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Archiv "Metronidazol postoperativ bei Morbus Crohn" (24.05.1996)

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(1)

D

as kolorektale Karzinom ist in den westlichen Industrielän- dern eine der häufigsten Krebserkrankungen. Der größte Teil der kolorektalen Karzino- me tritt sporadisch, das heißt ohne er- kennbaren familiären Hintergrund auf. Man schätzt jedoch, daß bis zu zehn Prozent der Erkrankungen auf einer genetischen Prädisposition be- ruhen (16, 33, 35, 41, 50).

Der erbliche Dickdarmkrebs ohne Polyposis (HNPCC, hereditary non- polyposis colorectal cancer) ist die häufigste Erkrankungsform unter den erblichen kolorektalen Karzinomen.

Die Abgrenzung dieses Krankheits- bildes durch H. T. Lynch (28, 30) und die kürzlich gelungene Aufklärung der genetischen Grundlage hat große Bedeutung sowohl für das Verständnis der Krankheitsentstehung als auch für die Krebsprävention.

Krankheitsbild

HNPCC ist durch die relativ frühe Erstmanifestation von kolorek- talen Karzinomen mit Auftreten syn- chroner oder metachroner Karzino- me charakterisiert, von denen zwei Drittel proximal der linken Flexur lo- kalisiert sind. Darüber hinaus treten in HNPCC-Familien überdurch- schnittlich häufig Karzinome des En- dometriums auf. Weibliche Risiko- personen haben ein kumulatives Risi- ko von etwa 20 Prozent bis zum 70.

Lebensjahr, ein Endometriumkarzi- nom zu entwickeln (48). Im Vergleich zur Normalbevölkerung werden dar-

über hinaus häufiger Karzinome des oberen Gastrointestinaltrakts, des he- patobiliären Systems, des Urothels, der Ovarien, des Pankreas und der Haut (6, 8, 26, 28, 34, 46) beobachtet.

Es gibt nur wenige Studien, die Angaben über Häufigkeit und Mani- festationsalter der verschiedenen Karzinome in HNPCC-Familien ent-

halten. Die Ergebnisse einer retro- spektiven Studie an 315 Patienten aus 40 finnischen HNPCC-Familien dürf- ten jedoch auch für andere Länder Europas zutreffen (34). Die prozen- tuale Häufigkeit aller in den HNPCC-Familien aufgetre- tenen Tumoren ist in Tabelle 1 wiedergegeben. Dabei war der Primärtumor in 61 Pro- zent der Patienten ein kolo- rektales Karzinom und in et- wa 12 Prozent der Patienten ein Endometriumkarzinom.

Das Durchschnittsalter bei Diagnose eines kolorektalen Karzinoms betrug 42 Jahre, schwankte jedoch erheblich zwischen 19 und 83 Jahren.

Die Patientinnen mit Endo- metriumkarzinom waren im Durchschnitt 50 Jahre alt, wobei das Erkrankungsalter zwischen 27 und 69 Jahren variierte.

Eine Unterscheidung von HNPCC-Familien in ein Lynch-I-Syndrom mit alleini- gem Auftreten von kolorek- talen Tumoren und ein Lynch-II-Syndrom mit zusätzlichen Zweittumoren in anderen Organen erscheint nicht mehr sinnvoll, da es sich nicht um unterschiedliche Krank- heitsentitäten handelt. Jeder Patient mit HNPCC hat ein erhöhtes Risiko, bestimmte extrakolonische Neoplasi- en zu entwickeln.

Auf Grund fehlender pathogno- monischer Stigmata kann die klini- sche Diagnose von HNPCC nicht an einem einzelnen Patienten gestellt

Erbliches Kolonkarzinom:

Symptomatik, Diagnostik und Krebsvorsorge

Christof Lamberti

1

Reiner Caspari

2

Waltraut Friedl

1

Tilman Sauerbruch

2

Peter Propping

1

Das erbliche kolorektale Karzinom ohne Polyposis (hereditary non-polyposis colorectal cancer [HNPCC]) ist eine autosomal- dominante Tumorprädispositionserkrankung. Die Patienten sind häufig vor dem 50. Lebensjahr von einem kolorektalen Karzinom betroffen. Zudem treten bestimmte bösartige Tumo- ren in anderen Organen bei HNPCC gehäuft auf. Neben dem

frühen Erkrankungsalter ist die typische Familienanamnese mit weiteren an HNPCC erkrankten nahen Verwandten rich- tungweisend für die klinische Verdachtsdiagnose. Durch die Identifizierung der molekulargenetischen Ursache von HNPCC ist es im Prinzip möglich geworden, eine prädiktive Diagnostik für Risikopersonen einer HNPCC-Familie durchzuführen.

1 Institut für Humangenetik (Direktor: Prof.

Dr. med. Peter Propping), Rheinische Frie- drich-Wilhelms-Universität Bonn

2 Medizinische Klinik, Allgemeine Innere Medizin (Direktor: Prof. Dr. Tilman Sauer- bruch), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Univer- sität Bonn

Diagnostische Kriterien für HNPCC a) Amsterdam-Kriterien (International

Collaborative Group, Amsterdam 1990) 1. Mindestens drei betroffene Verwandte, wo-

bei einer dieser Patienten Verwandter ersten Grades der beiden anderen Patienten sein muß

2. Krankheitsmanifestation in mindestens zwei Generationen

3. Erstmanifestation eines kolorektalen Karzi- noms vor dem 50. Lebensjahr bei minde- stens einem Patienten

b)erweiterte Kriterien

(EUROFAP-Meeting, Kopenhagen 1993) zusätzlich berücksichtigte Tumoren:

– Endometriumkarzinom – Dünndarmkarzinom

– Ovarialkarzinom vor dem 50. Lebensjahr – Magenkarzinom vor dem 50. Lebensjahr – Urothelkarzinom

– hepatobiliäre Karzinome

(2)

werden, sondern nur durch eine aus- führliche Familienanamnese mit möglichst kompletter Erfassung der kolorektalen Karzinome und Polypen sowie anderer maligner Tumoren in der Familie einschließlich des Erkran- kungsalters. Die Diagnose von HNPCC ist sehr wahrscheinlich,

wenn der erhobene Familienstamm- baum die sogenannten Amsterdam- Kriterien erfüllt (Textkasten). Ein ty- pisches Beispiel zeigt Grafik 1. Die von einer internationalen Experten- gruppe in Amsterdam definierten Kriterien (43) sind bewußt sehr eng gefaßt, um bei der Suche nach den ge- netischen Ursachen sicherzustellen, daß es sich tatsächlich um das Krank- heitsbild HNPCC handelt.

Der Nachteil der Amsterdam- Kriterien liegt in der Untererfassung der Krankheit, da HNPCC-assoziier- te maligne Tumoren, hier vor allem das Endometriumkarzinom, nicht berücksichtigt werden. Um dem klini- schen Bild Rechnung zu tragen, wur- den zusätzliche erweiterte Kriterien definiert (Textkasten). Die infolge einer Neumutation aufgetretenen HNPCC-Erkrankungen können al- lerdings auch durch diese klinischen Kriterien nicht erkannt werden.

Differentialdiagnostisch müssen andere erbliche Ursachen des Dick- darmkrebses abgegrenzt werden (4, 27). Hierzu zählen die familiäre ade- nomatöse Polyposis (FAP) und de- ren Variante, das hereditäre „flat adenoma“ Syndrom (HFAS) (Tabelle

2). Das sehr seltene Peutz-Jeghers- Syndrom und die familiäre juvenile Polyposis lassen sich in der Regel durch den histologischen Nachweis der Hamartome gut unterscheiden.

Schwierig kann jedoch die Ab- grenzung zum familiär gehäuften ko- lorektalen Karzinom ohne eindeutige

genetische Grundlage sein. So er- kranken in Deutschland jährlich etwa 50 000 Personen neu an einem kolo- rektalen Karzinom, wobei etwa sie- ben Prozent der Patienten jünger als 50 Jahre sind. In größeren Familien ist aus diesem Grund ein mehrfaches Auftreten kolorektaler Karzinome denkbar, ohne daß es sich um HNP- CC handelt (28, 44).

Molekulargenetische Grundlagen

HNPCC ist eine autosomal-do- minante Tumorprädispositionser- krankung. Kinder eines Patienten mit HNPCC haben demnach ein Risiko von 50 Prozent, Anlageträger für HNPCC zu sein. Die Penetranz wird auf 70 bis 80 Prozent geschätzt (3).

Charakteristisch für Tumoren von HNPCC-Patienten ist das gehäuf- te Auftreten von Mutationen in den sogenannten Mikrosatellitenmarkern (SSR = short sequence repeats) (1, 2, 12, 38, 42). Mikrosatelliten sind repe- titive, phylogenetisch konservierte Di-, Tri- oder Tetranukleotidsequen- zen, die über das ganze Genom ver-

teilt vorkommen (49). Jeder Mikrosa- tellitenmarker weist in allen Körper- zellen eines Individuums eine charak- teristische Anzahl von Motivwieder- holungen auf, die interindividuell va- riieren kann (Polymorphismus).

Bei HNPCC läßt sich innerhalb einer Person eine Sequenzlängendif-

ferenz zwischen Tumor und gesun- dem Gewebe als Hinweis auf eine fehlerhafte Replikation der DNA nachweisen.

Dieses Phänomen wird als Mi- krosatelliten-Instabilität (MIN) und der Tumor als RER+(replication er- ror positive) bezeichnet. Die Mikro- satelliten-Instabilität tritt bei HNP- CC nicht nur in kolorektalen Karzi- nomen, sondern auch gehäuft in HN- PCC-assoziierten Karzinomen und in

Tabelle 1

Prozentuale Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms und assoziierter maligner Tumo- ren bei Patienten aus HNPCC-Familien (34)

maligne Tumoren Häufigkeit (%)

Kolorektum 63

Endometrium 81

282

Magen 6

hepatobiliäres

System 4

Urothel 2

Brust 21

62

Sarkome 2

Haut 2

Dünndarm 1

Ovar 11

32

Lunge 1

Andere 8

1 Prozentuale Häufigkeit bei allen Patienten

2 Prozentuale Häufigkeit bei weiblichen Patienten

I

II

III

IV

+57J. +88J.

1

1

1

2

00

83 2 3 4

03 47 CRC

3 4

05 08 10

5 6 Magen-Ca 7

26 33 CRC

37J./47J.

CRC 45J./56J.

37 25 30

2 3 4 5 CRC

51 62 65 68 74

1 2 3 4 5

03 82 Grafik 1

Stammbaum einer Familie mit erblichem nicht-polypösem Dickdarmkrebs. Personen mit HNPCC-assoziierten Tumoren sind blau gekennzeichnet. Das Geburtsjahr beziehungsweise Sterbejahr sowie das Alter bei Diagnose des jeweiligen Karzinoms sind angegeben. (CRC = kolorektales Karzinom)

(3)

kolorektalen Adenomen auf (2, 4, 12). So konnten Aaltonen et al. zei- gen, daß bei HNPCC-Patienten 86 Prozent der kolorektalen Karzinome und 57 Prozent der Adenome RER+ waren (2). Studien an nicht selektio- nierten Patienten mit kolorektalen Karzinomen ergaben ein positives RER-Phänomen in etwa 16 Prozent (1, 12, 40, 42), bei sporadischen Er-

krankungsfällen unter 35 Jahren je- doch in über 50 Prozent (25 a).

Kartierung und Isolierung der verantwortlichen Gene Die in HNPCC-Tumoren beob- achtete Instabilität von Mikrosatelli- tenmarkern legte nahe, daß HNPCC durch Mutationen im DNA-Mis- match-Repair-System verursacht ist.

Aus früheren Studien war bekannt, daß die Gene mutS, mutL und mutH bei E. coli ebenso wie die entsprechen- den homologen Gene bei der Hefe (MSH2, MLH1, PMS1) am „mis- match-repair“ beteiligt sind (7, 10).

Die Funktion der entsprechenden Pro- teine besteht darin, eventuelle Fehler, die bei der Replikation der DNA vor jeder Zellteilung entstehen, zu erken-

nen und zu korrigieren (Tabelle 3).

1993 wurde erstmals bei einem Teil der HNPCC-Familien eine Kopp- lung mit Markern der chromosoma- len Region 2p16 nachgewiesen (39) und das hier lokalisierte Gen identi- fiziert (17, 22).

Das mit hMSH2 bezeichnete Gen zeigt eine große Homologie zu dem mutS-Gen bei E. coli bezie- hungsweise MSH2 bei der Hefe (10).

Bei ungefähr 50 Prozent der HNPCC-Familien ist die Erkrankung mit Markern des kurzen Arms von Chromosom 2 gekoppelt (1, 24, 37).

Bei einem Teil der Familien sind Mu- tationen im hMSH2-Gen identifiziert worden. Vorwiegend handelt es sich dabei um Punktmutationen, die in hochkonservierten Bereichen des Gens zu Stop-Codons oder zu einem

Aminosäureaustausch führen, aber auch andere Veränderungen, wie De- letionen, können auftreten (10, 17, 21, 22, 24, 32). Bei etwa einem Drittel der HNPCC-Familien wurde eine Kopp- lung mit Markern der chromosoma- len Region 3p21.3 festgestellt (23, 37).

Das hier befindliche, als hMLH1 be- zeichnete Gen wurde als homolog zum mutL-Gen bei E. coli und dem entsprechenden MLH1-Gen der Hefe Tabelle 2

Differentialdiagnose multipler erblicher Kolontumoren

ursächliche Gene kolorektale Manifestation extrakolonische Manifestation

HNPCC hMSH2, hMLH1, kolorektale Karzinome mit Endometriumkarzinome, Ovarialkarzinome, hPMS1, hPMS2 proximaler Häufung, Karzinome des Magens, Dünndarms, Pankreas,

synchrone oder metachrone hepatobiliäre Karzinome, Urothelkarzinome, Zweittumoren Hauttumoren, primäre Hirntumoren

Muir-Torre- hMSH2, (hMLH1, kolorektale Karzinome Tumoren aus dem HNPCC-Spektrum. Zusätzlich:

Syndrom1 hPMS1, hPMS2?) Hauttumoren (Talgdrüsenadenome, -epitheliome,

-karzinome, Basalzellkarzinome), Larynx- und Ösophaguskarzinome

Turcot- APC variabel, bis .100 Tumorspektrum wie FAP oder HNPCC. Zusätzlich:

Syndrom2 hMLH1, hPMS2, Adenome Hirntumoren (Astrozytome, Glioblastome, (hMSH2, hPMS1 ?) Medulloblastom), fokale noduläre Hyperplasie

der Leber, „Café au lait“-Flecken, Basalzellnävi und Karzinome, seborrhoische Keratose

Familiäre APC .100 Adenome duodenale Adenome und Adenokarzinome, be-

adenomatöse nigne hyperplastische Polypen des Magenfundus,

Polyposis Adenome und Karzinome des Magens, Hepato-

(FAP) blastome, Schilddrüsenkarzinome, kongenitale

Hyperplasie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE), Osteome, Desmoidtumoren, Zahn- anomalien

Hereditary APC variabel, meist ,100 Ade- Tumorspektrum wie FAP, aber milderer Verlauf

flat adenoma nome, proximale Häufung

syndrome (HFAS)

fam. Häufung nicht gesichert in der Regel distale Häufung, keine gehäuft auftretende extrakolonische nicht erblicher meist höheres Erkrankungs- Manifestation

Kolonkarzinome alter

1 Das Muir-Torre-Syndrom scheint lediglich eine seltene Variante von HNPCC zu sein

2 Das Turcot-Syndrom scheint kein eigenständiges Krankheitsbild darzustellen, sondern nur eine variable Ausprägung von FAP oder HNPCC zu sein.

(4)

identifiziert (5, 18, 38). Auch in die- sem Gen wurden bereits über die Keimbahn weitergegebene Mutatio- nen gefunden (5, 18, 25, 38).

Bei der Suche nach menschlichen Genen, die Homologie zu dem MLH1-Gen der Hefe zeigen, wurden zwei weitere Gene, hPMS1 in der chromosomalen Region 2q31–33 und hPMS2 auf Chromosom 7, Abschnitt p22 identifiziert (36). Auch in diesen Genen wurden Keimbahnmutationen bei Patienten mit erblichem kolorek- talem Karzinom ohne Polyposis (HN- PCC) nachgewiesen.

Unabhängig von der Lokalisa- tion des verantwortlichen Gens scheint das klinische Bild gleich zu sein. Die Patienten weisen alle das „replication error“-Phänomen (RER+) auf, das heißt, in Tumoren finden sich zusätzliche Banden an ver- schiedenen Mikrosatelliten-Loci als Folge von Mutationen bei der Repli- kation der DNA.

Adenom-Karzinom-Sequenz Wie im Deutschen Ärzteblatt dargestellt (11), entwickeln sich die meisten malignen Kolontumoren aus vorbestehenden Adenomen im Sinne eines mehrstufigen Prozesses. Im Rahmen der sogenannten Adenom- Karzinom-Sequenz kommt es in ei- nem Zellklon zu einer Akkumulation verschiedenster, für die Tumor- progression verantwortlicher Muta- tionen (9). Nach dem von Knudson (20) für Tumorsuppressorgene ent- wickelten Zwei-Treffer-Modell muß in einer Zelle zu einer bestehenden Keimbahnmutation eine zusätzliche somatische Mutation in einem der Mismatch-Repair-Gene dazukom- men, um ein Tumorwachstum zu initi-

ieren (15). Tatsächlich sind in Tumo- ren Mutationen beider Allele der Mismatch-Repair-Gene nachgewie- sen worden (22, 36, 38).

Lazar (21) konnte in Tumoren eines HNPCC-Patienten mehrere so- matische Mutationen im APC- (Adenomatöse Polyposis Coli) und p53-Gen nachweisen, wobei die Zahl der identifizierten Mutationen in

diesen Tumorsuppressorgenen bei Adenomen, also den Vorstufen des Karzinoms, wesentlich geringer war als im Karzinomgewebe selbst. Diese Beobachtung legt nahe, daß die In- aktivierung der DNA-Reparaturge- ne eine zunehmende Akkumulation verschiedener Mutationen in Genen mit sich bringt, die für die Kontrolle

des Zellwachstums verantwortlich sind. Die Mutationen in den Mikro- satelliten-Sequenzen sind dabei nur ein Indikator für die beeinträchtigte DNA-Reparatur.

Molekulargenetische

Untersuchungsmöglichkeiten

Untersuchung der

Mikrosatelliten-Instabilität in Tumorgewebe

Zum Nachweis der Mikrosatel- liten-Instabilität (MIN) wird DNA aus Tumorgewebe sowie aus Nor- malgewebe (in der Regel eine Blut- probe) des Patienten isoliert und mit mehreren Mikrosatellitenmarkern untersucht. Tumoren, die MIN auf- weisen, zeigen neben den im Blut nachweisbaren Markerallelen zu- sätzliche Banden, die durch somati-

sche Mutationen im Tumorgewebe aufgetreten sind (Grafik 2). Ein nachgewiesenes RER+-Phänomen im Tumorgewebe eines Patienten macht das Vorliegen von HNPCC wahrscheinlich. Beweisend ist je- doch erst die Identifikation einer Keimbahnmutation in einem der DNA-Mismatch-Repair-Gene.

Tabelle 3

Mismatch-Repair-Gene, deren Defekt zu HNPCC führt, und homologe Gene bei E. coli und Hefe

Mensch Lokalisierung E. coli Hefe Funktion

hMSH2 2p16 mutS MSH2 Erkennung von

(MSH3) Basenfehlpaarungen (MSH1)

hMLH1 3p21 mutL MLH1 Stabilisierung des

hPMS1 2q31–33 PMS1 Mismatch-Repair-

hPMS2 7p22 Komplexes

Grafik 2

27

N T T T

27

N T T T

D3S1298 D2S123

Mikrosatelliten-Instabilität im Tumorgewebe des Patienten 27. DNA aus Blut (N) und Tumorgewebe (T) des Pa- tienten 27 wurden mit den Mikrosatellitenmarkern D3S1298 und D2S123 untersucht. Die zusätzlichen Banden im Tumor sind markiert.

(5)

Direkte Genotypanalyse Für die Identifizierung der Muta- tionen können entweder die einzel- nen HNPCC-Gene direkt komplett sequenziert oder Screening-Metho- den zum Auffinden von Mutationen vorgeschaltet werden, mit deren Hilfe eine Mutation in einem kleinen Ab- schnitt des Gens zunächst lokalisiert wird, um anschließend sequenziert werden zu können (Grafik 3a und 3b).

Der Nachweis der zugrundeliegenden Mutation kann im Einzelfall trotz kli- nisch eindeutiger Evidenz für HNP- CC schwierig sein.

Selbst bei Anwendung aller zur Zeit verfügbaren Methoden der Mu- tationssuche- und identifizierung konnte lediglich in 70 Prozent der untersuchten HNPCC-Familien eine Keimbahnmutation nachgewiesen werden (25 b).

Indirekte Genotypanalyse Eine indirekte Genotypanalyse (Kopplungsuntersuchung), die bei monogenen Erkrankungen häufig zur Erkennung von Anlageträgern ange- wandt wird, ist bei HNPCC-Familien kaum möglich, da die Familien meist nicht ausreichend groß sind, um die Krankheit in einer Familie eindeutig einem der vier Genorte zuordnen zu können.

Erkennung von Anlageträgern

Die präsymptomatische moleku- largenetische Untersuchung kann für Risikopersonen einschneidende Kon- sequenzen haben. Deshalb sollte vor Beginn der molekulargenetischen Un- tersuchung immer ein ausführliches Beratungsgespräch stehen. Dieses muß neben der Erfassung der Eigen- und Familienanamnese auch über die

Genese der Erkrankung, die damit verbundenen Erkrankungsrisiken, den Sinn der notwendigen Vorsorgeunter- suchungen und über die Möglichkei- ten und Grenzen des molekulargeneti- schen Testangebotes informieren.

Gegenwärtig ist die präsympto- matische Diagnostik von Anlageträ- gern nur im Rahmen von Studien durchführbar, die sowohl die klini- schen als auch die molekulargeneti- schen Aspekte des Problems berück- sichtigen. Ein einfacher „Gentest“

aus Blut zur Diagnosesicherung von HNPCC bei Patienten mit kolorekta- lem Karzinom sowie zur Erkennung von Anlageträgern ist in absehbarer Zeit nicht möglich.

Prinzipiell besteht eine Untersu- chungsindikation, wenn in der Familie

die klinischen Kriterien (Textkasten) erfüllt sind, daß heißt, wenn ein Er- krankungsalter von unter 50 Jahren und/oder andere mit HNPCC assozi- ierte maligne Tumoren gehäuft in der Familie vorliegen. In Zweifelsfällen kann zuerst nach dem RER-Phänomen im Tumorgewebe des Indexpatienten gesucht und bei Patienten mit RER+- Tumoren der direkte Mutationsnach- weis in der DNA aus Normalgewebe oder Blut angestrebt werden.

Zur DNA-Extraktion ist eine EDTA-Blutprobe (20 ml) ausrei- chend. Für die Untersuchung der Mikrosatelliten-Instabilität benötigt man zusätzlich entweder frisches oder in Paraffin eingebettetes Tumorgewe- be. Die Proben sollten, wenn möglich, erst nach Rücksprache mit dem zu- ständigen Labor zugesendet werden.

Der Nachweis einer Keimbahnmuta- tion in einem am Mismatch-Repair- Mechanismus beteiligten Gen erlaubt zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussa- ge zur Therapie oder Prognose. Diese richtet sich allein nach der klinischen Ausprägung der Erkrankung. Die Identifizierung und Charakterisie- rung der ursächlichen Mutation beim erkrankten Patienten kann jedoch für Risikopersonen der betreffenden Fa- Grafik 3b

normal

A C G T

1683delA

A C G T

CC AT AT GA GA AG AT AA TT TC Thr Tyr Glu Glu Asn Leu

Thr->Pro Tyr->Ile Glu->Ser Glu->Glu Asn Leu CC

AT AT GA GA AG AT AA TT TC

AC AC AT GT AG GA AT AA TT CT

Die Sequenzierung eines normalen (li) und veränderten (re) Abschnitts von Exon 11 des hMSH2-Gens bei Pa- tient 27. Neben der Basensequenz sind die entsprechenden Aminosäuren aufgeführt. Die Sequenzierung zeigt das Fehlen einer Base in Codon 561 (del 1683 A) (siehe Pfeil). Dadurch kommt es zu einer Verschiebung des Leserasters mit Einbau anderer Aminosäuren und so zur Bildung eines verkürzten Proteins.

Grafik 3a

60 62 63 67 69 70 71 72

Einzelstrangkonformationsanalyse (SSCA) von Exon 13 des hMSH2-Gens. DNA aus Normalgewebe (Blut) von mehreren Patienten wurde mittels PCR amplifi- ziert, anschließend denaturiert und auf einem nativen Polyacrylamidgel elektrophoretisch aufgetrennt. Die DNA wurde mittels Silberfärbung sichtbar gemacht.

Bei Patientin 62 treten zwei zusätzliche Banden auf.

(6)

milie eine präsymptomatische Unter- suchung ermöglichen. Dadurch kön- nen Anlageträger, die nach dem heu- tigen Kenntnisstand ein lebenslanges Risiko von 70 bis 80 Prozent für ein kolorektales oder ein anderes HNPCC-assoziiertes Karzinom ha- ben, frühzeitig erkannt und einer eng- maschigen Vorsorgeuntersuchung zu- geführt werden. Die Angehörigen, die diese Mutation nicht geerbt ha- ben, können aus dem Vorsorgepro- gramm entlassen werden.

Vor- und Nachsorge

Vorsorge

Familienangehörige mit nachge- wiesener Mutation sowie alle Risiko- personen in HNPCC-Familien, bei denen die ursächliche Mutation noch nicht identifiziert werden konnte, müssen auf die Notwendigkeit eines lebenslangen Vorsorgeprogramms hingewiesen werden. Die Effektivität einer konsequenten Vorsorge belegt eine von Järvinen et al. veröffentlich- te Studie. Durch die Frühdiagnose von Adenomen konnte die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms bei Risi- kopersonen aus HNPCC-Familien um mehr als die Hälfte reduziert wer- den (14). Das Vorsorgeprogramm sollte folgende Punkte umfassen:

1 Klinische Untersuchung: Jähr- liche gründliche klinische Untersu- chung, einschließlich der Inspektion der Haut.

1 Rektokoloskopie: Gemäß in- ternational üblicher Vorsorgeemp-

fehlungen (14, 29, 31, 44) sollten Risi- kopersonen vom 25. Lebensjahr an in zweijährigen Abständen rektokolo- skopiert werden. Da das Manifestati- onsalter eines kolorektalen Karzi- noms bei einem HNPCC-Patienten stark schwanken kann, ist die Angabe einer oberen Altersgrenze für die Vorsorgeuntersuchungen nicht mög- lich (13, 34).

1 Gynäkologische Vorsorge:

Weibliche Anlageträger einer HNPCC-Mutation haben ein etwa sechsfach erhöhtes Risiko, an einem Endometriumkarzinom zu erkran- ken. Das durchschnittliche Erkran- kungsalter liegt bei 48 bis 50 Jahren, aber es sind auch Erkrankungsfälle vor dem 30. Lebensjahr beschrieben worden (34, 47). Deshalb sollte bei diesen Patientinnen mit jährlichen gynäkologischen Vorsorgeuntersu- chungen einschließlich endovagina- lem Ultraschall ab dem 25. bis 30. Le- bensjahr begonnen werden (45).

1 Weitere Untersuchungen:

Die Effektivität einer jährlichen Oberbauchsonographie, Urinzytolo- gie und eines Hämoccult-Tests in der Tumorprävention kann noch nicht ab- schließend beurteilt werden. Da es sich jedoch um einfache, nicht bela- stende Untersuchungen handelt, soll- ten sie ebenfalls ab dem 25. Lebens- jahr in jährlichen Abständen durchge- führt werden.

Nachsorge

Die Therapie und Nachsorge bei nachgewiesenem kolorektalem Kar- zinom erfolgt nach den bekannten ku-

rativen oder palliativen chirurgischen und internistischen Richtlinien. Dar- über hinaus müssen die bei HNPCC gehäuft auftretenden malignen Zweiterkrankungen bedacht und das Nachsorgeprogramm analog zu dem oben erwähnten Vorsorgeprogramm daraufhin ausgerichtet werden. Vor allem in der Nachsorge weiblicher Pa- tienten mit kolorektalem Karzinom ist eine regelmäßige gynäkologische Untersuchung unerläßlich.

Die präsymptomatische geneti- sche Diagnostik eröffnet der Medizin neue Möglichkeiten der systemati- schen Krebsvorsorge. Jeder daran Beteiligte sollte sich aber immer auch der seelischen Belastung bewußt sein, die präsymptomatische Untersuchun- gen für die Anlageträger bedeuten.

Möchte eine Risikoperson nach aus- führlicher, nichtdirektiver Beratung keine präsymptomatische Untersu- chung durchführen lassen, hat der Arzt diesem Wunsch zu entsprechen.

Das Recht auf Nichtwissen muß ge- währleistet sein (19).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-1398–1403 [Heft 21]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Für die Verfasser:

Dr. med. Christof Lamberti Institut für Humangenetik Rheinische Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn

Wilhelmstraße 31 · 53111 Bonn

Bei der Enterocolitis regionalis Crohn kommt es postoperativ bei über 50 Prozent aller Patienten nach Ileum- resektion zu einem Rezidiv im Anasto- mosenbereich. Um dieses Rezidiv hin- auszuschieben, ist bislang eine Lang- zeittherapie mit 5-ASA praktiziert worden. Die Autoren führten im Rah- men einer plazebokontrollierten Dop- pelblindstudie eine dreimonatige postoperative Behandlung mit 20 mg pro kg Körpergewicht Metronidazol durch. Mit der Behandlung wurde in-

nerhalb einer Woche nach dem operati- ven Eingriff begonnen. Im Vergleich zur Plazebobehandlung trat bei den mit Metronidazol therapierten Patienten ein Rezidiv im neoterminalen Ileum verzögert auf, Rezidive verliefen weni- ger schwer. Allerdings wiesen die mit Metronidazol behandelten Patienten häufiger Nebenwirkungen auf. Nach einem Jahr lag die Rezidivrate unter Metronidazol bei 4 Prozent, unter Pla- zebo bei 25 Prozent, die entsprechen- den Vergleichszahlen nach zwei Jahren

lauteten 26 Prozent gegenüber 43 Pro- zent, nach 3 Jahren 30 Prozent gegenü- ber 50 Prozent. Die Schlußfolgerung der Autoren lautet, daß eine dreimona- tige postoperative Behandlung mit Me- tronidazol die Schwere des Frührezidi- vs zu reduzieren vermag und sympto- matische Rezidive verzögert. w Rutgeerts P, Hiele M, Geboes K et al:

Controlled trial of metronidazole treat- ment for prevention of Crohn’s recurren- ce after ileal resection. Gastroenterol 1995; 108: 1617–1621

Departments of Medicine: Surgery and Pathology, University Hospital Gast- huisberg, Universität Leuven, Belgien

Metronidazol postoperativ bei Morbus Crohn

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