• Keine Ergebnisse gefunden

4. Bildungsbiographien: Erwartungen, Entfremdung und Erfolg

4.2. Wandlung des Selbst: Differenz, Entfremdung und Ausgrenzung

Ein weiteres zentrales Motiv in den Biographien sind Momente eines Selbstwandels, welche durch Verschiebungen der Position des Selbst zu Anderen ausgelöst werden. Kamanadou re-flektiert, wie sie an verschiedenen Punkten ihrer Bildungsbiographie erkennt, dass diese eine politische Relevanz hat, die über ihr individuelles Leben hinausgeht:

„Ich bin zur Schule gegangen, ohne zu wissen, was das eigentlich bedeutet – für mich wirklich bedeutet. Ich habe lange nicht gewusst, dass es da etwas für mich gibt. Weil… bei uns im Dorf bin ich das erste Mädchen, das in die Schule geschickt wurde. Und ich bin die Einzige die zumindest das BEPC hat. Bis heute. Und dann hab ich erfahren, was man mit den Fulbe macht, die nicht in der Schule waren. Die Art wie man sie malträtiert. Ich habe das alles analysiert. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das daran liegt, dass sie nicht in der Schule waren. Sie kennen meist ihre Rechte nicht, auch nicht ihre Pflichten. C’est à cause de ça, on les maltraite de la sorte. Ich war schon in der Primaire35, als ich das alles verstanden habe. Davor hab ich die Dinge nicht so gese-hen. Aber dann hab ich mir gesagt, das ist unsere Pflicht, dass wir die schon angefangen haben zu gehen, aufstehen. C’est un défi que nous devons révéler“ (Kamanadou B., 14.8.2014).

Trotzdem zweifelte Kamanadou sehr an ihrem Bildungsweg als sie zweimal durch die Abitur-prüfungen fiel. Beim dritten Versuch bestand sie und spricht von dem Tag ihrer Immatrikulation an der Universität Parakou als einen finalen Schlüsselmoment:

„Bis ich selbst auf den Campus gegangen bin um mich einzuschreiben, hab ich die Bedeutung der Schule noch nicht so gesehen wir heute. Selbst nach dem Abitur noch nicht! Weil... bei mir gibt es keine Fulbe, die studiert haben. Jetzt, als ich zur Uni gegangen bin… Ich habe Fulbe getroffen, die studiert haben, Fulbe die Funktionäre sind, selbst Fulbe, die Doktortitel haben! Und da hab ich mir gesagt, ich selbst, ich kann auch so weit kommen. Wenn ich alles gebe, kann ich das auch.

Voilà, c’est ca qui m’a pousser, je suis dedans jusqu'à présent“ (ebd.).

Sie reflektiert ihren Bildungslebenslauf als eingebettet in die marginale Stellung der Fulbe.

Nachdem Kamandou den Schulbesuch zu Beginn auf individueller Ebene erfährt, abstrahiert und politisiert sie Diskriminierungserfahrungen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit. Sie veror-tet sich bis zum Moment der Immatrikulation in dem dominanten Bild der unvermögenden

35 Die Struktur des beninischen Bildungssystems gleicht dem französischem. Eine tabellarische Darstellung der Schulformen und Klassenabfolge findet sich im Anhang.

Fulbe, für welche eine akademische Ausbildung und Karriere oder eine Anstellung im öffent-lichen Dienst keine Option sei. Die Erfahrung gegenteiliger Beispiele führt zu der bewussten Entscheidung für eine universitäre Laufbahn, welche mit der notwendigen Emanzipation der Fulbe begründet wird. Kamandous Bildungsbiographie, ihre darin gefällten Entscheidungen und Erwartungen an die eigene Leistung werden schließlich zu einem politischen Exempel.

Soumanou F. treffe ich in Sinandé, einem Ort knapp 100 Kilometer nördlich von Parakou. Ein gemeinsamer Freund macht uns an einem Kiosk, der an der Landstraße gelegen ist, miteinander bekannt. Vor dem Bretterverschlag, an dem Telefonkarten, Zigaretten und Tee verkauft wer-den, sitzen junge Hirten, die angestrengt rauchen und grelle Musik aus einem Transistorradio hören. Soumanou, in einem hellrosa Anzug aus lokalen Stoffen gekleidet und mit lederner Lap-toptasche unter dem Arm, ist im Gespräch mit dem Kioskbesitzer. Als mein Bekannter Issoufou ihm mein Anliegen vorträgt, macht er eine beschwichtigende Handbewegung und damit deut-lich, dass wir besser an einem anderen Ort weitersprechen. Nach ein paar Kilometern auf Feldwegen kommen wir in einem Weiler an und begeben uns in eines der Häuser. Es werden Matten ausgebreitet und eine Frau bringt uns zur Begrüßung bori, Milch mit Hirse. Nachdem sich Issoufou nach draußen verabschiedet hat, verschwinden im Interview Soumanous scheue Gestik und fragile Sprache:

„Ich fühlte mich wie jemand, der von seiner Familie nicht gemocht wird, da ich der Einzige war der zur Schule ging. Parce que je ne vois pas mes camarades peuls qui sont allés à l’école. A chaque fois je ne faisait que plus aller. Ich dachte, man will mein Leben kaputt machen, ich werde zu jemand anderem, jemand einer anderen Ethnie, ich trage nicht mehr die Kleidung der Fulbe – keinen Hut, keine Ohrringe – ich werde all das nicht mehr tragen. [...]

Dieses Gefühl der Entfremdung löst Zweifel in Soumanou aus und er beschließt in der CM2 die Schule abzubrechen. Sein Vater bringt ihn mit Gewalt, „gepackt hat er [ihn] wie ein Tier“

in das Schulgebäude, wo er vom Direktor mit Schlägen bestraft wird. Der Tod des Vaters in der quatrième löst wieder Zweifel aus, wobei Soumanou betont, es hätte nicht am Geld gelegen, dies “war [er] selbst”. Ein Jahr später drängt ihn die Familie zur Hochzeit36:

„Aber ich habe da schon die Wichtigkeit der Schule verstanden. Um aufs collège zu gehen habe ich da schon in Sinandé gewohnt, und bin also nicht mehr jeden Tag nach Hause gekommen. Dort

36 Schulbesuch und Heiraten in diesem Alter schließen sich aus, da der Mann zur Versorgung der Familie ver-pflichtet ist und die Frau zur die Führung des Haushaltes.

habe ich bei einem Bariba37 gewohnt, das hat mir erlaubt, ein bisschen das Verhalten Anderer anzunehmen. Und dann habe ich mich geweigert zu heiraten, ich hab mich einfach geweigert.“

(Soumanou F., 22.8.14)

Es beginnt zu regnen. Zuerst sind es nur wenige Tropfen, die aufs Wellblechdach fallen bis sie schließlich herunterprassen. Issoufou stolpert herein, nimmt sich eine Matte und verzeiht sich in eine Ecke ohne groß auf uns zu achten. Soumanous Erzählung bricht in diesem Moment ab.

Er schaut zu mir auf, ob ich noch Fragen hätte – ich verneine und schalte das Aufnahmegerät ab. Wir blicken durch die kleine Tür nach draußen, sehen wie das Wasser sich in kleinen Bä-chen durch den Weiler schlängelt und hören Issoufous SchnarBä-chen. Soumanou zeigt auf den Wald am Horizont und erklärt, dass die, die jetzt auf Transhumanz seien, nicht vor dem Regen fliehen, die wüssten das auszuhalten. Er selbst wäre auch auf Weidewanderung gewesen, sogar bis zur troisième, denn „wenn man in den Ferien wiederkommt, ist man kein Schüler mehr“.

Die Entfremdungserfahrungen Soumanous manifestieren sich im Gefühl durch den Schulbe-such different zu werden und dadurch die Zugehörigkeit zum familiären Umfeld zu verlieren.

Diese Empfindung von Fremdheit steigert sich bis zum Selbstverlust („Ich werde zu jemand anderem“). Versuche aus der Schule auszubrechen scheitern und er wird zum Unterrichtsbe-such gezwungen. Die Wendung zeigt sich schließlich in Soumanous Weigerung zu heiraten.

Ebenso wie Kamandou, habe er „die Wichtigkeit der Schule“ erkannt, und positioniert sich bewusst gegen die Erwartungen der Familie. Der Wechsel in Soumanous Verhalten zwischen der expliziten Darstellung seiner Person im Interview und extremer Zurückhaltung davor, wie auch danach, zeigen seine fortwährende Angst vor Ausgrenzung. In seinem Kommentar über die Hirten im Regen schwingt eine gewisse Wehmut über ein für ihn vergangenes Leben mit.

Auch in Alidous Erzählungen zeigen sich Erfahrungen von Differenz, Ausgrenzung und Ent-fremdung in sehr deutlicher Form:

„Es ist [heute] schwierig zu Hause zu sein. Unsere Ideen sind nicht dieselben, vielleicht unser Ver-halten, aber nicht unsere Art zu denken. Donc ils vont me voire peut-être comme l’homme bizarre.

Um genau zu sein, ich bin ein Fremder bei mir Zuhause geworden. Puisque je suis en train de faire l’école de blancs – das ist es was die Leute sagen: Ich bin ein Fremder geworden in meiner eigenen Gemeinschaft“ (Alidou D., 17.8.2014).

37 Bariba sind die zahlenmäßig dominante ethnische Gruppe des Beniner Nordens, deren Eigenbezeichnung Baatombu ist.

Trotzdem oder vielmehr gerade aus diesem Grund beschäftigt sich Alidou auf wissenschaftli-cher Basis mit seiner ethnischen Herkunft. Durch einen Kulturwissenschaftler, der in seiner Heimatregion forschte und Alidou als Übersetzer anstellte, entschloss er sich, nach einem er-folglosen naturwissenschaftlichen Studium zu Sozialwissenschaften zu wechseln:

„Ich habe gemerkt, was bei den Fulbe passiert, ich kann das selbst nicht erklären. Das heißt, ich bin Pullo, kenne aber die Dinge nicht, die sie betreffen! Aber ich habe gesehen, Soziologie und Anthropologie können mir helfen zu verstehen, wer ich bin. Für Forschungen bin ich zu meinem Ursprung zurückgekommen, um zu verstehen, wer wir sind und zu zeigen, was wir am besten können“ (ebd.).

Alidous und Soumanous Darstellungen zeigen in besonderer Weise den Bildungsprozess als

„Negativität im Erfahrenen“ (Koch 2005; Buck 1981: 54ff). Angelehnt an Hegel stellt der Bil-dungsprozess somit „eine durch negative Erfahrung vermittelte Umkehrung des Bewusstseins“

(Koch 2005: 103) dar: Das Subjekt erfährt, dass das was es ‚als das an sich Wahre’ angenom-men hat, negiert wird. Die quasi natürliche Zugehörigkeit zu den Fulbe wird durch die Erfahrung von Differenz und Exklusion in Frage gestellt. Die Erkenntnis des Subjekts, dass seine grundsätzlichen Annahmen nicht bestehen können, führt zu einem gewissen Verlust sei-ner selbst, bis ‚das für sich Wahre’ zu einem ‚das für es Wahre’ umgedeutet wird. Da die negative Erfahrung hier Zugehörigkeit in einem fundamentalen Sinne zum Gegenstand hat, wird der eigene Selbst- und Weltbezug in Frage gestellt. In allen drei Fällen findet daraufhin eine Wandlung statt, indem sich beide explizit dem Schulbesuch zuwenden und die Differenz zur ethnischen Gemeinschaft als solche hinnehmen. Zugehörigkeit wird relativiert und die Stu-dierenden nehmen sich als different und trotzdem zugehörig an. Alidou findet einen explizit produktiven Umgang mit der Erfahrung von Entfremdung: Dem erschütterten Welt- und Selbst-bezug versucht er nun durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Fulbe wieder Kohärenz zu verleihen. Alidou wird sich Seiner selbst bewusst (Buck 1981: 57), indem er ohne die Prozesse von Differenz und Ausgrenzung zu überwinden oder gegen sie zu handeln, sich diesen bewusst in der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit seiner ethnischen Her-kunft zuwendet. Damit leitet der Prozess von einer „‚Entfremdung’ von uns selbst [...] zugleich den Prozess unserer ‚Befreundung’ mit uns selbst“ (ebd.: 57f) ein.

Saliou erklärt die Problematik von Entfremdung und Ausschluss aus einer pragmati-scheren Perspektive. Um zu verhindern, dass die Zugehörigkeit zur Gruppe in Frage gestellt wird, nehmen er und andere Studierenden bewusst die Rolle des Nicht-Schulgängers ein, wenn sie ihre Heimat besuchen:

„Selbst wir hier, die, die zur Schule gegangen sind, wenn wir zurück nach Hause in die Weiler gehen – wir verhalten uns nicht so, wie wir uns in der Stadt verhalten. Wenn du das machst, werden alle sagen – was ist mit diesem Kind los? Es folgt nicht mehr den Regeln, die wir respek-tieren. Deine Art die Eltern zu grüßen, sie fragen, was soll nur aus ihm werden? Sie sagen, ach, die Fulbe, die kommen und die Modernisierung wollen; man wird sehen wohin das führt. Selbst wenn du eine Flasche Possotomè38 dabei hast, die Leute werden sagen, ah, der Intellektuelle39 ist wieder da! Alle werden aufstehen und dich sitzen lassen, meme que c’est toi l’alpha de la société.

Man wird in dir den Intellektuellen sehen, so wird man dich behandeln, du wirst es merken, an der Art wie man dich empfängt, dir zuhört. Du wirst alleine sitzen bleiben“ (Saliou S., 18.8.2014).

Aus Angst vor Exklusion sehen sich die Studierenden gezwungen, weiterhin den Verhaltensre-geln und Rollenerwartungen des dörflichen Lebens Rechnung zu tragen und fühlen sich unter besonderer Beobachtung.40 Die Flasche Mineralwasser markiert den Studierenden, macht ihn zum Gegenstand von Spott, und Misstrauen und verdeutlicht, wie sehr formelle Bildung mit kolonialen Differenzpaaren besetzt ist. Der Schulgänger, der in die Stadt gezogen ist, ver-schmäht nun wie der Europäer das Wasser aus dem Brunnen, so dass die mitgebrachte Flasche Possotomé zum Symbol seiner Differenz und Fremdheit wird.

Doch was impliziert formelle Bildung für das eigene Verhalten und worin besteht die Differenz zum Nicht-Schulgänger? Farouk beschreibt dies anhand von senteene, der Scham:

„Selbst wenn du zur Oberschicht gehörst, selbst wenn du Präsident wirst, du wirst immer senteene in dir haben und du wirst das in dir bewahren, um keine Schande über die Familie zu bringen...

Aber, ich zum Beispiel, ich unterhalte mich im Moment mit dir. Jemand der nicht in der Schule war, wird nicht so mit dir sprechen können. Ich habe mich stark verändert – Physiquement, mo-ralement, tous ehh. In meiner eigenen Familie haben die, die nicht zur Schule gegangen sind, nicht denselben Kleidungsstil, nicht dasselbe Niveau zu verstehen, es gibt viele Dinge, die ich tue, die sie nicht tun können. Zum Bespiel kann ich mich westlich kleiden; hingehen wo ich möchte; in der Öffentlichkeit essen; in der Gruppe leben; reisen; mit Mädchen ausgehen – Jemand, der nicht in der Schule war, kann all das nicht tun. Ich kann auf den Markt gehen, vor allen Anderen etwas essen, solche Dinge, selbst sich vor Anderen umzuziehen – das macht mir gar nichts. Einfach ma-chen was ich möchte – und das vor den Augen aller Anderen. Un frère comme moi, der nicht in

38 Possotomè ist eine Marke käuflichen Mineralwassers.

39 L’intellectuel meint in diesem Kontext jemanden der alphabetisiert ist und Französisch beherrscht (Bierschenk 1999: 85), also eine formelle Schulbahn durchlaufen hat.

40 Behrends (2002: 238f) beschreibt im Fall gebildeter Dagara-Frauen in Nordghana, wie diese bei der Erfüllung von Rollenerwartungen und Reziprozitätsleistungen gegenüber ihren ländlichen Herkunftsstrukturen unter be-sonderer Beobachtung und Druck stehen.

der Schule war, kann nicht einfach auf den Markt gehen und machen was er will“ (Farouk O., 2.10.2014).

Farouks Selbst- und Weltbezug hat sich durch den Schulbesuch in elementarer Weise gewan-delt, wodurch er seine kategorische Differenz zu Nicht-Schulgängern begründet. Entscheidend ist hier der Unterschied zwischen Handlungsmöglichkeiten und Handlungsfähigkeiten: Farouk bezieht sich hier nicht auf durch formelle Bildung eröffnete soziale Mobilität, die ihm etwa auf finanzieller Ebene ermöglicht, zu reisen oder Zugang zu städtischen Kontexten zu haben. Viel-mehr spricht er von einem nun erlangten Vermögen in einer bestimmten Weise zu handeln, wie sie ihm vor der Wandlung seines Selbst- und Weltbezugs nicht möglich war. Während im Zu-sammenhang mit sozialer Mobilität durch Bildung häufig die Metapher ‚Es hat sich mir eine Welt eröffnet’ verwendet wird, spricht Farouk davon, wie ‚er sich selbst der Welt geöffnet hat’.

Gleichzeitig besteht er darauf, dass ein Pullo ungeachtet von ökonomischem Erfolg und Ver-änderung seines sozialen Umfelds und damit seines Verhaltens, immer senteene behalte. Damit überschreitet Farouks Interpretation die engen Grenzen von Konzepten einer Zugehörigkeit zu den Fulbe, in denen senteene primär als die alltägliche Einhaltung von Verhaltenskodizes ver-standen wird (Dupire 1962: 169; Stenning 1994: 56) und auch jene, die in diesen Praktiken die Performanz ethnischer Identität sehen (Virtanen 2003; Boesen 1999).

Die Bildungsprozesse, als die Wandlung von Selbst- und Weltbezug in den Biographien der Studierenden, werden weder durch Inhalte noch durch gewonnene soziale Mobilität hervorge-rufen. Sie manifestieren sich in den Erfahrungen von Differenz, Entfremdung und Ausgrenzung, die sich aus ihrer Einbettung in die Institution Schule ergibt. Die Momente, die von den Studierenden als Erkenntnis reflektiert werden – als ‚sie die Wichtigkeit der Schule erkannt haben’ – bedeuten, dass biographische Erfahrungen abstrahiert werden und ihnen über die individuelle Ebene hinaus politische oder gesellschaftliche Relevanz zugeschrieben wird.

Bildungsentscheidungen werden damit nicht primär mit persönlichen Präferenzen und biogra-phischen Dispositionen begründet, sondern mit der Annahme, dass diese darüber hinaus wirken. Weiterhin sehen sich die Studierenden mit der bekannten Vorstellung konfrontiert, dass sich Schulbesuch und Fulbe-Sein ausschließe, wobei beide Sphären über kolonialen Dichoto-mien und Zuschreibungen konstruiert sind. Einerseits wird versucht, diesem Konflikt zu entgehen, indem spezifische Rollenerwartungen und Verhaltenskodizes erfüllt werden und so-mit bewiesen wird, dass man trotz Schulbesuch die Kriterien ethnischer Zugehörigkeit auch im Habituellen erfüllt. Andererseits werden die ausgemachten Sphären und darauf basierende Un-vereinbarkeiten in Frage gestellt, indem ethnische Zugehörigkeit neu gedeutet wird. Das

Balancieren der Studierenden zwischen und Aushandeln von differenten Modellen und Ansprü-chen trägt sich weiter in deren Zukunftsplänen und -wünsAnsprü-chen.