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Archiv "Patientenrechte: Warten aufs Gesetz" (14.10.2011)

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A 2134 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 41

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14. Oktober 2011

PATIENTENRECHTE

Warten aufs Gesetz

Über das geplante Patientenrechtegesetz und die nationale Umsetzung der neuen EU-Patientenrichtlinie diskutierten Experten beim Deutschen Medizinrechtstag.

A

ls politische „Alibimaßnah- me“ kritisierte der Präsident der Berliner Ärztekammer, Dr.

med. Günther Jonitz, das geplante Patientenrechtegesetz beim 12.

Deutschen Medizinrechts tag in Berlin. „Die Rechte werden in der Regel immer dann entdeckt, wenn sie bedroht sind“, sagte Jonitz und verwies auf die „weiche“, heimli- che Rationierung durch Personalab- bau und Ärztemangel in den Kran- kenhäusern. Gesundheitspolitik sei vorwiegend defizit- und kostenori- entiert. Die wirtschaftlichen Zwän- ge sorgten dafür, dass Qualität und Patientensicherheit abnehmen.

Die Patientenrechte in Deutsch- land seien so gut wie in fast kei- nem anderen europäischen Land.

„Das Patientenrechtegesetz sieht dahin, wo die Probleme ankommen, nicht dahin, wo sie herkommen.

Die eigentlichen Probleme liegen woanders, nämlich in der Ökono- misierung“, betonte Jonitz. Das Pa- tientenrechtegesetz könne nicht das Ende, sondern bestenfalls der Be- ginn einer gesellschaftspolitischen Debatte über die Rechte der Patien- ten und die Möglichkeiten ihrer Verwirklichung sein.

Hinweisen aus den beteiligten Bundesministerien für Justiz und Gesundheit zufolge sei mit dem Re- ferentenentwurf zum Gesetz Ende Oktober 2011 zu rechnen, berichte- te Prof. Dr. iur. Dieter Hart, Univer- sität Bremen. Die Aussagen im Grundlagenpapier, das der Patien- tenbeauftragte der Bundesregie- rung, Wolfgang Zöller (CSU), im März vorgelegt hatte (siehe DÄ, Heft 13/2011), sind nach Meinung des Rechtsexperten teilweise sehr knapp und auslegungsbedürftig.

„Man muss abwarten, was der Ge- setzentwurf bringt“, sagte Hart.

„Das Grundlagenpapier ist ein Fli- ckenteppich.“ Es lasse kein kohä- rentes Konzept erkennen und habe die durch die Koalitionsvereinba- rungen geweckten Erwartungen vieler Akteure im Gesundheitssek- tor bislang enttäuscht.

Patientensicherheit als Schwerpunkt

Der Befürworter des Gesetzesvor- habens hält statt des geplanten Arti- kelgesetzes, das die in vielen Ein- zelgesetzen geregelten Patienten- rechte lediglich zusammenfasst, ein einheitliches gebietsübergreifendes

Grundsätzegesetz mit den wichtigs- ten Rechtsprinzipien für wün- schenswert. Ein besonderer Schwer- punkt sollte dabei auf der Patienten- sicherheit liegen. „Patientensicher- heit ist ein Patientenrecht. Es greift über alle betroffenen Rechtsgebiete hinweg und harmonisiert sie unter diesem Aspekt. Das reicht vom Be- rufs- und Vertrags-, über das Haf- tungs- bis in das Sozialrecht“, erläu- terte Hart. Patientensicherheit als Vermeidung unerwünschter Ereig- nisse umfasst dabei nach Hart nicht nur eine gute Behandlung und Kommunikation, sondern vor dem Hintergrund immer mehr institutio- nell-organisatorischer Fehler auch das Recht auf eine gute Organisati- on der Behandlungsprozesse. Hier- zu gehöre auch ein funktionieren- des Risiko- beziehungsweise Feh- lermanagement. Informationen aus Fehlerberichtssystemen wie etwa CIRS müssten dabei vor dem Zu- griff in Rechtsverfahren geschützt werden, forderte Hart.

Im Hinblick auf die geplante Re- gelung zur Berufshaftpflichtversi- cherung, die nach dem Grundlagen- papier künftig die Länder und (Zahn-)Ärztekammern durch ge- eignete Überprüfungsmechanismen zum Schutz der Patienten sicher- stellen sollen, schlug Prof. Dr. Karl Otto Bergmann, Hamm, vor, eine Pflichtversicherung mit angemes- sener Mindestdeckung, einem Quo- tenvorrecht des Geschädigten und einer persönlichen Haftungsbe- grenzung des Arztes auf die De- ckungssumme einzuführen.

Während das Patientenrechtege- setz in Deutschland weiter auf sich warten lässt, gibt es auf europä - ischer Ebene Fortschritte: Sichtbares Zeichen dafür ist die europäische Patientenrichtlinie 2011/24/EU vom 9. März 2011 über die „Ausübung der Patientenrechte in der grenz- überschreitenden Gesundheitsver- sorgung“*, die in einem weiteren Themenblock des Symposiums dis- kutiert wurde. Die Richtlinie, die die Mitgliedstaaten der Europä - ischen Union (EU) bis zum 25. Ok- tober 2013 umsetzen müssen, be-

*Richtlinie 2011/24/

EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Aus- übung der Patienten- rechte in der grenz- überschreitenden Ge- sundheitversorgung, http://eur-lex.

europa.eu/LexUriServ/

LexUriServ.do?uri=

OJ:L:2011:088:0045:

0065:DE:PDF

Foto: Your Photo Today

Gute Kommunikation spielt für die Patien- tensicherheit eine wesentliche Rolle.

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14. Oktober 2011 A 2135 trifft die Erleichterung des Zugangs

zu einer sicheren und hochwerti- gen grenzüberschreitenden Gesund- heitsversorgung. Sie beschreibt die Voraussetzungen, unter denen Pa- tienten in einem anderen Mitglieds- staat einen Arzt aufsuchen und sich medizinisch behandeln lassen kön- nen. Gleichzeitig soll sie die Zu- sammenarbeit zwischen den Mit- gliedstaaten bei der Gesundheits- versorgung fördern. Dabei definiert die Richtlinie Gesundheitsversor- gung als „Gesundheitsdienstleistun- gen, die von Angehörigen der Ge- sundheitsberufe gegenüber Patien- ten erbracht werden, um deren Ge- sundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, einschließlich der Verschreibung, Abgabe und Bereitstellung von Arz- neimitteln und Medizinprodukten“.

Die Patientenrichtlinie ist nach Prof. Dr. iur. Gerhard Igl, Univer - sität Kiel, eine Abspaltung der Dienstleistungsrichtlinie, die ihre Ursprünge unter anderem im Schei- tern des Einbezugs von Gesund- heitsdienstleistungen in die Dienst- leistungsrichtlinie hat. „Mit der Richtlinie wird mehr gewollt, als nur einen freien Gesundheitsdienst- leistungsverkehr herzustellen“, er- klärte Igl. Dieser die Dienstleis- tungsfreiheit „überschießende Teil“

der Richtlinie mache sie zum Pro- blem, auch im Hinblick auf die Umsetzung in den Mitgliedstaaten.

Die Union werde dadurch zu einem wichtigen Akteur in der Gesund- heitsversorgung der Mitgliedstaa- ten aufgebaut, vor allem im Hin- blick auf die Bereiche der Präventi- on und des öffentlichen Gesund-

heitsschutzes. Inwiefern sich hier auch eine „Hintertür für die Ein- flussnahme auf die nationale ge- sundheitspolitische Gestaltungs- macht“ (Igl) auftut, ist nach Mei- nung des Experten noch offen.

Nationale Kontaktstellen als Herausforderung

Nach Artikel 4 der Richtlinie muss jedes EU-Land mindestens eine na- tionale Kontaktstelle für die grenz- überschreitende Gesundheitsver- sorgung errichten, in der Art der Ausgestaltung sind die Mitglied- staaten frei. Welche Herausforde- rungen mit dieser Regelung verbun- den sind, beschrieb Anja Mertens, Justiziarin des AOK-Bundesver- bands. Die nationalen Kontaktstel- len sollen die Bürgerinnen und Bürger innerhalb der EU als un - abhängige Informationsstelle ver- ständlich und fachkundig über grenzüberschreitende Gesundheits- dienstleistungen informieren. Die Informationen müssen dabei leicht und auf elektronischem Weg sowie barrierefrei zugänglich sein.

Die Informationspflicht für die EU-Länder in ihrer Rolle als Be- handlungsmitgliedstaaten umfasst dabei nicht nur die Leistungen der Krankenkassen, sondern aller pri- vaten und öffentlichen Gesund- heitsdienstleister gemäß den jewei- ligen nationalen gesetzlichen Be- stimmungen und Berechtigungen.

Zu Gesundheitsdienstleistern zäh- len nicht nur Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser und sonstige medi- zinische Einrichtungen, sondern auch Angehörige von Gesundheits- berufen wie Pflegekräfte, Hebam-

men, Logopäden et cetera. „Die rei- ne Auflistung der Leistungserbrin- ger reicht dabei nicht aus, sondern es geht um Informationen zu Quali- tät, Sicherheit und Verfügbarkeit“, betonte Mertens. So müssen bei- spielsweise auf Anfrage Informa- tionen über geltende Standards und Leitlinen für Qualität und Sicher- heit sowie über die Zugänglichkeit von Krankenhäusern für Personen mit Be hinderungen bereitgestellt werden. Auch über Patientenrechte, die in Deutschland derzeit noch nicht kodifiziert vorliegen, sowie über Verfahren etwa bei Streitigkei- ten, ist zu informieren. Die Erfül- lung dieser Informationspflichten durch den Mitgliedstaat sei mit ei- nem hohen administrativen, techni- schen und personellen Aufwand verbunden, erklärte Mertens. Der

„große Knackpunkt“ seien die pri- vaten Dienstleister, wenn der Markt dem Wettbewerb für Patienten aus dem Ausland geöffnet werde. Hier muss eine Datenbank mit qualitätsge - sicherten Informationen zu den Dienstleistern aufgebaut und evalu- iert werden, ohne dass bisher klar ist, wer dafür zuständig ist und wie dies finanziert werden soll.

In ihrer Rolle als Versicherungs- mitgliedstaaten hingegen müssen die EU-Länder auf Anfrage über Rechte und Ansprüche insbesonde- re im Hinblick auf Kostenerstat- tungsverfahren informieren. Dies sei in Deutschland aber bereits um- gesetzt und daher inhaltlich unpro- blematisch, meinte die Rechtsan- wältin. Auch sei hierfür nicht mit weiteren Kosten zu rechnen.

Zusätzlich zu den Informations- pflichten sollen die Kontaktstellen auch als Kommunikationspartner auf EU-Ebene fungieren. Hierzu sind sie aufgefordert, eng unterein - ander, das heißt mit den mindestens 26 Kontaktstellen der übrigen EU- Länder und mit der Kommission zusammenzuarbeiten und einen Austausch mit Patientenorganisa- tionen, Krankenversicherungsträ- gern und Leistungserbringern zu gewährleisten. Der föderale Aufbau Deutschlands könnte die Komple- xität dieser geforderten Vernetzung zusätzlich erhöhen.

Heike E. Krüger-Brand Die grenzüber-

schreitende Gesundheitsver- sorgung innerhalb der Europäischen Union wird künftig für Patienten ein - facher.

Foto:epd

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