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Archiv "„Kollege Computer“" (17.11.1995)

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THEMEN DER ZEIT

Menschliche Intelligenz ist heut- zutage kaum mehr sortenrein anzu- treffen, auch in der Medizin nicht.

Menschliche und künstliche Intelli- genz greifen sekündlich ineinander, in Klinik und im Rettungswesen noch mehr als in der Praxis. Kontrolle fin- det da längst nicht mehr nur in eine Richtung statt. Ohne Chips gibt es keine differenzierte Bestrahlungspla- nung, keine Betriebssicherheit bei Herz-Lungen-Maschinen und bei Narkosen, kein beruhigend waches

„Kontroll-Blipblip" auf Intensivsta- tionen. Das geht längst weit über den früheren Unterstützungscharakter hinaus: „Kollege Computer" über- nimmt immer öfter. Man macht einen Fehler, wenn man Computer nur als dumme Intelligenzverstärker ansieht.

Der Rang, den Chips und Auto- mation einnehmen, wird in der Medi- zin vor allem deshalb nicht so klar wahrgenommen, weil nicht mit dem Menschen konkurriert wird. Wäre die Konkurrenz gewollt, käme der Mensch oftmals in die Defensive.

Als Maß der Dinge taugt das Menschenhirn nur unter der Annah- me permanenter Motivation, Ausge- schlafenheit, exzellentem Training und voller körperlicher Funktions- fähigkeit. Deshalb darf als Referenz nicht die theoretische menschliche In- telligenz genommen werden, sondern die real existierende, eher durch- schnittliche Intelligenz. Diese ist eben nicht nur Intuition und Genialität, son- dern hat eine erhebliche Alltagskom- ponente. Ein Computer ist nicht intri- gant, er macht nie Fehler aus Eitelkeit, Vergeßlichkeit, Gewinnsucht oder Übermüdung, und er bringt beliebig

KOMMENTAR/GLOSSE

lange gleiche Leistung. Aber auch das munterste Gehirn ist nicht nur Intelli- genz, sondern immer auch Laune, Stimmung und manchmal gar psychi- sche Störung. Kein Arzt aber kann ärztlich Geniales leisten, wenn sein Er- gebnis oder Vorhaben nicht beim Pati- enten oder Kollegen ankommt.

Was den Menschen zum Men- schen macht, steht in der Regel in Konkurrenz zu seinem Funktionie- ren. „Das Gehirn ist in seiner Kom- plexität für Software nicht kopier- bar." Richtig, aber zwiespältig, denn zu dieser Komplexität gehört eben auch die Überforderbarkeit des menschlichen Gehirns. Dafür hat ein Computer keinerlei Verständnis.

Viel an dem, was dem Gehirn gutgeschrieben wird, liegt viel eher in den Sinnesorganen und den Händen:

Den fast grenzenlos leistungsfähigen

Mein Liebling, wenn Du heute nach Hause kommst, wirst Du unser Heim leer finden. Ich bin nämlich auf unbestimmte Zeit zu meiner Mutter gezogen und bitte Dich herzlich, darin kein F 91.3 zu sehen. Es handelt sich bei mir tatsächlich eher um ein immer stärkeres R 45.2, das in eine F 32.0 überzugehen droht.

Ohne Dich jetzt mit unpassen- dem R 46.7 behelligen zu wollen, möchte ich doch versuchen, Dir mein R 46.2 ein bißchen verständlich zu machen. Seit Du Dich entschlossen hast, die Welt durch das Filter der ICD-10 zu sehen, bist Du mir irgend- wie fremd geworden. Ich stelle näm- lich bei Dir immer häufiger ein zuneh- mend ausgeprägtes R 46.2 fest. Das fängt schon morgens beim Frühstück an, wenn Du Dich hinter Deiner amt- lichen deutschsprachigen Ausgabe (ISBN 3-456-82578-1) verschanzt und auf Fragen von mir allenfalls mit R 45.4, wenn nicht gar R 45.5 reagierst.

Dir selbst fällt wohl gar nicht auf, wie offensichtlich Deine R 46.0 inzwi- schen schon geworden ist, manchmal bis hin zum R 19.6. Und wenn ich ver- suche, Dein liebevolles Interesse an

Computern fehlt es an den Sinnen, sie können nicht so differenziert fühlen, riechen und sehen wie der Mensch, und sie können das Gewollte nicht feindosiert und schnell in die hochdif- ferenzierte Arbeit der Hand umset- zen, wie es auch dem durchschnitt- lichsten Chirurgen noch gelingt.

Computer können die individuel- le Situation und die Prognose des Pati- enten nicht einbeziehen. Aber auch dieser volle Minuspunkt für die EDV ist kein voller Pluspunkt für den Men- schen. Denn auch hier berät nicht im- mer der mitfühlende, informierte und von zeitlichem Druck losgelöste Hel- fer, sondern oft der gehetzte Alltags- arzt oder gar der gefühllose Egomane.

Man darf gespannt sein, was die Computerisierung noch bringen wird.

Das Mensch-Maschinen-Problem bietet reichlich Stoff — sowohl für Fortschrittsglauben als auch für Fort- schrittsangst.

Dr. med. Wolfgang A. Rühle

mir wieder durch ein R 46.1 zu wecken, ernte ich bei Dir höchstens R 23.2 und R 25.0. Am schmerzlichsten aber trifft mich Dein F 52.2, das bei mir zunehmend R 45.1 und F 51.0 auslöst.

Du darfst mich bei Mutter besuchen, wenn Du sicher bist, daß sich bei Dir wieder ein F 52.7 eingestellt hat und wenn Du die ICD-10 verbrannt hast.

In Liebe Dr. med. Gudrun Heck

Legende:

F 32.0 Leichte depressive Episode, F 51.0 Nichtorganische Insomnie, F 52.2 Versagen genitaler Reaktio- nen, F 52.7 Gesteigertes sexuelles Verlangen, F 91.3 Störungen des Sozi- alverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten, R 19.6 Mund- geruch, R 23.2 Gesichtsrötung, R 25.0 Abnorme Kopfbewegungen, R 45.1 Ruhelosigkeit und Erregung, R 45.2 Unglücklichsein, R 45.4 Reizbarkeit, R 45.5 Feindseligkeit, R 46.0 Stark vernachlässigte Körperpflege, R 46.1 Besonders auffälliges äußeres Er- scheinungsbild, R 46.2 Seltsames und unerklärliches Verhalten, R 46.7 Wortschwall oder umständliche De-

tailschilderung

„Kollege Computer"

ICD-10-geschädigt

A-3224 (32) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 46, 17. November 1995

Referenzen

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