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4.2 G ESCHLECHTS - UND K ULTURUNTERSCHIEDE

4.2.1 Mittelwertsvergleiche Internalisierung von Verhaltensregeln

In einem ersten Abschnitt erfolgt die Darstellung der Ergebnisse der Hpothenstestungen zu Geschlechtsunterschieden bezüglich der Aspekte der Internalisie-rung von Verhaltensregeln. Im darauffolgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der Hypothesenprüfung zu kulturellen Unterschieden in der Internalisierung von Verhaltensre-geln dargestellt.

Geschlechtsunterschiede

In Bezug auf Geschlechtsunterschiede wurde in den Hypothesen 1a bis 1d die An-nahme formuliert, dass Mädchen im Vergleich zu Jungen eine höhere Bereitschaft und Fähigkeit zur Internalisierung von Verhaltensregeln zeigen. Zur Prüfung der Hypothesen wurden univariate zweifaktorielle ANCOVAs mit den Faktoren Geschlecht und Kultur sowie der Kovariaten Alter unter Verwendung der ipsativierten Werte für die abhängigen Variablen internalisierte Verhaltenssteuerung, Betroffenheit, Schuldeingeständnis und Wiedergutmachung durchgeführt. Die ANCOVAs ergaben signifikante Haupteffekte des Faktors Geschlecht für die abhängigen Variablen internalisierte Verhaltensteuerung, Be-troffenheit und Wiedergutmachung. Nach Einschätzung der Mütter wiesen deutsche und indische Mädchen im Vergleich zu deutschen und indischen Jungen eine höhere Bereit-schaft und Fähigkeit auf, Verhaltensregeln zu internalisieren und diese eigenständig zu befolgen. Deutsche und indische Mütter gaben ebenfalls an, dass Mädchen im Vergleich zu Jungen in beiden Kulturen stärker Betroffenheit zeigen, wenn andere Personen Verhaltens-regeln übertreten. Sowohl aus Sicht der deutschen als auch der indischen Mütter versuch-ten in Deutschland und Indien Mädchen eher als Jungen, ihr eigenes Fehlverhalversuch-ten wieder auszugleichen. Kein signifikanter Haupteffekt des Faktors Geschlecht ergab sich hingegen für die Variable Schuldeingeständnis (siehe Tabelle 8).

Die ANCOVAs auf Basis der unstandardisierten Originalwerte lieferten hinsichtlich der Geschlechtseffekte für die untersuchten Variablen übereinstimmende Ergebnisse.

Mädchen wurden in beiden Kulturen von ihren Müttern hinsichtlich der abhängigen Vari-ablen internalisierte Verhaltenssteuerung, Betroffenheit und Wiedergutmachung signifi-kant höher eingeschätzt als Jungen. Dagegen zeigte sich übereinstimmend mit einer ANCOVA, die mit ipsativierten Werten durchgeführt wurde, dass kein signifikanter Ge-schlechtsunterschied hinsichtlich der Variablen Schuldeingeständnis bestand (siehe An-hang Tabelle A-5).

Tabelle 8 Mittelwertsvergleiche der Aspekte der Internalisierung von Verhaltensregeln

Anmerkung. Ipsativierte Werte. Levene-Test auf Gleichheit der Fehlervarianzen: F(3, 200) = 0.02, p = 1.00 für Internalisierte Verhaltenssteuerung; F(3, 200) = 2.24, p = .09 für Betroffenheit; F(3, 200) = 0.85, p = .47 für Schuldeingeständnis; F(3, 200) = 1.65, p = .18 für Wiedergutmachung. *p < .05. **p < .01.

Der Haupteffekt für den Faktor Geschlecht erklärte einen Varianzanteil von 5 % in der abhängigen Variablen Verhaltenssteuerung (η2 = .05) sowie 2 % der Varianz in den Vari-ablen Betroffenheit (η2 = .02) und Wiedergutmachung (η2 = .02), wenn die Originalwerte für die Analysen herangezogen wurden. Die Analysen mit ipsativierten Werten ergaben nahezu identische Effektstärken des Faktors Geschlecht für die Variablen Verhaltenssteue-rung (η2 = .06), Betroffenheit (η2 = .03) und Wiedergutmachung (η2 = .03). Für die Variab-le Schuldeingeständnis waren die Effektstärken für den Faktor GeschVariab-lecht, die auf Basis der unstandardisierten und ipsativierten Werte ermittelt wurden, identisch (η2 = .00). Ins-gesamt sind die Effektgrößen für die hier berichteten Geschlechtseffekte als klein zu beur-teilen.

Kulturunterschiede

In Bezug auf Kulturunterschiede wurden dahingehend Hypothesen formuliert, dass deutsche Kinder im Vergleich zu indischen Kindern ein höheres Niveau bezüglich der Internalisierung von Verhaltensregeln (d. h. Verhaltenssteuerung, Betroffenheit, Schuld-eingeständnis, Wiedergutmachung) zeigen (Hypothesen 4a bis 4d). Zweifaktorielle ANCOVAs auf Basis der ipsativierten Werte ergaben signifikante Haupteffekte des

Fak-tors Kultur für die Variablen internalisierte Verhaltenssteuerung, Betroffenheit und Wie-dergutmachung. Deutsche Mütter schätzten ihre Kinder hinsichtlich der Bereitschaft und Fähigkeit, Verhaltensregeln ohne elterliche Kontrolle zu befolgen, signifikant höher ein als indische Mütter. Darüber hinaus reagierten deutsche im Vergleich zu indischen Kindern eher mit Betroffenheit, wenn sie Regelverstöße durch andere Personen beobachteten. Fer-ner waren deutsche im Vergleich zu indischen Kindern eher bereit, nach einem Fehlerver-halten oder verursachten Schaden Wiedergutmachung zu leisten. Dagegen ergab sich kein signifikanter Haupteffekt des Faktors Kultur für die Variable Schuldeingeständnis (siehe Tabelle 8).

ANCOVAs für die entsprechenden Variablen mit unstandardisierten Originalwerten ergaben keine signifikanten Kulturunterschiede hinsichtlich der Bereitschaft und Fähigkeit eines Kindes zur Verhaltenssteuerung und der kindlichen Reaktionen auf Regelverstöße durch andere Personen (d. h. Betroffenheit). Der Mittelwertsvergleich für die Variable Schuldeingeständnis auf Basis der unstandardisierten Originalwerte ergab einen signifi-kanten Haupteffekt für den Faktor Kultur. Aus Sicht der Mütter zeigten indische im Ver-gleich zu deutschen Kindern eine höhere Bereitschaft und Fähigkeit, ein Fehlverhalten freiwillig zuzugeben. Für die Skala Wiedergutmachung ergab der Mittelwertsvergleich mit den unstandardisierten Originalwerten, dass deutsche Mütter ihre Kinder hinsichtlich der Bereitschaft für selbstverursachtes Fehlverhalten Wiedergutmachung zu leisten höher ein-schätzten als indische Mütter (siehe Anhang Tabelle A-5).

Der Vergleich der Ergebnisse der ANCOVAs auf Grundlage der unstandardisierten Originalwerte mit den Ergebnissen, die die Analysen auf Basis der ipsativierten Werte ergaben, deutete auf kulturspezifische Antworttendenzen hin. Die Effektstärken für die durch den Faktor Kultur erklärten Varianzanteile verdeutlichen dies. Der durch den Faktor Kultur erklärte Varianzanteil für die Skala Verhaltenssteuerung war für die ipsativierten Werte (η2 = .08) höher als für die unstandardisierten Werte (η2 = .00). Für die Skala Betrof-fenheit ergab sich ein vergleichbares Bild, wonach der durch den Faktor Kultur erklärte Varianzanteil für die ipsativierten Werte mit η2 = .11 deutlich höher war als der für die unstandardisierten Werte ermittelte Varianzanteil in Höhe von η2 = .01. Für die Skala Wie-dergutmachung zeigte sich ebenfalls, dass durch den Faktor Kultur auf Grundlage der ipsativierten Werte ein höherer Varianzanteil in der abhängigen Variable erklärt wurde (η2

= .24) im Vergleich zu der Analyse mit unstandardisierten Originalwerten (η2 = .09).

Für die Skala Schuldeingeständnis war hingegen der erklärte Varianzanteil in den Analysen mit unstandardisierten Werten mit η2 = .02 nur geringfügig höher als in den

Ana-lysen mit ipsativierten Werten (η2 = .00). Die unterschiedliche Höhe der Effektstärken des Faktors Kultur für drei von vier der untersuchten abhängigen Variablen lieferte somit Hin-weise auf das Vorliegen einer kulturspezifischen Antworttendenz. Insgesamt war die durchschnittliche Stärke der beobachteten Kultureffekte für die Variablen Verhaltenssteue-rung und Betroffenheit als klein und für die Variable Wiedergutmachung als mittelgroß zu bewerten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die beobachteten Effekte des Faktors Kultur für drei der vier Skalen veränderten, wenn anstelle der unstandardisierter Original-werte ipsativierte Werte in den Kovarianzanalysen berücksichtigt wurden. ANCOVAs auf Basis der unstandardisierten Werte ergaben ein inkonsistentes Bild. Für zwei der Variablen (d. h. internalisierte Verhaltenssteuerung, Betroffenheit) ergaben sich keine signifikanten Kultureffekte. Dagegen traten für die abhängigen Variablen Schuldeingeständnis und Wie-dergutmachung signifikante Kultureffekte in jeweils unterschiedlicher Richtung auf. Die Analysen mit ipsativierten Werten ergaben hingegen ein eindeutiges Bild hinsichtlich der Effekte des Faktors Kultur für die abhängigen Variablen internalisierte Verhaltenssteue-rung, Betroffenheit, Schuldeingeständnis und Wiedergutmachung. Für drei der vier Variab-len ergaben sich signifikante Kultureffekte, wonach deutsche Mütter ihre Kinder hinsicht-lich der Variablen internalisierte Verhaltenssteuerung, Betroffenheit und Wiedergutma-chung signifikant höher einschätzten als indische Mütter.

Die zweifaktoriellen ANCOVAs mit den Faktoren Kultur und Geschlecht sowie der Kovariaten Alter ergaben keine signifikanten Interaktionseffekte für die Faktoren Kultur und Geschlecht bezüglich der abhängigen Variablen internalisierte Verhaltenssteuerung, Betroffenheit, Schuldeingeständnis und Wiedergutmachung. In den Analysen mit unstandardisierten Originalwerten als auch mit ipsativierten Werten ergab sich ein tenden-ziell signifikanter bzw. signifikanter Effekt der Kovariaten Alter für die abhängige Variab-le internalisierte Verhaltensteuerung (siehe TabelVariab-le 8 und Anhang TabelVariab-le A-5). Je älter die Kinder waren, desto höher schätzten die Mütter Bereitschaft und Fähigkeit zur Befol-gung von Verhaltensregeln ihrer Kinder ein.

Zusammenfassung

Die ANCOVAs auf Basis der ipsativierten Werten und der unstandardisierten Origi-nalwerte ergaben signifikante Haupteffekte des Faktors Geschlecht für drei der vier erfass-ten Dimensionen der Internalisierung von Verhalerfass-tensregeln. Deutsche und indische Mütter stimmten in ihren Einschätzungen darin überein, dass Mädchen im Vergleich zu Jungen

eine höhere Bereitschaft und Fähigkeit zeigten, Verhaltensregeln zu befolgen, auf Regel-verstöße durch andere Personen häufiger mit Besorgnis reagierten und eher versuchten für einen selbstverursachten Schaden Wiedergutmachung zu leisten (siehe Abbildung 4).

Internalisierte Verhaltenssteuerung

Abbildung 4 Mittelwerte der Aspekte der Internalisierung von Verhaltensregeln

Anmerkung. Ipsativierte Werte. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde eine Konstante von 4.42 addiert.

Die Ergebnisse der ANCOVAs, die mit unstandardisierten und ipsativierten Werten durchgeführt wurden, deuteten auf das Vorliegen einer kulturspezifischen Antworttendenz hin. ANCOVAs auf Grundlage der ipsativierten Daten ergaben ein einheitliches Antwort-muster hinsichtlich kultureller Unterschiede in der Internalisierung von Verhaltensregeln.

Wie in Abbildung 4 ersichtlich, schätzten die indischen Mütter ihre Kinder auf drei der vier Skalen (d. h. Verhaltenssteuerung, Betroffenheit, Wiedergutmachung) signifikant nied-riger ein als die deutschen Mütter (siehe Tabelle 8).

Aufgrund der Fremdeinschätzung durch die Mütter zeigte sich demnach, dass deut-sche im Vergleich zu indideut-schen Kindern eine höhere Bereitschaft und Fähigkeit zeigten, Verhaltensregeln in Abwesenheit von Bezugspersonen zu befolgen und für einen verur-sachten Schaden Wiedergutmachung zu leisten. Aus Sicht der Mütter reagierten deutsche

im Vergleich zu indischen Kindern überdies eher mit Besorgnis auf Regelverstöße durch andere Personen. Die in den Hypothesen 4a bis 4d formulierte Annahme, dass deutsche im Vergleich zu indischen Kindern ein höheres Niveau bezüglich der Internalisierung von Verhaltensregeln zeigen, konnte somit für drei von vier der hier erfassten Dimensionen (d. h. internalisierte Verhaltenssteuerung, Betroffenheit, Wiedergutmachung) durch die vorliegenden Befunde gestützt werden.