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Archiv "Morbus-Crohn-assoziierte Dermatosen" (13.12.2002)

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eim Morbus Crohn (M. Crohn) handelt es sich um eine chronische, entzündlich granulomatöse Er- krankung des Gastrointestinaltraktes unklarer Genese. Erstmals beschrieben wurde die Symptomatik von Crohn, Ginzburg und Oppenheimer (11) im Jahre 1932. Obwohl die Erkrankung an jeder Stelle des Gastrointestinaltraktes vorkommen kann, überwiegt die Loka- lisation im terminalen Ileum und Ko- lon. Typischerweise beginnt die Erkran- kung im zweiten bis vierten Lebensjahr- zehnt mit krampfartigen, intermittie- renden Schmerzen im Unterbauch und chronischen rezidivierenden Durchfäl- len meist ohne Blut- oder Schleimbei- mengungen.

Neben den intestinalen Symptomen ist der M. Crohn zusätzlich mit einem breiten Spektrum extraintestinaler Ma- nifestationen assoziiert. Neben Manife- stationen an den Gelenken (Arthritis, ankylosierende Spondylitis), am Auge (Uveitis, Episkleritis) sowie der skle- rosierenden Cholangitis sind hierbei auch assoziierte Hautveränderungen bedeutsam. Eine Vielzahl von verschie- denen mit M. Crohn assoziierten Haut- erkrankungen wurde in der Litera- tur beschrieben. Aufgrund der großen Bandbreite der Dermatosen sowie ihres gelegentlichen Auftretens einige Jahre vor den intestinalen Beschwerden (65) ist eine korrekte Zuordnung der assozi- ierten Dermatose zur zugrunde liegen- den entzündlichen Darmerkrankung oft schwierig. Im Folgenden wird ein Überblick über Art und Häufigkeit von mit M. Crohn assoziierten (muko)kuta- nen Hautveränderungen gegeben. Un- ter Berücksichtigung des klinischen Bil- des sowie der Ätiopathogenese der je- weiligen Symptomatik wird eine Eintei- lung der möglichen (muko)kutanen Veränderungen bei bestehendem M.

Crohn in fünf Gruppen vorgeschlagen

(Tabelle 1). Die teilweise großen Dis- krepanzen bezüglich der Häufigkeit des Auftretens einzelner mit M. Crohn as- soziierter Haut- und Schleimhautläsio- nen sind auf die unterschiedlichen Ein- schlusskriterien in den verschiedenen Untersuchungen und wohl auch auf un- terschiedliche Beobachtungszeiträume zurückzuführen.

Perianale oder peristomale Läsionen als Komplikationen

Zweifelsohne wird in der Mehrzahl der Fälle eine kutane Manifestation beim M. Crohn durch eine perianale oder peristomale Ausdehnung der intestina- len Erkrankung verursacht. Perianale Läsionen stehen in Kontinuität mit dem Gastrointestinaltrakt und treten bei M. Crohn in bis zu 68 Prozent aller Fälle auf (26, 27, 56). Zu diesen zählen vor allem perianale Abszesse als akute, und perianale Fisteln als chronische Variante ein und desselben Krank- heitsbildes. Bei 20 bis 28 Prozent aller Crohn-Patienten (26, 75) kommt es zu perianalen Fisteln und Abszessen, mehr als die Hälfte aller Analfisteln liegen dabei als intersphinktere beziehungs- weise transsphinktere Fisteln vor (4).

Die konservative Behandlung der peri- analen Fisteln (zum Beispiel Medika- tion mit Metronidazol und/oder Faden- drainage) ist nicht immer erfolgreich.

Bei symptomatischen Fisteln werden somit öfter operative Maßnahmen (Fistelspaltung, lokale Fistelgangexzi- sion oder kontinente Fistulektomie mit Verschiebelappen) beziehungsweise ein Therapieversuch mit dem Immun- modulator Infliximab (i.v.) notwendig.

Auch Tumornekrosefaktor-Antikör- per spielen trotz der nicht unerhebli- chen Therapiekosten eine zunehmen- de Rolle bei der Behandlung des M.

Crohn, da sie bei einigen Patienten mit steroidrefraktärem M. Crohn in der Lage sind, eine Remission zu induzie- ren (60). Dennoch wird bei circa zehn

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 5013. Dezember 2002 AA3401

Morbus-Crohn-assoziierte Dermatosen

Zusammenfassung

Extrainstestinale (muko)kutane Manifestatio- nen eines Morbus Crohn sind häufig. Granulo- matöse Veränderungen sind oft nicht nur im Gastrointestinaltrakt zu finden, sondern treten vielgestaltig auch perianal und oral, in seltenen Fällen sogar weit von den betroffenen Darm- abschnitten entfernt auf. Zudem wurden in der Literatur mehr als 20 verschiedene, Morbus- Crohn-assoziierte Dermatosen beschrieben. So tritt zum Beispiel das Erythema nodosum bei einem bis acht Prozent, das Pyoderma gangrae- nosum in einem bis zwei Prozent aller Patien- ten mit Morbus Crohn auf. Im Folgenden wird eine Übersicht über Art und Häufigkeit ver- schiedener kutaner und mukokutaner Ver- änderungen bei bestehendem Morbus Crohn gegeben. Der mögliche ätiopathogenetische Zusammenhang des Auftretens der jeweiligen Dermatose mit der Darmerkrankung wird dis- kutiert.

Schlüsselwörter: Morbus Crohn, extraintesti- nale Manifestationen, Dermatosen, Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum

Summary

Dermatoses Associated with Crohn's Disease

Extraintestinal (muco)cutaneous manifestations of Crohn's disease are common. Granulomatous changes can often be found not only in the gastrointestinal tract, but also occur in various forms both perianally as well as orally, in rare cases even far away from affected intestinal segments. Furthermore, more than 20 different dermatoses associated with Crohn's disease have been described in literature. For example Erythema nodosum can be found in 1 to 8 per cent, Pyoderma gangrenosum in 1 to 2 per cent of all patients with Crohn's disease. This paper will provide an overview of types and frequency of different cutaneous and mucocutaneous changes in existing Crohn's disease. We discuss the possible etiopathogenetic correlation be- tween the incidence of the respective dermatosis and bowel disease.

Key words: Crohn's disease, extra-intestinal manifestations, dermatoses, Erythema nodosum, Pyoderma gangrenosum

Dermatologische und Allergologische Abteilung (Chef- arzt: Prof. Dr. med. Wilhelm Stolz) des Städtischen Kran- kenhaus München-Schwabing

Rainer Henschel

Reinhard Breit

Michael Gummer

(2)

Prozent der Patienten mit ausgedehn- ten analen Abszessen und Fisteln im weiteren Verlauf eine Proktokolekto- mie unumgänglich (19).

Das klinische Bild eines analen be- ziehungsweise perianalen M. Crohn ist variabel, neben Fisteln und Abszessen können sich außerdem Fissuren, Maris- ken und/oder ekzematöse beziehungs- weise ulzerierende Herde manifestie- ren (63, 67).

Perianale Läsionen stellen oft die er- sten Symptome der Erkrankung dar und können der entzündlichen Darmer- krankung Jahre vorausgehen. Bei unge- klärter Ätiologie sollte bei Auftreten der erwähnten perianalen Läsionen ne- ben einer Röntgenuntersuchung des terminalen Ileums eine Koloskopie mit gleichzeitiger Biopsie erfolgen. Bei Vor- liegen eines spezifischen perianalen M.

Crohn sind zwar (vor allem bei Pro- beexzisionen aus frischen Läsionen) oft typische, nichtverkäsende, granu- lomatöse Entzündungsreaktionen dar- stellbar (38), fehlende Granulome in der Histologie schließen das Vorliegen eines M. Crohn jedoch nicht aus.

Kutaner Morbus Crohn

Seltener treten beim M. Crohn granulo- matöse, kutane Veränderungen auf, die, im Gegensatz zu den bereits er- wähnten Läsionen, nicht in Kontinuität mit dem Gastrointestinaltrakt stehen.

Parks et al. beschrieben erstmals 1965 diese Hautveränderungen (52) und führten den Begriff „metastasierender“

M. Crohn ein, der noch immer in der angloamerikanischen Literatur verwen- det wird. Um Missverständnissen vorzu- beugen und um nicht unnötig Ängste bei den Patienten zu wecken, schlagen die Autoren alternativ die Verwendung des Begriffes „kutaner M. Crohn“ vor.

Die geringe Zahl der bisher veröf- fentlichten Kasuistiken (circa 90 Fallbe- richte) stellt vermutlich eine Unter- schätzung der Inzidenz des kutanen M.

Crohn dar (59), die durch unerkannte Zusammenhänge mit intestinalen Sym- ptomen und durch das teilweise zeitlich versetzte Auftreten von Hautverände- rungen und gastrointestinaler Aktivität bedingt ist. Bei circa zwei Dritteln der Kinder sowie der Hälfte der Erwachse- nen mit kutanem M. Crohn sind die Ge- nitalien betroffen (54). Dabei zeigen sich als klinisches Bild typischerweise Erytheme, Ödeme, im weiteren Verlauf pustulöse oder erosive Läsionen und Ulzera an Labien, Penis oder Skrotum.

Polymorphe Hautveränderungen kom- men auch beim nichtgenital lokalisier- ten, kutanen M. Crohn vor, der als ein- faches infiltriertes Erythem, als grup- pierte Papulopusteln oder als ulzerie- rendes Infiltrat vor allem an den unte- ren Extremitäten sowie am Rumpf (54) imponieren kann.

Die Diagnostik eines kutanen M.

Crohn ist insbesonders dann schwierig, wenn er dem klinischen Auftreten der gastrointestinalen Erkrankung voraus- geht. Dies kommt vor allem bei genita- ler Lokalisation des kutanen M. Crohn vor (14). Charakteristisch ist hier in der histologischen Untersuchung das Auf-

treten nichtverkäsender Granulome mit Langhansschen Riesenzellen in der Dermis (35, 38), seltener zeigt sich das histologische Bild einer granulomatö- sen Vaskulitis (25). Da kutane Granulo- me auch bei der Sarkoidose, Fremd- körperreaktionen und einer Anzahl mykobakterieller und mykologischer Erkrankungen auftreten, müssen diese differenzialdiagnostisch durch histolo- gische Spezialfärbungen und genaue Erhebung des klinischen Gesamtstatus ausgeschlossen werden.

Obwohl die Läsionen beim kutanen M. Crohn spontan abheilen können (35), tendieren sie zu einem chroni- schen Verlauf. Eine effektive Behand- lung scheint die orale Therapie mit Me- tronidazol zu sein (54). Andere Thera- piemöglichkeiten schließen die Gabe von Corticoiden (systemisch, topisch oder intraläsional appliziert), die Medi- kation mit Sulfasalazin sowie chirurgi- sche Maßnahmen ein.

Oraler Morbus Crohn

Obwohl M. Crohn, auch Enterocolitis regionalis genannt, überwiegend seg- mental im terminalen Ileum und Kolon auftritt, kann er an jeder Stelle des Ver- dauungstraktes vom Mund bis zum Anus vorkommen. Für den Dermatolo- gen nimmt dabei die mukokutane Ma- nifestation an den Lippen und in der Mundhöhle eine besondere Stellung ein.

Im Mundbereich sind unspezifische Läsionen bei M. Crohn häufig (in bis

´ Tabelle 1 C´

Einteilung der assoziierten Haut-/Schleimhautläsionen

M.-Crohn-assoziierte Haut- und Schleimhauterkrankungen Häufigkeit des Auftretens bei Quelle

M. Crohn (anhand Literaturangaben)

Perianale/peristomale Läsionen als Komplikation des 26–68 % (26, 27, 56)

M. Crohn (Fisteln, Abszesse, Ulzera, Fissuren, Marisken)

Kutaner M. Crohn ohne Kontinuität mit Magen-Darm-Trakt Ca. 90 Fallberichte (54)

Oraler M. Crohn 0–9 %

(unspezifische Läsionen bis 20 %) (2, 6, 23, 38, 40) Reaktive, M.-Crohn-assoziierte Dermatosen Siehe Tabelle 2

(u. a. Pyoderma gangraenosum, Erythema nodosum)

Sekundäre Komplikationen eines M. Crohn Keine Häufigkeitsangaben in (u. a. Medikamentennebenwirkungen, Mangelsyndrome) Literatur aufzufinden

(3)

zu 20 Prozent aller Patienten). Zu die- sen zählen in erster Linie Stomatiti- den, aphthöse Ulzera und andere Lä- sionen (zum Beispiel verursacht durch Malabsorptionszustände), aber auch das mit dem M. Crohn assoziierte Krankheitsbild der Pyostomatitis ve- getans, das klinisch durch multiple ora- le Pusteln sowie schmerzhafte Erosio- nen und verruciforme Vegetationen imponiert (13).

Spezifische orale Läsionen, deren makroskopisches wie mikroskopisches Bild den Veränderungen des übrigen befallenen Gastrointestinaltraktes bei M. Crohn ähnelt, treten hingegen selte- ner auf und sind von obigen Schleim- hautveränderungen abzugrenzen. Die exakte Bestimmung der Prävalenz die- ses „oralen M. Crohn“ ist schwierig, sie schwankt (je nach Einschlusskriterien) in der Literatur zwischen null Prozent und neun Prozent (6, 23, 40). Beim spe- zifischen oralen M. Crohn sind vor al- lem längliche Ulzera und (zum Teil in- durierte) Lippen- und Wangenschwel- lungen typisch (15). Wenn derartige li- neare Ulzerationen oder Fissuren sich verbinden und die Mucosa ödematös erscheint, entsteht das für M. Crohn ty- pische pflastersteinartige Muster. Zu- dem können beim M. Crohn orale Pseu- dopolypen sowie eine Gingivahyper- plasie auftreten.

Bei der Cheilitis granulomatosa han- delt es sich um eine chronische Lippen- schwellung auf dem Boden einer granu- lomatösen Entzündung unbekannter Ursache. Sie kann isoliert, jedoch auch als Teilsymptom des Melkersson-Ro- senthal-Syndroms auftreten. Da beim M. Crohn orale Läsionen den intestina- len Syndromen mehrere Jahre voraus- gehen können, ist hier differenzialdia- gnostisch ein oraler M. Crohn vor allem dann in Erwägung zu ziehen, wenn zu- sätzlich Pseudopolypen oder längliche Ulzera in der Mundschleimhaut auftre- ten.

Histologische Untersuchungen der erwähnten spezifischen Läsionen beim oralen M. Crohn ergeben in der Regel den Nachweis (nicht immer deutlich ausgeprägter) epitheloider Granulome.

Erstaunlicherweise kommt, bei generell höherer Inzidenz des M. Crohn bei Frauen, eine orale Manifestation häufi- ger bei Männern vor (15).

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A3404 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 5013. Dezember 2002

´ Tabelle 2 C´

Häufig beschriebene M.-Crohn-assoziierte Dermatosen

Häufig beschriebene Assoziationen Prozentuale Häufigkeit des Auftretens Quelle bzw. Anzahl der Kasuistiken in Literatur

Erythema nodosum 1–8 % (1, 75)

Pyoderma gangraenosum 1–2 % (26, 70)

Psoriasis 9,6–11,2 % (36, 76)

Amyloidose, sekundäre 1–6 % (23, 39)

Nekrotisierende Vaskulitiden:

Polyarteritis nodosa cutanea n > 10 (62)

Vasculitis allergica n > 15 (78)

Erythema elevatum et diutinum n = 2 (17, 72)

Autoimmunerkrankungen:

Epidermolysis bullosa acquisita n > 10 (33)

Systemischer Lupus erythematodes n > 10 (51)

Sweet-Syndrom (akute febrile n > 30 (41, 58)

neutrophile Dermatose)

Sarkoidose n > 20 (66)

´ Tabelle 3 C´

Selten beschriebene M.-Crohn-assoziierte Dermatosen

Selten beschriebene Assoziationen Anzahl der Kasuistiken in der Literatur Quelle (zufällige Koexistenz möglich)

Autoimmunerkrankungen:

Dermatomyositis n < 5 (37)

Lineare IgA-Dermatose n < 5 (5)

Polychondritis rezidivans n < 5 (71)

Alopecia areata universalis n < 5 (61)

Vitiligo n < 5 (46, 47)

Neutrophile Dermatose:

Pustulosis subcornealis n < 5 (12)

Genodermatosen:

Porokeratosen n < 5 (48)

Basalzellnävussyndrom n < 5 (29, 57)

Sonstige Dermatosen:

Erythema multiforme n < 5 (8, 10)

Skleromyxödem n < 5 (18)

Lichen nitidus n < 5 (28, 30)

Lichen ruber planus n < 5 (28)

Rosacea fulminans n < 5 (45)

Akne fulminans n < 5 (44)

(4)

Eine Einschätzung der Effektivität verschiedener therapeutischer Ansätze (Mesalazin, topische oder systemische Anwendung von Steroiden) ist auf- grund des meist spontanen, unvorher- sehbaren Verlaufes des oralen M.

Crohn schwierig. Kürzlich veröffent- lichte Einzelberichte beschreiben den erfolgreichen topischen Einsatz von Tacrolimus (9).

Reaktive, mit Morbus Crohn assoziierte Dermatosen

Bei einer Anzahl von Dermatosen ist von einer spezifischen, kausalen Asso- ziation der kutanen Manifestation mit der entzündlichen Darmerkrankung auszugehen (vor allem bei parallelem Krankheitsverlauf beziehungsweise ei- ner Besserung der Dermatose nach Be- handlung der Enterokolitis) (Tabelle 2). Zusätzlich werden auch Hautverän- derungen aufgeführt, bei denen in der Literatur nur in Einzelfallberichten ei- ne Koexistenz mit M. Crohn beschrie- ben wurde. Bei einem Teil dieser spora- dischen Fälle ist eine gemeinsame Ätiologie zwar denkbar, eher ist jedoch von einer zufälligen Koexistenz auszu- gehen (Tabelle 3).

Das Erythema nodosum ist, ne- ben oralen sowie perianalen Läsionen, die am häufigsten auftretende, mit M. Crohn assoziierte Dermatose. Sie kommt bei bis zu acht Prozent aller Pa- tienten mit M. Crohn vor (1, 75). Bei dieser polyätiologischen akut entzünd- lichen Hauterkrankung sind kutan- subkutane, schmerzhafte, erythematö- se Knoten vorwiegend an den Streck- seiten der Unterschenkel typisch (Ab- bildung 1). Histopathologisch zeigen sich akut entzündliche perivaskuläre Infiltrate in den unteren Dermisschich- ten sowie eine septale Pannikulitis in der Subkutis (7). Als Auslöser des Erythema nodosum werden im Allge- meinen bakterielle Infekte des Darmes beziehungsweise des Respirationstrak- tes oder eine Sarkoidose gefunden. Ne- ben dem sonst üblichen therapeuti- schen Vorgehen (nichtsteroidale Anti- phlogistika, Kompressionstherapie, in schweren Fällen systemische Corti- coidtherapie) ist bei M.-Crohn-assozi- iertem, therapierefraktärem Erythema

nodosum ein Behandlungsversuch mit Kaliumjodid (Dosis bis 1 500 mg/d) zu erwägen, da hier über gute therapeuti- sche Ergebnisse berichtet wurde (42).

Das Pyoderma gangraenosum tritt in ein bis zwei Prozent der Fälle bei Pa- tienten mit M. Crohn auf, noch häufiger (in ein bis zehn Prozent) bei Patienten mit Colitis ulcerosa (26, 70). Es zählt somit zu den häufigsten extraintestina- len Manifestationen entzündlicher Darmerkrankungen. Die Genese die- ser herdförmigen, anfangs oft mit Bla- sen oder Pusteln einhergehenden, dann abszendierenden und ulzerierenden, entzündlich hyperergen Dermatose ist unklar. Klinisch zeigen sich bei typi- scher Ausprägung ein oder mehrere sehr schmerzhafte Ulzera mit düsterro-

tem, unterminierten Ulkusrand. Disku- tiert wird, ob eine (infekt)allergisch ausgelöste, nekrotisierende Vaskulitis pathogenetisch entscheidend ist. Das Pyoderma gangraenosum tritt zwar be- sonders häufig an den unteren Extre- mitäten auf, kann jedoch an beliebiger Hautstelle vorkommen. Speziell auch über peristomale Pyodermata gangrae- nosa (Abbildung 2) wird berichtet (69).

Da ein Pathergiephänomen mit Induk- tion eines Pyoderma gangraenosum nach vorangegangenen Hautverletzun- gen bei bis zu 30 Prozent aller Patien- ten beschrieben wurde (21), ist es mög- lich, dass das Auftreten der peristoma- len Läsionen mit der vorangegangenen traumatischen Darmresektion in direk- tem Zusammenhang steht.

Überraschend konnte in mehreren Studien eine hohe Koinzidenz zwi- schen Psoriasis und M. Crohn festge- stellt werden (36, 76). Zwar bestehen zumindest bei der Psoriasis arthropa- thica Gemeinsamkeiten bezüglich ei- ner HLA-B27-Assoziation, die Frage, warum bei circa zehn Prozent aller M.- Crohn-Patienten eine Psoriasis nachzu- weisen ist, ist jedoch ungeklärt.

Sekundäre generalisierte Amyloido- sen vom „AA-Typ“, deren gemeinsa- mes Merkmal die Ablagerung des Amyloid-A-Proteins darstellt, entste- hen vor allem als Folge von chronisch entzündlichen Erkrankungen, und sind bei ein bis sechs Prozent aller Patienten mit M. Crohn (23, 39) zu finden. Hier kann oft in klinisch unauffälliger Haut Amyloid nachgewiesen werden. Typi- sche Haut- und Schleimhautefflores- zenzen, wie winzige wachsartige Papeln an den Augenlidern und petechiale Blutungen bis hin zu plaqueförmigen oder diffus derben Infiltraten (Facies leontina) kommen in bis zu 30 Prozent der Fälle hinzu.

Auffällig ist auch eine hohe Assoziation von M. Crohn mit nekrotisierenden Vasku- litiden. Ein ätiopathogeneti- scher Zusammenhang mit der Darmerkrankung ist dabei wahrscheinlich, oft geht der klinische Verlauf beider Er- krankungen parallel. Mehr- fach wurde bei M.-Crohn-Pa- tienten über das Auftreten ei- Abbildung 1: Erythema nodosum

Abbildung 2: Peristomales Pyoderma gangraenosum einer 25-jährigen Patientin mit M. Crohn

(5)

ner Vasculitis allergica (Abbildung 3) (78), der Periarteriitis nodosa cutanea benigna (kutane Verlaufsform der Po- lyarteriitis nodosa) (62) sowie des an- sonsten sehr selten vorkommenden Erythema elevatum et diutinum (17, 72) berichtet.

Die Epidermolysis bullosa acquisita ist eine chronisch verlaufende blasen- bildende Dermatose, die zu den Au- toimmunerkrankungen zählt. Wegen des ansonsten seltenen Auftretens ist ein ätiopathogenetischer Zusammen- hang mit der Darmerkrankung auf- grund der in der Literatur beschriebe- nen Assoziation als relativ wahrschein- lich anzusehen.

Dieser Zusammenhang gilt nicht un- bedingt für den systemischen Lupus erythematodes. Zwar wurden hier eini- ge Fälle von Koinzidenzen beschrie- ben, der Lupus erythematodes weist je- doch eine vergleichsweise hohe Präva- lenz auf.

Mehr als 30 Kasuistiken in der Li- teratur lassen vermuten, dass beim Sweet-Syndrom (akute febrile neutro- phile Dermatose), das im Allgemei- nen mit bakteriellen Infekten aber auch mit hämatologischen Erkran- kungen assoziiert ist, auch eine spezifi- sche kausale Verbindung zum M.

Crohn besteht (41, 58). Charakteri- stisch ist das Auftreten düsterroter, nummulärer Erytheme beziehungswei- se polsterartig infiltrierter, rötlicher Plaques vor allem im Gesicht und den Streckseiten der Extremitäten. In der Regel besteht bei dem Patienten Fieber sowie eine neutrophile Leukozytose im Blutbild. Da manche Patienten mit Sweet-Syndrom zusätzlich ein Pyoder- ma gangraenosum oder ein Erythema nodosum (58, 73) aufweisen, ist eine ge- meinsame pathogenetische Schiene die- ser Dermatosen zu vermuten.

Die Sarkoidose ist eine granulo- matöse Systemerkrankung, die sich ty- pischerweise an der Lunge manife- stiert, aber auch andere Organe, im Be- sonderen die Haut, befallen kann. Über 20, teilweise auch familiär auftretende Koinzidenzen mit M. Crohn, wurden beschrieben (66). Da bei der Sarkoido- se bei Befall des Intestinaltraktes auch eine granulomatöse Enterokolitis und umgekehrt beim M. Crohn granulo- matöse Hautveränderungen im Sinne

eines „metastasierenden“ kutanen M.

Crohn auftreten können, ist in einigen Fällen eine Abgrenzung zum M. Crohn schwierig.

Bei einer Anzahl weiterer Dermato- sen liegen nur vereinzelte Fallberichte über eine Assoziation vor. Aufgrund der sporadischen Fälle ist eher an eine zufällige, als an eine ätiopathologisch bedingte Koinzidenz zu denken (Tabel- le 3).

Sekundäre dermatologische Komplikationen

Aufgrund der häufigen Anwendung von Sulfasalazin und dessen hoher Ne- benwirkungsrate (> 25 Prozent) wurde in der Literatur mehrfach über Arznei- mittelexantheme (55, 74), Lupus erythematodesähnliche Hautverände- rungen (74), sowie über Alopecia tota- lis nach Einnahme dieses Medikamen- tes berichtet. Arzneimittelexantheme sind bei Patienten mit M. Crohn auch nach Einnahme von Metronidazol (24), Mesalazin sowie Azathioprin (34) be- schrieben worden.

Bei M.-Crohn-Patienten wurde in mehreren Studien eine erhöhte Inzi- denz hinsichtlich des Auftretens von Spinaliomen festgestellt (16, 22). Ob dieses Phänomen nur Folge einer langjährigen Immunsupression durch die Einnahme von Corticoiden und an- deren Immunsuppresiva ist, oder zu- sätzlich auch durch M. Crohn bedingte lokale chronische, entzündliche Irrita- tionen bei der Entstehung der Spina- liome eine Rolle spielen, ist nicht ge- klärt.

Vor allem bei mehrwöchiger paren- teraler Ernährung kann es bei chro- nisch verlaufendem M. Crohn zu einer Reihe von Mangelsyndromen kom- men: Ein mehr oder weniger ausge- prägter Zinkmangel konnte bei bis zu 34 Prozent aller Patienten mit M.

Crohn nachgewiesen werden, mehrere Fälle der für das erworbene Zinkman- gelsyndrom typischen erworbenen Form der Acrodermatitis enteropathi- ca (Abbildung 4) wurden beschrieben (20, 31, 32). Charakteristisch ist hier das Auftreten von chronischen, näs- senden, schuppenden Erythemen, die vor allem an Körperöffnungen (Mund, Nase, Anogenitalregion) und distalen Extremitätenabschnitten lokalisiert sind.

Bei der selten auftretenden Pellagra, der ein Mangel von Nikotinsäure(amid) zugrundeliegt, sind Dermatitiden sowie Hyperpigmentierungen im Bereich der sonnenexponierten Haut charakteri- stisch (77). Bei Patienten mit chronisch verlaufendem M. Crohn kann schließ- lich ein Mangel an Biotin (Vitamin H) zu Störungen des Nagel- und Haar- wachstums führen (43).

Als weitere Sekundärkomplikatio- nen bei M. Crohn können Pyodermi- en, Mykosen sowie Kontaktdermatiti- den auftreten. Ursachen hierfür sind oft eine lokal beeinträchtigte Barrie- refunktion aufgrund der (muko)kuta- nen Manifestation der Grunderkran- kung oder ein bestehendes Stoma.

Gerade peristomal ist die Wahrschein- lichkeit des Auftretens einer kumula- tiv toxischen Kontaktdermatitis oder einer allergischen Kontaktdermatitis (zum Beispiel Sensibilisierung auf Sub- stanzen des Stomabeutels (53) oder auf zur Stomapflege eingesetzte Externa) groß.

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A3408 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 5013. Dezember 2002

Abbildung 3: Vasculitis allergica

(6)

Ausblick

Neben dem häufig auftretenden oralen und perianalen M. Crohn, dem „kuta- nen“ M. Crohn sowie sekundären Hautveränderungen wurde in der Lite- ratur über ein breites Spektrum an Dermatosen berichtet, bei denen eine mehr oder weniger ausgeprägte Asso- ziation mit der entzündlichen Darmer- krankung vermutet wurde. In den meisten Fällen wurden ätiologische, beziehungsweise pathogenetische Zu- sammenhänge beim gemeinsamen Auf- treten der jeweiligen Erkrankungen aufgeführt. Interessanterweise kann man zwischen der entzündlichen Darm- erkrankung und den reaktiven, M.- Crohn-assoziierten Dermatosen im im- munologischen Bereich Ähnlichkeiten feststellen, die die Annahme des Be- stehens eines gemeinsam zugrunde lie- genden pathogenetischen Mechanis- mus verstärkt:

Der M. Crohn ist eine entzündlich granulomatöse Erkrankung des Ga- strointestinaltraktes. Er wird vermut- lich durch fehlgeleitete und unkontrol- lierte Immunreaktionen auf (mögli- cherweise mikrobielle) Antigene bei genetisch prädisponierten Individuen verursacht (59, 64). Ein bei M.-Crohn- Patienten identifizierter Genlokus auf Chromosom 16 steht in enger Bezie- hung zu Zytokinrezeptoren und ande- ren immunrelevanten Strukturen der Zelloberfläche, sodass sich derzeit eine Störung der Immuntoleranz auf geneti- scher Basis als attraktivste Hypothese zur Ätiopathogenese des M. Crohn an- bietet (60).

Bezüglich der Pathogenese der in- testinalen Entzündungsreaktion konn- ten in den letzten Jahren wesentliche Mechanismen aufgeklärt werden. Die Initiation wie auch die Chronifizierung der intestinalen Entzündung lassen sich weitgehend aus Ungleichgewich- ten zwischen pro- und kontraentzündli- chen Mediatoren in Form von Zytoki- nen, erklären. So ließ sich mittels mole- kularbiologischer Methoden bei Pati- enten mit M. Crohn eine vermehrte Produktion vom proinflammatorischen Interleukin(IL)-1 sowie eine signifi- kante Verminderung des IL-1-Rezep- torantagonisten im Verhältnis zu IL-1 an intestinalem Mukosagewebe nach-

weisen (50). Andererseits scheint bei M. Crohn eine relative Defizienz von IL-10, das erhebliche antiinflammatori- sche Eigenschaften besitzt und einen wesentlichen Suppressor der zellulären Immunität darstellt, pathophysiologi- sche Bedeutung zu haben (3).

IL-1 ist in der Haut in 100- bis 1 000fach höherer Konzentration vor- handen als in den meisten anderen Ge- weben. Zytokine wie IL-1 oder IL-10 spielen möglicherweise auch bei der Pathogenese von mit M. Crohn assozi- ierten Dermatosen eine Rolle: So wird bei Patienten mit Psoriasis über eine vermehrte Produktion von IL-1β be-

richtet, während gleichzeitig eine rela- tive IL-10-Defizienz besteht. Interes- santerweise ist IL-1 auch in unbefalle- ner Haut von Psoriatikern erhöht, so- dass IL-1 als initialer Trigger invol- viert sein könnte. Auch beim systemi- schen Lupus erythematodes besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Ent- zündungsmediatoren aufgrund einer

„Insuffizienz“ des IL-1 Rezeptoran- tagonisten mit deutlich erhöhtem Se- rumspiegel. Als krankheitsspezifische Stimulatoren werden adhärente Immun- globuline und Immunkomplexe disku- tiert (50).

Hypererge immunologische Vorgän- ge scheinen nicht nur bei der Pathoge- nese des M. Crohn, sondern auch bei den reaktiven, M.-Crohn-assoziierten Dermatosen eine Rolle zu spielen. Zir- kulierende Immunkomplexe waren in mehreren Studien nicht nur bei Patien- ten mit M. Crohn (68, 72), sondern auch bei Patienten mit Erythema elevatum diutinum (17, 72) sowie beim Pyoder- ma gangraenosum nachweisbar. Bei

vielen der aufgeführten assoziierten Dermatosen lassen sich durch Immun- fluoreszenz entweder Serumantikörper (systemischer Lupus erythematodes, Epidermolysis bullosa acquisita) oder intraläsional Antigen-Antikörper-Kom- plexe (Pyoderma gangraenosum sowie alle unter Tabelle 2 aufgeführten Vasku- litiden) nachweisen. Auch beim Erythe- ma nodosum sowie beim Sweet-Syn- drom nimmt man an, dass Immunkom- plexen eine wichtige Rolle in deren Ätiopathogenese zukommt.

Ein polygenetischer Hintergrund mit familiärer Häufung wie bei M.

Crohn ist nach Wissen der Autoren un- ter den häufig assoziierten Dermatosen nur bei der Psoriasis zu finden. Da eine Überlappung der Wahrscheinlichkeits- („Suszeptibilitäts“-)regionen für Pso- riasis und M. Crohn auf Chromosom 16q festgestellt wurde, ist die Existenz eines gemeinsamen immunmodulatori- schen Genlokus möglich, der für die Ausprägung beider Erkrankungen ver- antwortlich ist (49).

Es ist zu erwarten, dass weitere Er- kenntnisse über die Ätiologie des M.

Crohn in den nächsten Jahren erarbei- tet werden, aus denen sich eventuell Aufschlüsse über die Pathomechanis- men einzelner Crohn-assoziierter Der- matosen ableiten lassen. So ist nicht nur im Bereich der praktischen Patien- tenversorgung eine enge Kooperation von Dermatologen, gastroenterolo- gisch orientierten Internisten und Chirurgen sowie Stomatherapeuten für Crohn-Patienten oft sehr hilfreich.

Auch auf wissenschaftlichem Gebiet könnten derartige Kooperationen ei- nen breiten, auf die Synthese von Er- kenntnissen ausgerichteten Wissenszu- wachs ermöglichen.

Manuskript eingereicht: 7. 1. 2002, revidierte Fassung an- genommen: 14. 10. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 3401–3410 [Heft 50]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit5002 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Rainer Henschel

Dermatologische und Allergologische Abteilung Städtisches Krankenhaus München-Schwabing Kölner Platz 1

80804 München Abbildung 4: Acrodermatitis enteropathica

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