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or rund einem Jahr konnte die Selbstverwaltung eine Ersatzvor- nahme des Bundesgesundheits- ministeriums (BMGS) gerade noch ab- wenden – damals ging es um die Ge- samtvereinbarung der Selbstverwal- tungspartner zur Einführung der elek- tronischen Gesundheitskarte (eGK).Doch jetzt macht Ulla Schmidt Ernst:
Um das abermals ins Stocken geratene Telematikprojekt voranzubringen und weitere Verzögerungen bei der Einfüh- rung der Karte zu vermeiden, greift die Bundesgesundheitsministerin zu die- sem letzten Druckmittel. Zwar sieht der Gesetzgeber die schrittweise Einfüh- rung der Karte ab 2006 vor, doch viele Experten befürchten inzwischen, dass sie flächendeckend erst 2007 oder sogar später zur Verfügung stehen wird. Mit der angekündigten Rechtsverordnung übernimmt das Ministerium jetzt die Steuerung des Projekts, für das bisher die Selbstverwaltung zuständig war, und bestimmt das weitere Vorgehen für die Testphase.
Ursprünglich wollte die gematik, die als Betriebsgesellschaft im Auftrag der Selbstverwaltung die Entwicklung und Einführung der eGK koordiniert, Mitte September die Auswahlkriterien für die Testregionen veröffentlichen und die Lösungsarchitektur abschließend fest- legen, um noch Ende 2005 mit Aus- schreibungen für Karten, Konnektoren und Netzaufbau zu beginnen. Weil sich die Gesellschafter in wesentlichen Punkten jedoch nicht einigen konnten, wurde die Fertigstellung der Lösungs- architektur auf den 31. Dezember 2005 verschoben. Außerdem sollten Test- regionen jetzt erst nach Abschluss der Labortests ausgeschrieben werden.
Dieser veränderte Zeitplan stieß im BMGS auf harsche Kritik: „Der gema- tik ist es bisher infolge von Auffassungs-
unterschieden zwischen einzelnen Ge- sellschaftern nicht gelungen, die für die Durchführung von Testvorhaben für die eGK erforderlichen Festlegungen zu treffen“, erklärte Ulla Schmidt. „Wie- derholt vorgenommene Zurücküber- weisungen an die Fachebene und ausstehende Grundsatzentscheidungen lassen keinen Abschluss der Arbeiten in angemessener Zeit erwarten.“ Deshalb werde das Ministerium „im Verord- nungswege“ die hierzu notwendigen Vorgaben machen und die Kriterien, nach denen sich Länder für Testvor- haben bewerben können, definieren. In einem Schreiben an die gematik hat das BMGS zehn Punkte aufgelistet, die die Betriebsgesellschaft zur Vorbereitung der Testphase fertig stellen muss. Ziel ist es, noch im Oktober die Testregionen auszuwählen und im vierten Quartal 2005 mit Feldtests in ausgewählten Re- gionen zu starten.
Immer wieder die gleichen Grundsatzdiskussionen
Die Bundesärztekammer (BÄK) sieht sich durch das Eingreifen des BMGS bestätigt. Aus ihrer Sicht nämlich versu- chen die Krankenkassen mit der Kon- zeption und Einführung der eGK eine Systemveränderung herbeizuführen,
„indem sie die Datenhoheit bei den Ko- stenträgern verankern, nach dem Mot- to: Wer vorfinanziert, definiert auch die Bedingungen“, so Prof. Dr. med. Chri- stoph Fuchs, Hauptgeschäftsführer der BÄK. Zu den – dadurch immer wieder neu – kontrovers diskutierten Punkten der Lösungsarchitektur zählen techni- sche Verfahren wie das Zusammenspiel von Heilberufsausweis und Gesund- heitskarte (Card-to-Card-Authentica- tion), Fragen des Datentransports und
der -speicherung sowie die Anonymi- sierung beim Versichertenstammdaten- dienst. Allerdings hält Fuchs den Be- ginn von Feldtests noch in diesem Jahr für unrealistisch.
Zumindest in diesem Punkt sind sich die Selbstverwaltungspartner einig.
„Ich halte den Zeitplan, Ende des Jah- res mit Feldtests zu starten, – euphemi- stisch ausgedrückt – für sehr optimi- stisch“, meint der Sprecher der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, Dr.
Roland Stahl. Die Ersatzvornahme durch das BMGS sieht er mit gemisch- ten Gefühlen: Sie bedeute einerseits eine Schwächung der gematik, und das sei bedauerlich, weil bereits erzielte Vereinbarungen, etwa beim Rollen- und Rechtemanagement der Telematik- infrastruktur, durch überholte Be- schlüsse teilweise revidiert würden.
Andererseits bringe sie auch eine „Ent- lastung, was den Beschlussstau an- geht“. Auch die Krankenkassen sind grundsätzlich der Auffassung, dass es
„Sache der Selbstverwaltung sein muss, die Abläufe im Projekt festzulegen, weil diese sie auch umsetzen muss“.
Michaela Gottfried, Sprecherin des Er- satzkassenverbandes VdAK, betont, Schnelligkeit, die auf Kosten der Qua- lität gehe, sei auch gerade deswegen gefährlich, weil das Projekt beim Ein- stieg in die Testphase wettbewerbliche Interessen berühre.
Ob die termingerechte eGK-Einfüh- rung durch das BMGS tatsächlich „ver- ordnet“ werden kann, ist allerdings fraglich. Mit der Ersatzvornahme als
„juristisch begründetem Zielwunsch“
änderten sich ja die technischen Proble- me nicht, gibt KBV-Sprecher Stahl zu bedenken. Auch sind die zu lösenden datenschutzrechtlichen und politischen Aufgaben offensichtlich weitaus schwie- riger als erwartet. Heike E. Krüger-Brand P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 39⏐⏐30. September 2005 AA2597