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6. Frauen in der Verfassung idgF. von 1979

6.2. Gleichheit auf verfassungsrechtlicher Ebene

187 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 154ff.

188 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 154ff.

189 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 156.

190 Vgl.Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 180f.

191 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 156.

In der iranischen Verfassung gibt es Bestimmungen, welche die Gleichheit der Ge-schlechter vor dem Gesetz (Art 20 IRI VerfG) bzw. den besonderen Schutz der Frauen normieren (Art 21 IRI VerfG). Die genannten Verfassungsartikel sind aber nicht als ein Männer und Frauen gleich zu behandelndes Postulat zu verstehen. Der iranische Verfas-sungsgeber hatte keine Gleichheit – im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter – sondern eine Gleichwertigkeit im Sinne von adäquaten Rechten – basierend auf dem Is-lam – der Frau im Verhältnis zum Mann vorgesehen. Von einem allgemein formulierten verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, wie im österreichischen Recht kann also keine Rede sein.192 Im österreichischen Verfassungsrecht stellt der Gleichheitssatz das wich-tigste Grundrecht dar und findet seine Verankerung in Art 2 StGG und Art 7 Abs 1 erster Satz B-VG.193

Die politische und rechtliche Gleichstellung der Frau wird daher eingeschränkt. Zurückzu-führen ist diese Einschränkung auf das islamische Rechtsverständnis, welches die Einheit von Mann und Frau nur dadurch gewahrt sieht, dass zwischen Männern und Frauen eine Gleichwertigkeit entsprechend ihrer Natur herrscht und eben keine Gleichheit.194

6.2.1.1. Formales Gleichheitsgebot – Art 20 VerfG idgF. von 1979

„Jedes Mitglied des Volkes, ungeachtet ob Frau oder Mann, genießt gleichermaßen den Schutz des Gesetzes und, unter Berücksichtigung islamischer Prinzipien, alle menschli-chen, politismenschli-chen, wirtschaftlimenschli-chen, sozialen und kulturellen Rechte.“195

Art 20 IRI VerfG enthält ein formales Gleichheitsgebot unter dem Vorbehalt der Berück-sichtigung islamischer Grundsätze. Obwohl „jedem Mitglied des Volkes“ – d.h. grundsätz-lich allen – der Schutz der Gesetze gewährt wird, kann lediglich ein formales Gleichheits-recht begründet werden. Denn jedes Mitglied des Volkes hat zwar grundsätzlich Anspruch auf Durchsetzung seines Rechts vor den Gerichten und staatlichen Behörden, die konkre-te makonkre-terielle Ausgestaltung des Rechkonkre-tes leikonkre-tet sich jedoch erst aus den islamischen Prin-zipien ab.196 Das bedeutet, dass sich der materielle Anspruch jedes Menschen auf ein gleiches Recht erst unter Heranziehung islamischer Grundsätze ergibt.197

192 Vgl. Parhisi , Frauen in der iranischen Verfassungsordnung,158.

193 Vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht 8 (2009) 336.

194 Vgl. Parhisi , Frauen in der iranischen Verfassungsordnung,158f.

195Iranisches.Verfassungsgesetz.idgF.von.1979,.zitiert.nach.m-Haditec http://www.eslam.de/manuskripte/verfassung_iri/kapitel03.htm [12.03.2012].

196 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 176.

197 Vgl. Molahvardi, Die Sorgen und Hoffnungen, 29ff.

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„Art 20 IRI VerfG ordnet daher zwar zunächst eine gleichberechtigte Stellung von Mann und Frau in ihren bürgerlichen Rechten vor dem Gesetz an. Dies wird im selben Artikel sogleich wieder eingeschränkt, indem dies unter den Vorbehalt der Berücksichtigung der islamischen Prinzipien gestellt wird. Da der Koran in der Sure 4:34 den Mann über die Frau stellt, kann im Grunde von einer wirklichen Gleichstellung der beiden Geschlechter, zumindest nach europäischen Maßstäben, nicht die Rede sein.“198

Eine Legaldefinition darüber, was konkret unter Gewährung von gleichen Rechten für Frauen unter Berücksichtigung islamischer Grundsätze zu verstehen ist, ist in der Verfas-sung nicht verankert. Damit bleibt es dem Staat bzw. dem einfachen Gesetzgeber über-lassen sich mit dieser Frage auf Basis der Rechtquellen des Islams auseinanderzusetzen.

Dieser Umstand öffnet somit Tür und Tor für geschlechtsspezifische Diskriminierungen bzw. Willkür in einfachgesetzlichen Normen.199

Damit ist der Gleichheitsgrundsatz im Iran nur in der islamischen Variante gegeben.200 Im Koran wird das Gebot der Gleichheit unter islamkonformer Interpretation in der Sure 49 Vers 13 zum Ausdruck gebracht, welcher besagt:

„Ihr Menschen! Wir haben euch geschaffen (indem wir euch) von einem männlichen und einem weiblichen Wesen (abstammen ließen), und wir haben euch zu Verbänden (schu`uub) und Stämmen (qabaasil) gemacht, damit ihr euch (auf Grund der genealogi-schen Verhältnisse) untereinander kennt. (Bildet euch aber auf eure vornehme Abstam-mung nicht zu viel ein!) Als der Vornehmste gilt bei Allah derjenige von euch, der am frömmsten ist. Allah weiß Bescheid und ist (über alles) wohl unterrichtet.“201

„Es soll daher nur noch Grad der Frömmigkeit vor Gott Unterschiede machen können-(und den können die Menschen, die nicht in ihr Herz sehen können, nicht beurteilen).“202

Der Islam geht also grundsätzlich von der Gleichheit aller Muslime aus und zwar in allen Lebensbereichen. Eine Gleichbehandlung setzt jedoch Sachverhalte voraus, welche als gleichwertig bezeichnet werden können. Daher wird eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen im Islam, und so auch im Iran mit der Verschiedenheit der Ge-schlechter bzw. einem nicht gleichwertigen Sachverhalt gerechtfertigt. Aus diesem Grund

198 Nowkam, Die rechtliche Situation der Frauen, 23.

199 Vgl. Paidar, Women and the political process in twentieth- century Iran, 261.

200 Vgl. Sairafi-Shamsaei, Das Eherecht im Iran und der Vergleich mit dem österreichischen Ehe-recht (2008) 20.

201 http://www.koransuren.de/koran/sure49.html [12.02.2012].

202 Koransure 49:13, zitiert nach Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassungen, 176

würde ein streng gläubiger Muslim nie von einer Ungleichbehandlung von Frauen oder Nichtmuslimen sprechen.203

Eine rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau, Muslim und Nichtmuslim sowie Freiem und Sklaven ist nach klassischem islamischem Recht demnach nicht vorgesehen.204 Da-her sind Frauen und Nichtmuslime männlichen Muslimen gesetzlich, insbesondere im Erb- und Eherecht nicht gleichgestellt. Gemäß dieser Auffassung gibt es für Männer und Frauen komplementäre gesellschaftliche Rollen. Die Frau ist in erster Hinsicht Hausfrau und Mutter. Weitere Aufgaben dürfen erst nach Erledigung dieser Pflichten, unter der Voraussetzung der Zustimmung des Ehemannes, übernommen werden.205

Im politischen Bereich hat sich im islamischen Recht eine Anerkennung des aktiven Frau-enwahlrechts durchgesetzt. Konservative Gruppen begründen dieses historisch und leiten es aus der Huldigung der Frau durch den Propheten Mohammad ab. Eingeschränkt wird hingegen das passive Wahlrecht, welches eine Beteiligung an der Ausübung politischer Macht zulassen würde. Der Hintergrund dieser Praxis war das Kalifat, in welchem Frauen jedenfalls ausgeschlossen werden.206

6.2.1.2. Das verfassungsrechtlich verankerte spezielle Frauen-recht – Art 21 IRI VerfG idgF. von 1979

„Der Staat ist verpflichtet, die Rechte der Frauen auf allen Ebenen unter Berücksichtigung der islamischen Prinzipien zu gewährleisten und folgende Maßnahmen durchzuführen:1.) Errichtung geeigneter Grundlagen zur Entwicklung der Persönlichkeit der Frau und zur Wiederherstellung ihrer materiellen und geistigen Rechte; 2.) Mutterschutz insbesondere während der Schwangerschaft und der Kinderpflege und Schutz allein stehender Kinder;

3.) Bildung zuständiger Gerichte zum Schutze und Fortbestand der Familie; 4.) Errichtung besonderer Versicherungen für Witwen, ältere und allein stehender Frauen; 5.) Übergabe der Vormundschaft im Interesse der Kinder an würdige Mütter, soweit kein gesetzlicher Vormund vorhanden ist.“207

203 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassungen, 176.

204 Vgl. Krämer, Gottes Staat als Republik: Reflexionen zeitgenössischer Muslime zu Islam, Men-schenrechten und Demokratie (2000) 157.

205 Vgl. Yildiz, Die Gerechtigkeit der Frauen im Islam, 4.

206 Vgl. Krämer, Gottes Staat, 161.

207Vgl.IranischesVerfassungsgesetzidgF.von1979.zitiert.nach:

http://www.eslam.de/manuskripte/verfassung_iri/kapitel03.htm [12.03.2012].

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Art 21 IRI VerfG verbrieft eine besondere staatliche Fürsorge für Frauen. Es handelt sich dabei um ein spezielles Grundrecht nur für Frauen und enthält ein Maßnahmenprogramm, das vor allem dem Schutz der sozial benachteiligten Frauen dienen soll.208 Damit soll die Wertschätzung der Frauen in der Islamischen Republik Iran zum Ausdruck gebracht wer-den, obwohl dieser Umstand schon aus der Präambel und Art 20 IRI VerfG hervorgeht.209

Die genannten Maßnahmen beziehen sich auf die Rolle der Frau im privaten bzw. familiä-ren Bereich.210 Das bedeutet, dass die gewährten Rechte in Bezug auf die verfassungs-rechtlich geförderte Einheit der Familie gegeben sind. Mit anderen Worten, die gewähr-leisteten Rechte sind in Hinsicht auf die Frau in ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau gege-ben.211 Es wird jedoch kein Bezug auf das berufliche und öffentliche Leben genommen.212

Ziffer 1 enthält eine Generalklausel, welche dem Staat die Pflicht auferlegt, alle zur Ent-wicklung der Frauen und die zur Wiederherstellung ihrer Rechte nötigen Maßnahmen zu treffen. Hierbei handelt es sich um eine allgemein gefasste Formulierung ohne scharfe Abgrenzung. In dieser weiten Formulierung kann eine Basis für zukünftige Reformen im Bereich der benachteiligenden einfachgesetzlichen Normen erblickt werden.213

Ziffer 2 schreibt Maßnahmen im Bereich des Mutterschutzes vor. Im Einklang mit dieser Norm gibt es einige geeignete arbeitsrechtliche Vorschriften, v.a. zugunsten schwangerer Arbeitnehmerinnen. Laut Ziffer 3 sollen Gerichte zum Schutz der Familie eingeführt wer-den. Die tatsächliche Umsetzung der Gerichte zum Schutz von Frauen ist aufgrund der für die gesamte iranische Gerichtsbarkeit geltenden engen Shari`a Sicht, welche grundsätz-lich zu Lasten der Frauen ausfällt, zu verneinen.214

Außerdem sollen Maßnahmen zum Schutz von Witwen, unversorgter oder älterer Frauen (Ziffer 4) getroffen werden. Aufgrund der Frauen stark benachteiligenden erbrechtlichen Gesetze, die eine Quote von höchstens einem Viertel für die hinterbliebene Ehefrau vor-schreiben, sind derartige Schutzmaßnahmen dringend erforderlich.215 Auch die rechtliche Lebenssituation von geschiedene Frauen, welche so gut wie keinen Unterhaltsanspruch (höchstens 3 Monate lang ab dem Zeitpunkt der Scheidung) gegen ihre geschiedenen Männer fordern können und der schlechten Arbeitsbedingungen für Frauen, welche in

208 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 163.

209 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassungen, 181.

210 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 181f.

211 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 162.

212 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 181f.

213 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 163.

214 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 164.

215 Vgl. Siahpoosh, Familien- und Erbrecht, 199.

vielen Fällen gar nichts oder eben nur das Existenzminimum verdienen, machen derartige staatliche Maßnahmen notwendig.216

Ziffer 5 schreibt die Übertragung der Vormundschaft an „würdige Mütter“, im Falle der Abwesenheit eines gesetzlichen Vormundes vor. Denn grundsätzlich kommt aufgrund einfachgesetzlicher Normen (§ 1181 IZGB) dem Vater die Vormundschaft für die Kinder zu. Die Mutter hat nur das Recht der Personensorge für ihre Kinder, bis diese höchstens 7 Jahre alt sind.217

Insgesamt erweist sich die Umsetzung der genannten Grundsätze, aufgrund wirtschaftli-cher und ökonomiswirtschaftli-cher Probleme des Staates, als schwierig und ist daher de facto größ-tenteils ausgeblieben.218 Außerdem garantiert Art 21 IRI VerfG Frauen und Männern nicht die gleichen Rechte. Der Schwerpunkt dieser Norm wird auf den Bereich der finanziellen Unterstützung von Frauen und Schutz der Familien gelegt und ist entgegen dem ersten Anschein kein verfassungsrechtlich verankertes Gleichheitsrecht, welches zur Stärkung der Gleichheitsrechte beiträgt. Grund dafür ist nicht zuletzt ein Frauenbild in der Verfas-sung, welches Frauenrechte nur in Bezug auf die Rolle der Frau als Mutter und Ehefrau – daher nicht diskriminierungsfrei und nur im Einklang mit den islamischen Maßstäben – gewährt.219 Ziel des Maßnahmenprogrammes ist also grundsätzlich bedürftigen Frauen gemäß dem islamischen Prinzip der Brüderlichkeit zu helfen.220