Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1221. März 2008 A603
A K T U E L L
Früher war die Welt noch in Ord- nung: Auf den Autobahnen hatte man freie Fahrt, das Fernsehpro- gramm wurde nicht durch Werbung unterbrochen, und Ärzte zahlten in der privaten Krankenversicherung (PKV) bis zu 50 Prozent niedrigere Prämien als andere Berufsgruppen.
Letzteres ergab sich aus einem un- geschriebenen Gesetz, wonach Ärz-
te untereinander nur zurückhaltend liquidierten – also komplett ho- norarfrei oder allenfalls mit einfa- chem GOÄ-Satz. Da die Höhe der Prämien in einem Versicherungstarif immer ein Spiegelbild der Leis- tungsausgaben ist, profitierten die Ärzte entsprechend.
Diese Form der innerärztlichen Solidarität ist heute offenbar über- holt. So hat sich die Schadenquote in den Ärztetarifen inzwischen deut- lich an die Entwicklung im Nichtärz- tebereich angenähert. Dementspre- chend müssen die Ärzte seit einigen Jahren höhere Prämienanpassun- gen in ihrer PKV verkraften als sons- tige Versicherte. Vor allem die ältere Generation, die sich jahrelang an das ungeschriebene Gesetz gehal- ten hat und sich jetzt mit massiven Prämiensteigerungen konfrontiert sieht, beklagt diese Entwicklung.
„Der Ärztetag möge beschließen, dass Liquidationen unter Kollegen für gegenseitige Behandlungen nur mit dem einfachen GOÄ-Satz erfol- gen sollten“, schreibt Dr. Klaus Albers aus Emden an das DÄ. Keine Kollegin, kein Kollege würde da- durch ärmer – im Gegenteil: „Im Rentenalter flösse der entgangene Liquidationsbetrag hoch verzinst zurück, weil die Versicherungsunter- nehmen unsere Prämien mehr als erheblich senken könnten.“
In der Tat haben es die Ärzte selbst in der Hand, die Entwicklung hin zu marktüblichen PKV-Prämien für ihren Berufsstand zu stoppen.
Jeder Einzelne ist gefragt.
RANDNOTIZ
Jens Flintrop
Unter Kollegen
Krankenhäuser, die bei der Kniege- lenk-Totalendoprothesen-Operation (Knie-TEP) eine Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Jahr erfüllen, erzielen eine deutlich bessere Behandlungs- qualität als Kranken- häuser, die diese Opera- tion weniger häufig vor- nehmen. Dies ist ein Teilergebnis einer Stu- die zu den vom Gemein- samen Bundesausschuss (G-BA) mit dem Ziel der Qualitätsverbesse- rung eingeführten Min- destmengenregelung.
Ein weiteres Ergeb- nis der vom G-BA in Auftrag gegebenen Be- gleitforschung war, dass außer zur Knie-TEP noch keine wissenschaftlich fun- dierten Aussagen zur Angemessen- heit der Mindestmengen getroffen werden können. „Dies liegt vor al- lem daran, dass diese noch nicht umfassend umgesetzt werden und insofern eventuelle Auswirkungen
auf die Krankenhäuser und die Er- gebnisqualität nur im Ansatz mess- bar sind“, sagte Forschungsleiter Prof. Dr. Max Geraedts vor Journa- listen in Berlin.
Neben den Studienergebnissen zu Mindestmengen informierte der Gemeinsame Bundesausschuss über seinen Beschluss, mit einer Ände- rung der Bedarfsplanungs-Richtli- nie die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass einer mögli- chen Unterversorgung mit Haus- und Fachärzten in bestimmten Regionen entgegengewirkt werden kann. Da- bei setzten sich die Krankenkassen- vertreter mit ihrem Antrag durch, dass individuell geprüft werden müs- se, ob tatsächlich eine Unterversor- gung bestehe, die zur Zahlung von Sicherstellungszuschlägen durch die Kassen führen würde. Die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung hatte vorgeschlagen, dass automatisch dann von Unterversorgung auszu- gehen sei, wenn die in den Bedarfs- planungsrichtlinien festgelegten Pro- zentsätze für die einzelnen Arzt- gruppen unterschritten würden. SR
Medi Baden-Württemberg hat die Ärztinnen und Ärzte im Land zum Verzicht auf ihre Kassenzulassung aufgefordert. Am 16. April will die Organisation in einer Abschlussver- anstaltung in der Stuttgarter Schley- er-Halle erneut für ihre „zweigleisige Strategie“ werben. Diese sieht einer- seits Versorgungsverträge mit der AOK vor – unter Ausschluss der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).
Andererseits will der Verband nach eigenen Angaben erreichen, dass sich die Körbe für den Systemausstieg füllen. „Wir müssen angesichts der Perspektivlosigkeit des KV-Systems und der darin handelnden Personen selbst handeln“, heißt es in einer Pressemitteilung von Medi. Ansons- ten machten Medizinische Versor- gungszentren und Klinikambulanzen das Rennen.
Derweil hat der Bayerische Hausärzteverband die Frist verlän- gert, in der sich die dortigen Hausärztinnen und Hausärzte für einen Ausstieg aus dem System der kassenärztlichen Versorgung ent- scheiden können. Der ursprüngli- che Stichtag war der 12. März.
Jetzt können sich die Hausärzte noch bis Ende des nächsten Quar- tals überlegen, ob sie ihre Kassen- zulassung zurückgeben wollen. In drei Regierungsbezirken Bayerns hätten sich bereits deutlich mehr als 50 Prozent der Hausärzte für ei- ne Rückgabe entschieden, so der Verband. Deshalb solle die Korb- phase weitergeführt werden. Be- dingung für den Systemausstieg ist, dass sich mindestens 70 Pro- zent der Hausärzte dazu bereit
finden. HK
MEDI BADEN-WÜRTTEMBERG
Aufruf zum Systemausstieg
Die Menge macht’s:Kliniken mit mehr als 50 Knie-TEPs im Jahr sind im Ergebnis besser.
STUDIE
Bessere Qualität durch Mindestmengen
Foto:picture-alliance/OKAPIA KG