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6. Frauen in der Verfassung idgF. von 1979

6.4. Oberste Staatsorgane und Frauenrechte

6.4.2. Wächterrat (soura-je negahban)

Der Wächterrat ist in der hierarchischen Ordnung faktisch dem Religiösen Führer nach-geordnet.248 Das Amt des Wächterrates findet sich bereits in der Verfassung idF. von 1906/1907. Die Einführung des Wächterrats war eine Errungenschaft der geistlichen Krei-se. Es bestand, zur Zeit der zuvor genannten ersten iranischen Verfassung, aus einem mindestens fünfköpfigen Gremium von Rechtsgelehrten. Die Kandidaten wurden von der Geistlichkeit aufgestellt und vom Parlament gewählt. Ihre Funktion bestand darin, alle Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit dem Islam zu prüfen. Allerdings trat dieser, auf-grund der Nichtbeachtung durch Reza Schah, nur bis 1912 zusammen. Das Amt Wäch-terrates in der Verfassung idgF. von 1979 gleicht diesem in seinen Grundzügen.249

Gem. Art 91 IRI VerfG besteht der Wächterrat aus insgesamt zwölf Mitgliedern, nämlich aus sechs geistlichen Rechtsgelehrten (ruhani) und sechs weiteren weltlichen juristischen Rechtsgelehrten (faqih).250 Unter den Geistlichen sind gerechte islamische Rechtsgelehrte höchsten Ranges, die mit höchsten judikativen Befugnissen, wie etwa der Wahl des Reli-giösen Führers, versehen sind. Bei den weiteren sechs Rechtsgelehrten handelt es sich um weltliche Juristen verschiedener Rechtsgebiete.251 Die sechs Geistlichen werden vom Religionsführer ernannt. Die weltlichen Juristen werden vom Parlament gewählt und ein-gesetzt. Die Amtsperiode beträgt sechs Jahre, wobei alle drei Jahre eine der beiden ge-nannten Gruppierungen ersetzt wird. Die Befugnis des Wächterrates liegt, wie bereits in Zusammenhang mit dem Parlament erwähnt, darin, alle vom Parlament verabschiedeten Gesetze innerhalb einer Frist von zehn Tagen auf ihre Konformität mit der iranischen Ver-fassung bzw. den islamischen Grundsätzen (der Shari`a) hin zu überprüfen (Art 94 IRI

246 Vgl. Parhisi, Frauen in der Verfassungsordnung, 136.

247 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 137.

248 Vgl. Akhlaghi in Yassari, 125.

249 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 217.

250 Vgl. Nowkam, Die rechtliche Situation der Frauen, 28.

251 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 147f.

VerfG).252 Der Wächterrat wird daher auch als iranische Form des Verfassungsgerichts bezeichnet.253 Es ist hervorzuheben, dass über die Vereinbarkeit der Gesetze mit islami-schen Prinzipien nur die sechs Geistlichen abstimmen, über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze stimmen jedoch alle zwölf ab. Sinn dieser Bestimmung ist zum einen, dass nur die speziell dazu ausgebildeten Geistlichen entscheiden dürfen, ob Gesetze mit den islamischen Grundsätzen übereinstimmen und zum anderen sollen geistliche Gelehrte bei Überprüfung der Verfassungskonformität nicht überstimmt werden können, da ein Mehr-heitsbeschluss gilt und daher sieben Mitglieder zustimmen müssen. Das ist auch der Grund dafür, weshalb der Art 93 IRI VerfG bestimmt, dass das Parlament ohne die Exis-tenz des Wächterrates nicht funktionsfähig ist.254 Dem Wächterrat kommt daher eine obli-gatorische Normenkontrollbefugnis zu.255 Stellt er innerhalb der zehntägigen Frist fest, dass das Gesetz der Verfassung widerspricht bzw. nicht mit den islamischen Prinzipien vereinbar ist, dann kann er entweder dieses Gesetz ablehnen und es tritt damit nicht in Kraft, oder Veränderungsvorschläge werden vorgebracht. Er besitzt daher ein Vetorecht.

Falls sich der Wächterrat uneinig ist, ist der Feststellungsrat heranzuziehen.256 Außerdem besitzt er die Befugnis im Falle von Interpretationsschwierigkeiten der Verfassungsbe-stimmungen eine bindende Auslegung festzulegen.257

Die formelle Kompetenz, die dem Wächterrat zukommt liegt darin, dass er präsidiale und parlamentarische Wahlen und Abstimmungen überwacht.258 Diese Befugnis beinhaltet die Entscheidung über die Zulassung von Kandidaten zu bestimmten politischen Ämter, wie etwa bei Parlamentswahlen, Expertenratswahlen, Kommunalwahlen oder Präsident-schaftswahlen. Ihnen obliegt die Prüfung, ob die Kandidaten im Sinne islamischer Grund-sätze geeignet und daher zuzulassen sind oder nicht. Diese Art der Zulassungsbeschrän-kung zu öffentlichen Ämtern bedeutet, selbstredend für die Demokratie, eine gewaltige Beschränkung.259

6.4.2.1. Vereinbarkeit von Frau mit dem Amt des Wächterrates

Der Wortlaut der Verfassung, im Speziellen Art 91 IRI VerfG, schließt nicht aus, dass auch eine Frau bzw. eine Juristin ein Mitglied des Wächterrates sein kann. Faktisch ist dies dennoch, seit der islamischen Revolution nicht der Fall gewesen. Als Begründung

252 Vgl. Nowkam, Die rechtliche Situation der Frauen, 28.

253Vgl.http://www.sueddeutsche.de/politik/aufruhr-in-teheran-iran-ohne-sieger-1.124800 [12.12.2011].

254 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 218.

255 Vgl. Tellenbach, Untersuchungen zur Verfassung, 217.

256 Vgl. Nowkam, Die rechtliche Situation der Frauen, 28.

257 Vgl. Akhlaghi in Yassari, 125.

258 Vgl. Akhlaghi in Yassari, 125.

259 Vgl. Nowkam, Die rechtliche Situation der Frauen 28f.

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hierfür werden von der herrschenden Meinung die gleichen Argumente herangeführt, wie im Falle der Ablehnung als Religiöse Führerin. Weibliche Mitglieder im Wächterrat werden als illegitim betrachtet und als Hauptfaktor wird die Unzulässigkeit aufgrund des Islams angeführt, dass eine Frau eine islamische Gemeinde führen darf. Diese Forderungen können nur für die (sechs) religiösen Rechtsgelehrten gestellt werden.260

Art 91 IRI VerfG legt nämlich folgende Voraussetzungen fest: „[…] um Widersprüche zwi-schen den Beschlüssen der Islamizwi-schen Beratungsversammlung und den islamizwi-schen Vorschriften oder der Verfassung zu verhindern, wird ein Wächterrat mit folgender Zu-sammensetzung gebildet: 1.) Sechs gerechte islamische Rechtsgelehrte, die sich der Er-fordernisse und der Probleme der Zeit annehmen; sie werden vom islamischen Oberhaupt bestimmt“ und „2.) Sechs Juristen aus verschiedenen Rechtsgebieten, die vom Oberhaupt der Justiz aus der Reihe der muslimischen Juristen der Islamischen Beratungsversamm-lung (Parlament) vorgeschlagen und von ihr gewählt werden.“261

Art 91 IRI VerfG fordert „gerechte islamische Rechtsgelehrte, die sich der Erfordernisse und der Probleme der Zeit annehmen“.262 Ein islamischer bzw. religiöser Rechtsgelehrter (modjtahed) ist jemand, der an theologischen Hochschulen als Rechtsgelehrter mit dem Titel modjtahed ausgebildet wird. Ein modjtahed ist ein zur selbstständigen Koranausle-gung befugter Gelehrter, welcher (Rechts)Gutachten (fatwa) zu gesellschaftspolitischen Themen erstellen darf, die dann im jeweiligen Bereich gesetzliche Bindungswirkung ent-falten. Frauen ist es zwar in der neueren iranischen Rechtsgeschichte gestattet, an theo-logischen Hochschulen durch Schulungen und Seminaren als Rechtsgelehrte ausgebildet zu werden, dennoch kommen ihren Rechtsgutachten nach herrschender Meinung keine Bindungswirkung zu. Daher spricht man davon, dass eine Frau keine sog. „Quelle der Nachahmung“ (marja`e taqlid) sein kann.263 Das ist die Argumentation dafür, weshalb sie nicht als Mitglieder des Wächterrates, zumindest in der Funktion als islamischer Rechts-gelehrter anerkannt werden.264

In Bezug auf die weltlichen Juristen, stehen hingegen fähigen Juristinnen nach dem expli-ziten Verfassungstext keine Schranken entgegen. Die Verfassung lässt auch keinen Interpretationsspielraum zu Ungunsten von Juristinnen zu. Des Weiteren ist die Präsenz von Frauen im Iran in unterschiedlichen juristischen Positionen seit einem halben

260 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 149.

261Vgl.m-Haditec(2006),http://www.eslam.de/manuskripte/verfassung_iri/kapitel06.htm#2 [15.12.2011].

262 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranische Verfassungsordnung, 149.

263 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, 139f.

264 Vgl. Parhisi, Frauen in der iranische Verfassungsordnung, 149.

hundert ein eindeutiges Indiz dafür, dass sie als Juristinnen zumindest in der Gruppe von weltlichen Juristen geeignet und daher als Mitglieder des Wächterrates qualifiziert sind.265

Zur gesetzlichen Verbesserung bzw. Gleichstellung von Frauen ist zu erwähnen, dass abgesehen von der Tatsache, dass bis heute keine einzige Frau Mitglied des Wächterra-tes war, der Wächterrat seit dem Bestand der islamischen Revolution im Zuge seiner Ge-setzgebungstätigkeit jede Art von Reform vermieden hat, welche zur Verbesserung der Rechtsstellung von Frauen beitrüge.266

6.4.3. Die Exekutive - Das Amt des Staatspräsidenten