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Worauf es beim Übermitteln schlechter Nachrichten ankommt

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Academic year: 2022

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H A L I D B A S

Die Kommunikation über HIV-Infektio- nen bietet einige besondere Herausfor- derungen. Einerseits sind viele und komplexe Informationen zu vermitteln, und die Patienten stammen häufig aus Risikogruppen, die auch ein vermehr - tes Risikoverhalten zeigen. Andererseits muss mit dem Überbringen eines positi- ven Testergebnisses auch eine Vermitt- lung der daraus resultierenden Konse- quenzen erfolgen. «Ziel der Informati- onsvermittlung ist, eine möglichst gute Behandlungsbereitschaft und Therapie- adhärenz zu erreichen und eine Vermin- derung des Risikoverhaltens zu erzie- len», umriss Andreas Linde die Stoss- richtung der Kommunikation in der speziellen Situation. In diesem Zusam- menhang erinnerte er an das transtheo- retische Modell von Prohaska und DiClemente, das zwischen den Phasen Precontemplation – Contemplation – Preparation – Action (z.B. im Prozess des Rauchstopps, aber auch beim HIV- Test) unterscheidet und in jeder Phase eine unterschiedliche Kommunikation

erfordert. Diese Anpassung ist wichtig, da sich sonst der Patient womöglich rat- los fragt: Was hat der Arzt eigentlich er- zählt?

Die allgemeine Kommunikationsstrate- gie stützt sich zunächst auf einfache, aber wichtige Dinge:

■ Warten (und schauen, was beim Pa- tienten passiert)

■ Wiederholen (nahe beim Gegenüber sein)

■ Spiegeln (auf Emotion und Inhalt)

■ Zusammenfassen (und sich dies be- stätigen lassen).

Angst und Aufnahmekapazität

«Pausen beim Sprechen zu machen und dabei den Patienten anzuschauen, ist ein äusserst wichtiges Mittel zur Struk- turierung des Gesprächs», erinnerte Dr.

Linde, «und vergessen Sie nicht: Wenn

zwei über das Gleiche reden – sogar mit denselben Worten –, meinen sie nicht unbedingt dasselbe.» Zwischen Arzt und Patient oder Patientin, zwei Part- nern mit ganz unterschiedlichen Vor - aussetzungen, muss eine gemeinsame Realität geschaffen werden – dies ist die eigentliche Kunst der Informationsver- mittlung.

Wie und ob die Information beim Adres- saten ankommt, unterliegt vielfältigen

Einflüssen. Aus Untersuchungen ist be- kannt, dass Patienten in der Umgebung einer Praxis neue Informationen oder solche ohne Bezug zu den vorherigen Konsultationen nur gerade zu 10 bis 30 Prozent behalten, dass Informatio- nen mit Bezug zu vorangegangenen Konsultationen hingegen zu 90 bis 95 Prozent erinnert werden. Auch gut er- forscht ist, dass die Vergessenskurve mit der Menge an vermittelter Information exponentiell ansteigt und dass zudem ungeordnet erinnert wird. Material, das an bereits vorhandene Vorstellungen an-

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Worauf es beim Übermitteln schlechter Nachrichten ankommt

Den Emotionen Raum lassen

Beim Übermitteln eines positiven HIV-Test-Resultats oder anderer schwerwiegender Befunde und Diagnosen stehen Patienten und Arzt oder Ärztin vor einer Belastung, die durch bessere Kommunikation befriedi- gender bewältigt werden kann. In der Praxis wichtige Gesichtspunkte zur Gesprächsführung in schwierigen Situationen umriss Dr. med. Andreas Linde, Oberarzt an der Abteilung für Psychosomatik des Universitäts - spitals Basel.

Dr. med.

Andreas Linde

«Typische Fehler sind vorschneller Trost und

vorschnelle Ratschläge. Ein Arzt, der sie begeht, hat

in den Augen des Patienten schon verloren.»

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knüpfen kann, wird hingegen besser behalten. Die Informationsvermittlung muss daher in jedem Fall auf geeignete Weise strukturiert werden.

«Angst vermindert die Aufnahmekapa- zität drastisch», sagte Andreas Linde.

Emotional gefärbte Erregung, zum Bei- spiel Angst oder Schmerz, induziert zudem einen emotionalen Bias ins Ne- gative, nur diejenigen Informationen werden behalten, die der gegenwärtigen emotionalen Tönung entsprechen. Eine Wiederholung führt so zur jeweils wie- derkehrenden Verstärkung einer negati- ven Wahrnehmung.

Umgang mit Gefühlen

Einige Gefühle sind eindeutig erkenn- bar, etwa Angst, Trauer, Enttäuschung, Hoffnung. Die eigentlichen Gründe für diese Gefühle sind dennoch oft versteckt und müssen exploriert werden, sie kön- nen beispielsweise weniger mit der eben übermittelten Diagnose als mit den ak- tuellen Lebensumständen des Patienten (etwa Prüfungsstress oder Beziehungs- problematik) zu tun haben. Gefühle müssen benannt werden, eine subjek- tive Formulierungsweise ist dabei emp- fehlenswert: «Ich habe den Eindruck, dass Sie …» oder auch als Frage: «Diese Situation muss sehr schwierig sein für Sie, oder?» Benennungen sollen als Vor- schlag unmittelbar, respektvoll und in angemessener Intensität erfolgen. Da- nach soll eine Pause folgen, in der Blick-

kontakt gesucht und die Reaktion beob- achtet wird. «Typische Fehler sind vor- schneller Trost und vorschnelle Rat- schläge. Ein Arzt, der sie begeht, hat in den Augen des Patienten schon verlo- ren», warnte Andreas Linde.

Neben expliziten ist auf implizite Ge- fühle zu achten, hier sind Gesichtsaus- druck oder Körperhaltung des Patienten nicht schlüssig. Aber auch den eigenen Gefühlen muss mit Innehalten und Selbstreflektion Raum gegeben werden:

■Gibt es einen unklaren Eindruck der eigenen Stimmung?

■Kann diese Empfindung klarer ver- dichtet, verstärkt gefühlt werden?

■Kann diese Empfindung als ein Ge- fühl benannt werden?

■Wie kann dieses Gefühl mitgeteilt werden?

«Benennen Sie das Gefühl als Vor- schlag», so der Rat des Fachmanns, zum Beispiel: «Ich habe den Eindruck, dass Sie sehr besorgt sind.» Das Innehalten (Time-out) kann auch nur von kurzer Dauer sein, zehn Sekunden Pause im Gespräch werden als lang erlebt und können als Time-out schon reichen.

Der Einbezug der Gefühle beim Patien- ten ist Teil des therapeuti- schen Prozesses, das- selbe gilt aber auch für die eigenen Gefühle des Arztes. Sie sind unab- dingbar für die Begeg- nung zwischen Men- schen. Um sie therapeu- tisch zu nutzen, muss man sie kennen.

Eine weitere Klippe ist der Umgang mit sehr intensi- ven Emotionen. Nach einem solchen Ausbruch soll man nicht sofort be- ruhigen oder beschwich- tigen oder das Thema wechseln. Besser ist es, sich zu fragen, was bei

einem selbst jetzt los ist, sich identifizie- rend zu erspüren, was jetzt im Raum steht, und dies in ein Gesprächsangebot umzuwandeln. Dann gilt es abzuwar- ten, ob die Patientin oder der Patient zu- stimmt oder von sich aus das Thema

wechselt. In einem weiteren Schritt kann sich der Arzt als Experte anbieten.

Auch im Zusammenhang des schwieri- gen Gesprächs soll man keine Angst vor dem Offenlegen der Zeitgrenzen haben:

«Es mag als Paradox erscheinen, aber es ist nie ein Problem, dem Patienten zu sagen, wie viel Zeit man hat, dies dient der Strukturierung des Gesprächs.»

Schlechte Nachrichten überbringen

Das Vermitteln schlechter Botschaften kann sich auf geeignete Gesprächstech- niken und die Steuerung der Umstände des Gesprächs stützen. Zur Gestaltung des Gesprächs hat sich das N.U.R.S.E.- Schema bewährt (Kasten). Grundlegend für diese Kommunikationstechnik ist zunächst, die Informationen an das Auf- nahmevermögen des Gegenübers an - zupassen. Dies bedeutet, immer wieder Pausen zu machen und Reaktionen zu- zulassen. Emotionen sollen angespro- chen, Verständnis explizit geäussert werden. Die Formulierung von Respekt für die Situation des Patienten dient auch der wichtigen Förderung von des- sen Ressourcen. Das Angebot von Hilfe kann mit der Planung der nächsten Schritte verbunden werden. Mit einer abschliessenden offenen Frage – «Was beschäftigt Sie jetzt am meisten?» – kön- nen andere Aspekte erfragt werden.

Andreas Linde erwähnte drei Wege zum Überbringen schlechter Nachrichten:

1. Der grobe und uneinfühlsame Weg:

«Er/sie wird ohnehin die Fassung ver- lieren, da kann man gar nichts ma- chen.»

2. Der nette, aber traurige Weg: «Sei vertraulich, betroffen und ruhig;

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Grundelemente, die im Umgang mit Emotionen hilfreich sind, aber selten alle gemeinsam eingesetzt werden:

Naming: Emotionen ansprechen («Geschockt …») Understanding: «Das kann ich verstehen, dass …»

Respecting: «Ich finde, Sie gehen gut damit um.»

Supporting: «Ich kann Ihnen anbieten, dass ich …»

Exploring: «Was beschäftigt Sie jetzt am meisten/noch?»

Quelle: Efficacy of communications skills training for giving bad news and discussing transitions to palliative care. Back AL et al.

Arch Intern Med 2007; 167: 453—460.

Kasten:

Kommunikationstechnik:

Das N.U.R.S.E.-Schema zum Umgang mit Emotionen im Gespräch

«Es mag als Paradox erscheinen, aber es ist nie ein

Problem, dem Patienten zu sagen, wie viel Zeit man hat,

dies dient auch der Strukturierung des Gesprächs.»

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schlechte Nachrichten vollständig und unverändert zu überbringen, ist eine schmerzhafte Pflicht.»

3. Der verständnisvolle und positive Weg: Flexibilität, gestützt auf Rück- meldungen während der Vermittlung der schlechten Nachrichten; Planen der unmittelbaren Zukunft vermi- schen mit den schlechten Nachrich- ten; nichts aufsparen für später.

Den 3. Weg bezeichnete Dr. Linde als das empirisch beste Vorgehen. Der Ein- wand, dass dies mehr Zeit koste, möge manchmal schon zutreffen, in der Summe jedoch nicht. Erstaunlicher- weise sei jedoch der grobe, uneinfühl- same Weg aus empirischer Sicht «bes- ser» als der nette, aber traurige Weg.

Vom groben Arzt denke der Patient näm- lich eher, dass der sich zwar unmöglich benommen habe, aber wenigstens wisse, wovon er spreche. Eine Basis ist dies

wohl am ehesten bei Patienten, die es gewohnt sind, an Autoritäten zu glau- ben.

Die Vermittlung schlechter Nachrichten gelingt zudem besser, wenn man für ein geeignetes Setting sorgt. Hier nannte Andreas Linde als wichtige Gesichts- punkte:

■ Bereiten Sie sich vor.

■ Sorgen Sie dafür, dass Sie ungestört bleiben können.

■ Erklären Sie den Zweck des Ge- sprächs und deklarieren Sie den Zeit- rahmen.

■ Kündigen Sie schlechte Nachrichten an.

■ Laden Sie den Patienten zu Verständ- nisfragen ein.

Sinnvoll ist es auch, Zusammenfassun- gen zu formulieren, die nächsten Schritte zu erklären sowie eine Fortsetzung zu einem neuen Termin anzubieten. Aus-

serdem ist es sinnvoll, wenn sich der Arzt nach einem solchen Gespräch vor der nächsten Patienten begegnung fragt, wie es ihm selbst geht. Halid Bas

Interessenkonflikte: Die Berichterstattung erfolgt unabhängig von der Firma Tibotec, die den Anlass ausrichtete.

«Aids und die Medien – Zwischen Panikmache und

Bagatellisierung?»

Kurzreferate und Podiumsgespräch zu den Themen Solidarität, For- schung und Chancengleichheit, ver- anstaltet von Tibotec, einer Division

der JANSSEN-CILAG AG, am 22. Juli 2009 in Zürich.

Referenzen

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