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ir fühlen uns mehr als ver- schaukelt!“ Mit diesen Wor- ten machte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V. (DGVP), Dr. Ekke- hard Bahlo, seinem Ärger über die um- strittene Positivliste und das geplante Gesundheitssystemmodernisierungsge- setz (GMG) der Bundesregierung Luft.Täglich prasselten widersprüchliche Vorschläge auf die Bevölkerung ein, die zulasten der Patienten gingen, so der DGVP-Präsident. Positivliste und GMG bedeuteten unter dem Strich weder eine Verbes- serung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems noch mehr Eigenverantwortung für den Pa- tienten.
Nehme man, wie in den Vor- schlägen der Bundesregierung zur Positivliste diskutiert, eine Reihe mild wirkender, meist nebenwir- kungsarmer Arzneimittel aus der Erstattungspflicht der Kassen her- aus, würden diese höchstwahr- scheinlich durch stärkere Arznei- mittel mit größeren Nebenwirkungen ersetzt. Dadurch verschlechtere sich nicht nur die Qualität der Arzneimit- teltherapie, sondern auch die Compli- ance der Patienten, so Bahlo.
Prof. Dr. med. Klaus Wahle, Facharzt für Allgemeinmedizin und Fortbil- dungsbeauftragter des Deutschen Haus- ärzteverbandes, äußerte die Befürch- tung, dass durch den „Listenwahn“ der Bundesregierung und die dadurch zu- nehmende Bürokratisierung weniger Zeit für den Patienten bleibe. „Der Hausarzt droht von Listen erschlagen zu werden“, so Wahle. Außerdem werde sich durch eine Positivliste die medizini-
sche Versorgung der Bevölkerung insge- samt verteuern. Mild wirkende Thera- peutika gebe es nur noch auf Privatre- zept, das sich nur noch die begüterten Bevölkerungsschichten leisten könnten.
Die typische Klientel des Hausarztes sei jedoch die mit einer kleinen Rente aus- gestattete ältere Dame. Folge sei entwe- der eine Unter- oder Übertherapierung sowie die Förderung einer Zweiklassen- medizin. Nicht zuletzt könnten einzelne Krankheitsbilder gar nicht mehr thera-
piert werden, da die dafür notwendigen Medikamente nicht in der Liste aufge- nommen seien.
Mit diesem Punkt griff Wahle die Kritik vieler Selbsthilfegruppenverbän- de chronisch kranker Menschen auf, die sich durch den Gesetzentwurf zur Po- sitivliste der Bundesregierung unge- recht behandelt fühlen. Seit Jahren be- währte Medikamente für chronisch Kranke würden ohne vorherige Ab- sprache mit den jeweiligen Selbsthilfe- gruppenvertretern dem Rotstift zum Opfer fallen, bemängelte die Landes- vorsitzende des Deutschen Diabetiker Bundes LV Baden-Württemberg e.V.,
Gabriele Bucholz. Buchholz forderte von der Bundesregierung, Selbsthilfe- gruppenvertreter bei massiven Eingrif- fen in die Versorgung der Patienten vor- ab anzuhören.
In diesem Zusammenhang begrüßte DGVP-Präsident Bahlo zwar die von der Bundesregierung im GMG beab- sichtigte Verbesserung der Anhörungs- rechte von Patientenvertretern, warf der Regierung jedoch vor, einige Fra- gen offen zu lassen: so sei nicht klar, was „maßgebliche“ Organisationen der Selbsthilfe seien und welche Kriterien die Bundesregierung für Maßgeblich- keit ansetze. Harsche Kritik übte Bahlo am fehlenden Schutz von Patienten im Fall von Behandlungsfehlern. „Das würde in einen Gesetzentwurf gehö- ren, der sich die Verbesserung der Pati- entensituation zum Ziel gesetzt hat“, so der DGVP-Präsident. Das Thema wer- de zwar in der so genannten Patienten- charta behandelt, die dort beschriebe- nen Möglichkeiten gingen jedoch nicht weit genug. Ebenso stelle der von der Bundesregierung geplante Bundesbe- auftragte für die Belange der Pati- enten lediglich „ein Feigenblatt“
dar, das bei den Patienten den Ein- druck erwecken solle, dass sich je- mand um sie kümmert.
Auch aus weiteren Regelungen des GMG gehe der Patient als der Leidtragende hervor: So hätte zum Beispiel die geplante Kosten-Nut- zen-Bewertung neuer Arzneimittel durch das Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin lediglich zur Folge, dass Patienten auf Mittel weiter warten müssen, die bereits zugelassen wurden. Zudem werde durch die geplanten Zuzahlungen für beispielsweise Medikamente,Arztbesu- che, Brillen und künstliche Befruchtun- gen die Politik fortgesetzt, Patienten für weniger Leistungen mehr bezahlen zu lassen. Nicht zuletzt sei es fraglich, ob das geplante Hausarztmodell die Ver- sorgung der Patienten verbessere. Mit Blick auf die fachärztliche Versorgung hegt die DGVP die Befürchtung, dass angesichts der möglichen Kassen-Ein- zelverträge und der Öffnung der Kran- kenhäuser für hoch spezialisierte Lei- stungen eine flächendeckende fachärzt- liche Versorgung nicht mehr gewährlei- stet werden kann. Martina Merten P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003 AA1987
Patientenrechte
Patienten sind die Leidtragenden
Die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten übt harsche Kritik an der umstrittenen Positivliste und am geplanten Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz.
Zeichnung: Reinhold Löffler