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3.2. Datenerhebung und Ethnographie

3.2.2. Zugang zum Feld

Der Zugang zum Feld, hier zunächst verstanden als der Zugang zu den Menschen des Feldes, ist meines Erachtens wohl eine der schwersten Hürden, die ein Forscher während seiner Arbeit zu überwinden hat. Denn hierbei liegt es nicht nur bei ihm diese Hürde zu überwinden, das „Feld“ muss ihn, den Forscher, zulassen, hereinlassen, einschließen in die soziale Welt, die der Forscher versucht zu beschreiben und zu analysieren. Denn einen Ort, den der Forscher nicht betreten kann oder darf, kann er nicht einmal versteckt, geschweige denn teilnehmend beobachten, wie dies in der vorliegenden Arbeit versucht wurde.

60 Vgl. Lüders (2000), S 632ff.

61 Lüders (1995), S. 321. Vgl. zu ethischen Fragen auch Hopf (2000), S. 589-600.

62 Diese Studie stützt sich hauptsächlich auf Daten, die aus Beobachtung und Interviews erhoben wurden. Dokumentarisches Material wurde nur am Rande in diese Studie eingefügt, um zum Beispiel die historische Entstehung bestimmter Regeln nachzuvollziehen.

Dass der Zugang zum Feld ein nicht zu vernachlässigendes Problem darstellen kann wird sehr schnell deutlich, wenn man sich nur vorstellt, was es einerseits heißt ein offenes Interview zu führen oder andererseits einen standardisierten Fragebogen auszufüllen. Von beiden Seiten, also von Seiten des Forschers oder Interviewers und auch von Seiten des Respondenten, verlangt ein offenes Interview ein sehr viel stärkeres und „wesentlich weiter gehendes Sich- Einlassen“63 auf die Situation. Das Problem, um welches es sich hier dreht, ist also die Frage danach wie der Forscher eine Rolle einnehmen kann, die es ihm ermöglicht, die Daten zu erheben und zu erhalten, die er braucht, um das spezifische soziale Phänomen zu untersuchen. Oder anders formuliert: Wie kann der Forscher oder Beobachter eine praktikable Rolle einnehmen, in der er sich gleichzeitig am Rand des Geschehens aufhalten und aber auch am Geschehen teilnehmen kann?64 Die kommunikativen Fähigkeiten des Forschers werden somit zum zentralen Instrument, welches zur Gewinnung von Daten und zur Gewinnung von neuen Erkenntnissen verwendet wird. Allerdings kann sich ein Forscher eine Rolle meist nicht einfach aussuchen. Er bekommt Rollen zugewiesen, oder muss sich in Rollen fügen, die andere von ihm erwarten. „Von der Art dieser Rolle und Position hängt im Wesentlichen ab, zu welchen Informationen der Forscher Zugang findet und zu welchen er ihm verwehrt wird.“65 Die Zuweisung der Rolle ist demnach ein Prozess der Aushandlung zwischen Beteiligten am/im Feld und dem Forscher. Beteiligte sind diejenigen, die sich im Feld oder in der sozialen Welt aufhalten, also diejenigen, die beobachtet oder befragt werden sollen. Die Beteiligten legen mit ihrer Zuweisung einer Rolle an den Forscher oder durch die Aushandlung der Position, die der Forscher inne hat auch dessen „Bewegungsfreiheit“ fest.66 Er kann sich im Feld also nur soweit frei bewegen, wie es ihm von den Beteiligten erlaubt wird. Die volle

63 Flick (2002), S. 86.

64 Flick (2002), S. 202. Vgl. zur Rolle des teilnehmenden Beobachters auch Friedrichs (1977), S.41ff, siehe auch Wolff (2000).

65 Flick (2002), S.87.

66 Auf einer Hütte hat man mich z.B. als Bergführer angesprochen. Ich hätte dadurch eine Position gehabt, die es mir wahrscheinlich erlaubt hätte vieles über bestimmte Menschen zu erfragen, aber gleichzeitig hätte mir diese Rolle auch große Probleme und Verantwortung aufbürden können, wenn man mich nach Touren oder ähnlichem gefragt hätte. Spätestens dann wäre dieser „Betrug“

aufgefallen. Ein anderes Mal wurde mir die Rolle eines Almhirten zugewiesen. Rollen, die mehr auf die Forschungsarbeit bezogen waren, gab es auch. Die einen hielten mich für einen Journalisten, die anderen für einen „Spitzel“ von der Sektion, also vom Alpenverein. Dies nur zur Illustration, welche Möglichkeiten es gibt, Rollen im Feld zugewiesen zu bekommen und dies noch nicht einmal intendiert zu haben. Die intendierte Rolle war dann, deren Einnahme und Erhaltung allerdings einige Zeit in Anspruch nahmen, die Stellung eines Interessierten, der durch das, was ihm mitgeteilt wird nicht Partei ergreift, sondern einfach nur mit Interesse verfolgt, was geschieht, eben die Rolle eines Mitglieds mit gehobenem Status, aber dennoch einer Randstellung.

Bewegungsfreiheit kann ein Forscher demnach nur erlangen, wenn er auch das volle Vertrauen der Beteiligten besitzt, er also vom Fremden zum Vertrauten geworden ist.67 Oder anders formuliert, wenn der Forscher zum „Insider“ geworden ist und damit eine, wie Hitzler und Honer68 es nennen, existentielle Innensicht erworben hat.

Es braucht so etwas wie einen Zündfunken (metaphorisch gesprochen) der dem Forscher den Zugang zu spezifischen, ihm anfangs verwehrten Informationen, öffnet.69 Dieser Zugang kann manchmal auch nur durch den Kontakt zu so genannten „gatekeepers“ erreicht werden70

Das bisher Gesagte bezieht sich zum Großteil auf den „Zugang“ verstanden als Zugang zu den Menschen im Feld. Ganz praktisch gesprochen, muss man ja aber erst einmal dorthin kommen. Dazu soll angemerkt werden, dass ich nach einer kurzen Lektüre von R. Girtlers Buch „Methoden der Feldforschung“ (2001) – dessen Relevanz und Güte hier nicht diskutiert werden soll – recht früh zumindest zu zwei Schlüssen kam. Der Erste betrifft seine Ausführungen zu Fremden in der eigenen Gesellschaft, welche mir klar machten, dass, auch wenn es eine bekannte Region ist in der ich mich in den Bergen befand, ich doch der Fremde und eben nicht von vornherein ein Teil dieser Welt war.71

Zum zweiten nahm ich mir, wo es denn möglich war, Girtlers Vorschlag, die dem Feld typischen Wege und Reisearten zu nutzen, zu Herzen. Ich versuchte mich also möglichst so fortzubewegen, wie es der Region, in der ich mich befand zukam – langsam. Ich benutze also, wo möglich, meine Füße und lief die verschiedensten Wege zu den Hütten, benutzte mein altes 3- Gang- Fahrrad, fuhr per Anhalter von Dörfern zu Parkplätzen und zurück und versuchte nur dort mit dem eigenen Auto hinzufahren, wo ich nicht anders konnte, oder wo auch der Zeitaufwand für eine

67 Zur Problematik des Fremden in einer Gesellschaft vgl. Schütz (1972) „Der Fremde“, auch Girtler (2001) S. 83ff, Girtler (1995) S. 386ff.

68 Hitzler/Honer (1995), S. 383.

69 Zur Problematik von Fremdheit und Vertrautheit siehe auch Flick (2002), S.93 ff.

70 Vgl. zu diesem Begriff: Hammersley & Atkinsen (1995), S.63ff. Wie sich herausstellte, waren für die Untersuchung der Berghütte vor allem die Hüttenwirte als Gatekeepers zu betrachten. Zu diesen galt es ein gutes Verhältnis aufzubauen. Dies glückte bei einer der beiden Hütten (aufgrund eines für den Forscher glücklichen Zwischenfalls) recht gut, bei der anderen war es nur begrenzt möglich ein wirklich gutes Verhältnis, das heißt Vertrauensverhältnis aufzubauen.

71 Vgl. Girtler (2001), S. 19ff.

andere Art der Fortbewegung in keinem vernünftigen Verhältnis zum möglichen Ertrag72 und zur mir möglichen opferbaren Zeit stand.

Ist nun der Zugang zum Feld geregelt, so kommt ein weiteres Problem auf den Forscher zu. Welcher Methode soll er sich bedienen den interessierenden sozialen Raum oder einfach das Feld, welchem er sich nähert, zu erfassen? Dazu gibt es wiederum verschiedene Verfahren, die in den folgenden Teilen dieses Kapitels angesprochen werden sollen.

3.2.3. Beobachtungsverfahren

Bei Flick finden sich, in Anlehnung an Friedrichs73, fünf Dimensionen, nach denen sich verschiedene Beobachtungsverfahren klassifizieren lassen. Anhand dieser Klassifizierungen lässt sich gut zeigen, wie bei dieser Arbeit vorgegangen wurde, um zu den Daten zu gelangen, die im „Praxis“- Teil (Kapitel 4) dargestellt werden:74

1. Verdeckte Beobachtung versus offene Beobachtung: Inwieweit wird den Beobachteten der Vorgang der Beobachtung offenbart?

2. Nicht- teilnehmende Beobachtung versus teilnehmender Beobachtung:

Inwieweit wird der Beobachter zum aktiven Teil des beobachteten Feldes?

3. systematische Beobachtung versus unsystematische Beobachtung: Wird ein mehr oder minder standardisiertes Beobachtungsschema verwendet oder eher offen für die Verläufe selbst beobachtet?

4. Beobachtung in natürlichen versus Beobachtung in künstlichen Situationen:

Wird im Feld beobachtet oder wird das Feld in einen künstlichen Raum

„verlegt“?

5. Selbst- versus Fremdbeobachtung: Meist werden andere Menschen beobachtet. Welcher Stellenwert wird dabei der reflektierenden Selbst-beobachtung des Forschers zur stärkeren Fundierung der Interpretation des Beobachteten beigemessen?

72 Der Einwand, dass gerade dort vielleicht „etwas“ passiert, was für meine Arbeit wichtig gewesen wäre, ist berechtigt, ist aber vielleicht damit zu entkräften, dass ich mich lieber einige Stunden länger auf einer Hütte, denn auf einem Bahnhof aufgehalten habe.

73 Flick (2002), S.200, in Anlehnung an Friedrichs (1973), S.272ff.

74 Detailliertere Darstellungen zu verschiedenen Beobachtungsmethoden finden sich in Lamnek (1989), S. 233ff, Flick (2002), S.199ff. Hier werden diese Verfahren aufgrund der relativen Kürze der Arbeit nicht genauer erläutert.

Diese Dimensionen verschiedener Beobachtungsformen sind nicht alle in dieser Arbeit wieder zu finden. Welche hier sofort auszuschließen ist, ist die Beobachtung in künstlichen Situationen. Es wurden nur Beobachtungen in natürlichen Situationen durchgeführt.

Ansonsten könnte man sagen, dass es drei Stufen von Beobachtungen während der Datenerhebung gab, in der sich der Beobachtungsprozess mehr oder weniger kontinuierlich von teilnahmsloser zu teilnehmender Beobachtung verschob.

Als erste Stufe wurde, ähnlich einer Sondierung und eines Kennenlernens des Feldes distanzierte und daher mehr oder weniger teilnahmslose Beobachtung durchgeführt.75 Während dieser Phase wurden grundlegende Dinge aufgenommen und festgehalten, das heißt einfache, sich offen vor den Augen des Beobachters abspielende und wiederholende Handlungsabläufe. Dies diente dazu einen ersten Eindruck vom Leben auf diesen Hütten zu erhalten und selbst ein Gespür dafür zu entwickeln, wie man sich auf einer solchen Hütte zu verhalten hat. Dieses Lernen von routinemäßigen Handlungsabläufen befähigt den Forscher später sich auch teilnehmender Beobachtung zu bedienen. Wenngleich hier auch angemerkt werden muss, dass die Feldphase nicht ganz ohne Vorwissen bezüglich dieser Welt begann.

Dennoch war die erste Phase der Beobachtung wichtig für die Entwicklung der weiteren Phasen, vor allem deswegen, weil sie dem Forscher eine erste Rolle im Feld zuwies. Diese Rolle war anfangs, verständlicherweise, die eines Fremden oder besser gesagt die eines Neulings, da ein grundlegendes Wissen über das Feld und seine Regeln vorhanden war.

Hier ist einzufügen, dass der Forscher meist Papier und Bleistift bei sich hatte, um sich bestimmte Dinge gleich zu notieren, so dass sie nicht wieder vergessen wurden. Dies ist aber nicht immer möglich, vor allem dann nicht, wenn nicht mehr nur teilnahmslos beobachtet wird, der Forscher dann sozusagen Teil einer Gruppe wird.

Dann wird es für andere und für den Forscher selbst unangenehm „nebenher noch kurz was aufzuschreiben“. In solchen Situationen (siehe zu „eilnehmender Beobachtung“weiter unten) wurde teilweise erst danach ein Protokoll angefertigt, in dem versucht wurde möglichst genau das wiederzugeben, was geschehen ist und was man gehört hat.

75 Teilnahmslose Beobachtung ist bei einem derartigen Untersuchungsgegenstand eigentlich fast unmöglich. Wenn man Menschen in und vor Berghütten beobachten will, dann ist man zwangsläufig Teil dieser Welt. Auch eine Position die sehr am Rande des Feldes ist, zeigt doch an, dass man Teil desselben ist.

Auch ein Tonbandgerät war stets in Reichweite, doch es wurde meist aus zwei Gründen nicht einfach eingeschaltet. Erstens, aus ethischen und rechtlichen Erwägungen, da man einen Menschen dessen Worte oder Äußerungen man aufnimmt erst fragen sollte (und nach deutschem Recht fragen muss), ob dieser es gestattet. Zum zweiten, hätte eine solche Frage in einer netten Tischunterhaltung die Kommunikation wohl eher ersterben lassen, als sie angeregt.76

Die zweite Phase bestand aus teilnehmender Beobachtung. Es wurde vermehrt der Versuch unternommen direkt in bestimmten Gruppen oder bei bestimmten Einzelpersonen zu beobachten. Da Ziel hierbei war, dass ein besseres Verhältnis zu diesen aufgebaut werden sollte. Der Fremde versuchte demnach zu einem Teilnehmer und einem „Wissenden“ zu werden und sich auch als ein solcher zu verhalten. Diese Art der Beobachtung, sowie auch die der dritten Phase kann wohl am besten mit einem Ausdruck bezeichnet werden den Strauss als „distanzierte Nähe“77 bezeichnet hat. Bei diesem Schritt kommt eine Dimension der Beobachtung zum tragen, die in der ersten Phase kaum Einfluss ausübte: Verdeckte versus offene Beobachtung. Meistens fiel die Entscheidung zugunsten der verdeckten Beobachtung, da dadurch a) die Kommunikation untereinander nicht beeinträchtigt wurde, also ein freies Gespräch zustande kommen konnte und b), da die Aufzeichnungsunterlagen womöglich den Gegenüber, in seinem Benehmen und Sprechen beeinflussen konnten, auch wenn er nicht sicher sein konnte, was auf dem Papier festgehalten wurde. Dieses „Dilemma“, ob nun verdeckt oder offen beobachtet werden sollte, zog sich fast durch die ganze Studie. Erst in der letzten Phase, in welcher einige der am Feld Beteiligten wussten was ich tat, konnte ich meist ohne größere Probleme auch offen beobachten.

Die dritte Phase der Beobachtung galt der genaueren, detaillierteren Beobachtung von einzelnen Aspekten des „Lebensraumes“ Berghütte. In dieser Phase wurden Daten erhoben, die, angeleitet durch das Theoretische Sampling, die bereits halbwegs etablierten Kategorien sättigen sollten. In dieser Phase wurde ausschließlich teilnehmend beobachtet, schon alleine aus dem Grund, dass ich, als Forscher nun eine Art etablierter Stellung im Feld hatte. Meine Position war denjenigen mittlerweile klar, die eine dauerhafte Stellung im Feld hatten. Auch war meine Position durch die Bekanntschaft zu den „gatekeepers“ gefestigt.

76 Siehe diesbezüglich vor allem die §201, §203, §204 des Strafgesetzbuches. Schönfelder (Stand:

April 2003). Vgl. bezüglich ethischer Fragen auch Hopf (2000), S. 589-600.

77 Strauss zitiert in Soeffner (1991), S.3.

Betrachtet man die Dimension „systematisch/unsystematisch“, die eine Beobachtung weiter charakterisieren kann, dann wurde in dieser Studie wiederum beides verfolgt. Zunächst wurde, hier erneut Hammersley und Atkinson78 folgend, alles an Daten gesammelt, also dementsprechend auch unsystematisch beobachtet, was irgendwie als relevant für die Fragestellung erschien. Im Verlauf des Forschungsprozesses wurden die Beobachtungen allerdings systematischer und richteten sich auf spezifischere Ereignisse.

Bis jetzt wurde nur von der Fremdbeobachtung gesprochen. Der Beobachtung also, die das Fremde oder Andere in den Mittelpunkt der Perspektive stellt. Die Selbstbeobachtung wurde erst im Laufe der Forschung aufgenommen, dann aber zu einer die Fremdbeobachtungen ständig begleitenden Perspektive, die sicher nicht immer eingenommen werden konnte, durch deren Einnahme vieles aber erst hinterher verständlich wurde. Zu verweisen ist hier auf die Schwierigkeit, die die Selbstbeobachtung mit sich bringt. Der Forscher muss eigentlich ständig eines seiner Augen auf sich selbst gerichtet haben. Denn nur wenn er dem Feld, also seinem Untersuchungsgegenstand, komplett fremd ist, dann kann er davon ausgehen, dass das, was er empfindet, wie er reagiert und sich verhält mehr oder weniger unvoreingenommen stattfindet. Bei einem Forscher, der die Gegebenheiten jedoch, zumindest zu einem gewissen Grade, kennt, kann davon nicht ausgegangen werden.

Es ist eine schwere, meines Erachtens fast unlösbare Aufgabe sein Wissen, Vorwissen, seine Empathie völlig abzuschalten und wirklich mit den Augen eines Unwissenden auf diesen Raum zu schauen. Dies wäre sicher manchmal von Vorteil, wenngleich Glaser und Strauss davon ausgehen, dass das Kontextwissen über einen bestimmten Ausschnitt der Gesellschaft oder der Gruppe nicht verleugnet werden soll.79

3.2.4. Interviewverfahren

Auch wenn man sich nur auf die qualitative Sozialforschung beschränkt, gibt es, wie bei einem kleinen Blick in die Literatur sofort deutlich wird80, viele Interviewverfahren.

Überschreiben kann man sie, bleibt man bei der qualitativen Sozialforschung, mit

78 Vgl. Hammersley/Atkinson (1995).

79 Vgl. Glaser/Strauss (1998).

80 Vgl. zum Beispiel Diekmann (1997), S. 443ff., Lamnek (1989), S. 35-93, Flick (2002), S. 117-197, sowie deren Literaturverzeichnisse.

dem Begriff Leitfadeninterviews. Dieser recht breit angelegte Begriff umschreibt in einer ersten Annäherung die Art Interview, die in dieser Studie durchgeführt wurde.

Eine weitere Differenzierung sollen die folgenden Seiten liefern.

Wenn in diesem Abschnitt der Arbeit der Leser das Gefühl hat nicht vollständig über die Interviewverfahren aufgeklärt zu werden, dann trügt dieses Gefühl keineswegs. Es ist hier einfach nicht möglich und auch keinesfalls sinnvoll einen auch nur halbwegs umfassenden Einblick in die verschiedenen Interviewverfahren der qualitativen Sozialforschung zu geben.81 Zu viele Differenzierungen gibt es auf diesem Gebiet mittlerweile. Daher wird an einigen Stellen auf die entsprechende Literatur verwiesen und dann relativ schnell auf die hier verwendeten Interviewverfahren zugesteuert.

Die große Aufmerksamkeit, die dem Führen von Leitfadeninterviews seit geraumer Zeit zukommt, speist sich in der qualitativen Sozialforschung vor allem durch die Erwartung, dass in der „relativ offenen Gestaltung der Interviewsituation die Sichtweisen des befragten Subjekts eher zur Geltung kommen als in standardisierten Interviews oder Fragebögen.“82 Schon Merton und Kendall haben bereits 1946 eine Interviewtechnik vorgestellt, die als fokussiertes Interview bekannt ist. Des Weiteren können hier, um nur einige der verschiedenen Interviewformen aufzuzählen, das halbstandardisierte, das problemzentrierte, das Experten-Interview, das Intensivinterview, das unstrukturierte Interview und das ethnographische Interview genannt werden.83

Als Kernstruktur dieser Art Interviews zu führen kann der Leitfaden oder eben das Leitfadeninterview angesehen werden. Grob skizziert besteht ein Leitfadeninterview aus einer offenen Interviewsituation von Interviewer und Respondent, wobei der Interviewer sozusagen als Gedächtnisstütze einen schriftlichen Leitfaden vor sich hat. Wie ein solcher Leitfaden aufgebaut ist hängt davon ab, welches Thema den Interviewer oder Forscher interessiert. Der Leitfaden gilt dann nicht als unumstößliches Rezept, an welches sich der Interviewer zu halten hat, sondern vielmehr als Hilfe dazu, die wichtigsten Fragen, die gestellt werden sollen, nicht zu vergessen.

81 Ähnlich formuliert es auch Lamnek: „Die Variationen der einzelnen Interviewformen sind auch innerhalb der jeweiligen Paradigmen (…) so vielfältig und differenziert geworden, dass deren vollständige Auflistung nach noch zu entwickelnden Kriterien den Rahmen dieser Einführung sprengen würde.“ (Lamnek (1989), S. 36.)

82 Flick (2002), S. 117.

83 Für eine detailliertere Erläuterung der verschiedenen Interviewverfahren siehe ebenfalls Flick (2002), Lamnek (1989).

Ein qualitatives Interview sollte, so Lamnek,84 zuallererst verschiedenen methodologischen sowie methodisch-technischen Kriterien genügen wie zum Beispiel, dass bei einem Interview die Relevanzsysteme des Befragten im Vordergrund stehen, das Interview offen und flexibel gehalten werden und mehr oder weniger als ein alltägliches Gespräch stattfinden sollte und somit dem Interviewten nicht das Gefühl gegeben wird in einer Situation des „Verhörs“ zu sein.85 Des Weiteren sollten solche Interviews in einer natürlichen Umgebung geführt werden, damit möglichst „authentische Informationen“86 vom Befragten erhalten werden. Dies kann nur bewerkstelligt werden durch ein Mindestmaß an Vertrauen des Befragten gegenüber dem Interviewer. Während des Interviews sollte der Fragende stets eine anregend-passive Haltung einnehmen, wodurch zwar das Interview, die Gesprächsanteile betreffend, asymmetrisch verläuft, was aber in alltäglichen Interaktionen auch durchaus normal ist.

In der hier vorliegenden Studie wurden zwei Interviews geführt. Dies scheint wenig, ist aber dem untersuchten Gegenstand durchaus angemessen, denn es wurden genau mit denjenigen Menschen Interviews geführt, die dem untersuchten Gegenstand, der Berghütte, dauerhaft angehören: Die Hüttenwirte. Dass mit den Gästen keine Interviews geführt wurden liegt auf der Hand. Die Gäste in einer Berghütte sind nur kurze Zeit Teil des untersuchten Phänomens und dadurch wurde der Schritt vom unterhaltsamen und für die Studie durchaus informativen Gespräch zum expliziten Interview mit keinem Gast vollzogen.

Diese zwei Interviews waren allerdings von sehr unterschiedlicher Art. Das erste Interview wurde in der Gaststube einer Hütte durchgeführt und die anfängliche Bereitschaft zu einem Interview war sehr gering. Zusätzlich könnte man bei diesem Interview eigentlich auch von zwei Interviews sprechen, da sich nach einer gewissen Zeit der erste Gesprächspartner (Hüttenwirtin) verabschiedete und ein zweiter noch für einige Zeit an ihre Stelle trat (Hüttenwirt). Zuerst wurde also mit der Hüttenwirtin, dann, nachdem sich ihr Mann dazusetzte und sie sich verabschiedete, mit ihm gesprochen. Unterbrechungen des Interviews kamen oft zustande, weil die Respondentin und später der Respondent entweder ans Telefon oder in die Küche mussten oder aber an der Rezeption verlangt wurden. Des Weiteren muss hier vermerkt werden, dass die Respondentin nicht wollte, dass ich das Gespräch

Diese zwei Interviews waren allerdings von sehr unterschiedlicher Art. Das erste Interview wurde in der Gaststube einer Hütte durchgeführt und die anfängliche Bereitschaft zu einem Interview war sehr gering. Zusätzlich könnte man bei diesem Interview eigentlich auch von zwei Interviews sprechen, da sich nach einer gewissen Zeit der erste Gesprächspartner (Hüttenwirtin) verabschiedete und ein zweiter noch für einige Zeit an ihre Stelle trat (Hüttenwirt). Zuerst wurde also mit der Hüttenwirtin, dann, nachdem sich ihr Mann dazusetzte und sie sich verabschiedete, mit ihm gesprochen. Unterbrechungen des Interviews kamen oft zustande, weil die Respondentin und später der Respondent entweder ans Telefon oder in die Küche mussten oder aber an der Rezeption verlangt wurden. Des Weiteren muss hier vermerkt werden, dass die Respondentin nicht wollte, dass ich das Gespräch