Die Frauenrechte im Iran beruhen überwiegend auf der staatlichen Instrumentalisierung der religiösen (schiitisch-islamischen) Identifikation405. Das Rechtssystem des Iran fußt seit der Gründung der Islamischen Republik (1979,1980) auf der Shari`a (islamisches Recht) und ebnet den Weg zu frauenfeindlichen Rechtsvorschriften406.
Zahlreiche rechtliche Errungenschaften der Frauen aus der Pahlavi Ära (1925- 1979) wurden rückgängig gemacht. Das Geschlechterrollenverständnis beinhaltet ein von Patri-archat geprägtes Frauenbild. Nach diesem Frauenbild wird die Identität der Frau in ihrer Eigenschaft als Ehefrau und Mutter begründet.
Zurückzuführen ist das Frauenideal auf den Islam, in dem die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft erachtet wird. Des Weiteren ist die Sichtweise angesehener (iranischer) reli-giöser Rechtsgelehrter, allen voran die des „Gründervaters“ des theokratischen Staates, Ayatollah Khomeini ausschlaggebend.
Auf diesem Frauenbild baut die gesamte Verfassung idgF. von 1979 auf. Die Vorgaben der Präambel sind für die Stellung der Frau in der gesamten Verfassung richtungswei-send. Diese gewährt Frauenrechte ausschließlich im unmittelbaren Zusammenhang mit dem hohen Stellenwert der islamischen Familie.
Das formale Gleichheitsgebot (Art 20 IRI VerfG) und die in Art 21 IRI VerfG verankerten speziellen Frauenrechte werden lediglich unter Berücksichtigung der islamischen Grund-sätze (Art 4 IRI VerfG) gewährt. Aufgrund eines islamischen Gleichheitsverständnisses, welche Frauen und Männern keine gleichen sondern gleichwertige Rechte zusichert, wer-den Frauen sowohl auf verfassungs- als auch auf einfachgesetzlicher Ebene diskriminiert.
404 Vgl. Amolli, Lomato Domeschghiye (1999) 252f.
405 Vgl. Parhisi, Frauenrechte im Iran, Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 49/2009, 26.
406 Vgl. Amirpur in Meyer-Wilmes/Wacker, 200ff.
73 Zusammenfassung
Die Verfassung basiert auf dem Staatskonzept (velayat- e faqih) Khomeinis. Charakteris-tisch für dieses Staatskonzept ist etwa, dass die obersten Staatsämter von hohen Geistli-chen bekleidet werden. Zu den wichtigsten Staatorganen gehören: Der Religiöse Führer, der Wächterrat, die Expertenversammlung, der Schlichtungsrat sowie das Parlament (is-lamische Beratungsversammlung).
Die Wortlautauslegung der Verfassung schließt Frauen nicht aus den genannten Ämtern aus, doch sieht die Verfassungswirklichkeit so aus, dass Frauen grundsätzlich nicht in diese Ämter gewählt werden. Eine Ausnahme sieht das Parlament vor, in welchem Frau-en in einer Minderzahl als Abgeordnete vertretFrau-en sind.
Die Verbesserung von Frauenrechten durch Gesetzesänderungen unterliegt aufgrund des zweistufigen iranischen Gesetzgebungsverfahrens zahlreichen Barrieren. Denn der Wächterrat ist für die Überprüfung aller - vom Parlament verabschiedeten Gesetze - auf ihre Islam- und Verfassungskonformität zuständig und verhindert in dieser Funktion „re-formistische“, Frauen und Männer gleichbehandelnde Gesetze durch sein Vetorecht.
Diskriminierende einfachgesetzliche Normen sind auf diese Weise nicht verfassungswid-rig. Vor allem Rechtsbereiche, wie das Zivil-, Straf- und Arbeitsrecht sind von ge-schlechtsspezifischen Ungleichbehandlungen geprägt. Ein Beispiel dafür ist das „Gesetz zu den Auswahlvoraussetzungen für Richter“ von 1989, welches ein generelles Berufs-verbot für Frauen im Richteramt vorsieht.
Bereits gegen Ende des 19.Jahrhunderts hat sich eine Frauenbewegung im Laufe der sog. Tabak-Bewegung etabliert. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich ein Islamischer Feminismus entwickelt, welcher die Auffassung vertritt, Frauen benachteiligende Rechts-vorschriften würden auf einer männlichen Interpretation des Korans beruhen. Die irani-schen Frauenrechtlerinnen versuchen mit Argumentationen, die allesamt islamisch be-gründet werden (wie etwa das schiitische Prinzip der Gerechtigkeit) eine Befreiung vom Patriarchat und die rechtliche und soziale Gleichheit von Frauen und Männern zu errei-chen. Zur öffentlichen Thematisierung politischer Unterdrückung dienen Frauenzeitschrif-ten.
Literaturverzeichnis
Abid Lise J., Journalistinnen im Tschador: Frauen und gesellschaftlicher Aufbruch im Iran, Frankfurt, 2001
Abghari, Introduction to the Iranian Legal System and the Protection of Human Rights in Iran, London, 2008
Akhlaghi, Iranian Commercial law and the new Investment Law Fippa, in: Yassari Nadjma (Hrsg.), The Shari`a in the Constitutions of Afghanistan, Iran and Egypt-Implications for Private Law, Tübingen, 2005, S. 123 - 139
Amolli Jamaladin, Lomato Domaschghiye, 2. Band, 35 Auflage, Teheran, 1999
Amirpur Katajun, Gibt es in Iran noch einen Reformprozess? , in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Aus Politik und Zeitgeschichte, Bonn, 2004, B9, S.18-25
Amirpur Katajun, Islamischer Feminismus: Kritik und Inhalt eines Konzepts, in: Meyer-Wilmes Hedwig/ Wacker Marie-Theres (Hrsg.), Theologische Frauenforschung in Euro-pa, Berlin, 2011, S. 195 -213
Chomeini Ayatollah, Der Islamische Staat, in: Hassan Nader/ Itscherenska Ilse (Hrsg.),übers. von ebd., Berlin, 1983
Ebadi Shirin, Frauenrechte in den Gesetzen der Islamischen Republik Iran, Teheran, 2002
Ende Werner, Der schiitische Islam, in: Ende Werner / Steinbach Udo/ Krüger Gundula (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart: Entwicklung und Ausbreitung, Kultur und Religion, Staat, Politik und Recht., Bonn, 2005, S.70-90
Ferdows Adele K., Frauen in der islamischen Revolution: Schiitisch- islamische Vorstel-lungen ihrer Befreiung, in: Berliner Institut für Vergleichende Sozialforschung (Hrsg.), Re-ligion und Politik im Iran, Frankfurt, 1981, S. 197-216
Grötzbach Erwin, Iran und Afghanistan, in: Gustav Fochler- Hauke, Adolf Karger, Walter
75 Literaturverzeichnis
Schlegel (Hrsg.), Die große Bertelsmann Lexikon, Länder Völker Kontinente Band III, Gütersloh, 1993, S.76- 85
Gehrke Harald, Mensch und Gesellschaft, in: Gehrke Harald, Ulrich/Mehner (Hrsg.), Iran: Natur, Bevölkerung, Geschichte, Kultur, Staat, Wirtschaft, 2.Auflage, Tübin-gen/Basel, 1975, S. 41-92
Hajatpour Reza, Iranische Geistlichkeit zwischen Utopie und Realismus: Zum Diskurs über Herrschafts- und Staatsdenken im 20. Jahrhundert, Wiesbaden, 2002
Kaviani Bijan, Das Problem demokratischer Wahlen im Iran, Dissertation, Tübingen, 1963
Katusian, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage, Teheran, 2008
Kar Mehrangiz, Zum rechtlichen Status iranischer Frauen, in: Pusch Barbara (Hrsg.), Die neue muslimische Frau, Würzburg, 2001, S.251-259
Kar Mehrangiz, Zum rechtlichen Status iranischer Frauen, in: Pusch Barbara (Hrsg.), Die neue muslimische Frau, Würzburg, 2001, S.251-259
Kermani Navid, Iran. Die Revolution der Kinder, München, 2001
Khomeini Ruhallah, Die Stellung der Frau aus der Sicht des Imam Khomeini, Teheran, 1981
Khoury Adel Theodor , Der Koran, Düsseldorf, 2005
Krämer Gudrun, Gottes Staat als Republik: Reflexionen zeitgenössischer Muslime zum Islam, Menschenrechten und Demokratie , Baden- Baden, 1999
Molahvardi Schahindocht, Sorgen und Hoffnungen: Eine Einführung zur Stellung und Recht von Frauen in den Gesetzen der islamischen Republik Iran, Teheran, 2008
Moschtaghi Ramin, Die menschenrechtliche Situation sunnitischer Kurden in der Islami-schen Republik Iran, Heidelberg, 2010
Motahari, Das System der Frauenrechte im Islam, Teheran, 2001
Nußbaumer Heinz, Khomeini: Revolutionär in Allahs Namen, München, 1979
Nadjafi, Djawaherolklam, Teheran, 2008
Nowkam Nina Firouzeh, Die rechtliche Situation der Frauen in der Islamischen Republik Iran seit dem Machtantritt Khatamis: Die Morgengabe und die Scheidung von Seiten der Frau, Hamburg, 2003
Öhlinger Theo, Verfassungsrecht 8.Auflage, Wien, 2009
Pahlavi Farah Diba, Erinnerungen, Bergisch Gladbach, 2004
Pahlawi Mohamad Reza Schah, Die soziale Revolution Irans, Düsseldorf/ Köln, 1967
Paidar Parvin, Women and the political process in twentieth-century Iran, Cambridge, 1995
Parhisi Parinas, Vom Wesen der iranischen Verfassung, in: Bryde Brun-Otto/Kunig Phi-lip/Hernekamp Karl-Andreas (Hrsg.), Verfassung und Recht in Übersee (VÜR) 40.Jahrgang, 1. Quartal, 2007, S.23-47
Parhisi Parinas, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, Baden- Baden, 2010
Parhisi Parinas, Frauenrechte im Iran, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APUZ),49/2009, S.21-26
Reissner Johannes, Iran unter Khatami: Grenzen der Reformierbarkeit des politischen Systems der Islamischen Republik, Ebenhausen/Isar, 1999
Röhrich Wienfried, Die politischen Systeme der Welt, 4.überarbeitete Auflage, München, 2006
Schweizer Gerhard: Iran, Drehscheibe zwischen Ost und West, 3. Auflage, Stuttgart, 1996
Siahpoosh Hassan, Das Familien- und Erbrecht im Iran, Frankfurt, 2006
77 Literaturverzeichnis
Sairafi-Shamsaei Nadia, Das Eherecht im Iran und der Vergleich mit dem österreichi-schen Eherecht, Dissertation, Wien, 2008
Schirazi Asghar, The Constitution of Iran: Politics and the State in the Islamic Republic of Iran, London/New York, 1997
Sanasarian Eliz, The Women`s Right Movement in Iran: Mutiny, Appeasement, and Re-pression from 1900 to Khomeini, Cambridge, 1982
Schneider Irene, Der Islam und die Frauen, München, 2011
Schneider Irene, The Position of Women in the Islamic and Afghan Judiciary, in: Yassari Nadjma, The Sharia in the Constitutions of Afghanistan, Iran and Egypt: Implications for private law Tübingen, 2005, S.83-101
Schid Nahid, Selected Aspects of Iranian Family Law, in: Yassari Nadjma, The Sharia in the Constitutions of Afghanistan, Iran and Egypt: Implications for private law Tübingen, 2005, S.141
Taherifard Maryam, Sittlichkeit und Sinnlichkeit: Weibliche Sexualität im Iran, Frankfurt, 2007
Tellenbach Silvia, Untersuchungen zur Verfassung der islamischen Republik Iran vom 15. November 1979, Berlin, 1985
Tellenbach Silvia, Zur Änderung der Verfassung der Islamischen Republik Iran, in: Ori-ent, 31:1 (1990) S.45-66
Vakil Sanam, Woman and Politics in the Islamic Republic of Iran: Action and Reaction, New York, 2011
Wienrich, Der politische Islam: Das politische System der islamischen Republik Iran als Anwendungsbeispiel und Totalitarismus: Der Zwiespalt zwischen Religion und Ideologie, München, 2007
Wolgast Eike, Die Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte, Stuttgart, 2009
Wehry Alexandra Interreligiöses Lernen: Die Rolle der Frau im Islam, Münster, 2007
Wahdat-Hagh Wahied, Die Islamische Republik Iran: Die Herrschaft des politischen Iran als eine Spielart des Totalitarismus, Münster, 2003
Yassari Nadjma, The Sharia in the Constitutions of Afghanistan, Iran and Egypt: Implica-tions for private law, Tübingen, 2005
Yassari Nadjma, Das islamische Familienrecht und seine Anwendung im Teheraner Fa-miliengericht, in: Tellenbach Silvia/ Hanstein Thoralf (Hrsg.), Leipziger Beiträge zur Ori-entforschung: Beiträge zum islamischen Recht, Bd.IV, Frankfurt, 2004. S.59-76
Zehetgruber Christoph, Islamisches Strafrecht versus europäische Wertordnung: ein Rechtsvergleich, Wien, 2010
Internetquellen
Enayati Hale, Die Frauenbewegung in der Islamischen Republik Iran, Hafiz Gedenktag, 2011,in Waimar,
http://www.kas.de/upload/dokumente/2011/10/111012_enayati.pdf [12.04.2012]
Ehteshami Anoushiravan, Machtstrukturen im Iran, Politik und Zeitgeschichte 49/2009, Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.),
http://www.bpb.de/apuz/31564/machtstrukturen-in-iran?p=all [12.03.2012]
http://www.koransuren.de/koran/sure49.html [12.02.2012]
M- Haditec (2006) http://www.eslam.de/manuskripte/verfassung_iri/kapitel03.htm
http://www.stern.de/politik/ausland/2-die-geschichte-des-iran-teil-3-sehnsucht-nach-alter-groesse-706277.html [16.02.2012]
http://www.sueddeutsche.de/politik/aufruhr-in-teheran-iran-ohne-sieger-1.124800 [12.12.2011]
79 Literaturverzeichnis
Tellenbach Silvia, Zwischen religiösem und säkularem Recht in muslimischen Ländern, in: Krawitz Birgit/ Reitfeld Helmut (Hrsg.), Islam und Rechtsstaat: Zwischen Scharia und Säkularisierung, Zentrum moderner Orient, Konrad-Adenauer-Stiftung, 2008,S.125-133 www.kas.de/wf/doc/kas_12967-544-1-30.pdf?080221114816 [12.01.2012]
Gesetzessammlungen
Iranisches Zivilgesetzbuch (1928/1935) geändert 29.12.1982 und 05.11.1991
Die iranische Verfassung idgF. vom 15.11.1979
Das iranische Strafgesetzbuch vom 08.08.1983, geändert am 23.05.1996
Iranische Arbeitsgesetze idgF. von 1991