A2914 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 44⏐⏐3. November 2006
P O L I T I K
sung als die Kassenärztliche Bundes- vereinigung. Doch was Kritik an den KVen und Ausstiegsszenarien aus dem kassenärztlichen System anbe- langt, äußerten sich Winn wie die Delegierten zurückhaltend. Trotz der Unzufriedenheit werde stellenweise wenig Bereitschaft zum Ausstieg sig- nalisiert, hieß es. „Wir sollten den Systemausstieg nicht androhen, denn wir könnten ihn nicht umsetzen“, warnte ein Delegierter. „Ist eine KV, die durch den Gesetzgeber immer engere Fesseln angelegt bekommt, der richtige Gegner?“, gab Winn zu bedenken. Und lieferte gleich die Antwort: „Ich meine, nein. Wer von uns könnte denn über Nacht die Lücke füllen, wenn die KVen nicht wären?“ Gleichzeitig machte er klar, warum der Hartmannbund eigene Lösungs- und Gestaltungswege sucht:
„Wenn der politische Wille erkennbar zu Einzelverträgen auch außerhalb des KV-Systems tendiert, werden wir dem nicht sprach- und tatenlos ent- gegensehen.“
Diese Einschätzung spiegelte sich in den Beschlüssen wider. Der Hartmannbund hat bereits ein eige- nes Referat „Tariffragen und sta- tionäre Versorgung“ eingerichtet.
Nun soll der Vorstand das Bera- tungskonzept weiterentwickeln, un- ter anderem, um Mitglieder bei der Gründung und dem Aufbau Medizi- nischer Versorgungszentren zu be- raten und um Honorarverträge für niedergelassene Ärzte mit anderen Leistungserbringern und den Kran- kenkassen auszuarbeiten. I Sabine Rieser
D
ass es im Rahmen der gerade begonnenen parlamentari- schen Beratungen zur Gesundheits- reform noch zu größeren Änderun- gen der Regierungspläne kommt, gilt als ausgeschlossen. Nachbesse- rungen an der einen oder anderen Stelle des Gesetzentwurfs sind je- doch möglich. Dies gab der stell- vertretende Vorsitzende der Unions- fraktion, Wolfgang Zöller (CSU), bei einer Fachveranstaltung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) in Berlin zu verstehen.Zöller stellte klar, Korrekturen seien insbesondere bei der Ausgestaltung alternativer Versorgungsformen möglich. So sollten die Kassenärzt- lichen Vereinigungen (KVen) bei der integrierten Versorgung als Ver- tragspartner auftreten dürfen. Im Gesetzgebungsverfahren werde die Union entsprechende Änderungen anstreben, kündigte Zöller an.
Der Gesetzentwurf sieht bislang vor, dass die KVen sowohl bei der integrierten Versorgung als auch bei der hausarztzentrierten Versorgung
nicht als Vertragspartner agieren dürfen. Sie können auch nicht über die von ihnen gegründeten Dienst- leistungsgesellschaften einbezogen werden. Die politisch immer wieder betonte Wettbewerbsorientierung werde so vollständig aufgehoben, kritisierte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. med. Andreas Köhler.
Würde der Entwurf umgesetzt, gäbe es künftig zwar einen wettbewerbli- chen Sektor mit Sonderverträgen.
Zu diesem hätten aber allenfalls
ausgewählte Akteure Zugang. „Den KVen bliebe nur noch die Rolle des Resteverwerters“, sagte Köhler.
Als Auslaufmodell möchte er die ambulante Versorgung heutiger Prägung dennoch nicht verstanden wissen. Bei der KBV-Veranstal- tung führte Köhler aus, dass es ins- besondere in Ballungsräumen und bei hoch spezialisierten Fächern zu neuen Formen der Zusammenar- beit kommen werde. „Deshalb ist die Einzelpraxis aber noch lange nicht tot“, sagte Köhler. Gerade auf dem Land gebe es keine Alter- native zum niedergelassenen Frei- berufler. Zumal die KVen die Er- tragsgrundlage von Ärzten in dünn besiedelten Regionen mit Investi- tionshilfen und Punktwertgaranti- en sicherten.
Anders sah dies Dr. Michael Philippi, Geschäftsführer der Sana- Managementgesellschaft. Gerade in der Fläche seien Einzelpraxen auf Dauer nicht überlebensfähig. Doch nicht die Versorgung werde ver- schwinden, sondern die gegenwär- tigen Ineffizienzen. Einzelpraxen könnten nur dann wirtschaftlich ge- führt werden, wenn sie Teil eines Netzwerkes unter Einbeziehung von Krankenhäusern würden.
Dass Ärzte hierfür nicht unbe- dingt ihre Freiberuflichkeit aufge- ben und sich in ein Angestelltenver- hältnis begeben müssten, hob Dr.
Wolfram Otto, Leiter des Polikums Berlin-Friedenau, hervor. In seinem Gesundheitszentrum sei schon jetzt die elektronische Patientenakte realisiert. Dieses Modell ließe sich auch auf die Versorgung in der Fläche übertragen. Krankenhäuser, Medizinische Versorgungszentren und Hausärzte könnten die Patien- tenversorgung durch eine elek- tronische Vernetzung effizienter
gestalten. I
Samir Rabbata
GESUNDHEITSREFORM/VERTRAGSÄRZTE
Korrekturen möglich
Das Gesetzgebungsverfahren für die Gesundheitsre- form hat begonnen. Die Union erklärt, sie wolle dabei Forderungen der KVen berücksichtigen.
Klare Linie:
„Dieses Gesetz muss in toto weg!
Und dann muss man an den Leistungskatalog heran“, fordert Dr. med. Kuno Winn.
Die KVen sollten bei der integrierten Versorgung als Vertragspartner auftreten dürfen.
Wolfgang Zöller (CSU), stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion