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wei wichtige Änderungen hat der Gesetzgeber im GKV-Modernisie- rungsgesetz bei den nicht ver- schreibungspflichtigen Arzneimitteln vorgenommen: Zum einen ist die Er- stattungsfähigkeit dieser Medikamente stark eingeschränkt worden, zum ande- ren ist für die nicht erstattungsfähi- gen Arzneimittel die Arzneimittelpreis- verordnung aufgehoben worden.Ärzteschaft wie Apotheker lehnen eine Verknüpfung der Erstattungs- fähigkeit mit der Rezeptpflicht ab. Die vom Gesetzgeber getroffene Entschei- dung diskriminiert Arzneimittel mit vergleichsweise geringen Nebenwir- kungen. Es besteht die Gefahr, dass auf verschreibungspflichtige Arzneimittel mit höherem Nebenwirkungspotenzial ausgewichen wird oder eine medizi- nisch gebotene Arzneimitteltherapie unterbleibt.
Um dem entgegenzuwirken, sind zwei Initiativen zur arztgestützten Selbstmedikation in Angriff genommen geworden:
Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung (KBV), die Berufsvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) und der Deutsche Apothekerverband (DAV), der Bundesverband der Arz- neimittel-Hersteller (BAH) und der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) haben das „Grüne Re- zept“ entwickelt und eingeführt. Es wird den Vertragsärzten kostenlos zur Verfügung gestellt. Druck und Vertrieb werden von namhaften Unternehmen der pharmazeutischen Industrie finan- ziert. Allerdings bleibt das einem Kassenrezept ähnelnde Grüne Rezept frei von jeder Firmenwerbung. Nach Angaben der ABDA sind davon bereits 100 bis 150 Millionen Exemplare ge- druckt worden.
Das Grüne Rezept soll dem Patien- ten signalisieren, dass die Anwendung des so verordneten Arzneimittels medi-
zinisch geboten ist, die Kosten jedoch nicht von der Gesetzlichen Kranken- versicherung übernommen werden. Es ist für den Patienten eine Merkhilfe be- züglich Namens, Wirkstoffs, Darrei- chungsform, Packungsgröße etc.Außer- dem kann der Patient es auch nutzen, wenn er bei der Einkommensteuer-Er- klärung eine außergewöhnliche Bela- stung geltend machen will.
Daneben hat der Deutsche Haus- ärzteverband gemeinsam mit dem ifap-Service-Institut für Ärzte und Apotheker das Infozept entwickelt als Instrument, die Patienten an die hausärztliche Beratung zu verschrei- bungsfreien Arzneimitteln zu binden, erklärte der Stellvertretende Bundes- vorsitzende des Verbandes, Dr. Diet- hard Sturm, auf einer Pressekonferenz in München. Es ermögliche dem Arzt, die Therapiehoheit auch und gerade bei nicht rezeptpflichtigen Arzneimit- teln beizubehalten.
Mit einem Klick wird das Rezept ausgedruckt
ifap bietet allen Softwarehäusern für Praxisverwaltungssysteme die kosten- freie Nutzung des ifap index®PRAXIS an, in den das Infozept integriert ist.
Der Index ist eine Arzneimittel- und Informationsdatenbank mit sämtli- chen medizinisch-wissenschaftlichen Daten einschließlich Preisvergleich auf der Grundlage der ABDA-Daten- bank.
Die Software funktioniert so, dass der Button OTC grün aufleuchtet, wenn der Cursor auf einem nicht re- zeptpflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimittel steht, für das ein Infozept hinterlegt ist. Mit einem Klick wird es ausgedruckt, und der Patient kann es mit in die Apotheke nehmen.Vorteil für den Arzt: Durch die Verordnung eines
nicht erstattungsfähigen Medikaments wird sein Arzneimittelbudget entlastet.
Vorteil für den Patienten: Diese selbst zu zahlenden Mittel sind häufig preis- werter als die gesetzlich vorgeschriebe- ne Zuzahlung von zehn Prozent, minde- stens jedoch fünf Euro, maximal zehn Euro pro GKV-Verordnung.
Die hausärztliche Arbeit braucht auch die nicht rezeptpflichtigen Medi- kamente, betonte Hausärzteverband- Sprecher Sturm bei der Präsentation der Alternativrezepte in München. Er geht davon aus, dass die Umstellung der Patienten auf das Selbstzahler- system sehr schwierig werden wird. In einer Umfrage unter 211 Patienten in Sachsen Ende letzten Jahres haben sich nur 25 Prozent dafür ausgespro- chen, ihre Arzneimittel selbst zu be- zahlen. Gut 50 Prozent verlangten, ein anderes Medikament verschrieben zu bekommen, das sie nicht selbst bezahlen müssen.
Die Entfernung der rezeptfreien Arzneimittel aus der Erstattungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung allein aus fiskalischen Gründen wider- spreche den Grundregeln der haus- ärztlichen Arbeitsmethodik und störe die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Patient und Hausarzt, kritisierte Sturm. „Der Gesetzgeber untergräbt damit die Wirkung der viel gerühmten Droge Arzt.“
Nach ABDA-Zahlen ist der Umsatz der nicht rezeptpflichtigen Arzneimittel im ersten Quartal 2004 um circa 14 Prozent zurückgegangen, bei deutlichen Unterschieden zwischen den Indikati- onsgruppen. Besonders betroffen waren nach Angaben von Prof. Dr. Michael Popp, dem Vorsitzenden des Komitees Forschung Naturmedizin (KFN), die Hersteller von Phytotherapeutika mit Rückgängen bis zu 25 Prozent. Die Her- steller pflanzlicher Arzneimittel setzen nach seinen Worten auf den Arzt und wünschen sich eine enge Kooperation zwischen Ärzten und Apothekern, da- mit die richtigen Phytopharmaka ver- ordnet werden. Als Praxishilfe hat das KFN jetzt das Kompendium Phytophar- maka (Herausgeber Prof. Volker Fintel- mann) mit allen wichtigen Angaben zu Wirkstoffen und Anwendung in vierter Auflage neu herausgegeben, das alle Ärzte kostenlos erhalten. Klaus Schmidt P O L I T I K
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A1788 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2518. Juni 2004