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Archiv "Gesundheitsreform 2006: Uniformisten am Werk" (18.08.2006)

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 33⏐⏐18. August 2006 AA2141

KOMMENTAR

A

ls Union und SPD nach der Bun- destagswahl im Herbst 2005 ihren Dissens über die Gesund- heitsreform im Koalitionsvertrag fest- gehalten hatten, wagte Ulla Schmidt ei- ne Prognose. Womöglich, so sinnierte die Bundesgesundheitsministerin in kleinem Kreis, würden sich SPD und CDU 2006 auf einen Kompromiss verständigen, der jeder der beiden großen Parteien gestatte, nach einer gewonnenen Wahl 2009 die Weichen endgültig in ihrem Sinne zu stellen.

Nun gibt es den Kompromiss, der das politische Problem des Koalitions- streits um Bürgerversicherung und Kopfpauschale löst, nicht

aber die Probleme der Ge- setzlichen Krankenversi- cherung (GKV).

Deshalb tun sich Bun- deskanzlerin Angela Mer- kel und ihre Ministerin so schwer, der Öffentlichkeit eine Grundidee der Re- formeckpunkte zu vermit- teln. Beide müssten wis-

sen: Das Modell des Gesundheitsfonds bringt für das Gesundheitswesen kei- ne zusätzlichen Einnahmen. Nicht ein- mal die drängendsten Finanzproble- me haben die Koalitionäre einer Lö- sung näher gebracht, wie die völlig un- gerechtfertigte pauschale Budgetkür- zung bei den Krankenhäusern um 500 Millionen Euro belegt. Die Beiträge werden 2007 steigen, aber nicht um die Unterfinanzierung zu beheben, son- dern um das politisch verursachte De- fizit auszugleichen. Zwar soll der gera- de abgebaute Bundeszuschuss an die GKV von 2008 an in bescheidenem Umfang wieder eingeführt werden, doch woher das Geld kommen soll, steht noch in den Sternen. Mit diesem Hin und Her hat die große Koalition innerhalb weniger Monate den Be- weis erbracht, dass eine Finanzierung des Gesundheitswesens aus Steuer- mitteln nie verlässlich sein wird.

Programmatisches Ziel der CDU (weniger der CSU) ist ein System, in

dem die Krankenkassen im Wettbe- werb stehen, jedes Mitglied unabhän- gig vom Einkommen eine Kopfpau- schale zahlt und alle, die den Beitrag nicht aufbringen können, aus Steuer- mitteln unterstützt werden. Dass die einzelne Krankenkasse nach dem Re- formplan eine Pauschale aus dem neu- en Gesundheitsfonds erhält, die sie, wenn sie damit nicht auskommt, durch einen von den Versicherten zu zahlen- den Zusatzbeitrag aufstocken kann, mag in diese Richtung weisen. Auch die Steuerfinanzierung könnte man so deuten, weil die Versicherung von Kin- dern als gesamtgesellschaftliche Auf-

gabe gilt, die nicht nur den Beitrags- zahlern aufgebürdet werden solle.

Die Politiker kündigen stärkeren Wettbewerb zwischen den Kranken- kassen und mehr Wahlfreiheit für die Versicherten an. Aber Kernelemente des Entwurfs weisen in eine ganz an- dere Richtung: hin zu einer staatlichen Einheitsversicherung. Zwar bleibt die private Krankenversicherung (PKV) bestehen, auch von einer Bürgerversi- cherung, die Selbstständige und Be- amte der Versicherungspflicht unter- werfen würde, ist nicht die Rede.Aber die Plattform dafür wird geschaffen:

Der Wechsel in die PKV wird er- schwert, die Privatversicherung durch Ausweitung des Basistarifs und ein gemeinsames Leistungsverzeichnis mit vergleichbarer Vergütung der GKV angenähert. Vor allem aber wird die Gesetzliche Krankenversicherung um- gekrempelt. Die Umstellung des in Jahrzehnten bewährten Beitragsein- zugsverfahrens für die gesamte Sozial-

versicherung ist überflüssig. Zwei par- allele Erhebungsverfahren – durch den Fonds und durch die Kranken- kasse für den Zusatzbeitrag – werden nicht weniger, sondern mehr Geld ko- sten, das für die Versorgung nicht zur Verfügung steht.

Wirklich systemverändernd sind weitere Maßnahmen: Die Kassen sol- len ihre Beitragshoheit verlieren, den Beitragssatz bekommen sie vom Bun- destag vorgegeben. Da ist es konse- quent, die gemeinsame Selbstver- waltung durch eine Behörde zu erset- zen, die auf der Basis des politisch be- willigten Geldes Mangelverwaltung betreiben darf. Die Or- ganisationen der Kassen- arten will die Koalition zu gemeinsamen Bun- des- und Landesverbän- den zwangsvereinigen, die sämtliche Kollektiv- verträge schließen sollen.

Für die Ärzteschaft ist das keine gute Perspekti- ve, säße dann doch auf der anderen Seite des Tisches nur noch ein übermächtiger Vertragspart- ner. Auch für die Patientenversorgung verspricht es nicht Gutes, dass Ulla Schmidt eine staatsnahe Einheitsver- sicherung anstrebt. In diesem Leitbild ist für miteinander im Wettbewerb stehende Kassenarten kein Platz.

Uniformität und Reglementierung statt Vertragsfreiheit und Vielfalt lau- tet die Devise. Nicht nur die Ministe- rin unterliegt dabei dem Irrtum, dass viele Kassen hohe Verwaltungskosten verursachen, wenige Kassen geringe und dass eine einzige am günstigsten wirtschaften würde. Wäre dies so, müsste die Bundesagentur für Arbeit eine effiziente Behörde sein. Tatsäch- lich nimmt mit der Größe die Büro- kratie eher zu.

Sollten die Uniformisten und Ver- staatlicher nicht noch gestoppt wer- den, wären die Weichen falsch gestellt – viele, so steht zu befürchten, auf

Dauer. Heinz Stüwe

Gesundheitsreform 2006

Uniformisten am

Werk

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