• Keine Ergebnisse gefunden

„‘Do you think you can ever forget that I am white?’ He looks up, stares at me as if wondering if this is a sincere question, and then starts to laugh. His laughter is genuine, almost cheerful. I am hurt, I don’t understand: ‘Why are you laughing, what is so amusing?’ His mild laugher changes into a smile, and he says gently: ‘How can I ever forget that you are white?’“

(Loftsdottir über ein Gespräch mit ihrem Informanten im Feld im Niger; 2002: 303).

Das konstitutive Element für meine Position im Feld und den Verlauf meiner Forschung war die Zuschreibung ‚weiß‘28 zu sein. Ich möchte dies an drei Aspekten diskutieren: Die Rollen-zuschreibungen und Erwartungen, die hieraus auf meine Person projiziert wurden, die Distanz, die aufgrund dessen zwischen mir und meinem Umfeld entstand und die Frage, wie dies für einen analytischen Mehrwert fruchtbar gemacht werden kann. Auch wenn meine Beziehungen zu den Studierenden sich sehr individuell gestalteten, war meine Hautfarbe und geographische Herkunft ausschlaggebend, dass die Studierenden und Andere mich als kategorisch verschieden zu sich selbst wahrnahmen. Der geteilte Studentenstatus als gemeinsame Erfahrungswelt, den ich in der Planung als nützlich für meine Position im Feld und Zugang ausgemacht hatte, schien demgegenüber in den Hintergrund zu treten. Distanziert-höfliche Umgangsformen und eine Be-schränkung der Interaktion auf die reinen Forschungsaktivitäten durch die Studierenden zeigten mir, dass ich meist nicht als gleichaltrige Studentin sondern als hierarchisch höher gestellte – ähnlich älteren Personen oder Autoritäten – wahrgenommen wurde. Indem nach Interviews auf Fulfulde gesprochen wurde, schloss man meine Person in bestimmten Situationen bewusst aus.

Als ich dann darum bat doch weiter auf Französisch zu sprechen, wurde mir geantwortet, dass

28 ‚Rasse‘ verstehe ich hier als die soziale Konstruktion von Hautpigmentierung und darauf basierende sozial-politische Kategorisierung von Menschen. Die nach dieser Vorstellung getroffenen Zuschreibungen ‚weiß’ und

‚schwarz’ werden demnach in Anführungszeichen gesetzt. Der Begriff des Weiß-Seins ist hiervon ausgeschlos-sen, da er die Distanzierung zu den Bezeichnungen wiedergibt.

dies nun nicht mehr meine Fragestellung betrifft oder ‚man als Fulbe eben nicht gerne auf Fran-zösisch kommuniziere‘. Im Zusammenhang mit (ethnisch-)politisch aktiven Personen wurde ich als eine Frau aus „Aidland“ (Mosse 2011), wahrgenommen, die Zugang zu Ressourcen im weiteren Feld der Entwicklungszusammenarbeit hat. Ich kam nicht als „unbeschriebenes Blatt [ins Feld], vielmehr kannten mich die Menschen schon“ (Schramm 2005: 173; Übers. d. Verf.).

Meine Forschungsfrage referiert auf Diskursen, die mit dem (post-)kolonialen Zusammentref-fen und dem Entwicklungsdiskurs entstanden und eine Unvereinbarkeit von Fulbe und Entwicklung konstruieren. In diesem Dualismus bin ich in der letzteren Sphäre verortet und verkörpere das, was die Fulbe vermeintlich nicht sein können oder wollen, aber aus der Sicht Vieler sollten.

Die Erfahrung, auf die Hautfarbe reduziert zu werden und aufgrund dessen Privilegien zu genießen, Rollen zugeschrieben zu bekommen und mit diversen Erwartungen konfrontiert zu werden, macht wohl ein sehr großer Teil ‚weißer’ Reisender und Forschender in Afrika und anderen Orten des globalen Südens. Besonders Anthropolog_Innen, die einen Dialog auf Au-genhöhe zwischen sich und seinen_ihren Forschungssubjekten anstreben und sich von rassistischen Kategorien explizit distanzieren, empfinden dies als Widerspruch zum eigenen Selbstbild und dementsprechend befremdlich. Weiß-Sein ist bis zu einer solchen Erfahrung eine unsichtbare Kategorie, da die Privilegien, die ‚Weißen‘ durch strukturelle Rassismen zuteilwer-den diesen nicht als solche bewusst sind (Frankenberg 2005: 197).

Loftsdottir (2002) reflektiert diese Erfahrung während ihrer Feldforschung bei Wodaabe im Niger. Obwohl die Menschen ihren Namen kennen, wird sie ‚anasara‘ (Weiße) genannt, eine Kategorie die „klar mit Macht und der Hoffnung auf Entwicklungsprojekte oder ähnlicher Un-terstützung verbunden wird“ (ebd.; 310, Übers. d. Verf.):

„Many WoDaaBe never seemed to stop hoping that I would be able to improve their lives in some ways, bringing them ‘projects’ in the forms of cattle, corn or the construction of wells, thus never forgetting that I was white. […] During rather formal interviews with groups of men, they would refer in one way or another to the power invested in my skin colour, and thus my presumed ability to gain access to these resources“ (ebd.: 313).

Auch sie empfindet dies als selbstentfremdend und dekonstruiert im Laufe ihrer Forschung die ihr zugeschriebene Kategorie eines ‚homogenen Westens‘:

„Many WoDaaBe found it interesting and surprising to hear that my country [Island] had once been a colony of other anasara, and when I told some individuals that individuals of my nationality

had in the past been forcefully taken by Algerians and sold in slavery in Algeria, they almost expressed contentment, as this information contested their previous views of anasara. […] Those who helped me with my research increasingly started introducing me to others, as originating from an island, which had like Niger been a colony and had its own distinguished language, thus trying in a sense to separate me from the French and the Americans. They started emphasising my ethnic identity more than my skin colour“ (ebd.: 313f).

Meine Erfahrungen in Benin waren vergleichbar und auch ich konnte die Zuschreibungen und Erwartungen, die sich scheinbar zwangsläufig aus meiner Hautfarbe ergaben, nicht mit meinem Selbstverständnis vereinbaren. Halb überfordert, halb enttäuscht wies ich auf meinen Studen-tenstatus und meine begrenzten Mittel hin und begann zu realisieren, dass mein Weiß-Sein Distanzen zu meinem Feld schafft, die nicht in individuellen Beziehungen überwunden werden können. Loftsdottirs Umgang mit ihrer Position im Feld löst eine solche Problematik jedoch nicht, sondern verschärft sie. Die Bewusstwerdung, dass die eigenen Handlungsmöglichkeiten auf jenen Privilegien der unsichtbaren Kategorie des Weiß-Seins innerhalb rassistischer Struk-turen basiert – eine Feldforschung ist ein solches Privileg29 – mag befremdlich sein. Auch mögen sich Anthropolog_Innen von Kategorisierungen von Menschen entlang rassisch-biolo-gischer oder auch kulturell-sozialer Zuschreibungen distanzieren und sich in ihrer Arbeit als diesen entgegenwirkend verstehen. Dies hebt aber leider nicht die Tatsache auf, dass eine For-schung „in a marginal country among marginal people“ (ebd.: 306) per defintionem die strukturelle Machtasymmetrie und den privilegierten und gesicherten Zugang zu Ressourcen und Infrastruktur für die Forschende oder den Forschenden impliziert. Welche Relevanz hat die Tatsache, dass das Herkunftsland der Anthropologin, Island, der Herrschaft anderer ‚Weißer’

unterworfen war, oder dass im Barbareskenstaat die Versklavung ‚Weißer’ durch ‚Nicht-Weiße’ stattgefunden hat, für die strukturelle Beziehung zwischen Loftsdottir und ihren Infor-mant_Innen? Das Argument, dass ‚weiße‘ Subjekte Opfer von Unterdrückung wurden, mag der Anthropologin dienen, rassistische Stereotype im Sinne einer moralischen Aufwertung des Weiß-Seins zu dekonstruieren (López 2005: 14). Die Negierung der Bedeutung von ‚Rasse‘

oder von Ungleichheiten entlang rassistischer Linien führen nicht zu deren Auflösung. Viel-mehr birgt die Distanzierung ‚weißer‘ Subjekte von historischen oder aktuellen Formen

‚weißer’ Vorherrschaft auf Basis rassistischer Diskurse die paradoxe Gefahr, die strukturelle

29 Riesman erinnerte die American Association of Anthropology 1982 daran, „that we are using other people for our own purposes all the time [and] using the knowledge they give us for goals they would never imagine them-selves“ (Riesman 1982, zit. n. Abu-Lughod 1993: 36).

Privilegierung des Weiß-Seins weiterhin zu ermöglichen (ebd.: 23; Dyer 1997: 184ff). Lofts-dottirs Selbstdarstellung als eingebettet in historische Formen der Unterdrückung, Island als Kolonie Dänemarks, ‚weiße’ Europäer als Sklaven ‚nicht-weißer’ Algerier, befreit das Weiß-Sein der Anthropologin augenscheinlich von der historischen wie gegenwärtigen Machtasym-metrie entlang rassistischer Linien, welche aber die Beziehung zwischen Loftsdottir und ihren Forschungssubjekten in essentieller Weise bestimmt. Indem das neue anti-rassistische Subjekt sich von einem vergangenen rassistischen Selbst distanzieren möchte, negiert es die Notwen-digkeit sich in Bezug auf ein ‚universelles‘ privilegiertes Weiß-Sein zu positionieren (López 2005: 6). Genau hierin liegt jedoch die theoretische Herausforderung, die bei einer kritischen Positionierung im Feld beginnt: Jede macht- und rassismuskritische Position muss ‚weiße‘ Nor-mativität als koloniales Erbe erkennen und konfrontieren (ebd.: 24). Dilemmata und Widersprüche, mit denen sich der_die Forschende konfrontiert fühlt, dürfen nicht in einer Handlungsunfähigkeit oder falschen Distanzierung von Machtstrukturen enden, sondern kön-nen nur in der aktiven Positionierung und Konfrontation des_der Forschers_in und seiner_ihrer Anerkennung, dass er_sie im Feld ‚ein schon beschriebenes Blatt ist‘ münden.

Ein grundsätzlicher Anspruch dieser Arbeit ist, das, was über die Fulbe in Benin und dar-über hinaus geschrieben wurde, in den Kontext zu setzen und darauf hinzuweisen, dass Bilder über und von Fulbe in der Interaktion mit Europa und damit verbundenen Machtverhältnissen entstanden sind. Dies bedeutet, dass hier zwar das Ziel verfolgt wird, gegen ein koloniales Ste-reotyp und für die Emanzipierung post-kolonialer Subjekte aus in diesem Zusammenhang geschaffenen strukturellen Ungleichheiten anzuschreiben. Dies ist aber nur bedingt möglich, da meine Person nicht erst situativ im Feld, in den Machtstrukturen, gegen die sie intendiert zu schreiben, positioniert ist. Ich sehe damit Weiß-Sein unter den diskutierten Umständen und theoretischen Implikationen nicht allein als Einschränkung von Zugängen im Feld und unauf-lösbare Problematik der Repräsentation ‚Nicht-Weißer’. Weiß-Sein hat genau hierin sein Potential, durch eine Konfrontation mit der eigenen Positionierung und Privilegierung, globale und historische Zusammenhänge sichtbar zu machen, die, wenn man die Zuschreibung als

‚Weißer’ aus einer ängstlichen Eitelkeit heraus ablehnt, verborgen bleiben.