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ie Patientencharta soll nun schnellstens insbesondere in Arzt- praxen und Krankenhäusern zur Verfügung stehen“ – das kündigte Bun- desgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am 16. Oktober vergangenen Jahres an. Schon vor fünf Monaten wur- de das Dokument „Patientenrechte in Deutschland“ von der damit beauftrag- ten Arbeitsgruppe (AG) an sie und die damalige Bundesjustizministerin Prof.Dr. Herta Däubler-Gmelin übergeben.
Nun ist die 20-seitige Broschüre in einer Auflage von zunächst einer halben Mil- lion Exemplaren gedruckt und kann be- stellt werden (Textkasten).
Der Startschuss zur Verbreitung war den zuständigen Politikerinnen in der vergangenen Woche eine eigene Presse- konferenz wert. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) erschien persön- lich, Schmidt schickte ihre Parlamenta- rische Staatssekretärin, Marion Cas- pers-Merk (SPD). Sicher diente die Prä- sentation auch dazu, in Zeiten zäher ge- sundheitspolitischer Verhandlungen auf Projekte wie die Dokumentation hinzu- weisen, die ein glückliches Ende genom- men haben. So lobte Zypries die gute Zusammenarbeit in der AG – in der Tat keine Selbstverständlichkeit angesichts der Tatsache, dass ihre Mitglieder unter- schiedliche Auffassungen vertreten.
Weichenstellung per Gesetz
Die konstruktive Arbeit ist offenbar nicht zuletzt dem Leiter der AG zu ver- danken, Dr. Karlmann Geiß, ehemals Präsident des Bundesgerichtshofs. Zu- dem haben einige Beteiligte inzwischen gelernt, wie man es besser nicht macht – seit ihrer Mitarbeit am Projekt „Patien- tenrechte in Deutschland: Fortentwick-
lungsbedarf und Fortentwicklungsmög- lichkeiten“. Drei Arbeitsgruppen, die in den Jahren 2000 und 2001 auf Vorschlag der Gesundheitsministerkonferenz der Länder größere Brötchen zu diesem Thema backen sollten, konnten sich nämlich an vielen Stellen nicht einigen.
Mit der Dokumentation Patienten- rechte konnten Schmidt und Zypries zu- dem darauf verweisen, Hausaufgaben gemacht zu haben. Denn im Koalitions- vertrag hatten SPD und Bündnis 90/Die Grünen vereinbart, eine Patientenchar- ta vorzulegen. Dies ist nach Auffassung von Zypries nun der Fall. Weder ist ein weitergehendes Regelwerk geplant, noch soll es ein eigenes Patientenschutz- gesetz geben. Dies hatte Schmidts Vor- gängerin Andrea Fischer im Sinn.
Ein Vorhaben lässt immer noch auf sich warten: Die Einsetzung eines Bun- desbeauftragten für Patientenrechte. Er oder sie soll nun „noch in diesem Jahr“
eingesetzt werden, versicherte Caspers- Merk: „Sie oder er wird unabhängiger Berater sein, die Weiterentwicklung der Patientenrechte unterstützen und Sprachrohr für die Patienten in der Öf- fentlichkeit sein.“ Auch hier werkelt ei- ne Arbeitsgruppe an Details, über de- ren Zusammensetzung sich die Parla- mentarische Staatssekretärin allerdings nicht näher auslassen wollte. Doch of- fenbar haben vor allem Vertreter von Selbsthilfegruppen und Patientenbera- tungs- und Verbraucherschutzorganisa- tionen etwas zu sagen.
Das ist sicher fachlich geboten, aber wohl auch Taktik. Denn viele Vertreter dieser Gruppierungen hatten gehofft, dass eine rot-grüne Bundesregierung ih- re Anliegen energisch vorantreiben wür- de, und sind nicht zufrieden (vgl. Inter- view mit Thomas Isenberg,Verbraucher- zentrale Bundesverband, DÄ, Heft 11/
2003). Auch die Bundesarbeitsgemein- schaft PatientInnenstellen (BAGP) kri- tisierte anlässlich der Vorlage der Doku- mentation Patientenrechte, es gebe im- mer noch „massive Umsetzungs- und Durchsetzungsdefizite“. Die BAGP for- dert nach wie vor die Beweislastumkehr im Schadensfall, eine verschuldensunab- hängige Entschädigung aus Fonds und die flächendeckende Einrichtung von anbieterunabhängigen Beratungs- und Beschwerdestellen.
So weit will die rot-grüne Bundesre- gierung aber nicht gehen. Mancher Vor- schlag ist keineswegs so einfach umzu- setzen, wie BAGP oder andere glauben, anderes käme vermutlich zu teuer, wei- teres ist nicht mehrheitsfähig. Außer- dem wird sich die Bundesregierung hü- ten, sich ausgerechnet jetzt besonders
intensiv mit Patientenschutz und -rech- ten zu befassen, wenn sie kranken und gesunden Bürgern Einschränkungen zumuten will.
Umso wichtiger wird es für Schmidt und Zypries werden, das Amt des Pati- entenbeauftragten so auszustatten, dass die Kritiker zufrieden sind. Dazu muss jedoch erst das Gesundheitssystemmo- dernisierungsgesetz verabschiedet sein.
Hier sind neue Mitwirkungsmöglichkei- ten für einen Bundesbeauftragten und betroffene Gruppen vorgesehen, zum Beispiel in den Bundesausschüssen oder im geplanten Deutschen Zentrum für Qualität in der Medizin. Solange das Ge- setz noch Verhandlungsmasse ist, bleibt es bei Versprechungen. Sabine Rieser P O L I T I K
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A814 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1328. März 2003
Patientenrechte
20 Seiten Übereinkunft – anstelle eines Gesetzes
Eine neue „Patientencharta“ liegt vor. An der Stelle eines Bundesbeauftragten für Patientenrechte wird noch gefeilt.
AG Patientenrechte
Das Dokument „Patientenrechte in Deutschland“
wurde erstellt von einer Arbeitsgruppe, an der Vertreter folgender Organisationen beteiligt wa- ren: Bundesärztekammer, Bundesarbeitsgemein- schaft Hilfe für Behinderte, Bundesarbeitsgemein- schaft der PatientInnnenstellen, Bundeszahnärz- tekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Freie Wohlfahrtsverbände, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Kassenärztli- che Bundesvereinigung, Gesundheitsminister- konferenz der Länder, Justizministerkonferenz, Landesverband Baden-Württemberg der Epilep- sie-Selbsthilfegruppen, Spitzenverbände der ge- setzlichen Krankenkassen, Verbraucherzentralen Bundesverband. Die Dokumentation ist unent- geltlich zu beziehen unter der Telefonnummer 01 80/51 51 51-0 oder 1.