenden Auswirkungen auf die All- tagsbewältigung. Zwar sind nach wie vor Sehhilfen zulasten der GKV unter bestimmten restriktiven Aus- nahmeregeln möglich, diese Mög-

lichkeiten sind, so die Studie, den Klienten aber ebenso wie beispiels- weise Härtefallregelungen bei Zahn- ersatz oft nicht bekannt. Der Ver- zicht auf Leistungen habe dann oft weitreichende Folgen. So könnten beispielsweise sichtbar schadhafte Zähne zu Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt führen. Ärzte und alle im Gesundheitswesen Tätige benö- tigten eine klare ethische und fachli- che Orientierung, forderte Hoppe.

So habe beispielsweise der Schwei- zer Ärzteverband eine Leitlinie zum Umgang mit Menschen mit geisti- ger Behinderung verabschiedet.

Dass gerade die Haltung wichtig ist, mit der Ärzte behinderten Men-

schen begegnen, diese Ansicht ver- trat auch Prof. Dr. med. Jeanne Nick- las-Faust vom Bundesvorstand der Bundesvereinigung Lebenshilfe und selbst Mutter einer behinderten Tochter: „Behinderung ist keine Krankheit, Behinderung ist eine Le- bensform.“ Dennoch werde Behin- derung häufig als Krankheit angese- hen und ebenso behandelt. Menschen mit Behinderung benötigten medizi- nische Unterstützung zur Gestaltung ihres Lebens, sie bekämen aber die Botschaft: „Werde anders!“ Nicklas- Faust betonte, dass der medizinische Anspruch, Behinderung zu vermei- den, die Gefahr der Nichtakzeptanz von Menschen mit Behinderung ber-

Ich habe inzwischen Angst, zum Arzt zu gehen, weil ich dann vielleicht etwas bezahlen muss.

Christel Stanick, Patientin

Fotos:Eberhart Hahne

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ge. Eltern von behinderten Kindern benötigten therapeutische Angebote, die jeweils eigenen Regeln und Kul- turen von Familien sollten dabei re- spektiert werden. Die Eltern wünsch- ten sich unter anderem „Zeit zum Hinhören, Hinschauen und Mit- fühlen sowie eine realistische Ein- schätzung der Prognose unter Her- vorhebung der positiven Eigenschaf- ten des Kindes und dem Offenlassen von Entwicklungsmöglichkeiten, da- bei Rücksichtnahme auf die momen- tane Belastbarkeit, und schließlich das Aufzeigen praktischer Hilfen“.

Aber auch die gestiegene Le- benserwartung kann zu neuen Pro- blemen führen. So sehen Angehöri- ge nach Ansicht von Nicklas-Faust ihre Kinder häufig noch als hilfsbe- dürftig und abhängig an, wenn diese längst erwachsen sind. 60 Prozent der erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung lebten bei ihren Angehörigen. Wenn ein Mensch mit geistiger Behinderung in einer Einrichtung lebt, hätten die Angehörigen häufig Schuldgefühle.

„Vor dem Schritt von einem Le- ben in der elterlichen Umgebung hin zu einem Leben in einer Genossen- schaftswohnung mit einer dreistün- digen Betreuung pro Woche, davor schrecken viele behinderte Men- schen und ihre Angehörige zurück“, erläuterte auch Dr. Thomas Stühren- berg, Vorsitzender der Gemeinschaft Unser Platz im Leben und Gründer der Initiative Stammhaus (dazu Kas- ten „Stammhaus“), die im Kölner Westen auf einem ehemaligen Bau- ernhof eine Einrichtung für behin- derte Menschen gegründet hat. Des- halb bietet das Stammhaus neben ei- nem stationären Wohnbereich künf- tig auch ein betreutes Wohnangebot für circa zehn Personen an. „Die Be- wohner sollen die Möglichkeit ha- ben, hier alt zu werden“, erläuterte Stührenberg.

„Wir müssen besondere Wege beschreiten, und wir müssen mit besonderen Erkrankungsverläufen rechnen“, betonte Dr. med. Peter Martin von der Séguin-Klinik für Menschen mit schwerer geistiger Behinderung, Epilepsiezentrum Kork. So lag im Jahr 2000 die mitt- lere Lebenserwartung von Men- schen mit leichter geistiger Behin-

derung bei 74 Jahren und von Men- schen mit schwerer beziehungswei- se schwerster geistiger Behinderung immerhin noch bei 58,6 Jahren. An- fang des 20. Jahrhunderts betrug das mittlere Sterbealter für Menschen mit Trisomie 21 neun Jahre. Im Jahr 2000 hatten Männer mit Trisomie 21 eine Lebenserwartung von 61,1 Jahren und Frauen eine Lebenser- wartung von 57,8 Jahren. Es ist, so Martin, mit einem weiteren Anstieg um 1,7 Jahre pro Jahr zu rechnen.

Martin zufolge spielt für Ärzte bei der Diagnostik und Therapie von Krankheiten bei Menschen mit geistiger Behinderung die Kommu- nikation eine ganz entscheidende Rolle. „Schwierigkeiten in der Kommunikation mit geistig behin- derten Patienten stellen eine der wichtigsten Hürden auf dem Weg zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung dar“, zi- tierte er drei australische Kollegen.

Gerade da machten Ärzte allerdings häufig viel falsch. „Sie schreien, sie reden über die Betroffenen hinweg, so, als ob sie gar nicht da wären, sie erklären nicht, was passiert.“ Sie hörten außerdem gar nicht zu, wenn der Patient etwas sagen möchte, und sie geben den Patienten oft nicht genug Zeit, um sich auszu- drücken. Häufig tun sie so, als ob sie verstehen würden, obwohl sie offenbar gar nichts von dem verste- hen, was der Patient sagt. Der Epi- leptologe Dr. med. Thomas Mei- nert, der als Oberarzt in Bethel tätig ist, berichtete von einer Bewohne- rin, die bei einem Anfall gestürzt sei. Die Wunde sei nicht – wie er- forderlich – genäht, sondern im Krankenhaus geklebt worden. Die Patientin habe später ein furchtba- res Kelloid davongetragen. „So et- was passiert leider viel zu oft.“ 1

BETHEL

Das Wort Bethel kommt aus dem Hebräischen und heißt „Haus Gottes“.

Dieser Name ist Pro- gramm für die von Bodel- schwinghschen Anstalten Bethel. Die Vision Bethels heißt: „Gemeinschaft ver- wirklichen.“ Darunter wird das selbstverständli- che Zusammenleben, das gemeinsame Lernen und

Arbeiten aller Menschen in ihrer Verschiedenheit verstanden. Rund 14 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich für kranke, behinder- te, pflegebedürftige oder sozial benachteiligte Menschen. Bethel ist ein Teil der Diakonie und hat damit enge Verbindung zur evangelischen Kirche in Deutschland. Gegründet wurde Bethel 1867 von Bielefelder Kaufleuten zur Versorgung

von epilepsiekranken Kin- dern und Jugendlichen.

1872 übernahm Friedrich von Bodelschwingh die Leitung der Anstalt und gab ihr später seinen Na- men. Die von Bodel- schwinghschen Anstalten Bethel haben rund 20 000 Betten und Plätze in Kliniken, Heimen, Schulen und Kindergär- ten, Wohngruppen, Werkstätten für behinderte Menschen und Ausbildungsstätten. Hinzu kom- men zahlreiche ambulante Angebote. Zu Bethel gehören Einrichtungen in fünf Bundesländern.

Nach eigenen Angaben sind die von Bodel- schwinghschen Anstalten Bethel Europas größte diakonische Einrichtung. Weitere Informationen:

www.bethel.de.

Alt-Ebenezer, das Gründungshaus Bethels, dient heute als Museum, Werkstatt und Werk- stattladen.

Das Morbiditätsrisiko von be- hinderten Menschen ist viel höher als von nicht behinderten.

Michael Markwort, Orthopäde

Foto:Bethel

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A338 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 8⏐⏐20. Februar 2009

T H E M E N D E R Z E I T

So sei zum Beispiel die Anamne- se bei nicht kommunikationsfähi- gen Patienten oft nur mithilfe einer Fremdanamnese mit Betreuern und Angehörigen möglich. Martin be- stätigte diesen enormen Aufwand.

Von Menschen, die sich lautsprach- lich nur eingeschränkt äußern kön- nen, bekämen Ärzte kaum eigen- anamnestische Angaben. Und auch die fremdanamnestischen Angaben seien oft nur lückenhafte und un- brauchbare ärztliche Befundberich- te („Die Vorgeschichte des Patien- ten dürfen wir freundlicherweise als bekannt voraussetzen.“). Schmerz- erkennung und Schmerzmanage- ment seien stark von den Ansichten und Einstellungen des behandeln- den Fachpersonals abhängig.

Dieser Effekt scheint Martin zu- folge bei Patienten mit schweren Entwicklungsstörungen besonders ausgeprägt zu sein. Sie seien sehr häufig schmerzhaften Prozeduren ausgesetzt, zum Beispiel Blutent- nahmen, krankengymnastischer Be- handlung oder Orthesenanpassung.

Außerdem litten sie oft an schmerz- haften Erkrankungen, wie zum Bei- spiel Schmerzen des Bewegungsap- parats. Es sei aber auch an seltenere Ursachen von Schmerzen in spezi- ellen Situationen zu denken, zum Beispiel an Schmerzen durch Schrumpfung des Augapfels bei früh erworbenen Augenerkrankun- gen (Phthisis bulbi). Bei einer Be- fragung von medizinischem Fach- personal hätten 70 Prozent der Be- fragten angegeben, dass sie Schmer- zen kaum oder gar nicht richtig er- fassen konnten. Eine Unsicherheit in der Einschätzung der Schmerzin- tensität besteht bei 35 Prozent des Personals.

Viele Ärzte, die sich mit Men- schen mit Behinderungen befassen, kritisieren, dass zu zahlreichen Fra- gen empirische Studien fehlten.

Ärzte und Angehörige anderer Be- rufsgruppen seien in diesem Gebiet der Medizin ungenügend ausgebil- det. Die Praxen niedergelassener Ärzte seien in der Regel nicht auf die Behandlung von Patienten mit geistiger Behinderung eingestellt.

Auch Panteli stellte fest, dass viele seiner Kollegen „Behinderte nicht sehen wollen“. Sie hätten offenbar häufig die Befürchtung, dass ande- re Patienten wegbleiben könnten.

Martin fordert deshalb, die Inhalte der Medizin für Menschen mit geis- tiger oder mehrfacher Behinderung in die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung aufzunehmen. Haus- und Fachärzte benötigten eine be- sondere Qualifikation sowie ständi- ge Erfahrung. Menschen mit geisti-

ger Behinderung sollten in Heimen auf hohem Niveau versorgt werden.

Zusätzlich seien regionale und überregionale Behandlungszentren (Spezialkliniken, teilstationäre Ein- richtungen, Schwerpunktambulan- zen, sozialmedizinische Zentren, Konsiliardienste) mit Möglichkei- ten zu intensiver interdisziplinärer Zusammenarbeit einzurichten.

Prof. Dr. med. Michael Seidel, Geschäftsführer des Stiftungsbe- reichs und leitender Arzt der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, weist darauf hin, dass heute und erst recht künftig viele Men- schen mit geistiger und mehrfacher Behinderung ambulant betreut wer- den könnten und nicht erst in große stationäre Einrichtungen aufgenom- men würden. Er fordert für eine an- gemessene ambulante medizinische Versorgung brauchbare räumliche Bedingungen, erweiterte Haus- besuchsmöglichkeiten, vermehrten Zeitaufwand für Kommunikation und Diagnostik sowie eine adäqua- te Vergütung und personelle Aus- stattung. Bei schwer behinderten Menschen könnten qualifizierte und erfahrene Fachärzte sehr kompe- tent die Funktion des Hausarztes inklusive Case-Management über- nehmen. Auf jeden Fall seien ne- ben motivierten und kompetenten Mitarbeitern im medizinischen Re- gelversorgungssystem auch ergän- zende medizinische Zentren für Erwachsene mit geistiger und mehr facher Behinderung nötig, um spe- ziellen Fragen gerecht zu werden.

Hoppe kündigte an, dass sich die Bundesärztekammer in den nächs- ten Jahren verstärkt mit der gesund- heitlichen Versorgung von Men- schen mit geistiger und mehrfacher Behinderung befassen und zur Über- windung der dort eindeutig feststell- baren Unterversorgung beitragen wolle. „Dies tun wir unter Bezug auf unsere ethischen Grundüberzeugun- gen und auf die menschenrechts- politischen Forderungen.“ Auch der diesjährige Deutsche Ärztetag in Mainz wird sich intensiv mit dieser

Thematik befassen. n

Gisela Klinkhammer

STAMMHAUS

Alternativen zu Werkstätten und Heimunterbrin- gung für Menschen mit schwerer Behinderung gab es Anfang der 80er-Jahre im Kölner Raum nicht. Mehrere Eltern behinderter Kinder und einige Nichtbetroffene gründeten deshalb die Gemeinschaft Unser Platz im Leben. Nach fünf Jahren Arbeit im Verein entstand schließlich die Idee der Stammhaus gGmbH. 1986 fand die In- itiative in Köln-Weiden einen Bauernhof, den

sie sanierte und in dessen Wohnhaus 14 behin- derte Menschen leben. 1989 wurde ein Café mit einem breiten Kulturangebot eröffnet. Er- gänzt wurde das Konzept durch berufliche Schulungs- und Qualizierungsmaßnahmen.

Zurzeit wird ein neues Wohn- und Dienstleis- tungsangebot für Senioren und Menschen mit Behinderung geplant. Weitere Informationen:

www.stamm haus.de.

Viele Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung können ambulant betreut werden.

Michael Seidel, leitender Arzt in Bethel

Weitere Informationen im Internet:

www.aerzteblatt.de/09335

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Referenzen

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