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Archiv "Arzt und Geschäft: Einige Kollegen übertreiben" (16.08.2002)

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Arzt und Geschäft

Zu dem Leserbrief „Warnung vor Geschäftemacherei“ von Wilfried Deiß in Heft 24/2002 und den Leser- briefen in den Heften 25, 26, 27/2002, die wir zu dem „Seite eins“-Kommentar „Gesundheitsla- den“ von Norbert Jachertz in Heft 21/2002 veröffentlicht hatten:

Glückwunsch

Zu Ihrem Artikel „Gesund- heitsladen“ kann ich nur sa- gen. Herzlichen Glück- wunsch und Dank! Es geht bergab von der Arztpraxis zum Krämerladen. Fehlt nur noch die schwarze Tafel vor der Tür, auf der mit Kreide die Sonderangebote verkün- det werden. Ein gefährlicher Weg bergab. Bin gespannt auf die Reaktionen.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Hans J.

Sewering,Am Oberanger 14, 85221 Dachau

Bedauerlich

. . . „Eine Warze“, also die hier gemeinte seborrhoische Keratose, war noch nie zula- sten der GKV zu entfernen, außer bei Zweifel an der Di- gnität oder bei Entzündungen.

In diesem Fall wird sie auch heute noch von den Derma- tologen selbstverständlich als Kassenleistung erbracht. Al- len Beteiligten ist klar, dass Gesundheit unter Einschluss von Komfort- und Lifestyle- Medizin nicht im Rahmen der medizinischen Grundver- sorgung möglich ist. Wer ist besser als die behandelnden Ärzte in der Lage, die für Pa- tienten sinnvollen Zusatzlei- stungen anzubieten und durchzuführen?

Es hat lange gedauert, bis die Ärzteschaft erkannt hat, dass sie der Ansprechpartner zum Thema Gesundheit sein sollte . . . Dem Gros der Ärz- teschaft, die sich auf dem Ge- biet der individuellen Gesund- heitsleistungen kompetent und seriös betätigt, „merkwür- dige Empfehlungen“ und Vertrauensmissbrauch zu un- terstellen, ist kontraproduktiv, unzutreffend und bedauerlich.

Dr. med. Mareile Wengenroth, Berufsverband der Deutschen Dermatologen e. V., Marcobrunner Straße 1, 65197 Wiesbaden

Differenzieren

. . . Auch wenn wir es bedenk- lich finden, dass Ärzte neben ihren medizinischen Tätigkei- ten und der ganz normalen Bürokratie nun auch noch das Verkaufen lernen müssen:

Noch trauriger finden wir es, wenn gute Ärzte ihre Praxen schließen müssen, weil sie die Aufgabe nicht lösen konnten, gleichzeitig Mediziner und Unternehmer zu sein.

Wir waren dann doch über- rascht, dass Herr Deiß es für

„peinlichen Blödsinn“ hält, sich an Gesunde in der Praxis zu wenden, „die ja anschei- nend unbedingt noch ärztli- cher Behandlung bedürfen“.

Man könnte leicht erwidern, dass jeder, der um ärztliche Hilfe bittet, als Patient zu be- trachten sei. Da gibt es Rau- cher, die um Unterstützung bei der Entwöhnung bitten.

Oder gestresste Manager, die wissen möchten, ob die tägli- che Hektik und der abendli- che Rotweinkonsum bereits erste Schäden hinterlassen ha- ben. Oder reisefreudige Men- schen, die sich gerne über die

Risiken des Trips nach Mada- gaskar informieren wollen und außerdem gerne eine Un- tersuchung und Bescheini- gung über ihre Tauchtaug- lichkeit hätten. Was – bitte schön – macht Herr Deiß mit diesen „Nicht-Patienten“?

✁ Wenn er umsonst helfen würde, täte er den Ratsu- chenden gewiss einen Gefal- len. Aber diese Tätigkeit gehört dann doch eher in den Bereich Hobby und nicht zur Berufstätigkeit, oder?

✁ Wenn er die Leistungen über die GKV abrechnen würde, wäre das nicht Ab- rechnungsbetrug?

✁ Wenn er abwarten würde, bis der Raucher hustet, der Manager einen Hochdruck oder Leberschaden hat und der Reisende mit Malaria zurückkommt, wäre das si- cher keine „Geschäftema- cherei“, aber hätte er ärztlich und ethisch einwandfrei ge- handelt?

✁ Wenn er die Ratsuchen- den wegschicken würde (zur nächsten Apotheke, ins Wellness-Center oder zum Heilpraktiker), würde er die ärztliche Zuständigkeit nicht noch weiter untergraben?

Es gibt sinnvolle Gesundheits- Leistungen außerhalb der GKV, und es gibt viele Men- schen, die diese von Ihrem Arzt (und niemandem an- ders!) wollen. Und ebenso gibt es weniger sinnvolle ärzt- liche (IGeL-)Leistungen, auch hier ist die Spreu nicht einfach vom Weizen zu trennen . . . Ruth Auschra und Med.-Inf. Jürgen Majerus,Redaktion MEDICUSPLUS, Medizinverlage Stuttgart, Steuermärker Straße 3–5, 70469 Stuttgart

Mehrheit zum Denken und Handeln fähig

Mit großer Aufmerksamkeit verfolge ich die Flut von Le- serreaktionen und stelle er- freut fest, dass die große Mehrheit meiner Kollegin- nen und Kollegen zu gesun- dem Denken und hoffentlich auch konsequentem Handeln fähig ist. Viele Kollegen scheinen aber nicht zu wis- sen, wer der Autor dieses

Meinungsbildes ist, das ein Kollege treffend als „dum- mes und gefährliches Aus- laufmodell“ bezeichnet.

Ich finde, alle sollten wissen, dass hier der von unseren Kammerbeiträgen bezahlte Chefredakteur höchstpersön- lich am Werke war.

Es ist an der Zeit, dass dieser Herr sich zum Thema nochmals zu Wort meldet oder, noch besser, seinen Hut nimmt. Es gibt genügend Me- dien, die seine Sichtweise dankbar honorieren werden.

Also Herr Jachertz, greifen Sie zur Feder!

Franzjoseph Esser,Am Alten Steinhaus 4, 40878 Ratingen

Anmerkung: Der Chefredakteur wird nicht aus Kammerbeiträgen bezahlt, genauso wenig wie die gesamte DÄ-Redaktion. N. J.

Einige Kollegen übertreiben

Zunächst einmal sprechen mir die Leserbriefe „Verwil- dert“, „Basis ade“ und

„Selbsterhaltungstrieb“ weit- gehend aus der Seele. Richtig ist sicher, dass es beim

„igeln“ einige Kollegen über- treiben. Ich stimme auch Herrn Prof. Kienzle zu, dass Patienten in der Regel keine Kunden sind mit Souverä- nität und Entscheidungsfrei- heit. Ein Teil unserer Patien- ten sieht allerdings in uns auf penetrante Art einen Dienst- leister, der ihnen Rundumge- sundheit zu verschaffen hat, da die Chipkarte vorgezeigt wurde. Diese erlaube ich mir dann als Kunden zu betrach- ten, nicht ohne ihnen sinnvol- le Maßnahmen der Kassen- medizin zukommen zu lassen ( auch daran fehlt’s bei man- chem Kollegen). Im Übrigen glaube ich nicht, dass ein Be- triebsmediziner realistischen Einblick in den Hausarzt- Praxisalltag hat. Und mit dem Geschäftsgebaren eines Chefarztes gegenüber Privat- patienten möchte ich mich nicht in einen Topf werfen lassen.

Dr. Bettina Gudat,Auf dem Damm 102–104, 47137 Duisburg

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A2174 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002

B R I E F E

Leserzuschriften werden von der Redaktion sehr beachtet. Sie geben in erster Linie die Meinung des Briefschreibers wieder und nicht die der Redaktion. Die Veröffentlichungsmöglichkeiten sind leider beschränkt; der Redaktion bleibt oft keine andere Wahl, als unter der Vielzahl der Zuschriften eine Auswahl zu treffen. Die Chance, ins Heft zu kommen, ist umso größer, je kürzer der Brief ist. Die Redaktion muss sich zudem eine – selbst- verständlich sinnwahrende – Kürzung vorbehalten.

LESERZUSCHRIFTEN

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Tabus verletzt?

Der Verfasser ist ein um den freien Arztberuf und dessen Ansehen besorgter Journalist.

Die Leserbriefe erwecken den Eindruck, als habe er mit seinem Artikel, wie man neu- erdings sagt, „Tabus verletzt“.

In der Tat sind die ärztlichen Leistungen, die von den GKV-Versicherten auf Wunsch und gegen direkte Honorarzahlungen erbracht werden, weil sie nicht mit dem Beitrag zur jeweiligen Kran- kenkasse versichert worden sind, und deshalb nicht „über Krankenschein“ abgerechnet werden dürfen, landauf, land- ab Gegenstand der Diskussi- on bei den GKV-Versicher- ten, die bisher solche Honorar- ansprüche nicht kannten; da- bei gerät ärztliches Verhalten in den Wettbewerbsvergleich, nicht nur in der Höhe der ge- forderten Honorare, sondern auch hinsichtlich der Lei- stungsbegründungen, oder – wie wir Ärzte es ausdrücken – der jeweiligen Indikationen.

Anfragen bei den Kranken- kassen oder den Kassenärztli- chen Vereinigungen sind die Folge, und deren nicht selten unterschiedliche Stellungnah- men verstärken die Rechtsun- sicherheit bei den Betroffe- nen. Von daher zum „Ge- schäfte machen“ ist ein weiter Weg; aber: „Wer weiß das schon?“ Insoweit macht der Jachertz-Artikel auf die Ge- fahren für den Arztberuf als freien Beruf bei der Integrati- on cash-bezahlter Zusatzlei- stungen aufmerksam. Der Arztberuf ist eben kein Ge- schäft wie jedes andere. So je- denfalls habe ich den Artikel verstanden.

Prof. Dr. med. Ernst-Eberhard Weinhold,Dorfstraße 140, 27637 Nordholz

Bärendienst

. . . Uns, die wir seit Jahren an der Front für unsere Patien- ten und um unser Überleben kämpfen, vorzuwerfen, wir bereichern uns? Der Mann ist völlig weltfremd. Wir nie- dergelassenen Ärzte haben

jedenfalls in den letzten zehn Jahren 20 % an Einkommen eingebüßt. Wie sieht das bei Herrn Jachertz aus? Der Mann hat an dieser Stelle nichts mehr verloren. Der Mann denunziert einen ganzen Berufsstand. Einen Berufsstand, der unendlich viel geleistet hat und ver- sucht, wieder festen Boden unter den Füßen zu bekom- men. Gehen Sie, Herr Ja- chertz! Gehen Sie, wohin der Pfeffer wächst! Egal wohin!

Nur gehen Sie! Sie sind für das DÄ und den Ärztestand nicht mehr tragbar!

Dr. B. Räpple,Gröbmühlstraße 38, 85221 Dachau

Pro und Kontra

. . . Über „Matrix-Regenera- tionstherapien“ muss man als Humanmediziner mit akade- mischer Ausbildung wohl kaum ernsthaft diskutieren!?

Das Geschäft mit der Angst unserer Patienten, sei es vor einer schweren Krankheit oder einfach nur dem Älter- werden, erblüht in teilweise erschreckender Mannigfal- tigkeit! Inzwischen gibt es übrigens auch immer mehr Patienten, die offen von „Ab- zockerpraxen“ reden. Die betroffenen Kollegen werden dies zunächst nicht merken – der Patient erscheint einfach nicht mehr, und dies kann auch als Indiz für eine erfolg- reiche Behandlung fehlge- deutet werden!

Andererseits gelangte ja schon Paracelsus zu der Er- kenntnis „Mundus vult deci- pi, ergo decipiatur“ – die Welt will getäuscht sein, also soll sie getäuscht werden!

Insofern wird hier vielleicht auch nur ein uraltes mensch- liches Bedürfnis dienstleiste- risch von der Ärzteschaft vermehrt erschlossen (wieso sollen nur die Heilpraktiker profitieren?). Eine mögliche Leitschiene für das Anbieten ärztlicher Leistungen könnte in diesem Zusammenhang die einfache Frage sein, ob man ein bestimmtes Angebot auch für sich selber in An- spruch nehmen würde . . . Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002 AA2175

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Allerdings gibt es IGeL, die eindeutig keine Abzockerei darstellen und die auch Herr Jachertz akzeptieren muss.

Man denke hierbei zum Bei- spiel an die kompetente rei- semedizinische Beratung durch einen entsprechend fort- und weitergebildeten Arzt oder die x-te Bestim- mung der Leberwerte zur Wiedererlangung der Fahrer- laubnis! Aber auch die er- wähnte Entfernung einer le- diglich kosmetisch störenden Hautveränderung durch den Dermatologen kann man nicht verdammen – hier nimmt der Kollege zu Recht das Sozialgesetz ernst und hält sich an die Vorschriften über die Wirtschaftlichkeit und die Grenzen der Lei- stungspflicht der GKV . . . Denn durch die oft unwider- sprochene Bedienung dieses Irrglaubens durch uns Ärzte werden unsere Punkwerte und schließlich unser Ein- kommen auch immer weiter vermindert. Diese zugegebe- nermaßen mühselige Diskus- sion wird aber von vielen Kollegen gemieden – statt- dessen wird dann lieber auf fragwürdige, aber von den Patienten zunächst gerne an- genommene (weil „natürli- che“, „ganzheitliche“ oder ganz besonders „vorsorgli- che“) Angebote ausgewichen und nebenbei die Chipkarte

„gesichert“.

Marc Kuben,Rosenweg 15, 79312 Emmendingen

Um was streiten wir?

Es ist beeindruckend, wie ein nicht ganz eine halbe Seite füllendes Statement und die darauf folgenden Antworten die Situation der deutschen Ärzteschaft zeigen. Streiten wir tatsächlich darüber, dass wir eigentlich gute und um das Wohl unserer Patienten besorgte Ärzte sein wollen, aber auch dafür entspre- chend belohnt werden wol- len? Können wir uns das an- gesichts der vielen fremdver- schuldeten Probleme (gekün- digter Generationenvertrag, die Umsetzung des Arbeits-

zeitgesetzes, ein absehbarer Ärztemangel etc.), welche auf unserem Rücken gelöst werden sollen, wirklich lei- sten? Unsere Freunde in der Politik, den Krankenkassen und in den Verwaltungen werden sich freuen.

Dr. med. Moritz Braun,Klinik und Poliklinik für Urologie, Universität Köln, Joseph-Stelzmann-Straße 9, 50924 Köln

Dank und Anerkennung

Herr Jachertz hat mit seinem Artikel ein brisantes Thema angesprochen. Dafür ver- dient er aufrichtigen Dank und Anerkennung. Er hat Recht, wenn er feststellt, dass die Basis des Arztberufes verloren geht, wenn der Pati- ent nicht mehr als kranker Mensch behandelt, sondern ihm als Kunde eine Ware ver- kauft wird. Die Grundlage des Ansehens des Arztberu- fes ist nämlich die, dass wir getreu dem Grundsatz salus aegroti suprema lex handeln und jegliche weitere Interes- sen – seien sie finanzieller oder psychologischer Natur – hinten anstellen. Wenn der Arzt zum Krämer wird, ver- ändert sich das Arztbild und das Rollenverständnis.

Der Arzt ist im Dilemma: Er ist nicht mehr alleine der Ex- perte bei Krankheiten, son- dern auch der Experte in Fra- gen der Gesundheit. Diese Leistungen werden selbstver- ständlich nicht von der Ge- setzlichen Krankenversiche- rung übernommen und müs- sen deshalb vom Patienten selbst bezahlt werden. Pro- blematisch wird es dann, wenn medizinische Leistun- gen erbracht werden, deren Inhalt zu Recht fragwürdig ist, deren Sinnhaftigkeit im Einzelfall nicht ausreichend kommuniziert wird und die letztendlich nur dazu dienen, dem Arzt das gerechte Ein- kommen zu realisieren, das ihm eigentlich bei der Be- handlung regulärer Patienten und Krankheiten zusteht.

Der „Notausstieg Gesund- heitsladen“ für den praktizie- renden Arzt ist menschlich und ökonomisch nachvoll-

ziehbar, in der Konsequenz möglicherweise fatal.

Die Kommerzialisierung des Arztberufes führt zur De- professionalisierung und da- mit zur Abwertung unseres Berufsstandes. Dies betrifft auch das Gesundheitswesen in seiner Gänze. Aufgerufen sind wir Ärzte und unsere Standesvertretungen selbst, den Nutzen unserer Leistun- gen für die Patientenversor- gung wesentlich klarer dar- zustellen als in der Vergan-

genheit und für eine hoch- wertige humane Patienten- versorgung eine adäquate Fi- nanzierung und Honorierung der ärztlichen Leistungen zu fordern.

Vielleicht richtet das DÄ ein Forum zu diesem Thema ein, in dem konkrete Beispiele des „Gesundheitsladens“

dargestellt und diskutiert werden können . . . Dr. med. Günther Jonitz,Ärzte- kammer Berlin, Flottenstraße 28–42, 13407 Berlin

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A2176 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002

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ADHS

Zu dem Beitrag „Aufmerksamkeits- defizit- und Hyperaktivitätssyn- drom: Keine ,Modeerkrankung‘“

von Marion Caspers-Merk in Heft 24/2002:

Verwässert?

Warum sah sich Frau Cas- pers-Merk zu dieser Stellung- nahme genötigt, in der sie ih- re bisherige fachlich gut be- gründete kritische Haltung gegenüber Ritalin verwäs- sert? In Fachkreisen wird durchaus angezweifelt, dass den Symptomen Hyperakti- vität, Verhaltensauffälligkei- ten und Konzentrationsstö- rungen eine Dopaminstoff- wechselstörung zugrunde liegt. Dies wollen lediglich die biologistisch orientierten Kollegen so sehen, obwohl dies in keiner Studie belegt werden konnte. Diejenigen, die die Erkenntnisse der Bil- dungsforschung und Ent- wicklungspsychologie einbe- ziehen, können jedoch immer wieder an eindrucksvollen Verläufen zeigen, dass Kin- dern und Eltern nachhaltig und wirkungsvoll nur gehol- fen wird, wenn an den psy- chosozialen Ursachen gear- beitet wird.

Zu Recht weist Frau Cas- pers-Merk daher darauf hin, dass viele wissenschaftliche Fragen im Zusammenhang mit Ritalin noch nicht beant- wortet sind. Die Anstrengun- gen, die Hilfen für hyperakti- ve und verhaltensauffällige Kinder zu verbessern und dem Missbrauch von dabei

eingesetzten Arzneimitteln entgegenzuwirken, sind nur zu begrüßen. Der Zielkatalog müsste allerdings beinhalten, dass die nichtmedikamentö- sen Behandlungen mehr ge- fördert und evaluiert werden.

Die systematische Analyse der Verordnungsdaten müss- te mit einer systematischen Dokumentation der nicht er- wünschten und langfristigen Wirkungen einhergehen.

Sonst kann es sein, dass wir in dreißig bis vierzig Jahren einen ebenso großen Anstieg an Parkinson-Patienten zu verzeichnen haben wie jetzt beim „ADHS“.

Dr. Marianne Winterstein, Bahnhofstraße 5, 76356 Weingarten

Ursachenforschung nicht vergessen

Es ist gut, dass aus der Sicht der Drogenbeauftragten weit verbreiteten Vorurteilen ge- genüber der indizierten Ver- ordnung von Methylphenidat entgegengewirkt wird, und eine rationelle Therapie mit Stimulanzien ist dabei ein Teilaspekt. Hier gilt es, die These des Missbrauchs und seiner Folgen auf eine belast- bare Grundlage zu stellen.

Nicht ohne Grund sind die fachlichen Veranstaltungen, in denen Kliniker Eltern und Pädagogen über ADHS in- formieren, überfüllt und ge- prägt von Hilflosigkeit und Verzweiflung der Betroffe- nen. Im Hinblick auf die Ver- breitung der Störung werden Inzidenzen von drei bis sie- ben Prozent genannt, es han-

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delt sich nicht mehr um ein Problem von Einzelfällen.

Parallelen zu den kindlichen Allergien und zum kindli- chen Asthma drängen sich auf. Die Auseinandersetzung mit der Problematik muss die Frage nach der Inzidenz be- inhalten und auch die Frage der vermuteten Zunahme in den letzten Jahren aufgrei- fen. Beim Asthma hat sich in- nerhalb von fünf Jahren (1995 bis 2000) die Zahl von Asthmaerkrankungen in den Grundschulen um 33 % er- höht; wie sieht es bei ADHS aus? Sind hier möglicherwei- se, wie bei den Allergien, ne- ben den „biologischen Fakto- ren“ und psychosozialen Ein- flüssen auch andere exogene Faktoren beteiligt? Paralle- len zwischen ADHS und der Exposition gegenüber neuro- toxischen Umweltschadstof- fen sollten in den Hypothe-

senkatalog zur Ätiologie der Störung aufgenommen wer- den. Epidemiologische Grundlagenforschung ist dringend notwendig und überfällig. Die Einbeziehung des Vorkommens von ADHS im Kinder- und Jugendsurvey muss ergänzt werden um In-

strumente zur Ermittlung von Risikofaktoren wie das in früheren Surveys bewährte Humanbiomonitoring und Ambientmonitoring des UBA . . .

Literatur beim Verfasser Dr. med. B. G. J. Heinzow, Tonderner Straße 18, 24106 Kiel

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002 AA2177

B R I E F E

Wissenschaft

Zu dem Kommentar „Hochschulrah- mengesetz: Das Land der ,Profes- sörchen‘“ von Dr. med. Michael Feld in Heft 17/2002:

Mehr Bürokratie

Die warnenden Worte von Dr. Feld, auch wenn sie ein Schreckensbild vor Augen führen, sind gerechtfertigt.

Die Gesetzesschusterei, die auf Illusionen beruht und von (vermeintlichen) Halbgenies

in Gang gebracht wird, ergibt am Ende – außer mehr Schul- den – eine Zunahme der oh- nehin schon geschwollenen Bürokratie. Wieder einmal soll eine Reform angekurbelt werden, bei der zu befürchten ist, sie wird eine Deform wer- den. Auf dem Wege zur abso- luten Vollkommenheit bege- ben wir uns in die totale Un- zulänglichkeit. Doch selbst wenn es gelingt, Juniorenpro- fessoren zu züchten, die be- reits mit 26 oder gar mit 24 Jahren ihr Amt antreten, wie

es eine namhafte Ministerin empfiehlt, fehlt diesen die nötige Erfahrung. (Politiker sind hierüber erhaben, wie man weiß.) Außerdem gilt für Wissenschaftler: Viele sind berufen, aber wenige auser- wählt.

Im Lande der Professörchen beziehungsweise der begrenz- ten Möglichkeiten und der be- grenzten Arbeitszeiten wird scheinbar alles so lange bes- ser, bis dieses Land mit seinem Staat und seinem Volk nicht mehr existiert. Doch über sol- che Erwägungen sind ja be- kanntlich Gewerkschaftsbos- se, doch auch Cockpitpiloten, erhaben; warum nicht auch Wissenschaftler und Ärzte?

Einen Trost mag es geben:

Wissenschaft kann auch außerhalb von Hochschulen betrieben werden.

Dr. med. Albert Ochmann, Fürbringerstraße 18, 26721 Emden

DÄ 33/02

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