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Die Exekutive - Das Amt des Staatspräsidenten (raisjomhur) Art 113-132 IRI

6. Frauen in der Verfassung idgF. von 1979

6.4. Oberste Staatsorgane und Frauenrechte

6.4.3. Die Exekutive - Das Amt des Staatspräsidenten (raisjomhur) Art 113-132 IRI

Das offiziell zweithöchste Amt im Staat bekleidet der Staatspräsident. Er steht laut Ver-fassung unter dem Religiösen Führer. In der VerVer-fassungsrealität ist dieser in der Hierar-chie aufgrund der politischen Machtverteilung hinter dem Wächterrat, Feststellungsrat und Expertenrat einzuordnen. Er wird in direkter Wahl durch das Volk gewählt. Hierin können gewisse Züge einer Volkssouveränität erblickt werden. Das passive Wahlrecht zum Amt des Staatspräsidenten besitzt gemäß Art 115 IRI VerfG jeder, der „iranischer Abstam-mung und Staatsangehörigkeit, administrative und konfliktschlichtende Fähigkeiten, ein guter Leumund, Vertrauenswürdigkeit und Gottesfürchtigkeit, Gläubigkeit und Überzeu-gung von grundlegenden Prinzipien der Islamischen Republik Iran und der offiziellen Reli-gion des Landes267“ ist.268

Die Amtsperiode des Staatspräsidenten beträgt vier Jahre und ist beschränkt auf eine Wiederwahl.269 Seine Aufgaben bestehen u.a. darin, dass er für die Auswahl der Minister zuständig ist.270 Laut Verfassung ist der Staatspräsident Leiter des Ministerrates und über-trägt diesem Kompetenzen in speziellen Bereichen, wie etwa des Haushaltsbudgets. Das Ministerkabinett besteht aus 21 Ministern. Jeder Einzelne muss vom Parlament geneh-migt werden und ist für seine Handlungen verantwortlich. Das Parlament kann gegen je-den Minister einen Misstrauensantrag einbringen oder die jederzeitige Entlassung for-dern.271 Außerdem obliegen dem Staatspräsidenten viele formelle Zuständigkeiten, wie

265 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 149f.

266 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 150.

267 M-Haditec (2006) http://www.eslam.de/manuskripte/verfassung_iri/kapitel09.htm [12.12.2011], IRI VerfG idgF. von 1979

268 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 138.

269 Vgl. Vakil, Woman and Politics in the Islamic Republic of Iran, 48.

270 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 138.

271 Vgl. Akhlaghi in Yassari, 126.

47 Frauen in der Verfassung idgF. von 1979

beispielsweise die Führungsaufsicht über die Exekutive und die Umsetzung der Verfas-sung.272

6.4.3.1. Vereinbarkeit von Frauen mit dem Amt des Staatspräsi-denten

Ein Staatspräsident muss – wie zuvor bereits erwähnt – die in Art 115 IRI VerfG genann-ten Voraussetzungen erfüllen und darüber hinaus aus der Mitte der politischen und gläu-bigen sog. rojal gewählt werden. Diese Bestimmung findet sich in § 35 Abs. 1 des Geset-zes zur Wahl des Staatspräsidenten.273 Rojal ist ein arabisches Wort und bedeutet wort-wörtlich übersetzt „Männer“. Daher ist es schon allein aus verfassungsrechtlicher Sicht ausgeschlossen, dass eine Frau Präsidentin wird.274

Im Mai 1997 traten zum ersten Mal seit der islamischen Revolution neun weibliche Kandi-datinnen zum Amt des Präsidenten an. Die vielversprechendste international profilierteste Kandidatin war Azam Ala`i- Taleqani. Taleqani (Tochter eines angesehen Ayatollahs) ist seit Anfang der 90er Jahre eine politisch aktive Herausgeberin einer Frauenzeitschrift namens Payam-e Hadschar (Botschaft der Hagar). Hagar war die zweite Frau Abrahams und die Mutter Ismails und gilt als Symbol der Entrechteten, insbesondere der Frauen.

Inhalt ihrer Zeitschrift ist demnach die Besserstellung der Rechte benachteiligter Schich-ten, v.a. der Frauen. Sie verfolgt eine kompromisslos-revolutionäre Linie und schreckte auch nicht davor zurück konkrete Gleichheitsforderungen zu stellen.275 In einer ihrer frü-hen Ausgaben (1991) forderte sie „Im System der Islamischen Republik […] die gleichen Rechte wie der Mann: das Recht auf Bildung, auf Arbeit, auf Eigentum, sowie aktives und passives Wahlrecht.“276 Die Befürworterin der Frauenrechte Taleqani gehörte außerdem nach 1979 zu den ersten weiblichen Abgeordneten im Parlament. Jedoch wurde sie, ge-nauso wie die neun anderen Kandidaten in der Vorauswahl vom Wächterrat abgelehnt und daher als ungeeignete Kandidatin nicht zur Wahl zum Präsidentenamt zugelassen.277

Der Wächterrat sah sich zum ersten Mal dazu veranlasst den Wortlaut der Verfassungs-bestimmung zu interpretieren. Grund dafür war das Vorbingen Taleqanis, welche argu-mentierte, dass das arabische Wort „rojal“ im persischen Sprachgebrauch auch mit „Per-sönlichkeiten“ übersetzt werden könne und daher nicht zwingend männlich sei. Die

272 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 138.

273 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 138.

274 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 139.

275 Vgl. Abid, Journalistinnen im Tschador, 85.

276 Titelseite Payam- e Hadschar Nr.1935 (1991) zitiert nach: Abid, Journalistinnen im Tschador, 86. 277

Vgl. Abid, Journalistinnen im Tschador, 86.

heit des Wächterrates sprach sich dennoch dafür aus, Frauen seien für das Amt des Staatspräsidenten ungeeignet.278

Zur Begründung wurde die Tatsache herangezogen, dass die regelmäßige gesellschaftli-che Präsenz der Person des Staatspräsidenten unter ständiger administrativer Zusam-menarbeit mit Männern ausgelegt sei. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass nach islami-schem Recht einer Frau die Führung und Stellvertretung der Gemeinde gar nicht zustün-de. Außerdem betonte der Wächterrat, dass falls der Verfassungsgeber beabsichtig hätte, das Wort „rojal“ neben der eigentlichen Übersetzung („Männer“) als „Persönlichkeiten“

auszulegen, so wäre es nur schlüssig, die Bezeichnung „Frauen“ auch dezidiert zu er-wähnen bzw. in die Verfassung mit aufzunehmen.279

In der Folge löste dieses Thema in den iranischen Medien, allen voran in den Frauenzeit-schriften, eine Vielzahl von Diskussionen aus. Als feststand, dass keine weiblichen Kan-didatinnen zugelassen würden, brachte die progressive Frauenzeitschrift Zanan (Frauen) ein Portrait des gemäßigten Kandidaten Seyed Mohammad Khatami auf die Titelseite.

Das Portrait war als Botschaft an die weibliche Wählerschaft gerichtet, den reformisti-schen Geistlichen Ali Khatami bei der Präsidentschaftswahl 1997 zu wählen.280 Khatami (Präsident der IRI von 1997-2005) gewann die Wahl, vor allem aufgrund seiner weiblichen und jungen Wählerschaft, mit überwiegender Mehrheit. Er galt als erster Reformer im Amt des iranischen Staatspräsidenten und seine Wahlkampagne basierte auf Grundsätzen der Demokratie, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit. Damit stieß er in seiner Amtszeit stets auf Auseinandersetzungen mit den islamischen Kräften in der iranischen Staatsfüh-rung, und seine Reformbewegungen wurden größtenteils torpediert.281

Es gibt zahlreiche iranische Frauenrechtlerinnen, welche der ablehnenden Mehrheit unter den Geistlichen gegenüber Frauen in Führungspositionen seitdem vehement entgegen-stehen. Ihre Hauptargumente sind, dass aufgrund von gesellschaftspolitischen Ursachen, welche auf die männliche Dominanz in der Gesellschaft zurückzuführen sei, Frauen grobe Benachteiligungen wiederfahren.282 Eine sowohl gesellschaftspolitische als auch rechts-politische Akzeptanz von Frauen in Führungspositionen könnte in der Verfassungswirk-lichkeit dazu führen, dass weibliche Kandidatinnen zum Amt des Staatspräsidenten zuge-lassen würden. Aber bis dahin ist es noch ein großer Schritt, da sogar in Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland eine Frau erst 2005 tatsächlich mit dem Amt bekleidet wurde

278 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 139.

279 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 140.

280 Vgl. Abid, Journalistinnen im Tschador, 86.

281 Vgl. Amirpur, Aus Politik und Zeitgeschichte B9/2004 (18-25), 18ff.

282 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 142.

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und auch in Österreich das bis dato nicht der Fall war.283 Seit der Ära des liberalen Staatspräsidenten Mohammad Khatami (1997-2005) werden Frauen zu Vizepräsidentin-nen ernannt und es ist daher nicht ersichtlich, warum das für das Amt des Staatspräsiden-ten nicht möglich sein sollte.284

6.4.4. Die Legislative – Das Parlament (majles-e shura-ye