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Inhibitorische Kontrolle, Verhaltenssteuerung und Internalisierung von

2.3 I NHIBITORISCHE K ONTROLLE

2.3.3 Inhibitorische Kontrolle, Verhaltenssteuerung und Internalisierung von

Ein Kind streckt seinem Arm aus, um nach einer heißen Tasse zu greifen, die gefähr-lich nah am Tischrand steht, als es seine Mutter hört, die „Nein!“ ruft. Ob das Kind sich davon abhalten kann, seine Handlung fortzusetzen, ist von seiner Bereitschaft und Fähig-keit zu inhibitorischer Kontrolle abhängig. In vielen ähnlichen alltäglichen

Erziehungssitu-ationen ist es erforderlich, dass ein Kind in der Lage ist, ein unerwünschtes Verhalten zu unterdrücken, um elterliche Vorschriften und Verbote umzusetzen (Kochanska, 1993;

Kochanska et al., 1996, 1997; Kopp, 1982).

Wie bereits diskutiert, üben Kinder in dyadischen Interaktionen mit Bezugspersonen Verhaltensregeln ein (siehe Abschnitte 2.2.2 und 2.2.3). Solange Kinder Verhaltensregeln noch nicht internalisiert haben, strukturieren und regulieren Bezugspersonen das Verhalten ihrer Kinder durch Anweisungen und Aufforderungen. Entwicklungsveränderungen hin-sichtlich der Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle gegen Ende des zweiten Lebensjahres (Pechtel & Pizzagalli, 2011) gehen einher mit erhöhten Anforderungen der Bezugsperso-nen bezüglich der Befolgung von Verhaltensregeln (Kopp, 1982; Smetana et al., 2000).

Die Fähigkeit eines Kindes auf ein Signal der Bezugspersonen zu reagieren und eine be-reits initiierte Reaktion zu unterdrücken, ist ein geradezu prototypisches Beispiel für die von Logan (1994) beschriebene Form inhibitorischer Kontrolle. Defizite hinsichtlich inhibitorischer Kontrolle können auch die Fähigkeit beeinträchtigen, Ablenkungen zu wi-derstehen, um eine Tätigkeit aufrechtzuerhalten, oder eine zielgerichtete Handlung nach einer Unterbrechung wieder aufzunehmen (Schachar & Logan, 1990; Schachar, Mota, Lo-gan, Tannock, & Klim, 2000; Schachar, Tannock, & LoLo-gan, 1993).

Quer- und längsschnittliche Untersuchungen ergaben signifikante Zusammenhänge zwischen inhibitorischer Kontrolle und der Bereitschaft und Fähigkeit zur Befolgung und Internalisierung von Verhaltensregeln. Je höher Mütter die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle ihrer Kinder einschätzten, desto höher war aus Sicht der Mütter das erreichte Niveau bezüglich der Internalisierung von Verhaltensregeln (Kochanska et al., 1994). Be-funde auf der Basis von Beobachtungsdaten bestätigten, dass im Entwicklungsverlauf die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle eine zentrale Rolle für die Internalisierung von Ver-haltensregeln spielt. Je höher die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle bei Kindern im Alter von 33 Monaten war, desto höher war drei Jahre später ihre Bereitschaft und Fähig-keit Verhaltensregeln in Abwesenheit von Bezugspersonen zu befolgen (Kochanska &

Knaack, 2003; Kochanska et al., 1996, 1997). Diese Befunde sind insofern besonders auf-schlussreich, da sie darauf hindeuten, dass die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle einen stabilen und signifikanten Beitrag zur Erklärung individueller Unterschiede bezüglich der Internalisierung von Verhaltensregeln im Entwicklungsverlauf leistet.

Erwartungsgemäß hing die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle mit der beobachte-ten Verhalbeobachte-tenssteuerung bei der Einhaltung von Regeln (Don’t-Kontext; z. B. ein Objekt nicht anfassen) und der Ausführung einer Tätigkeit (Do-Kontext; z. B. aufräumen)

zu-sammen. Die Aufgaben beinhalteten Situationen, in denen die Kinder alleine waren oder in Anwesenheit von Peers Verhaltensregeln ihrer Mütter oder der Versuchsleiterin befolgen sollten. Hervorzuheben ist, dass inhibitorische Kontrolle nicht nur mit der Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung zusammenhing, sondern auch mit der Internalisierung von Verhaltensregeln, der Entwicklung von Selbstkonzeptvorstellungen (moral self) und einem Verständnis für Normen (Kochanska et al., 1997). Zusammenhänge zwischen inhibitorischer Kontrolle und Verhaltenssteuerung sind naheliegend. Die Funktion inhibitorischer Kontrolle für andere Aspekte der Internalisierung von Verhaltensregeln (d. h. Schuldeingeständnis, Wiedergutmachung, Reaktionen auf Regelverletzungen durch andere Personen) lassen sich auf indirekte Wirkungszusammenhänge zurückführen.

Inhibitorische Kontrolle ist mit selbstbewertenden Emotionen (z. B. Schuld) und der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme (d. h. theory of mind; Carlson & Moses, 2001) asso-ziiert, die emotionale und kognitive Voraussetzungen für die Internalisierung von Verhal-tensregeln darstellen (Eisenberg et al., 2011; Rothbart & Rueda, 2005). Kinder mit hoher inhibitorischer Kontrolle zeigten eher empathische Reaktionen (other-oriented concern), wenn sie ein Missgeschick einer fremden Person beobachteten (Valiente et al., 2004), und reagierten eher mit Betroffenheit auf ihr eigenes Fehlverhalten (Rothbart, Ahadi, & Hers-hey, 1994) als Kinder mit niedriger inhibitorischer Kontrolle. In Übereinstimmung mit diesen Befunden zeigten Kinder eine desto höhere Bereitschaft und Fähigkeit zu prosozia-lem Verhalten (z. B. helfen, teilen), je höher die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle war (Eisenberg et al., 1997; Eisenberg et al., 2007).

Wie bereits dargelegt, spielen Perspektivenübernahme, Empathiefähigkeit und die Entwicklung selbstbewertender Emotionen eine zentrale Rolle für die Entwicklung der Bereitschaft und Fähigkeit zur Internalisierung von Verhaltensregeln (siehe Abschnitt 2.2).

Inhibitorische Kontrolle hängt mit der Fähigkeit zusammen, zu verstehen, dass Wünsche, Bedürfnisse und Absichten das eigene Handeln und das Handeln anderer Personen leiten (Carlson & Moses, 2001; Carlson, Moses, & Claxton, 2004). Das Verstehen der Absichten und Bedürfnisse anderer Personen ist zentral für kooperatives Handeln und das darauf auf-bauende Verständnis für die handlungsleitende Funktion von Normen (Rakoczy &

Schmidt, 2013; Tomasello, Carpenter et al., 2005; Tomasello & Vaish, 2013).

Das Befolgen elterlicher Anforderungen kann negative Emotionen auslösen (z. B. Är-ger), wenn eine sofortige Zielerreichung blockiert ist (z. B. beim Belohnungsaufschub).

Das Einhalten von Grenzen in Situationen, in denen die Ziele eines Kindes mit den Zielen seiner Bezugsperson in Konflikt stehen, erfordert auch die Kontrolle von

Verhaltensimpul-sen (z. B. aktiviert durch Ärger), die dem Befolgen sozialer Anforderungen entgegenstehen (Cole et al., 2011). Je höher die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle bei 5-jährigen Kin-dern ausgeprägt war, desto höher war ihre Bereitschaft und Fähigkeit negative Emotionen zu regulieren und in Konfliktsituationen konstruktiv zu reagieren (Eisenberg, Fabes, Ny-man, Bernzweig, & Pinuelas, 1994). Da Kooperationsbereitschaft in sozialen Interaktionen für die Bereitschaft und Fähigkeit zur Internalisierung von Verhaltensregeln entscheidend ist (siehe Abschnitt 2.2.3), stellt dies einen weiteren Entwicklungspfad dar, der Zusam-menhänge zwischen inhibitorischer Kontrolle und der Internalisierung von Verhaltensre-geln erklärt (Rothbart & Rueda, 2005).

Internalisierte Verhaltenssteuerung, Schuldeingeständnis und Wiedergutmachung nach selbstverursachten Regelverstößen und Reaktionen auf Regelverletzungen anderer Personen sind miteinander zusammenhängende Aspekte der Internalisierung von Verhal-tensregeln (Kochanska, 1994; siehe auch Abschnitt 2.2.2). Unklar ist jedoch, inwieweit zwischen der Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle und den einzelnen Aspekten der Inter-nalisierung Zusammenhänge bestehen (Heikamp, Trommsdorff, Druey, et al., 2013). Im Alter von 3 Jahren reagieren Kinder mit Besorgnis, wenn sie Regelverletzungen beobach-ten, und protestieren gegen normverletzendes Verhalten anderer Personen (Gralinski &

Kopp, 1993; Kochanska, Casey, & Fukumoto, 1995; Vaish et al., 2011). Gleichzeitig ha-ben Kinder in diesem Alter noch Schwierigkeiten ihr eigenes Verhalten gemäß internali-sierter Verhaltensstandards zu regulieren. Die meisten Kinder in diesem Alter wissen, dass es eigentlich die klügere Entscheidung ist, bei einem Belohnungsaufschub auf eine größere Belohnung zu warten. Dennoch gelingt es den meisten Kindern in diesem Alter noch nicht, ihr Verhalten zu regulieren, um ein selbstauferlegtes Ziel zu erreichen. Da Kinder im Vor-schulalter dazu neigen, Verhaltensimpulsen unüberlegt nachzugeben, haben sie teilweise noch erhebliche Schwierigkeiten gute Absichten (z. B. Verhaltensregeln zu befolgen) er-folgreich in Handeln umzusetzen (Metcalfe & Mischel, 1996; Mischel, 1996). Die Bereit-schaft und Fähigkeit zur Verhaltensteuerung (z. B. Belohnungsaufschub) nimmt ab dem vierten Lebensjahr zu und geht einher mit signifikanten Veränderungen hinsichtlich der inhibitorischen Kontrolle im Alter zwischen 3 und 5 Jahren (Carlson, 2005).

Demgegenüber stehen Befunde, wonach im Entwicklungsverlauf die Bereitschaft und Fähigkeit Fehlverhalten einzugestehen (z. B. kleinere Regelüberschreitungen) abnimmt. In einer Studie von Talwar und Lee (2002) saßen Kinder im Alter zwischen 3 und 7 Jahre in einem Raum mit dem Rücken zu einem attraktiven Objekt zugewandt und sollten sich nicht umdrehen, während sie warteten. Über 70 % der Kinder hielten sich nicht an die

An-weisung der Versuchsleiterin, sich nicht umzudrehen. Während knapp die Hälfte der 3-jährigen Kinder einräumten, sich unerlaubter Weise umgedreht zu haben, sagte die Mehr-heit der älteren Kinder die UnwahrMehr-heit. In einer weiterführenden Studie zeigte sich, dass die Bereitschaft Fehlverhalten einzugestehen in der Tat Ausdruck internalisierter Normen war. Je stärker Kinder der Überzeugung waren, dass man generell immer die Wahrheit sagen sollte, desto eher gaben sie ihr Fehlverhalten zu. Allerdings war die Wahrscheinlich-keit umso höher, dass die Kinder ihr Fehlverhalten nicht eingestanden, je höher die Fähig-keit zu inhibitorischer Kontrolle der Kinder war (Talwar & Lee, 2008).

Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsverläufe und –voraussetzungen der ein-zelnen Aspekte der Internalisierung (d. h. internalisierte Verhaltenssteuerung, Schuldein-geständnis, Wiedergutmachung, Reaktionen auf Regelverstöße anderer) stellt sich die Fra-ge, inwieweit unterschiedlich starke Zusammenhänge mit inhibitorischer Kontrolle beste-hen. Inhibitorische Kontrolle ist eine basale Komponente der Fähigkeit zur Selbstregulati-on, die es ermöglicht, auf situative Anforderungen, wie zum Beispiel Signale der Bezugs-personen, zu reagieren. Verschiedentlich haben Autoren jedoch auch die Frage themati-siert, inwieweit eine hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung auch negati-ve Folgen für die soziale und emotionale Entwicklung haben kann.

Eine wechselseitige Kooperationsbereitschaft zwischen einem Kind und seiner Be-zugsperson und die Fähigkeit auf die Interessen und Bedürfnisse des anderen einzugehen, sind die soziale Basis für die Bereitschaft eines Kindes Verhaltensregeln zu internalisieren.

Kennzeichnend ist eine optimale Balance zwischen elterlicher Kontrolle und Autonomie-gewährung, die es einem Kind gestattet, eigene Interessen zu artikulieren (siehe Abschnitt 2.2.3). Bedingungslose Konformität und die Bereitschaft elterlichen Aufforderungen un-mittelbar Folge zu leisten sind dagegen eher untypisch für alltägliche Eltern-Kind-Interaktionen im Vorschulalter (Kuczynski, Kochanska, Radke-Yarrow, & Girnius-Brown, 1987). Kuczynski und Kochanska (1990) beobachteten in einer Längsschnittstudie die Be-reitschaft und Fähigkeit zur Befolgung von Verhaltensregeln bei Kindern im Alter zwi-schen 15 und 44 Monaten und im Alter von 5 Jahren. Generell hing eine hohe Konformität mit elterlichen Anweisungen mit weniger Verhaltensproblemen im Alter von 5 Jahren zu-sammen. Für Jungen, die häufig regelkonformes Verhalten zeigten, berichteten ihre Mütter jedoch auch häufiger internalisierende Verhaltensprobleme, im Vergleich zu Jungen, die eine niedrige Bereitschaft zeigten, elterliche Aufforderungen sofort zu befolgen.

Bezugnehmend auf den persönlichkeitstheoretischen Ansatz von Block und Block (1980) unterscheiden Eisenberg und Fabes (1992, Eisenberg, Fabes, Guthrie, & Reiser,

2000) konzeptuell unterschiedliche Regulationsstile: unzureichende Regulation (underregulation), hohe restriktive Kontrolle (highly controlled / inhibited) und optimale Regulation (optimal regulation). Hohe Impulsivität in Verbindung mit einer niedrigen Fä-higkeit zu inhibitorischer Kontrolle kommt auf der Verhaltensebene in Defiziten bezüglich des Sozialverhaltens zum Ausdruck (z. B. Aggressivität, niedriges prosoziales Verhalten).

Restriktive Kontrolle ist durch eine hohe reaktive Verhaltenshemmung und eine niedrige bis mittlere Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle gekennzeichnet. Kinder mit hoher Ver-haltenshemmung neigen zur Inhibition emotionalen Ausdruckverhaltens, was unter be-stimmten Bedingungen adaptiv sein kann. Jedoch bestehen Schwierigkeiten, reaktive (d. h.

automatisch aktivierte) Prozesse der Verhaltenshemmung (z. B. Ängstlichkeit) adäquat zu regulieren. Dies kann sich im Entwicklungsverlauf negativ auf die Entwicklung des Sozi-alverhaltens (z. B. sozialer Rückzug) auswirken, da Schwierigkeiten bestehen, flexibel auf neue Situationen zu reagieren. Optimale Regulation zeichnet sich hingegen durch die Fä-higkeit aus, Prozesse der Selbstregulation (z. B. inhibitorische Kontrolle) flexibel einzuset-zen, um angemessen auf soziale Anforderungen zu reagieren. Dies würde bedeuten, dass eine hohe Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle nicht per se adaptiv ist. Vielmehr ist die Fähigkeit zu einer situationsangemessenen und flexiblen Kontrolle mit hoher Anpassungs-fähigkeit und einer optimalen sozialen Entwicklung assoziiert (siehe auch Asendorpf &

van Aken, 1999 zum Konzept der Resilienz).

Entwicklungspsychologische Befunde ergaben, dass eine hohe Fähigkeit zu exekuti-ver Kontrolle nicht immer adaptiv ist. In einer Studie von Murray und Kochanska (2000) mit 4-jährigen Kindern ergaben sich quadratische (d. h. U-förmige) Zusammenhänge zwi-schen exekutiver Kontrolle (einschließlich inhibitorischer Kontrolle) und Verhaltensprob-lemen (d. h. internalisierende und externalisierende Verhaltensprobleme). Bei Kindern mit einer mittleren Fähigkeit zu exekutiver Kontrolle waren die Verhaltensprobleme am nied-rigsten ausgeprägt, im Vergleich zu Kindern mit niedriger oder hoher exekutiver Kontrolle.

Post-hoc Analysen ergaben, dass Kinder mit niedriger exekutiver Kontrolle eher externali-sierende Verhaltensprobleme zeigten. Kinder mit hoher exekutiver Kontrolle neigten im Vergleich zu Kindern mit einer mittleren Fähigkeit zur Aufmerksamkeitskontrolle dagegen eher zu internalisierenden Verhaltensproblemen. Diese Befunde bestätigen die Ergebnisse der Studie von Kuczynski und Kochanska (1990), wonach hohe Regelkonformität mit in-ternalisierenden Verhaltensproblemen assoziiert war. Unklar ist allerdings, inwieweit eine hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung ursächlich mit internalisierendem Problemverhalten (z. B. Ängstlichkeit, sozialer Rückzug) zusammenhängt.

Möglicherwei-se entspricht eine Möglicherwei-sehr hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung auch nicht dem typischen Verhalten, das Mütter, zumindest in Independenz-orientierten Sozialisati-onskontexten, von Kindern im Vorschulalter erwarten (Kuczynski & Kochanska, 1990).

Neben der bereits zitierten Studie von Zabelina et al. (2007) mit Erwachsenen (siehe 2.1.1), gibt es entwicklungspsychologische Befunde, wonach eine hohe Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle negativ mit der sozialen Anpassung im Vorschulalter zusammen-hängt. Carlson und Wang (2007) erfassten mittels Beobachtungsmethoden die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle bei Vorschulkindern im Alter zwischen 4 und 5 Jahren. Darüber hinaus beobachteten die Autoren die Bereitschaft und Fähigkeit der Kinder zur Regulation positiver und negativer Emotionen in sozialen Interaktionen (u. a. emotionale Reaktion beim Erhalten eines enttäuschenden Geschenkes). Neben einem linearen Zusammenhang ergab sich ein quadratischer (d. h. umgekehrt U-förmiger) Zusammenhang zwischen inhibitorischer Kontrolle und der Fähigkeit zur Emotionsregulation. Kinder mit einer nied-rigen und einer hohen Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle waren schlechter in der Lage den Ausdruck negativer Emotionen sozial angemessen zu regulieren, im Vergleich zu Kin-dern mit einer mittleren Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle. Carlson und Wang (2007) diskutieren, dass eine hohe Aktivierung emotionaler Prozesse die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle beeinträchtigen kann, zum Beispiel wenn keine situationsange-messenen Strategien der Emotionsregulation zur Verfügung stehen (siehe auch Blair, 2010). Diese Befunde bestätigen die Hypothese von Eisenberg und Fabes (1992) insofern, als dass sie nahe legen, dass das Verhalten, das eine Person in einer bestimmten Situation zeigt, auf einer dynamischen Wechselwirkung reaktiver Verhaltenstendenzen (z. B. Inten-sität negativer Emotionen) und intentionaler Regulationsprozesse (z. B. inhibitorischer Kontrolle) beruht.

2.3.4 Zusammenfassung

Entwicklungspsychologische Ansätze der Temperamentsforschung betonen die Wech-selwirkung reaktiver (z. B. Verhaltenshemmung) und intentionaler Prozesse der Selbstre-gulation (z. B. inhibitorischer Kontrolle) für die Entwicklung individueller Unterschiede im Verhalten. In der entwicklungspsychologischen Literatur besteht eine hohe Überein-stimmung, dass die Fähigkeit zu inhibitorischer Kontrolle, eine wichtige Rolle für die Be-reitschaft und Fähigkeit zur Befolgung und Internalisierung von Verhaltensregeln spielt.

Hinsichtlich der Untersuchung von Prozessen inhibitorischer Kontrolle existiert jedoch ein

weites Feld entwicklungs- und kognitionspsychologischer Forschungsperspektiven. In Ab-hängigkeit des Forschungsansatzes lassen sich daher konzeptuelle und empirische Unter-schiede hinsichtlich der Untersuchung des Konstrukts inhibitorische Kontrolle feststellen.

Die vorliegende Arbeit nimmt Bezug auf den kognitionspsychologischen Ansatz von Lo-gan (1994). Abgrenzend von anderen Formen der Inhibition (z. B. reaktive Verhaltens-hemmung, Interferenzkontrolle), wird inhibitorische Kontrolle definiert als die Fähigkeit zur intentionalen Inhibition einer dominanten Reaktion.

Bezüglich der Entwicklung inhibitorischer Kontrolle treten im zweiten Lebensjahr sowie im Alter zwischen 3 und 6 Jahren signifikante Entwicklungsveränderungen auf. Die-se Entwicklungsveränderungen sind mit der Bereitschaft und Fähigkeit zur Verhaltenssteu-erung (z. B. Regelkonformität in sozialen Interaktionen) und der InternalisiVerhaltenssteu-erung von Ver-haltensregeln assoziiert. Unklar ist jedoch, inwieweit Zusammenhänge zwischen inhibitorischer Kontrolle und einzelnen Aspekten der Internalisierung von Verhaltensre-geln (d. h. internalisierte Verhaltenssteuerung, Schuldeingeständnis und Wiedergutma-chung bei selbstverursachten Regelverstößen, Reaktionen auf Regelüberschreitungen durch andere Personen) bestehen. Differentielle, altersabhängige Entwicklungsverläufe lassen erwarten, dass inhibitorische Kontrolle zum Beispiel stärker mit der Bereitschaft und Fä-higkeit zur Verhaltenssteuerung zusammenhängt als mit Reaktionen auf Regelverstöße durch andere Personen.

Verschiedene Autoren haben die Frage nach der Art der Zusammenhänge zwischen inhibitorischer Kontrolle und der Entwicklung sozialen Verhaltens aufgeworfen. Eisenberg und Fabes (1992; Eisenberg et al., 2000) haben die Hypothese formuliert, dass die Fähig-keit zu inhibitorischer Kontrolle nur bis zu einem gewissen Grad adaptiv ist. Eine sehr ho-he Fähigkeit zu inhibitorischo-her Kontrolle kann sich auch negativ auf die soziale Entwick-lung auswirken, wenn die Flexibilität der HandEntwick-lungskontrolle eingeschränkt ist. Überein-stimmend mit dieser Hypothese legen empirische Befunde nahe, dass Zusammenhänge zwischen der Fähigkeit zur Selbstregulation und sozialem Verhalten nicht immer linearer Natur sind.