Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 31|
9. August 2010 [127]MEINUNGSUMFRAGE ZU IGEL
Mit ärztlicher Berufung vereinbar
Ein Großteil der Ärzte hält nach einer Meinungsumfrage der Compugroup AG individuelle Gesundheitsleistungen für medizinisch sinnvoll. Ein Viertel lehnt IGeL weiterhin ab.
A
ls Erweiterung des Standard- angebots liegen individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in zahlreichen Praxen zunehmend im Trend. Mehr als ein Drittel der be- fragten Mediziner (33,6 Prozent) hat vier bis zehn IGeL-Angebote im Praxiskatalog stehen. 32,5 Prozent bieten ihren Patienten jeweils bis zu drei der Selbstzahlerleistungen an.Das geht aus einer Umfrage un- ter 440 Hausärzten, Kinderärzten und Gynäkologen hervor. Verant- wortlich für die Umfrage zeichnen die Compugroup Holding AG, die
„Rhein-Zeitung“ und der medizini- sche Fachtitel „Medical Tribune“.
Weit mehr als die Hälfte der be- fragten Ärzte (64,8 Prozent) ist zu- dem davon überzeugt, dass diese Leistungen ihren Patienten zusätz- lichen Nutzen bringen. Immerhin 35,5 Prozent aller Patienten inter - essieren sich für die IGeL-Ange- bote.
Die häufig geäußerte Kritik, dass der kommerzielle Ansatz des IGeL- Konzepts nicht mit der ärztlichen Berufung vereinbar sei, können viele Ärzte nicht nachvollziehen. Mehr als sechs von zehn Ärzten (64,8 Prozent) halten die zusätzlichen Leistungen für medizinisch sinn- voll und bekunden, dass sie die IGeL auch dann anbieten würden, wenn ihre Arbeit als Kassenarzt an- gemessener bezahlt wäre.
Lediglich 8,6 Prozent der Be- fragten sehen IGeL-Angebote als ein rein finanzielles Standbein, auf das sie bei einer besseren kassen- ärztlichen Vergütung verzichten würden.
Gefragt sind IGeL vor allem als ergänzende Leistungen. So haben beispielsweise 22,3 Prozent der Ärz- te labormedizinische Wunschleis- tungen ins Praxisprogramm aufge- nommen. 17,4 Prozent der Befragten bieten ferner Vorsorgeuntersuchun-
gen an, die über den gesetzlichen Leistungsumfang hinausgehen.
An dritter Stelle stehen mit 16,7 Prozent spezielle Untersuchungen und Bescheinigungen (zum Bei- spiel Atteste für Schulen oder Sportvereine oder bei Reiserück- tritt). Mehr als jeder siebte Arzt bie- tet besondere Ultraschalluntersu- chungen (15,2 Prozent) oder Imp- fungen (15 Prozent) an.
Gut ein Viertel der Befragten (26,6 Prozent) lehnt IGeL-Angebo- te aber nach wie vor für die eigene Praxis weiterhin ab. Die Gründe für diese Skepsis sind unterschiedlich und hängen zum Teil mit der fachli-
chen Ausrichtung zusammen. 36,8 Prozent der kritisch eingestellten Ärzte erklären, dass sich IGeL für sie einfach nicht lohnen. Fast vier von zehn IGeL-Kritikern (38,3 Pro- zent) halten die zahlungspflichtigen Angebote schlichtweg für unseriös.
Knapp ein Viertel (24,1 Prozent) ar- gumentiert, dass der Praxisalltag keine Zeit fürs IGeLn lässt.
Jeder neunte Arzt (11,1 Prozent) beobachtet bei seinen Patienten ein deutliches Misstrauen gegenüber IGeL. Gut ein Viertel (26,1 Prozent) gibt an, dass die Patienten gegen- über individuellen Gesundheitsleis- tungen neutral eingestellt seien. WZ
B E R U F
MODELLSTUDIENGANG MEDIZIN
Charité gibt Startschuss
Zum Wintersemester 2010/11 be- ginnt an der Charité – Universitäts- medizin Berlin der neue Modellstu- diengang Medizin. Das integrative Konzept zielt darauf ab, dass die Studierenden von Beginn an im Kontakt mit Patienten Krankheiten kennenlernen.
Dabei ist der Studiengang nicht in herkömmliche medizinische Fachgebiete unterteilt. Stattdessen studieren die künftigen Ärzte die Krankheiten geordnet nach Organ- systemen, übergeordneten Entste- hungsmechanismen und Lebensab- schnitten, in denen sie auftreten.
Die Medizinstudierenden sollen aber nicht nur vom frühen Patien- tenkontakt profitieren. Bereits ab dem zweiten Semester erhalten sie durch Wissenschaftsmodule und Forschungspraktika einen Einstieg in die Forschung. „Eine frühe Wei-
chenstellung für die spätere Wis- senschaftskarriere ist uns sehr wichtig“, erklärte Charité-Dekanin Annette Grüters-Kieslich. Darüber hinaus seien auch soziale und kom- munikative Kompetenzen elemen- tarer Teil des Lehrplans.
Manfred Gross, Prodekan für Studium und Lehre, sieht in der in- novativen Struktur des Curriculums
„eine wegweisende Neuausrich- tung“ des Medizinstudiums in Deutschland. „Wir vermitteln von Anfang an klinische Inhalte, wäh- rend die Grundlagenfächer wie Anatomie und Physiologie die Stu- dierenden bis zum letzten Examen begleiten“, so Gross. Damit gehöre die viersemestrige „Paukphase“
ebenso wie das sogenannte Physi- kum an der Charité ab dem kom- menden Semester der Vergangen-
heit an. hil