Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 6½½½½8. Februar 2002 AA317
S E I T E E I N S
D
er Bundesrat hat der Bundesre- gierung am 1. Februar einen Strich durch die Rechnung gemacht – vorerst. Er stoppte das vom Bun- desgesundheitsministerium (BMG) konzipierte Fallpauschalengesetz.Dieses sollte schnell über die par- lamentarischen Hürden gehoben werden, damit es am 1. Januar 2003 in Kraft treten kann. Es basiert auf einer Vorgabe der Gesundheitsre- form 2000. Danach sollen die Lei- stungen im Krankenhaus ab 2003/
2004 durch diagnoseorientierte Fall- pauschalen (DRGs) vergütet wer- den. Dass dieses Vorhaben nun grundsätzlich neu überdacht wird, ist trotz der Bundesrat-Blockade nicht zu erwarten.
Das BMG ist optimistisch: Die Bundesregierung werde zügig ein Vermittlungsverfahren einleiten, ver-
lautete bereits wenige Stunden nach dem negativen Votum des Bundes- rates aus dem Ministerium. Als nächster Termin käme dafür der 26.
Februar infrage; somit könnte sich der Bundesrat am 1. März erneut mit dem Gesetz befassen. Bis dahin muss freilich noch nachgebessert werden. Kompromissbereit zeigt sich das Ministerium bei den beson- ders von Brandenburg kritisierten Mindestfallzahlen, die die Abrech- nungsfähigkeit einer Pauschale be- stimmen sollen. Das BMG schlägt jetzt vor, dies auf planbare Opera- tionen zu begrenzen, damit in dünn besiedelten Regionen die Versor- gung gesichert bleibt.
Die Länder kritisierten zudem, das neue Gesetz gefährde die flächendeckende Versorgung. Sie befürchten vor allem einen Eingriff
in ihre Kompetenz bei der Kran- kenhausplanung. Sie wollen die Möglichkeit streichen, dass sich Krankenhäuser und Krankenkas- sen im Alleingang auf Strukturver- änderungen einigen können. Das BMG weist dies zurück. Die örtli- chen Strukturen würden sich zwar ändern, die Planungshoheit der Länder werde jedoch nicht tangiert.
Unnachgiebig bleibt das Ministe- rium auch bei den Sicherstellungs- zuschlägen. Die Länder sollen de- ren Höhe keinesfalls selbst bestim- men. Damit will das BMG verhin- dern, dass ein Krankenhaus einen Zuschlag erhält, obwohl ein be- nachbartes die Leistungen ohne Zuschlag erbringen könnte. Jeder Kompromiss in dieser Richtung würde das Gesetz konterkarieren, heißt es. Dr. med. Eva A. Richter
Fallpauschalengesetz
Vorerst gestoppt
Ü
ber die Gesundheitsreform darf weiter gerätselt werden. Bundes- gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bleibt auf ihrem Beschwichti- gungs- und Befriedungskurs: Die SPD plane keine gravierende, sy- stemverändernde Strukturreform.Der Dialog am Runden Tisch mit den Leistungserbringern und den Kostenträgern sei nützlich und brin- ge die Diskussion weiter, weil hier auf Expertenebene ausgelotet wer- den könne, was konsensfähig und politisch machbar ist.
Den Reformbedarf will die Poli- tik noch vor der Bundestagswahl ab- klären. Dabei dürfte der Konsens in der Regierungskoalition schwierig sein, zumal allein bei den Sozialde- mokraten sechs Reformpapiere zur Gesundheitsreform mit zum Teil ab- weichenden Positionen kursieren.
Vor einer Expertenrunde „Sozia- le Marktwirtschaft“ der Bertels- mann-, Heinz Nixdorf- und Ludwig- Erhard-Stiftung am 1. Februar in Hamburg erteilte die Ministerin al- len spekulativen Extremlösungen und wagnisbehafteten Reform-Op- tionen eine Absage. So wird es kas- sengesteuerte Einkaufsmodelle mit Ulla Schmidt nicht geben – aller- dings mehr Wahlfreiheiten für Ärz- te. Diese müssten darüber entschei- den, ob sie direkt mit den Kranken- kassen Verträge schließen oder ob sie an den Verträgen der KVen nach dem Prinzip „einheitlich und ge- meinsam“ teilhaben wollen.
Nach der Devise, das Solidarprin- zip in der GKV dürfe nicht angeta- stet werden, will die SPD den Pflichtleistungskatalog beibehalten und den Versicherten einen „umfas-
senden Leistungsanspruch“ garan- tieren. Deshalb wird das von der CDU und der FDP empfohlene Splitting in Grund- und Wahlleistun- gen strikt abgelehnt. Dagegen soll- ten Hausarzttarife bei einem Bei- tragsnachlass erprobt werden. Bei der Arzneimitteltherapie sollte ein Arzneimittelsicherheitssystem die Qualität steigern. Ein unabhängiges Institut soll den Nutzen eines Arz- neimittels im Verhältnis zum Preis bewerten und unwirtschaftliche so- wie Me-too-Präparate auf den Index setzen. Die Bundesregierung will mit einem Präventionsgesetz sämtli- che Regelungen zur Prävention und Gesundheitsaufklärung zielgerecht zusammenfassen – ähnlich wie das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Reha- und Schwerbehindertenrecht im SGB IX. Dr. rer. pol. Harald Clade