• Keine Ergebnisse gefunden

Die Legislative – Das Parlament (majles-e shura-ye eslami) Art 62-99 IRI

6. Frauen in der Verfassung idgF. von 1979

6.4. Oberste Staatsorgane und Frauenrechte

6.4.4. Die Legislative – Das Parlament (majles-e shura-ye eslami) Art 62-99 IRI

Das Parlament, besser bekannt als Islamische Beratungsversammlung, setzt sich aus 270 Abgeordneten zusammen, welche verschiedene Wahlkreise repräsentieren. Art 64 IRI VerfG sieht alle zehn Jahre – basierend auf demographischen, politischen, geographi-schen und ähnlichen Faktoren – eine Erhöhung dieser Zahl auf maximal 20 weitere Sitze vor.285

Die Legislaturperiode des iranischen Parlaments beträgt vier Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit wird gemäß Art 62 in direkter und geheimer Wahl durch wahlberechtigte Bürger ein neues Parlament gewählt.286 Die Sitzungen werden von einem Gremium, bestehend aus einem Sprecher, einem ersten und zweiten stellvertretenden Sprecher, einem Sekretär und zwei Vorstandsmitgliedern geführt. Es gibt 22 ständige Ausschüsse, welche mit der Beaufsichtigung aller Aspekte der Regierungsführung, rechtlichen Angelegenheiten sowie öffentlichen Petitionen betraut sind.287

Sonderbestimmungen gibt es für Angehörige des Zoroastrismus, Christentums und Ju-dentums gem. Art 64 Abs. 2 IRI VerfG. Nach der genannten Bestimmung wählen Juden und Zoroastrier jeweils einen und Christen zwei Abgeordnete ins Parlament.288 Die Abge-ordneten haben einen Eid zu leisten, in welchen sie gem. Art 67 IRI VerfG versichern, die Prinzipien des Islams und die Errungenschaften der islamischen Revolution stets zu schützen. Der Eid wird von muslimischen Abgeordneten auf den Koran abgelegt und von nichtmuslimischen auf ihre eigene heilige Schrift.289 Das Parlament besitzt die Gesetzge-bungskompetenz in allen Angelegenheiten.290 Allerdings ist es ganz wesentlich zu beach-ten, dass alle Beschlüsse vor Inkrafttreten dem Wächterrat zur Überprüfung auf ihre Kon-formität mit der Staatsreligion bzw. der Verfassung übergeben werden müssen und daher

283 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 143.

284 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 142.

285 Vgl. Akhlaghi in Yassari, 126.

286 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 209.

287 Vgl. Akhlaghi in Yassari, 126.

288 Vgl. Iranisches Verfassungsgesetz von 1979 idgF.

289 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 210.

290 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, .212.

jedes einzelne Gesetz solange in Schwebe steht, bis der Wächterrat darüber entschieden hat. Hintergrund dieser Bestimmungen ist, dass die Erlassung eines nichtislamischen Ge-setzes verhindert werden soll.291 Die Übermacht des Wächterrates kommt durch Art 93 IRI VerfG zum Ausdruck, welcher bestimmt, dass das Parlament mit einigen Ausnahmen kei-ne Befugnisse besitzt, genauer gesagt funktionsunfähig ist ohkei-ne Zustimmung bzw. Exis-tenz des Wächterrates.292 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das iranische Gesetzgebungsverfahren in zwei Stufen unterteilt werden kann. In der ersten Stufe erar-beitet das Parlament einen Gesetzesentwurf aus. In der zweiten Stufe wird der Gesetzes-entwurf vom Wächterrat auf seine Konformität mit den islamischen Grundsätzen und der Verfassung überprüft. Erst im Falle einer positiven Überprüfung tritt das Gesetz in Kraft.

Weitere Kompetenzen des Parlaments sind u.a. die Ratifizierung von internationalen Ver-trägen, die Prüfung und Verabschiedung des jährlichen Staatshaushaltes sowie die Be-fugnis zur Amtsenthebung des Staatspräsidenten.293

6.4.4.1. Vereinbarkeit der Frau mit ihrer Stellung als Abgeordnete

Die aktuelle Zahl der Abgeordneten im Parlament beträgt 290. Davon sind rund 5% weib-lich. Es gibt daher weder verfassungsrechtlich noch einfachgesetzlich Schranken für die Teilnahme von Frauen an diesem politischen Amt.294

Politische Aktivitäten von Frauen hat es im Iran auch vor der islamischen Revolution ge-geben. Seit der Gründung der islamischen Republik haben sich allerdings die Zielsetzun-gen von Grund auf verändert. Demokratie und GleichheitsbestrebunZielsetzun-gen traten in den Vordergrund. Während sich die ersten Legislaturperioden des Parlaments nach der Revo-lution aufgrund unklarer Definitionen gesellschaftspolitischer Positionen von Frauen als schwierig erwiesen, änderte sich das in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, nachdem die politischen Schwierigkeiten aufgrund des Iran-Irak-Krieges überwunden waren. Die politi-sche Partizipation der Frauen wurde größer und rückte immer mehr ins öffentliche Blick-feld. Das kommt auch aufgrund des, wenn auch nur geringen, Anstiegs der weiblichen Abgeordneten seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre im Parlament zum Ausdruck. Als Indikator zur öffentlichen Thematisierung politischer Unterdrückung dienten Frauenzeit-schriften 295

Es gab seit der Gründung der Islamischen Republik acht Parlamente. Im ersten (Amtszeit von Mitte 1979 bis Mitte 1983) und im zweiten Parlament (Amtszeit von Mitte 1983 bis

291 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 213.

292 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 214.

293 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 144.

294 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung,145.

295 Vgl. Abid, Journalistinnen im Tschador, 79f.

51 Frauen in der Verfassung idgF. von 1979

Mitte 1987) waren vier von 270 Abgeordneten weiblich. Im dritten Parlament (Amtszeit von Mitte 1987 bis Mitte 1992) waren drei von 270 Abgeordneten weiblich. Im vierten Par-lament (Amtszeit von Mitte 1992 bis Mitte 1996) waren schon neun von 270 Abgeordne-ten Frauen. Im fünfAbgeordne-ten Parlament (Amtszeit von Mitte 1996 bis Mitte 2000) stieg die Zahl der weiblichen Abgeordneten auf 14 von insgesamt 270 und im sechsten Parlament (Amtszeit von Mitte 2000 bis Mitte 2004) fand zwar eine Erweiterung der Abgeordneten um 20 weiter Sitze statt, betrug also 290. Die Sitze der weiblichen Abgeordneten sind jedoch nicht proportional gestiegen, sondern haben sich im Vergleich zum fünften Parla-ment sogar um vier Frauen reduziert und umfasste daher nur noch zehn weibliche Abge-ordnete. Im siebten Parlament (2004-2008) verhielt es sich mit 13 Abgeordneten gleich und die Zahl im gegenwärtigen achten Parlament (2008-2012) hat sich sogar auf neun verringert.296

Dennoch ist der Annahme, dass aufgrund der, wenn auch offensichtlich geringen weibli-chen Vertretung im Parlament, Gesetze zugunsten von Frauen erlassen werden, Vorsicht geboten. Grund dafür ist u.a., dass eine Vielzahl der männlichen und weiblichen Abge-ordneten aus dem traditionell konservativen Lager stammt. Im gegenwärtigen achten Par-lament gibt es de facto keine Erörterung von Frauenthemen.297 Zu beachten ist außer-dem, dass der Wächterrat die Kandidaten zur Wahl ins Parlament genehmigen muss. Es findet demnach eine Vorauswahl statt, die zu einer starken Einschränkung der Auswahl der Kandidaten führt.298

Als Exempel für einen vergleichsweise großen Erfolg kann die Ablehnung eines Geset-zesentwurfes genannt werden, welcher die Möglichkeit der Polygamie ohne bislang vo-rausgesetzte Einwilligung der ersten Ehefrau zum Inhalt hatte. Der Entwurf wurde vom iranischen Parlament, trotz weitreichender Proteste, abgelehnt. Federführend in dieser Causa waren Frauen aus allen Lagern - sowohl aus liberalen Lagern, darunter die Nobel-preisträgerin und Juristin Schirin Ebadi, wie auch aus konservativen Lagern.299

Eine Vereinbarkeit von modernen Frauenrechten mit hartnäckigen islamischen Gesetzen ist seit der Gründung der Islamischen Republik, d.h. seit über drei Jahrzehnten, nicht er-reicht worden. Eine geringe Beteiligung von Frauen im Parlament ist ein Motiv von vielen,

296 Vgl. Nowkam, Die rechtliche Situation der Frauen, 26 und Vakil, Woman and Politics in the Islamic Republic of Iran, 125.

297 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 145.

298 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 144.

299 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 144.

weshalb wichtige Gesetzesänderungen betreffend Geschlechterdiskriminierung noch nicht vonstattengegangen sind.300

6.4.5. Schlichtungsrat (majles-e taschkisemaslahat-e nezam-e