erschiedenes fiel auf bei die- sem Kongreß: Die Diskussion über Managed Health Care beschränkt sich in Deutsch- land vorerst auf vernetzte Arztpra- xen. Die US-amerikanischen Model- le, in der Regel profitorientiert, sind hierzulande zur Zeit nicht konsens- fähig. Erstaunlich war auch, daß die Ärztenetze, obwohl immer noch in der Erprobungsphase, in breiter Über- einstimmung als geeignetes Modell für die Zukunft der medizinischen Versorgung gehandelt wurden. Be- merkenswert war zudem, daß die Ge- sundheitsreform und die dort vorge- sehenen Bestimmungen zu integrier- ten Versorgungsformen in der Diskus- sion keine Rolle spielten. Böse Zun- gen könnten behaupten, daß für die meisten Teilnehmer der Gesetzent- wurf ohnehin schon bald vom Tisch ist. Andererseits sollte man allen Be- teiligten jedoch das Bemühen atte- stieren, über tagespolitische Ausein- andersetzungen hinaus zukunftswei- sende Konzepte zu erörtern.
Bisherige Erfahrungen müssen genutzt werden
Die bisher vorliegenden Erfah- rungen mit Praxisnetzen zeigen, daß zu Euphorie vorerst noch kein An- laß besteht. Für Dr. med. Michael C. Müller, der für die Unternehmens- beratung Roland Berger und Partner die Planungsphase für die Medizini- sche Qualitätsgemeinschaft München (MQM) begleitet hat, gibt es derzeit noch eine Reihe von Schwachstellen.
Diese werden sich erst allmählich im Zuge einer professionelleren Reali- sierung solcher Versorgungsformen abbauen lassen. Zentrale Probleme sieht er zur Zeit noch bei der Meßbar- keit der Ergebnisse von Praxisnetzen, und zwar sowohl in bezug auf den Ra- tionalisierungseffekt als auch in bezug auf die angestrebte Qualitätssteige- rung. Zudem stehe gegenwärtig bei der Vorbereitung und Durchführung eines Praxisnetzes noch die Diskussi- on über die Organisationsstruktur im Vordergrund, wohingegen inhaltliche Themen – zum Beispiel die Behand- lung bestimmter Krankheitsbilder – zu wenig berücksichtigt würden.
Auch eine zufriedenstellende EDV-
Vernetzung sei noch nicht erreicht, was nicht zuletzt auf die strengen Datenschutzbestimmungen zurück- zuführen sei. Müller betrachtet die ärztlichen Praxisnetze wie mittel- ständische Unternehmen, zu deren Führung mehr als die ärztliche Kern- kompetenz benötigt werde. Profes- sionelles Netzmanagement als eine freie Dienstleistung stellt für ihn ein zukunftsträchtiges Konzept dar. Die wesentliche Schwachstelle bestehen- der Modellprojekte könnte allerdings unter den herrschenden Bedingun- gen auch ein solcher Dienstleister nicht beseitigen. Diese Schwachstelle ist – und das wurde in vielen Re- debeiträgen deutlich – die fehlende oder unzureichende Kooperation zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich.
Die Grenzen des Systems seien per Gesetz zementiert, eine gesteuer- te medizinische Versorgung über alle Leistungsbereiche hinaus sei derzeit eine Utopie, führte Dr. med. Eckart Fiedler, Vorstandsvorsitzender der Barmer Ersatzkasse, aus. Die Über- windung der bestehenden Grenze sei ohne gesetzliche Neuregelungen nicht möglich. Allerdings könne die Realisierung integrierter Versor- gungsformen nicht von oben befoh- len werden. Die Barmer vertraue auf Initiativen von seiten der Ärzteschaft und sei bereit, Modellprojekte wei- terhin zu fördern. Dabei sollte nicht allein die Beseitigung von Unwirt- schaftlichkeiten im Vordergrund ste- hen, sondern diese Projekte sollten zur Erhöhung der Patienten-Zufrie- denheit beitragen. Als Sprecher der Patienten forderte Jürgen Matzat, Leiter der Kontaktstelle für Selbsthil- fegruppen in der Psychosomatischen Klinik in Gießen, bei der Evaluierung
von Modellprojekten ärztlicher Pra- xisnetze die Erfahrungen der Patien- ten einzubeziehen. Anderenfalls lau- fe man Gefahr, die ökonomischen Aspekte zu stark zu betonen.
Initiative ging von den Ärzten aus
Für Dr. med. Jürgen Bausch, den Vorsitzenden der Kassenärztli- chen Vereinigung Hessen, bedeuten vernetzte Arztpraxen ein wichtiges Element innerhalb der durch den Si- cherstellungsauftrag der Kassenärztli- chen Vereinigungen vorgegebenen Versorgungsstrukturen. Die Modell- versuche in Hessen hätten deutlich gemacht, daß die integrierten Versor- gungsformen zur medizinischen Qua- litätssicherung beitragen würden, auch weil damit ein innerärztlicher Dialog in Gang gesetzt werde. Bei einem Scheitern der Gesundheits- reform sollten die Netzstrukturen, de- ren bisherige Entwicklung durch In- itiativen von Ärzten getragen worden ist, in Abstimmung mit den Kranken- kassen weiterentwickelt werden.
Ein Gegenmodell zu den ärzt- lichen Praxisnetzen präsentierte Matthias Einwag, Referent bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
Gerade wegen der rasant zuneh- menden Altersmorbidität sei das Krankenhaus das ideale integrierte Dienstleistungszentrum. Es biete ortsnahe und interdisziplinäre medi- zinische Rundumversorgung. Für die Realisierung sei allerdings eine Ge- setzesänderung nötig, die den Kran- kenhäusern ambulante Versorgungs- formen – fachärztliche Ambulanz, vor- und nachstationäre Behandlung – zugestehe. Dr. Thomas Gerst A-2965 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999 (33)
T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE