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Archiv "Gesundheitskarte: Zähes Ringen um das „eRezept“" (01.10.2004)

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er Einigungsprozess um das Kon- zept der elektronischen Gesund- heitskarte bleibt weiter spannend.

Nachdem sich die Spitzenverbände der Selbstverwaltung in den vergangenen Wochen – wenn auch mühsam – über die Finanzierung der Gesundheitskarte weit- gehend verständigen konnten, waren die Verhandlungen zuletzt erneut ins Stocken geraten. Streitpunkt war die Ausgestaltung des elektronischen Re- zepts („eRezept“), das als erste Anwen- dung („Schuhlöffelprojekt“) der geplan- ten Telematikplattform den Weg für wei- tere Funktionen, wie den elektronischen Arztbrief und die elektronische Patien- tenakte, ebnen soll. Dabei stehen die Ver- handlungspartner unter großem Zeit- druck: Bis zum 1. Oktober muss die Selbstverwaltung dem Bundesministeri- um für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) eine Gesamt- vereinbarung zur Einführung der Gesundheitskarte und der ge- planten Telematikplattform vor- legen – sonst droht dem Milliar- denprojekt nach § 291 a SGB V die Ersatzvornahme durch das Ministerium. Vor allem die Lei- stungserbringer wollen solche Zwangsmaßnahmen vermeiden und die Bedingungen für den Te- lematikeinsatz im Gesundheits- wesen mitgestalten. „Alles an- dere hätte gravierende Nach- teile für uns“, betonte Dr. Ro- land Stahl, Sprecher der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Der Streit schwelt schon seit Jahren: Soll die Datenübertra- gung beim elektronischen Rezept online über zentrale Serverlösun- gen oder offline per Karte reali- siert werden, oder sollen beide Varianten parallel umgesetzt wer-

den, sodass der Patient wählen kann, ob die Daten nur auf der Karte abgelegt wer- den? Beide Verfahren lassen sich daten- schutzgerecht gestalten. „Der Bundesbe- auftragte für den Datenschutz hat sich nicht auf ein Verfahren festgelegt. Was unter Datenschutzgesichtspunkten in der Praxis besser ist, müssen technikoffene Tests erweisen“, erklärt eine Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten.

Weil das, was beim „eRezept“ prakti- ziert werde, auch die übrigen Anwen- dungen determiniere, sei das Wahlrecht des Patienten jedoch ein entscheiden- der Punkt, meint der Geschäftsführer der ABDA – Bundesvereinigung Deut- scher Apothekerverbände, Dr. Frank Diener. „Nur dadurch ist das Vertrauen der Nutzer in die neue Technologie zu gewinnen.“ Er befürchtet, ähnlich wie

auch die Bundesärztekammer (BÄK), dass die Kassen über die Art der Über- tragungswege und die Speicherung in zentralen Datenbanken Einblick in das Leistungs- und Verordnungsgeschehen nehmen wollen. Klaus-Detlef Dietz, Geschäftsführer des Verbands der pri- vaten Krankenversicherung, hält dage- gen: „Die Wahlmöglichkeit für den Pa- tienten führt zu nichts.“ Als Vorent- scheidung haben sich die Mehrheit der Spitzenorganisationen und das BMGS auf die zentrale Serverlösung als anzu- strebendes technisches Verfahren fest- gelegt. Davon werde man nur dann ab- rücken, wenn diese Lösung daten- schutzrechtlich angreifbar sei. „Wenn wir die finanzielle Hauptlast tragen, dann wollen wir auch mitbestimmen, was mit dem Geld geschieht“, so Dietz.

Zwar ist auch die Bundesärzte- kammer der Auffassung, dass langfristig eine zentrale serverge- stützte Lösung angestrebt werden muss. „In der Testphase ist aber auf jeden Fall parallel auch eine kartengebundene Lösung erfor- derlich“, betont der Hauptge- schäftsführer der BÄK, Prof. Dr.

med. Christoph Fuchs. „Eine vor- zeitige Festlegung auf die von den Kostenträgern geforderte Server- lösung allein wird den komplexen Herausforderungen dieser Un- ternehmung nicht gerecht.“ Die Daten müssen aus Gründen der Patientensicherheit auch bei Sy- stemcrash oder Kartenverlust zur Verfügung stehen. Außerdem müssen sich die Konzepte in Mo- dellversuchen erst bewähren.

Nach vielen Gesprächen ha- ben sich die Verhandlungspart- ner jetzt darauf geeinigt, in den Feldversuchen zunächst beide Verfahren zu erproben. „Bis zum P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 401. Oktober 2004 AA2653

Gesundheitskarte

Zähes Ringen um das „eRezept“

Nach schwierigen Verhandlungen über die Ausgestaltung der elektronischen Gesundheitskarte hat sich die Selbstverwaltung auf einen Kompromiss geeinigt, doch

an die fristgerechte flächendeckende Einführung der Karte glaubt niemand mehr.

Hintergrund zur Gesundheitskarte

Die elektronische Gesundheitskarte soll bundesweit zum 1. Januar 2006 die bisherige Krankenversichertenkarte ersetzen. Sie wird nicht nur admi- nistrative Daten, sondern zusätzlich auch medizinische Daten enthalten und als erste Pflichtanwendung unter anderem das elektronische Rezept ermöglichen. Mit der technischen und organisatorischen Konzeption der zur Einführung der Gesundheitskarte erforderlichen Telematikinfrastruktur wurde nach dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) die Selbstverwal- tung beauftragt. Diese hat zur Bewältigung dieser Aufgabe das Projekt- büro Protego.net (Projekt für Telematik der Gesundheitsorganisationen) gegründet. Als ersten wichtigen Zwischenschritt muss Protego.net eine Vereinbarung der gemeinsamen Selbstverwaltung zur Schaffung einer Telematikplattform herbeiführen, die die Kommunikations- und Sicher- heitsinfrastruktur sowie die Datenstrukturen festlegt. Ein wesentliches Ele- ment dieser Gesamtvereinbarung zur Einführung der Gesundheitskarte und des elektronischen Arztausweises ist außerdem die Finanzierungsver- einbarung, auf die sich die Mehrzahl der Spitzenverbände Anfang Septem- ber 2004 verständigt hat. Die Einführung der Karte einschließlich erforder- licher Telematikinfrastruktur soll rund 1,8 Milliarden Euro kosten. Nach der Vereinbarung werden die Krankenkassen den größten Teil der Kosten, circa 800 Millionen bis eine Milliarde Euro, übernehmen. Die Leistungserbringer – Ärzte, Krankenhäuser und Apotheker – werden die Kosten für ihre tech- nische Ausrüstung von circa 700 Millionen selbst finanzieren und diese In- vestitionen über Transaktionsgebühren beziehungsweise extrabudgetäre Zuschläge, zum Beispiel für das Erstellen eines elektronischen Rezepts, re- finanzieren. Die Gesamtvereinbarung muss dem BMGS bis zum 1. Oktober

2004 zur Genehmigung vorgelegt werden. )

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Stichtag 1. Oktober werden wir eine Kompromisslösung präsentieren“, sagte KBV-Sprecher Stahl. Die Entscheidung, ob eines der Verfahren anschließend für die Versicherten verbindlich vorgeschrie- ben wird, wird vom Ergebnis der Tests abhängig gemacht. Fuchs kritisiert, dass die Beratungen unter einem unverant- wortlichen Zeitdruck stattfänden. Eine seriöse Prüfung der umfangreichen, kurzfristig wieder geänderten Dokumen- te zur Systemarchitektur und der mittel- und langfristigen Konsequenzen für die Ärzteschaft sei unter diesen Bedingun- gen nicht möglich. Vor den abschließen- den Beratungen am 29. September stand die Unterschrift der BÄK unter die Ge- samtvereinbarung deshalb infrage.

Während die Selbstverwaltung noch diskutiert, preschen einige Regionen mit eigenen Modellprojekten bereits vor. So ist in Flensburg das „eRezept“

als Anwendung der Gesundheitskarte Schleswig-Holstein gestartet (www.ge sundheitskarte-sh.de). In Trier startet ab Oktober ebenfalls eine Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte, allerdings nicht das „eRezept“, sondern die „eGesundheitsakte“, die aufgrund der Komplexität nach bisheriger Pla- nung den Schlusspunkt der Entwick- lung der Gesundheitskarte bilden soll.

Angesichts der Größenordnung des Projekts und der Vielfalt der Interessen zeichnet sich ab, dass der 1. Januar 2006 als Termin für die flächendeckende Einführung der Gesundheitskarte nicht zu halten ist. Da nützt auch die Andro- hung der Rechtsverordnung durch das BMGS zur Disziplinierung der Verhand- lungspartner wenig. Weil der Bundesrat dieser Verordnung zustimmen müsste, wären langwierige Beratungen abseh- bar. Hinzu kommt: Ohne die Akzeptanz der Patienten und der Leistungserbrin- ger stehen die Chancen für den Erfolg der Gesundheitskarte schlecht, denn nur wenn diese den (freiwilligen) medizini- schen Teil der Karte nutzen, ergeben sich die Verbesserungen für die Versorgung.

Vor diesem Hintergrund hat auch Ge- sundheitsministerin Ulla Schmidt erst- mals eingeräumt: „Keiner kann verspre- chen, dass 82 Millionen Menschen direkt auf einen Schlag mit der Karte ausgestat- tet sind.“ Man könne aber davon ausge- hen, dass diese sukzessiv im Jahresver- lauf eingeführt werde.Heike E. Krüger-Brand

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A2654 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 401. Oktober 2004

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iele Schwachstellen sind seit lan- gem bekannt: offene Karteikarten und Patientenakten am Emp- fangstresen oder im Behandlungszim- mer, einsehbare PC-Bildschirme, unzu- reichende Diskretionszonen an der Re- zeption, Gespräche über

anwesende Patienten. Da- tenschutzrechtliche Miss- stände dieser Art sind in vielen Praxen die Regel, denn Zweckmäßigkeit rangiert häufig vor Ver- schwiegenheit. Um für das Thema zu sensibilisieren und ein möglichst hohes

Datenschutzniveau in den Praxen von Ärzten, Zahnärzten und Psychothera- peuten zu erreichen, wurde in Nieder- sachsen die Aktion „Datenschutz in der Arztpraxis“ gestartet.

„Oft genug stehen sich beim Daten- schutz die Idealforderungen und die An- forderungen des Praxisalltags diametral gegenüber“, sagte Dr. med. Helmut An- derten,Ärztekammer Niedersachsen,bei der Vorstellung der Aktion. Verschärft werde die Situation noch dadurch, dass die Sozialgesetzgebung und Kooperati- onsformen, wie zum Beispiel Praxisnetze und Medizinische Versorgungszentren, und die Integrierte Versorgung einen schnellen Datenaustausch erfordern, mit dem der Datenschutz nur schwer zu ver- einbaren sei. Man wolle „mit Augenmaß und Umsicht das Mögliche“ erreichen, so Anderten. Vorbild ist dabei Schleswig- Holstein, das Ende 2001 eine ähnliche In- itiative erfolgreich durchgeführt hatte (www.datenschutzzentrum.de/medizin).

In Niedersachsen beteiligen sich neben der Landesärztekammer unter anderem auch die Zahnärzte- und Psychothera- peutenkammer sowie die Kassenärzt- liche Vereinigung Niedersachsen (KVN),

das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und der Landesbeauftragte für den Da- tenschutz an der Aktion.

Dabei setzt die Initiative auf Auf- klärung und Beratung, denn viele Da- tenschutzmängel lassen sich beheben – sofern sie bewusst sind. Ähnlich wie in Schleswig-Holstein wurde als erster Baustein der Kampagne im Frühjahr 2004 der „Selbst-Check“ an alle Praxen versandt. Er enthält praktische Hinwei- se, wie Empfang, Wartezone und Be- handlungsbereich einer Praxis daten- schutzgerecht gestaltet sein sollten und was beim EDV-Einsatz, bei der Da- tenübermittlung und bei der Praxisver- waltung zu berücksichtigen ist. Auch der Patient müsse Diskretion ler- nen, betonte Burckhard Nedden, der nieder- sächsische Landesbe- auftragte für den Daten- schutz. Er gibt ein Merkblatt für Patienten heraus, um diese in die Aufklärungsaktion mit einzubeziehen. Weitere Maßnahmen betreffen beispielsweise die Ausbildung der Arzt- helferinnen in den Berufsschulen, Workshops für Ärzte und Arzthelferin- nen und ein erweitertes Internet-Ange- bot (www.lfd.niedersachsen.de; www.

datenschutz.de). Darüber hinaus arbei- tet der Landesdatenschutzbeauftragte gemeinsam mit dem niedersächsischen Sozialministerium an einem Entwurf für ein Gesundheitsdatenschutzgesetz.

Mit der Einführung der elektroni- schen Gesundheitskarte und des Heilbe- rufsausweises ab 2006 wird Datenschutz noch wichtiger. „Damit bekommt der technische Datenschutz in der Arztpra- xis eine völlig neue Dimension“, meinte Dr. med. Wolfgang Stehle (KVN). Viele datenschutzrechtlich relevante Prozesse – Beispiel: das Verfahren des elektroni- schen Rezepts – sind noch ungeklärt. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hätten eine Arbeitsgrup- pe eingesetzt, die die Konzeption der Karte begleitet, betonte Nedden. Er for- derte ein „ausreichend dimensioniertes Vorbereitungsfeld“ für die Erprobung und Einführung der Karte, um den Da- tenschutz und die Datensicherheit in der Praxis zu gewährleisten. KBr

Datenschutz

Durchblick statt Einblick

Aktion „Datenschutz in der

Arztpraxis“ in Niedersachsen will

das Bewusstsein schärfen.

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