Experten der Ärzteschaft und des Gesundheitsministeriums beraten über Fragen der Arzneimittelinformation und Arzneimittelsicherheit d-e-w-Foto
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Aktuelle Politik
S
ein großes Interesse an Fragen der Arzneimittelsi- cherheit unterstrich der Bun- desminister für Jugend, Fa- milie und Gesundheit, Dr.Heiner Geißler, bei einer Ar- beitsbesprechung im Hause der Bundesärztekammer in Köln, bei der er sich einge- hend über die Arbeit der Arz- neimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, eines besonderen Fachausschus- ses der Bundesärztekammer, unterrichten ließ. Der Mini- ster erkannte ausdrücklich die Verdienste der Arzneimit- telkommission um die Infor- mierung und Beratung der Ärzteschaft an („Das könnte eine staatliche Stelle über- haupt nicht leisten"!). In Sachfragen zeichnete sich weitgehende Übereinstim- mung des Ministeriums mit den Vorstellungen der Bun- desärztekammer und ihrer Arzneimittelkommission ab, unter anderem
> über eine Verbesserung des Informationsflusses so- wohl zwischen Bundesge- sundheitsamt und der Fach- instanz der Ärzteschaft als auch zum verordnenden Arzt;
> gegenüber einem aus fachlicher Sicht abzulehnen- den staatlichen „Institut für Nebenwirkungen";
> gegen Meldepflichten und den Wildwuchs vielfältiger Melde-Unternehmungen;
> für eine Förderung be- schleunigter Nachzulassung
In aller
Interesse:
Arzneimittel- Sicherheit
Weitgehende Übereinstimmung zwischen dem Gesundheitsmini- sterium und den Repräsentanten der Ärzteschaft in Fragen der Arzneimittelversorgung
von „Alt-Arzneimitteln" auf freiwilliger Basis;
> und nicht zuletzt über eine Verkürzung der Frist zwi- schen Bekanntgabe und In-
krafttreten fundierter Be- schlüsse des Bundesgesund- heitsamtes (wofür sich insbe- sondere Prof. J. F. Volrad De- neke, der Hauptgeschäfts- führer der Bundesärztekam-
mer, einsetzte).
Prof. Dr. Fritz Scheler, der Vorsitzende der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft, erläuterte in der Besprechung noch einmal eindringlich die Erwartun- gen, welche die Arzneimittel- kommission und die Bundes- ärztekammer in eine verbes- serte Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsamt setzen: Es sollte sich nicht nur eine Art „Schlußabstim- mung" der Formulierungen vom Bundesgesundheitsamt zur öffentlichen Bekanntga-
be vorgesehener Texte rea-
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 4 vom 27. Januar 1984 (21) 177
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Arzneimittelinformation
lisieren lassen (die nämlich nicht nur der Öffentlichkeit ver- ständlich sein, sondern auch dem Arzt und Wissenschaftler einleuchten müssen!); es muß der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft auch ermöglicht werden, ergänzende Auskünfte, beispielsweise alternative The- rapievorschläge, vorzubereiten, die der einzelne Arzt — sobald er von der öffentlichen Bekanntga- be des Bundesgesundheitsam- tes erfährt — etwa bei der Arznei- mittelkommission, auch bei sei- ner Kassenärztlichen Vereini- gung, erfragen könnte.
Das Ministerium hat jedenfalls zugesagt, „die Voraussetzun- gen für eine rechtzeitige Infor- mation der Ärzte und Apotheker bei wichtigen Arzneimittelent- scheidungen zu schaffen". Da- mit wäre ein wichtiger Schritt zu verbesserter Information getan, auch wenn der einzelne Arzt nach wie vor nur gleichzeitig mit dem Patienten über allgemeine Presse, Rundfunk und Fernse- hen von den Bekanntgaben des Bundesgesundheitsamtes er- fahren kann (de facto sogar oft erst nach dem Patienten, der — z. B. als Rentner — am Morgen des Arztbesuchs eher Zeit und Gelegenheit zur Zeitungslektüre hat als der Arzt selbst).
Effiziente ärztliche Beiträge zur Arzneimittelsicherheit Status, Zusammensetzung und Aufgaben der Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzte- schaft hatte — die Arbeitsbespre- chung einleitend — der Präsident der Bundesärztekammer Dr.
Karsten Vilmar umrissen; Prof.
Dr. F. Scheler zeigte die Aktivitä- ten im einzelnen auf, ergänzt von den Vorstandsmitgliedern der Arzneimittelkommission Dr.
W. Rummel, Prof. Dr. W. Dölle, Prof. Dr. D: Henschler, Prof. Dr.
W. Kreienberg und den ge- schäftsführenden Ärzten der Kommission, Dr. Karl H. Kimbel und Priv.-Doz. Dr. H. Ochsen- fahrt. Dabei wurden eindrucks-
voll die zwei Hauptaufgaben herausgestellt:
0 die Beratung der Ärzte, bei- spielsweise mittels der „Arznei- verordnungen" (deren 15. Aufla- ge in wenigen Wochen erschei- nen wird; Dr. Eckart Fiedler, der Hauptgeschäftsführer der Kas- senärztlichen Bundesvereini- gung, dazu: „... auf dem Arz- neimittelsektor die beste Infor- mation, die es für den Arzt gibt!") oder mittels der „Arznei- verordnungen für die Praxis", die jeder Kassenarzt regelmäßig über seine Kassenärztliche Ver- einigung erhält. Zu dieser Bera- tung gehören auch eine Vielzahl mündlicher und schriftlicher Mitteilungen an einzelne Ärzte oder an die Gesamtärzteschaft;
0 die Beiträge zur Gewährlei- stung der Arzneimittelsicher- heit, in deren Mittelpunkt das Spontan-Erfassungssystem von Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen steht.
Dieses ärztliche Spontan-Melde- system hat sich mindestens so gut bewährt wie die Meldesyste- me anderer Staaten, beispiels- weise der USA oder Großbritan- niens. Im allgemeinen ergeben sich aus den freiwilligen Mel- dungen, die jetzt schon von rund 5000 Ärzten an die Arznei- mittelkommission der deut- schen Ärzteschaft gehen, die gleichen Signale wie in anderen Ländern; in Einzelfällen er- brachte das System ärztlicher Selbstverwaltung in der Bundes- republik sogar erste Hinweise auf unerwünschte Wirkungen in- ternational verbreiteter Mittel.
Nach Auswertung in einem Fachausschuß der Arzneimittel- kommission gehen entspre- chende Meldungen an das Bun- desgesundheitsamt und an eine Sammelstelle der Weltgesund- heitsorganisation (WHO) in Upp- sala, bei hinreichenden Ver- dachtsfällen wird das Frühwarn- system in Gang gesetzt, insbe- sondere erfolgt auch eine früh- zeitige Informierung der Ärzte über Auffälligkeiten.
Wir brauchen keine neuen staatlichen Institutionen Aus den Erfahrungen der Arz- neimittelkommission bei der Sammlung und Auswertung von Nebenwirkungsmeldungen er- gaben sich auch die Antworten auf Fragen, die Prof. Dr. med.
Manfred Steinbach, Ministerial- direktor im Bundesministerium für Jugend, Familie und Ge- sundheit, bei der Besprechung in Köln an die Repräsentanten der Bundesärztekammer bzw.
ihrer Arzneimittelkommission stellte: Brauchen wir etwa ein
„Institut für Nebenwirkungen"?
Brauchen wir eine Meldever- pflichtung für die Industrie?
Brauchen wir verschiedene Mel- de-Unternehmungen nebenein- ander?
Ein „Nebenwirkungsinstitut" ist völlig überflüssig; ein entspre- chender Wissenschaftlerstab ist ohnehin nicht zu gewinnen.
Überhaupt erscheinen keine neuen staatlichen Institutionen nötig. Besser ist eine gezielte Zusammenarbeit zwischen dem Bundesgesundheitsamt und der ärztlichen Arzneimittelkommis- sion, der alle kompetenten Wis- senschaftler der Bundesrepu- blik angehören oder auskunfts- bereit sind.
Schwieriger mutet die Frage nach einer Meldepflicht der In- dustrie an; sie wird von der Arz- neimittelkommission eher mit
„nein" beantwortet („Die Mel- dungen werden versiegen").
Überhaupt: Eine Vielfalt von Melde-Unternehmungen möge der Ärzteschaft vom Hals gehal- ten werden! Die ärztlichen Kol- legen wollen freiwillig an eine ärztliche Stelle melden, wobei die Betonung sowohl auf „frei- willig" als auch auf „eine" und
„ärztliche" liegt; sie wollen die Vertraulichkeit auch von Ver- dachtsfällen gewahrt wissen, während sie durch staatlichen Zwang bei jeder Meldung von Rechts wegen beim Wort ge- nommen würden. Roe/DA 178 (22) Heft 4 vom 27. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A