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Zusammenhänge zwischen der Internalisierung von Verhaltensregeln,

2.6 H ERLEITUNG UND Z USAMMENFASSUNG DER H YPOTHESEN UND

2.6.3 Zusammenhänge zwischen der Internalisierung von Verhaltensregeln,

Vorangegangene Studien ergaben Zusammenhänge zwischen der Bereitschaft und Fä-higkeit zur Verhaltenssteuerung und der Internalisierung von Verhaltensregeln (Kochanska et al., 1994, 1996). Kinder lernen in sozialen Interaktionen mit Bezugspersonen Verhal-tensregeln zu befolgen. Um auf elterliche Anweisungen zu reagieren, müssen Kinder in der Lage sein, unerwünschte Handlungen zu unterdrücken. Als eine zentrale Variable zur Er-klärung individueller Unterschiede in der Entwicklung der Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung und der darauf aufbauenden Internalisierung erwies sich die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle (Kochanska et al., 1996, 1997). Daher werden die folgenden Hypothesen bezüglich der Zusammenhänge zwischen inhibitorischer Kontrolle und (a) den Aspekten der Internalisierung von Verhaltensregeln und (b) der Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung formuliert:

Hypothese 7a: Je höher die Bereitschaft und Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle eines Kindes ist, desto höher ist die Bereitschaft und Fähigkeit Verhaltensregeln zu befolgen.

Hypothese 7b: Je höher die Bereitschaft und Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle eines Kindes ist, desto mehr Betroffenheit zeigt ein Kind bei Regelverstößen durch andere Personen.

Hypothese 7c: Je höher die Bereitschaft und Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle eines Kindes ist, desto höher ist die Bereitschaft und Fähigkeit nach selbst verursach-ten Regelverstößen Wiedergutmachung zu leisverursach-ten.

Hypothese 7d: Je höher die Bereitschaft und Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle eines Kindes ist, desto höher ist die Bereitschaft und Fähigkeit eigenes Fehlverhalten einzugestehen.

Hypothese 8: Je höher die Bereitschaft und Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle ei-nes Kindes ist, desto höher ist die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung.

Forschungsfragen

Bisherige Studien ergaben nicht nur Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der Interna-lisierung von Verhaltensregeln sondern deuteten auch auf geschlechtsspezifische Zusam-menhänge zwischen Selbstregulation und der Bereitschaft und Fähigkeit zur Befolgung von Verhaltensregeln hin (z. B. Kochanska et al., 1994). Untersuchungen zur Rolle inhibitorischer Kontrolle für die Internalisierung von Verhaltensregeln wurden fast aus-schließlich mit Stichproben aus westlichen Kulturen (z. B. USA) durchgeführt. Ungeachtet möglicher Gruppenunterschiede zwischen deutschen und indischen Kindern hinsichtlich der Internalisierung von Verhaltensregeln, der Verhaltenssteuerung und inhibitorischer Kontrolle stellt sich auch die Frage, inwieweit Ähnlichkeiten oder Unterschiede hinsicht-lich der Zusammenhänge zwischen den untersuchten Variablen bestehen. Da die Entwick-lung inhibitorischer Kontrolle eine zentrale Rolle bei der HandEntwick-lungssteuerung spielt (z. B.

Belohnungsaufschub) wäre davon auszugehen, dass sich kulturunabhängig Zusammenhän-ge mit der Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung erZusammenhän-geben. Bestehen kulturel-len Unterschiede in der Entwicklung inhibitorischer Kontrolle, ließe sich jedoch auch

an-nehmen, dass in Sozialisationskontexten, in denen sich die Fähigkeit zur inhibitorischen Kontrolle früher entwickelt, stärkere Zusammenhänge mit der Internalisierung von Verhal-tensregeln bestehen. Daher soll geprüft werden, inwieweit Geschlecht und Kultur Zusam-menhänge zwischen inhibitorischer Kontrolle und (a) der Internalisierung von Verhaltens-regeln und (b) Verhaltensteuerung moderieren:

Forschungsfrage 1: Bestehen zwischen Jungen und Mädchen Unterschiede bezüglich der Zusammenhänge zwischen

− inhibitorischer Kontrolle und der Internalisierung von Verhaltensregeln [Internali-sierte Verhaltenssteuerung (F1a), Betroffenheit (F1b), Wiedergutmachung (F1c), Schuldeingeständnis (F1d)]?

− inhibitorischer Kontrolle und Verhaltenssteuerung (F1e)?

Forschungsfrage 2: Bestehen zwischen deutschen und indischen Kindern Unter-schiede bezüglich der Zusammenhänge zwischen

− inhibitorischer Kontrolle und der Internalisierung von Verhaltensregeln [Internali-sierte Verhaltenssteuerung (F2a), Betroffenheit (F2b), Wiedergutmachung (F2c), Schuldeingeständnis (F2d)]?

− inhibitorischer Kontrolle und Verhaltenssteuerung (F2e)?

Es ist eine kontrovers diskutierte Frage, inwieweit eine sehr hohe Fähigkeit zur Selbst-regulation in allen Entwicklungsbereichen adaptiv ist. Eine Untersuchung dieser Frage von Tangney et al. (2004) ergab für verschiedene Funktionsbereiche (z. B. schulischer Erfolg, interpersonale Beziehungen) im Erwachsenenalter signifikante lineare Zusammenhänge mit der Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstregulation. Entwicklungspsychologische Be-funde werfen jedoch die Frage auf, inwieweit im Kindesalter eine sehr hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstregulation in bestimmten Funktionsbereichen (z. B. Sozialverhal-ten) auch maladaptiv sein kann. Insbesondere im Kindesalter sind reaktive Prozesse der Verhaltenshemmung und intentionale Prozesse inhibitorischer Kontrolle noch nicht ausdif-ferenziert. Eisenberg et al. (2000) haben daher argumentiert, bei der Untersuchung der Rol-le inhibitorischer Kontrollprozesse für die soziaRol-le Entwicklung auch nicht-lineare (z. B.

quadratische) Zusammenhänge in Betracht zu ziehen. Daher wird die folgende For-schungsfrage formuliert:

Forschungsfrage 3: Besteht ein quadratischer Zusammenhang zwischen

− inhibitorischer Kontrolle und der Internalisierung von Verhaltensregeln [Internali-sierte Verhaltenssteuerung (F3a), Betroffenheit (F3b), Wiedergutmachung (F3c), Schuldeingeständnis (F3d)]?

− inhibitorischer Kontrolle und Verhaltensteuerung (F3e)?

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ETHODE

Die vorliegende empirische Untersuchung ist Teil einer Studie, die in Kooperation zwischen den Teilprojekten Entwicklungsbedingungen von Absichtlichkeit und ihrer Gren-zen (Projektleiterin: Prof. Dr. Gisela Trommsdorff, DFG GZ, TR 169/14-2) und Die Rolle von Antwortkategorien bei der Handlungsgenerierung (Projektleiter: Prof. Dr. Ronald Hübner, DFG GZ, Hu 432/9) im Rahmen der interdisziplinären Forschergruppe Grenzen der Absichtlichkeit (DFG-Forschergruppe 582) an der Universität Konstanz durchgeführt wurde. Ziel des entwicklungspsychologischen Teilprojektes war es, die Bedeutung indivi-dueller Unterschiede (z. B. Temperament) und von Sozialisationsbedingungen (z. B. Er-ziehungsverhalten) für die Entwicklung verschiedener Aspekte von Selbstregulation (z. B.

Emotionsregulation, Verhaltenssteuerung) im Vorschulalter zu untersuchen. Zur Prüfung der kulturvergleichenden Fragestellungen wurden die Daten in Konstanz, Deutschland, und Varanasi, Indien, erhoben. Die Datenerhebung in Indien erfolgte in Kooperation mit Prof.

Dr. Ramesh C. Mishra, Banaras Hindu University, Indien.

Die Forschungsziele der vorliegenden Arbeit beinhalten sowohl die Prüfung von Hy-pothesen wie auch die ergebnisoffene Untersuchung von Forschungsfragen. Die vorliegen-de Studie ist daher sowohl durch einen hypothesentestenvorliegen-den Ansatz (z. B. Geschlechtsun-terschiede in der Verhaltenssteuerung) als auch ein exploratives Vorgehen gekennzeichnet, um die Generalisierbarkeit theoretischer Annahmen zu prüfen (z. B. Forschungsfragen, inwieweit Unterschiede oder Ähnlichkeiten bezüglich der Zusammenhänge zwischen inhibitorischer Kontrolle und Verhaltenssteuerung bestehen) (van de Vijver & Leung, 1997a, b). Da die Fragestellungen und Hypothesen der vorliegenden Arbeit sowohl auf einen Vergleich der Ausprägungen der untersuchten Variablen als auch auf die Prüfung von Ähnlichkeiten und Unterschieden in Bezug auf Zusammenhänge zwischen den Variab-len in zwei Kulturen ausgerichtet sind, wird hier sowohl ein level-orientierter als auch ein struktur-orientierter Methodenansatz verfolgt (van de Vijver, 2007).

Die Auswahl der Stichproben (Konstanz, Deutschland und Varanasi, Indien) erfolgte theoriegeleitet. Die beiden Stichproben wurden ausgewählt, da sie Sozialisationskontexte repräsentieren, die sich anhand theoretischer Dimensionen (u. a. Werthaltungen, Selbst-konzeptvorstellungen; siehe Abschnitt 2.5.4) charakterisieren lassen, welche für eine empi-rische Prüfung der hier formulierten Hypothesen und Fragstellungen bedeutsam sind (systematic sampling; van de Vijver & Leung, 1997a). Bei der Auswahl der Verfahren wurde ein Multimethodenansatz als Forschungsstrategie gewählt. Das heißt verschiedene

Datenquellen wurden herangezogen, um inhibitorische Kontrolle, Verhaltenssteuerung und Internalisierung von Verhaltensregeln zu erfassen. Neben Fragebogendaten (d. h. Fremd-einschätzung des Verhaltens der Kinder durch die Mütter), kamen computerbasierte Ver-fahren und qualitative Methoden der Verhaltensbeobachtung zum Einsatz. In vielen psy-chologischen Studien (z. B. in der Sozial- und Persönlichkeitspsychologie) wird auf die Beobachtung von Verhalten verzichtet, da die Erfassung mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Zudem weisen Beobachtungsdaten mitunter nur geringe oder keine Korrela-tionen mit Fragebogendaten (z. B. Selbstbericht) auf (Baumeister, Vohs, & Funder, 2007).

In entwicklungspsychologischen Studien, in denen auch Methoden des Kulturvergleichs zur Anwendung kommen, ist die Kombination qualitativer und quantitativer Forschungs-methoden im Vergleich zu anderen Disziplinen der Psychologie dagegen weiter verbreitet (Karasz, 2011). Dies hat unterschiedliche Gründe. Zum einen kann die Befragung von Kindern im Vorschulalter problematisch sein, da Kinder in diesem Alter noch zu unrealis-tisch positiven Selbstbeschreibungen neigen und sich differenzierte und realisunrealis-tische Selbst-einschätzungen erst im Grundschulalter entwickeln (Harter, 2012). Zum anderen kann die Untersuchung von strukturellen Zusammenhängen zwischen Variablen, die mit verschie-denen Verfahren und auf der Basis unterschiedlicher Datenquellen erfasst wurden, darüber Aufschluss geben, inwieweit bestimmte Konstrukte in den untersuchten soziokulturellen Kontexten die gleiche Bedeutung haben und über verschiedene kulturelle Gruppen hinweg vergleichbar sind (kulturübergreifende Äquivalenz; van de Vijver, 2007).

Nach einer Beschreibung des Rekrutierungsverfahrens werden in dem folgenden Ka-pitel zunächst soziodemographische Merkmale der deutschen und indischen Stichprobe berichtet. Im darauffolgenden Abschnitt erfolgt die Darstellung des Untersuchungsablaufs in Deutschland und Indien sowie der verwendeten Verfahren. Darüber hinaus werden die Fragebogendaten (d. h. Internalisierung von Verhaltensregeln) und Beobachtungskatego-rien (d. h. Verhaltenssteuerung) mittels Reliabilitäts- und Faktorenanalysen auf ihre kultur-übergreifende Äquivalenz geprüft. Schließlich werden die Auswertungsstrategien be-schrieben und die Auswahl der statistischen Methoden der Datenanalyse zur Prüfung der Hypothesen und Forschungsfragen begründet.