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Zwischenfazit und theoretischer Ausblick: Stereotype, Subjektivität und Hand- Hand-lungsmacht

„Wenn du geboren wirst, dann sind es die Anderen, die bestimmen, was du bist – und du wirst dich darin wiederfinden, wirst dich anpassen.“

(Soumanou K., 28.8.2014)

Historisch hat sich ein ambivalentes und zugleich stereotypes Bild der Fulbe herausgebildet, welches mit deren marginaler Stellung in den sozialen und staatlichen Strukturen Benins eng verzahnt ist. Selbst- und Fremdzuschreibungen der Fulbe sind durch die Interaktion mit Europa, d.h. die koloniale Umstrukturierung und Herrschaft, lang bestehendes völkerkundliches Inte-resse und entwicklungspolitische Zusammenarbeit entstanden und in diese historischen Entwicklungen eingebettet. Weiterhin sind vor dem Hintergrund der Demokratisierung, der Abhängigkeit von internationalen Fördergeldern und der florierenden NGO-Landschaft politi-sche Diskurse über ethnipoliti-sche Zugehörigkeit belebt worden. In Bezug auf die Fulbe hat sich hier das comité fulfulde Ende der 1980er Jahre und aktuell ANOPER herausgebildet, deren Diskurse

24 Häuptlinge oder ihre Söhne waren direkte Mittler zur Kolonialverwaltung oder teilweise selbst in dieser ange-stellt, so dass es für sie unerlässlich war, ein gewisses Niveau der französischen Sprache zu beherrschen.

über das Fulbe-Sein von Traditionalismen und dem Paradigma der Rinderzucht geprägt sind.

Formelle Bildung in Benin war unter der französischen Kolonialherrschaft eine zentrale Insti-tution kolonialer Assimilations- und Segregationspolitik. Heute erscheint sie als von außen finanziertes und implementiertes Reformprojekt, das an translokalen normativen Forderungen und Strukturen orientiert ist. In diesem Kontext entstand der Diskurs über die Fulbe, die ihre Kinder bewusst nicht einschulen, was als Ursache für deren fehlende Modernisierung, Unter-repräsentation in staatlich-politischen Strukturen und damit gesellschaftliche Diskriminierung angesehen wird.

Stereotype sind Simplifikationen. Nach Bhabha (2000: 111f) fungiert das koloniale Ste-reotyp als Vereinfachung, da es eine fixierte Form der Repräsentation darstellt, die das Spiel der Differenz negiert. Derrida (1988) erklärt das Spiel der Differenz mit dem Neologismus dif-férance: Das Verb différer bedeutet sich unterscheiden, aber auch verschieben. Der Unterschied zwischen „a“ und „e“ in „differ[]nce“ ist nicht hörbar. Gleiches gilt somit für das Spiel der Differenzen, in dem die Phoneme die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten darstel-len und Differenz sinnlich wie intelligibel erfahrbar machen. Das Spiel der Differenzen ist die Möglichkeit der Begrifflichkeit überhaupt. Es ist nicht Effekt eines Subjektes, sondern die Sub-jektivität ist selbst ein Effekt der différance. Das Subjekt existiert erst durch Begrifflichkeit sowie diskursive Repräsentation und damit erst durch das Spiel der Differenz. Die Differenz zwischen Kolonisator und Kolonisiertem ist Ausgangspunkt und Legimitationsbasis kolonialer Herrschaft. Der koloniale Diskurs, der die Bedingungen einer Beherrschung des Anderen auf-rechterhalten und reproduzieren muss, ist geprägt von einem Widerspruch der Anerkennung und Verleumdung von Differenz: Der Kolonisierte wird mit dem Ziel, ihn zu beherrschen, als

‚das Andere’ konstruiert und gleichzeitig als vollständig sichtbar, erfahr- und erkennbar:

„Therefore, despite the ‘play’ in the colonial system which is crucial to its exercise of power, colo-nial discourse produces the colonised as a fixed reality which is at once an ‘other’ and yet entirely knowable and visible. It resembles a form of narrative whereby the productivity and circulation of subjects and signs are bound in a reformed and recognisable totality. It employs a system of representation, a regime of truth, that is structurally similar to Realism“ (ebd. 1983: 23).

Das Ziel des kolonialen Diskurses ist damit ein Regime des Wissens (Foucault 1992) zu etab-lieren, das der Bestimmung und Fixierung der Identität der Kolonisierten gilt. Der koloniale Diskurs ist fragil und seine Effektivität fußt auf der steten Wiederholung und Bestätigung des

Stereotyps, das die ambivalente Differenz verkörpert. Damit wird das Stereotyp zu einem „un-mögliche[n] Objekt“ (Bhabha 2000: 120) und vereint widersprüchliche Zuschreibungen, die mal von Herrschaft und Lust, mal von Angst und Abwehr zeugen:

„The black is both savage (cannibal) and yet the most obedient and dignified of servants (the bearer of food); he is the embodiment of rampant sexuality and yet innocent as a child; he is mystical, primitive, simple-minded and yet the most worldly and accomplished liar, and manipu-lator of social forces. In each case what is being dramatised is a separation - between races, cultures, histories, within histories – a separation between before and after that repeats obsessively the mythical moment of disjunction” (ebd. 1983: 34).

Das Spiel der Differenz, d. h. die Subjektivierungsprozesse durch die Konfrontation mit dem Anderen, findet wechselseitig statt. Indem der Kolonialherr sich als die Negation des ‚Negers’

(nicht schwarz, nicht wild, nicht primitiv) definiert, wirkt die Fragilität und Momenthaftigkeit des Stereotyps auf ihn zurück und bedroht seine Identität und Vormachtstellung (ebd. 2000:

98ff). Der koloniale Diskurs erhebt den Anspruch total25 zu sein und schafft somit ein fixiertes und nicht zu widerlegendes Stereotyp. Es bestätigt fortwährend das, was immer schon gewiss war und trotzdem ständig wiederholt werden muss:

„‘Wherever he goes’, Fanon despairs, ‘The Negro remains a Negro’ – his race becomes the ine-radicable sign of negative difference in colonial discourses. For the stereotype impedes the circulation and articulation of the signifier of ‘race’ as anything other than its fixity as racism. We always already know that Blacks are licentious, Asiatics duplicitous...“ (ebd. 1983: 28).

Die grundlegende Widersprüchlichkeit kolonial-rassistischer Stereotype zeigt sich besonders im ambivalenten Bild der Fulbe, in dem Anziehung und Abwehr gleichzeitig zentral sind: Die Fulbe werden gleichzeitig als exotisch und zivilisiert, als intelligent und anmutig und doch schwach und mutlos beschrieben. Sie wären ‚wie die Weißen’ und blieben aber dennoch für immer Viehnomaden, die nicht aus ihrem kulturellen Traditionalismus entfliehen können. Die Faszination, die sie auf die Europäer ausgeübt haben, bedingt sich durch diese ambivalente Kopplung von Identifikation und essentieller Fremdheit, also gleichzeitigen Anerkennung und Verleumdung von Differenz.

25 Die diskursive Formation des kolonialen Diskurses ist total, da sie keine Alternativen zulässt. In der Praxis ist kolonialer Diskurs fragil und durch Ambivalenzen und Widersprüche geprägt (Bhabha 2000: 104ff).

Unter der These der Fixiertheit des kolonialen Stereotyps und dessen Verzahnung mit der mar-ginalen Stellung der Fulbe in Benin, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer Subversion dieser in nicht umkehrbarer Weise kolonial geprägten Identitäten26 (ebd. 2000: 3): Wie positi-onieren sich die Studierenden – als Gegenbeispiel – zu stereotypen Bildern und Diskursen über die Fulbe und deren vermeintliches Unvermögen zu Teilhabe an Bildung, Staatlichkeit und Entwicklung? Wie formiert sich hier eine Handlungsfähigkeit der Post-Kolonisierten? Unter-laufen oder reproduzieren sie diskursive Formationen und Zuschreibungen, die mit ihrer Marginalisierung einhergehen?

Um diese Fragen zu beantworten, muss das Verhältnis der Begriffe Macht, Subjekt und Handlungsfähigkeit definiert werden. Ich beziehe mich hier auf Butler, die die Handlungsfä-higkeit von Subjekten (Agency) als intendierte Subversion hegemonialer Strukturen und Diskurse (1998: 254; Distelhorst 2007: 266) definiert. Der Begriff des Subjekts bezieht sich auf folgende Dialektik: „Es bezeichnet das Subjekt, das der Herrschaft eines anderen unterworfen ist und in seiner Abhängigkeit steht; und es bezeichnet das Subjekt, das durch Bewusstsein und Selbsterkenntnis an seine eigne Identität gebunden ist“ (Foucault 2005: 275). Butler problema-tisiert dies weiter unter dem Begriff der Subjektivation und meint damit den Widerspruch einer

„grundlegende[n] Abhängigkeit von einem Diskurs, den wir uns nicht ausgesucht haben, der jedoch paradoxerweise erst unsere Handlungsfähigkeit ermöglicht und erhält. ‚Subjektivation’

bezeichnet den Prozess des Unterworfenwerdens durch die Macht und zugleich den Prozess der Subjektwerdung“ (Butler 2001: 8).27 Die Handlungsfähigkeit liegt in eben dieser ambivalenten Beziehung von Subjekt und Macht: Sie versiegt nicht in der Unterordnung des Subjektes, sie besteht aber auch nicht in Form „irgendeiner selbstgeschaffenen Freizone“ (ebd.: 22). Das Sub-jekt entzieht sich der Logik der Widerspruchsfreiheit, indem es der Macht weder vollständig unterliegt, noch diese vollständig bestimmt. Das Subjekt geht über die beiden Pole hinaus (ebd.:

21f). Die Kritik an Butler, dass sie dem Subjekt die Möglichkeit von Handlungsfähigkeit, das heißt zum Widerstand gegen etablierte Machtstrukturen quasi ausschließe, ist damit nicht halt-bar (Distelhorst 2007: 267). Das Subjekt kann sich durchaus gegen dominante Diskurse

26 „Die Anerkennung, die Tradition gewährt, ist eine partielle Form der Identifikation. Indem sie die Vergangen-heit neu inszeniert, führt sie andere, inkommensurable kulturelle Zeitlichkeiten in die Erfindung von Tradition ein. Dieser Prozess lässt jeglichen direkten Zugang zu einer originären Identität oder einer ‚überkommenen’ Tra-dition zum entfremdeten Akt werden“ (Bhabha 2000: 3).

27 Diese Ambivalenz impliziert auch ein Dilemma der Referenz: Das Subjekt kann nicht gleichbedeutend mit dem Individuum sein, vielmehr geht das Subjekt dem Individuum voraus, es ist dessen „sprachliche Gelegenheit, Verständlichkeit und zu reproduzieren, also die sprachliche Bedingung seiner Existenz und Handlungsfähigkeit“

(Butler 2001: 15). Das Individuum ist damit ein Effekt der Subjektivation. Allerdings müssen wir uns im Rah-men der Intelligibilität gezwungenermaßen auf Subjekte (z.B. Individuen und den Prozess eines zu werden) beziehen und müssen somit von etwas sprechen, das so nicht existiert.

positionieren und „im Extremfall gar die Bedingungen seiner eigenen Existenz [...] negieren“

(ebd.).

Diskursive Formationen sind grundsätzlich instabil und müssen beständig wiederholt wer-den, um schließlich durch Verfestigung normativ zu wirken. Nach Butler manifestiert sich die Handlungsmacht des Subjektes nicht allein in der Abänderung in der Iterationsstruktur, da dies auch zur Verfestigung hegemonialer Strukturen führen kann. Agency realisiert sich erst, wenn sich das Subjekt auf die Instabilität der Bedingungen seiner Konstitution – also ein Bewusstsein für die Fragilität der Strukturen, die es bedingen – bezieht und in der Abänderung der Wieder-holung danach strebt, hegemoniale Bedeutungen aufzubrechen und neu zu besetzen (Distelhorst 2007: 266; Butler 1998: 254ff). Aufgrund der elementaren Fragilität des kolonialen Stereotyps ist seine Wiederholung umso bedeutender. Es ist damit besonders angreifbar für eine so definierte Handlungsmacht. Trotzdem muss das stereotypisierte Subjekt die strukturellen Bedingungen seiner Existenz erkennen und konfrontieren, um diese aufzubrechen und seine Identität neu zu deuten. Die Handlungsmacht der Kolonisierten steht damit nicht außerhalb he-gemonialer Strukturen, sondern wird erst durch diese ermöglicht. Die Möglichkeit zur Subversion des kolonialen Diskurses und Stereotyps ist folglich nicht außerhalb der diskursiven Formationen und strukturellen Gewalten zu suchen, sondern innerhalb dieser (Kapoor 2003:

564f).

3. Die Forschung: Setting, Positionierung und Distanzen 3.1. Fragestellung, Methoden und Zugang

„Positionality cannot be escaped“ (Abu-Lughod 1993: 36).

Die Fragen, mit denen ich im Sommer 2014 ins Feld fuhr, basierten auf den dargestellten nicht zu vereinbarenden Diskursen: Wie positionieren sich die Studierenden in den Diskursen über ihre Gruppe im Kontext des Konzeptes „Entwicklung durch Bildung“? Mit welchen Prozessen der Identitäts- und Gruppenbildung geht dies einher? Wie manifestieren sich diese translokal zirkulierenden Diskurse in der Alltagspraxis und wie werden sie in diesem Zusammenhang transformiert? Die Hypothese war, dass die Studierenden die Konflikte zwischen diesen Dis-kursen in ihrem Alltag und ihrem näheren Umfeld aushandeln müssen und sich die Widersprüchlichkeit in ihren Biographien niederschlägt.

Zentral in der Auswahl der Methoden war der Begriff der Identität. Begriff und Konzept von Identität wird schon länger als unscharf und analytisch wie theoretisch nur begrenzt produktiv kritisiert. Sowohl ‚harte’ Konzepte von Identität als in Form von Essentialismen, aber auch

‚weiche’, die Identität als uneingeschränkt fluide, multipel und konstruiert konzeptualisieren, haben über diese Beschreibungen hinaus wenig Gehalt (Brubaker & Cooper 2000: 1). Narrati-vität kann eine Alternative für die Erfassung von Zugehörigkeiten bieten, die diese Problematik umgeht, ohne ‚Identität’ seine soziale und praktische Bedeutung abzusprechen. Biographische Interviews zielen auf Verortungen des Selbst in sozialen Strukturen ab (Anthias 2002; Somers 1994; Gupta & Ferguson 1992). Das Erzählen des persönlichen Lebenslaufes stellt eine perfor-mative Realisierung von Identität dar: Durch Selektion, Organisation und Bewertung vergangener Erfahrungen und Ereignisse wird dem persönlichen Werdegang Plausibilität und Kohärenz verliehen. Die biographische Erzählung steht in einem dialektischen Verhältnis zu Meta-Narrativen bzw. hegemonial geführten Diskursen: Indem sich der_die Einzelne durch die Konstruktion des eigenen Lebenslaufs in translokalen Diskursen positioniert, muss seine Er-zählung einerseits als in diese eingebettet als auch als reflexiver sowie kritischer Umgang mit diesen verstanden werden (Rosenwald & Ochberg 1992).

Weiterhin nahm die teilnehmende Beobachtung einen zentralen Stellenwert ein und diente der Erfassung von Zusammenhängen zwischen narrativer Selbstdarstellung und konkre-tem Handeln im Alltag. Kommt es zu Widersprüchen zwischen Sagen und Handeln und wie werden diese miteinander vereinbart? Außerdem führte ich Gruppeninterviews mit den studen-tischen Organisationen, Leitfadeninterviews mit den Studierenden zu verschiedenen Themen (Ethnizität, Zukunftsvorstellungen, familiäre Hintergründe, das soziale Umfeld sowie Bildung und das Bildungssystem in Benin) und nahm an den Aktivitäten der studentischen Gruppen und dem Alltagsleben der Studierenden teil. Da die Forschung in den dortigen Semesterferien statt-fand und viele Studierende die Zeit bei ihren Familien verbrachten, begleitete ich drei Studierende für Aufenthalte von ein bis zwei Wochen in ihre Heimatorte. Zwei dieser Studie-renden waren die Vorsitzenden der beiden studentischen Organisationen, mit denen ich arbeitete.

Im Laufe der Forschung wurde deutlich, dass die hier zentralen Begriffe, wie Fulbe-Sein und Entwicklung, zutiefst politisch und in globaler Verflechtung geschaffen sind. Mit der Zeit wurde deutlich, dass meine Person und Vorhaben sich nicht den Strukturen, Hierarchien und Zuschreibungen entziehen können, die sie beschreiben möchte. Anfangs stellte dies eine Form persönlicher Entfremdung dar, wurde aber bald zentral für Fragestellung und Analyse.

Die Forschung begann im Umfeld der nationalen Universität Benins von Abomey-Calavi, einem Vorort der Hauptstadt Cotonou, wo ich auf erste Netzwerke von Fulbe-Studie-renden traf. Schnell wurde ich mit dem Doktoranden Moumouni Donon bekannt gemacht, der auf vielschichtige Weise politisch aktiv ist und sich für die Fulbe – „les juifs d’Afrique“ wie er sie nennt – einsetzt. Moumouni trägt stets Anzug, spricht in einem rasanten Tempo und bedient sich hastiger Gesten. Er machte im Interview schnell deutlich, dass er sich durch meine Person Unterstützung für die Gründung einer NGO, die die Förderung der Schulbildung der Fulbe zum Ziel haben sollte, wünscht. Ich lehnte ab und machte deutlich, dass dies außerhalb meiner Mög-lichkeiten steht. Dennoch vereinbarte er für die kommenden Tage Termine mit verschiedenen Fulbe-Eliten in Cotonou: Wir diskutierten mit einer Referentin im Ministerium für Dezentrali-sierung, Kommunalverwaltung und Planung; einem Oberst im Regierungsgebäude und schließlich dem Direktor einer Privatschule. In diesen und vielen späteren Zusammenhängen wurde mein Projekt als die Erforschung der Faktoren gedeutet, warum die Fulbe ihre Kinder nicht in die Schule schicken. Offensichtlich wurde in meiner Person und Position die Möglich-keit der Realisierung und Finanzierung von Entwicklungsprojekten gesehen. Ich sah mich zwar gezwungen an all diesen Treffen aus moralischen wie auch diplomatischen Gründen teilzuneh-men, betonte aber durchweg meinen Status und meine begrenzten Möglichkeiten als Studierende. Das Bild meiner Person als Vertreterin eines Geberlandes, die sich für Entwick-lungsthemen interessiert und demnach auch praktisch aktiv werden will, schien damit zu bröckeln und man wünschte mir vorerst viel Erfolg für meinen weiteren Aufenthalt. Um wei-teren ähnlichen Erwartungen aus elitären Kreisen zu entgehen und mich wieder auf meine antizipierte Zielgruppe der Studierenden konzentrieren zu können, reiste ich Richtung Norden nach Parakou ohne zu wissen, dass gerade jene Interessen, Netzwerke und Interdependenzen sich im Laufe meiner Forschung als grundlegend erweisen würden.

Vor meiner Ankunft in Benin hatte ich Dr. Emmanuel Sambieni kontaktiert, welcher das soziologische Institut an der Universität Parakou leitet und selbst Pullo ist. Er verwies mich an seinen Studenten Isaac Sambo, der mir eine Liste mit ca. 15 Kontaktdaten von Fulbe-Studie-renden zusandte. Diese Liste, die im Kontext eines Kongresses der studentischen Organisation FREPEN (Front des Étudiants Peuls du Nord) entstanden war, wurde grundlegend für meinen Zugang zu den Studierenden. Ich lud diese zu einem ersten Treffen in die Räume der Universität Parakou ein. Dort stellte ich meine Person und das Projekt vor und plante Einzel- und Grup-peninterviews sowie die Aufenthalte in den Heimatorten mit den Studierenden. Erst nach dieser Veranstaltung stellte sich heraus, dass Isaac Sambo selbst einen anderen ethnischen Hinter-grund hat und Vorsitzender der Organisation der Batonoon-Studierenden in Parakou ist.

Aufgrund seines Nachnamens, der mit einer Fulbe-Dynastie aus Kalalé verbunden wird, seiner sehr guten Fulfuldekenntnisse sowie seiner Einbindung in die sozialen Netzwerke der Fulbe hatte Herr Sambieni Isaac Sambo als Pullo wahrgenommen und mir somit seinen Kontakt ge-geben. Dies zeigt nicht nur auf ironische Weise die Flexibilität und Situationalität ethnischer Zugehörigkeiten im universitären Kontext. Der Fakt, dass ein Nicht-Fulbe für die Mobilisie-rung der Fulbe verantwortlich wird, erinnert an das Klischee der Fulbe, die sich nicht vereinen können und Andere brauchen, die für sie handeln.