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Geselligkeit und „versteckte“ Hierarchie

5. Angewandte Theorie – Versuch einer Theoriegenerierung

5.3. Geselligkeit und „versteckte“ Hierarchie

Ein weiterer zentraler Aspekt der kleinen Lebens-Welt der Berghütte findet sich meines Erachtens in dem Verhältnis von hierarchischen und geselligen, also auf die Gemeinschaft der Hüttenbewohner hin ausgelegten, Strukturen.

Wenn man die Geschichte der Berghütte mit einbezieht, dann fällt zunächst auf, dass zum Beispiel der Bergführer früher als Führer der feinen Leute zwar eine höhere Stellung als diese inne hatte, aber eben nur bezogen auf das relevante Wissen für die bevorstehenden Touren. Auf der Hütte waren die ursprünglichen, damals geltenden gesellschaftlichen Positionen wieder in ihr Recht eingesetzt, also relevant für den Umgang und die Verhaltensweisen unter den Anwesenden. Der feine Herr schlief im feineren und besser ausgerüsteten Teil der Hütte, mit einzelnen

Zimmern und Möbeln, während der Bergführer mit seinen Kollegen oft einen Raum teilen musste.225 Auf der Hütte war also das Bergwissen nicht mehr relevant, da man sich ja sozusagen wieder in einer zivilisierten Enklave in der Einsamkeit der Berge befand. Die gesellschaftlichen Strukturen des Tales wurden damals auf der Berghütte reproduziert. Das heißt, dass die hierarchischen Strukturen durch die Unterschiede im sozialen, gesellschaftlichen Status nicht aus dem Hüttenleben ausgeschlossen, sondern Teil desselben waren. Allerdings ist hier anzumerken, dass es in diesen Zeiten hauptsächlich Adelige und Unternehmer waren, die es sich leisten konnten die Alpen zu bereisen.

Dieses Verhältnis scheint sich in der Vergangenheit in zweifacher Weise gewandelt zu haben, da es, vor allem seit dem Beginn des Massentourismus auch in den Alpen, für viele „normale“ Bürger möglich wurde die Berge zu bereisen und wandern zu gehen. In zweifacher Weise deshalb, und das soll dieses Kapitel zeigen, weil zum einen die starke Tendenz vorhanden ist, dass sich auf einer Hütte die Menschen als Gleichgestellte betrachten, egal zu welcher sozialen Schicht sie in der Alltagswelt gehören, zum anderen, da es meiner Ansicht nach dennoch versteckte oder sagen wir tiefer liegende hierarchische Strukturen zu geben scheint, die den Umgang untereinander und die Strukturen des Hüttenlebens beeinflussen.

Geht man nochmals in der Zeit zurück, dann sind Erzählungen von Besteigungen mit teilweise drei Bergführern und vier Kunden keine Seltenheit.226 Mit dem beginnenden Bergtourismus als Massenbewegung fällt dann zunächst auf, dass sich das Verhältnis von Bergführer und Wanderer ändert. Es werden viel mehr Touren begangen ohne Bergführer und nur schwere Touren werden noch mit einem ausgebildeten Bergführer unternommen. Irgendwann in dieser Zeit, so genau ist das nicht zu bestimmen, muss es dann geschehen sein, dass zum einen der Bergführer einen anderen Status zugesprochen bekam und zum anderen, dass das Verhältnis unter den Gästen und auch gegenüber den Wirten sich dergestalt wandelte, dass, zumindest vordergründig, alle Mitglieder dieser sozialen Welt auf der gleichen sozialstrukturellen Stufe standen. Oder anders ausgedrückt, dass die gesellschaftlichen Positionen, die man außerhalb der sozialen Welt innehat, in den Bergen und auf den Hütten nicht mehr gelten und auch nicht gelebt werden. Als klar beobachtbare Indikatoren dieses Sachverhalts ist zum Beispiel der „freundliche Gruß“ anzusehen, der von fast jedem Menschen an sein Gegenüber gerichtet, also

225 Krämer (1985), S. 10.

226 Wie zum Beispiel die Erstbesteigung des Matterhorns im Jahre 1865.

ausgesprochen wird, sobald er sich im „Einzugsgebiet“ der sozialen Welt der Berghütte befindet. Als weiteres Beispiel ist hier das „Du“ nochmals zu nennen, welches zwischen Jungen und Alten, zwischen Erfahrenen und Laien, zwischen dem Doktor und dem Hilfsarbeiter zur persönlichen Anrede verwendet wird. Dadurch sollte hinreichend deutlich geworden sein, dass die formalen gesellschaftlichen Strukturen des „Tals“ in dieser Teil-Wirklichkeit ausgeschlossen sind.

Diese Gleichstellung227 ist es meiner Ansicht nach auch, die zumindest einen Teil der Anziehungskraft der Berghütte auf die Menschen ausmacht. Lässt man den Hauptanziehungspunkt, also die Berge und die Natur, zunächst einmal beiseite, dann kann ,einer Ansicht nach die zeitlich und räumlich begrenzte Aufhebung gesellschaftlicher Zwänge und Normen und die damit anscheinend verbundene Geselligkeit untereinander sogar als das Problem angesehen werden, welches auf einer Berghütte gelöst wird. Jeder darf einerseits für eine begrenzte Zeit derjenige sein, der er sein will (z.B. der erfahrene Berggeher) und andererseits darf jeder dort einmal wieder derjenige sein, der er schon lange nicht mehr sein durfte228 Keiner wird in dieser Welt also als das erkannt oder wieder erkannt, was er außerhalb dieser sozialen Welt darstellt und ist, sondern in der Teilhabe an der Welt der Berghütte wird er dem Gegenüber ähnlich, das heißt auf die gleiche Stufe gestellt. Der Wunsch nach dem Erlebnis von Natur und Ruhe oder Gemeinschaft und Geselligkeit und des eigenen „Seins-wie-man-will“ verbindet die Mitglieder und produziert die eben angesprochene Geselligkeit aus dem Wunsch nach derselben.

Die Gemeinschaft von Gleichen, wie man es hier zunächst nennen könnte, existiert also nicht schon immer, sondern entwickelt und reproduziert sich erst durch ein Verlangen von Seiten der Mitglieder nach einer solchen Geselligkeit. Das heißt also, dass auch hier der einfache Grundsatz gilt, dass die dort relevanten sozialen Strukturen das Handeln der Individuen bedingen und dass anders herum auch die

227 Dies wird hier nicht im Sinne einer Gleichstellung in sozialistischer oder kommunistischer Lesart verstanden, sondern vielmehr als eine zeitlich beschränkte „freiwillige“ Aufhebung der gesellschaftlichen Strukturen. „Freiwillig“ steht hier deshalb in Anführungszeichen, da wir weiter oben bereits gesehen haben, dass dieses „Du“ auch zu den Normen oder Regeln der Berghütte gehört und somit eine Weigerung gegen ein solches Verhalten Sanktionen von anderer Seite nach sich ziehen könnte.

228 Laut einer Erzählung eines Wirtes waren drei hohe Herren anfänglich noch recht reserviert, aber später hätten sie dann lautstark gesungen und ihm danach erzählt, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis man den Alltag abgelegt hat und sich an frühere Zeiten und das frühere Wohlbefinden in den Bergen erinnert.

Individuen durch ihr Handeln und ihre Interaktionen die Produktion, Reproduktion und Veränderung der sozialen Strukturen der Teil-Wirklichkeit bedingen.229

Das Zusammengehörigkeitsgefühl oder die daraus resultierende Geselligkeit wird zunächst produziert durch die Ähnlichkeit der Gründe der Menschen eine soziale Welt „fern ab“ der „Welt im Tal“ zu einer ihrer relevanten Teil-Wirklichkeiten zu machen. Diese Gründe lassen sich hier wieder nur bezeichnen als einerseits, im Sinne einer positiven Definition, eine gewisse Erlebnisorientierung230 oder andererseits, im Sinne einer negativen Definition, als Flucht aus der Gewohnheit oder des „Lebens-wie-immer“. Diese Ähnlichkeiten im Empfinden und im Zweck des Hüttenbesuchs formen in den Menschen durch Interaktion und Kommunikation die Strukturen, Regeln, Bräuche und auch die internalisierten Handlungsmuster, also die Deutungsmuster der Teilnehmer, der kleinen Lebens-Welt der Berghütte. In Anlehnung an Berger und Luckmann231 geschieht dies durch Externalisierung, Objektivierung und Internalisierung. Das heißt also, dass zunächst durch die Veräußerung von Zwecken und Gründen oder auch Empfindungen in der Interaktion mit anderen, also dem Aussprechen des „subjektiv gemeinten Sinns“ des Einzelnen, diese Sachverhalte greifbar und somit Gegenstand von Gesprächen und Diskussionen werden können. Aus diesen Gesprächen bilden sich durch Wiederholungen bestimmte Ansichten oder auch Handlungsmuster heraus (Geselligkeit, Zusammengehörigkeit, Flucht vor Gewohnheit). Diese gehen in einen bestimmten Habitus über und werden allmählich zu Mustern und Ansichten, die alle Beteiligten kennen. Von hier aus lösen sich die Ansichten und Muster von ihren Subjekten und werden Teil allgemeingültiger Strukturen, die auch ohne die direkt betroffenen Menschen Bestand haben. Sie werden institutionalisiert, allgemein verfügbar und zu einer Art von Selbstverständlichkeit.

Diese so entstandenen und entstehenden Strukturen werden also an neue Mitglieder und Folgegenerationen weitergegeben, welche diese dann wiederum reproduzieren bzw. übernehmen. Somit werden bestimmte Strukturen und Handlungsmuster zum Kernstück einer sozialen Welt. In unserem Fall: Die Regeln und Strukturen werden Ausdruck für den Kernaspekt der Berghütte – ein auf ähnliche

229 Dieser Grundsatz ist bereits in der Sozialpsychologie Meads angelegt, wo er allein in diesem Wort selbst erkennt, dass ein Individuum nicht abgespalten werden kann von der Gesellschaft, in der es lebt und eben auch die Gesellschaft nicht ohne das Individuum gesehen werden kann (Mead (1969), S. 169.).

230 Vgl. Schulze (2000).

231 Vgl. Berger/Luckmann (2000), vor allem S. 56ff.

Sinnzuschreibungen aufbauendes Zusammengehörigkeitsgefühl, entweder motiviert durch ein erlebnisorientiertes oder durch ein „fluchtgeleitetes“ Denken und Handeln, also absichtsvolles Verlassen der „im Tal“ (Alltagswelt) geltenden gesellschaftlichen Normen und Zusammenfinden mit anderen Gleichgesinnten unter anderen,

„gewünschten“ Voraussetzungen (in der Berghütte).

Darin gibt es nun, wie wir bereits gesehen haben, verschiedene Grade der Identifikation mit der Lebensweise auf der Hütte und der Aneignung von Wissen, welches dort relevant ist. Trotz des Zusammengehörigkeitsgefühls, welches in dem beschriebenen Sinne die Beteiligten einigt, gibt es verschiedene Gruppierungen, die diese Welt als wichtiger oder eben nicht so wichtig, als relevant oder nicht so relevant für ihr Leben ansehen und erleben.232

Daraus entwickelt sich nun meiner Ansicht nach nicht nur die bereits aufgezeigten Wissensgruppierungen, sondern auch unterschwellige, oder sagen wir teilweise versteckte hierarchische Strukturen, die sich hinter der Fassade, oder Bühne (um einen Ausdruck von Goffman zu benutzen), der Gleichstellung aller Mitglieder in der Hütte finden lassen. Diese hängen sehr stark mit der Verteilung des Wissens in der Hütte zusammen, denn auch diese Strukturen werden wechselseitig durch die Positionsinhaber reproduziert.

Beginnen wir hier „von unten“. Der Tourist hat, auch wenn er außerhalb der sozialen Welt vielleicht eine gehobene Position begleitet, auf der Berghütte doch nur eine untere Position, die ihm, äußerlich erkennbar durch sein Auftreten und sein geringeres in Interaktionen veräußertes Wissen, von den anderen Mitgliedern zugeschrieben wird. Er wird deshalb auch gerne als der „Stadtmensch“ bezeichnet.

Sich von diesem abzugrenzen ist das erklärte Ziel der meisten Bürger der sozialen Welt. Selbst der Tourist tendiert dazu, nach kurzem Aufenthalt in dieser Welt sich von seinem eigenen Ich zu distanzieren. Durch seine Unwissenheit und seine Nähe zur

„Talgesellschaft“ wird ihm dieser Titel zuteil, womit eine niedere Stellung innerhalb der Hüttenhierarchie verbunden ist. Der Tourist als Typus wird demnach auf einer Hütte niemals aussterben, da es einerseits immer neue Mitglieder geben wird, denen der Titel des Touristen berechtigterweise zukommt, außer sie sind durch den Besuch anderer ähnlicher Welten mit den Regeln und Strukturen des Hüttenlebens irgendwie vertraut. Andererseits kann der Tourist aus der Typologie der Hüttenbesucher nicht verschwinden, weil er für die anderen, dauerhafteren Mitglieder als

232 Siehe Abschnitt 5.2. dieser Studie.

Abgrenzungstypus gilt, als der generalisierte Andere233 an dem man sich nicht orientiert, sondern zu dem man größtmögliche Distanz im Auftreten, Verhalten, Wissen und Umgang einhalten will.

Das andere, obere Ende der hierarchischen Hüttenstruktur bildet der Typus des Hüttenwirtes. Legitimiert durch den Status des Besitzers der Hütte, also dem Status eines Hausherren einerseits und seinem umfassenden, exklusiven also expertenhaften Wissen andererseits, nimmt er in der kleinen Lebens-Welt nicht nur eine zentrale Stellung, sondern auch eine „erhabene“ Stellung ein. Legitimiert wird seine Stellung als Zentralfigur von den Gästen dadurch, dass sie zum einen seine Stellung als Hausherr akzeptieren234 und zum anderen dadurch, dass bezüglich der Auskünfte über Wege, Touren und Wetter seinen Worten am meisten Glauben geschenkt wird. Durch die Legitimation der Gäste wird die Stellung des Wirtes gefestigt und wird selbst dann noch nicht in Frage gestellt, wenn er explizit das Gehen einer Tour untersagt, obwohl die Verhältnisse dies, Beispiel aus den Augen zum eines Berggehers, nicht rechtfertigen. In solchen Situationen ist meines Erachtens nicht mehr nur von hierarchischen Verhältnissen aufgrund der geschichtlichen Entwicklung oder der Wissensverteilung zu sprechen, sondern es kann sogar von einem Herrschaftsverhältnis gesprochen werden235, welches demjenigen der traditionalen und charismatischen Herrschaft bei Weber ähnelt.236 Herrschaft im Sinne Webers heißt nun für einen Befehl bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.237 Traditional in Webers Sinne heißt eine Herrschaft, wenn sich ihre Legitimität auf seit jeher bestehende Ordnungen und Herrengewalten stützt.238 Charismatisch soll eine Herrschaft dann heißen, wenn der Herrscher eine als außeralltäglich, übernatürlich oder übermenschlich geltende Qualität oder Eigenschaft besitzt und darum als „Führer“ gewertet wird.239

Traditionale Herrschaft kommt meines Erachtens dem Hüttenwirt in dem Sinne zu, dass er seit jeher derjenige ist und war, der als das Oberhaupt der Hütte gilt und auch die Macht besitzt die Ordnung auf der Hütte aufrecht zu erhalten. Diese

233 Vgl. Mead (1973) S. 194ff.

234 Dies ist zum Beispiel dann klar zu erkennen, wenn sich alle Gäste, einschließlich der Bergführer, um 22 Uhr in ihre Betten schicken lassen.

235 Womit hier davon ausgegangen wird, dass Hierarchie nicht gleichbedeutend sein muss mit Herrschaft. Hierarchische Strukturen zeigen zwar jedem Individuum an, welcher seiner Gegenüber eine höhere Position einnimmt, dennoch ist damit nicht notwendigerweise verbunden, dass sich der eine dem anderen Untergeben fühlt.

236 Vgl. Weber (1976), S. 122ff.

237 Ebd. S. 28.

238 Ebd. S. 130.

239 Ebd. S. 140.

Position als Oberhaupt ist auch in dem Wissen der Hüttengäste verankert240 und legitimiert dadurch dieses Verhältnis zwischen Wirt und Gast. Als charismatisch kann ein Hüttenwirt angesehen werden, da er in den Augen vieler Mitglieder spezifische, außeralltägliche Eigenschaften oder Fähigkeiten besitzt, welche die traditionale Herrschaftsposition noch festigen.241Mit Blick auf die Gäste kann meines Erachtens, und das würde die Anlehnung an Webers Ideen der Herrschaft noch bestärken, ein Interesse am „Gehorchenwollen“242 erkannt werden, und zwar aus dem einfachen Grund, dass während der gesamten Beobachtungs-/Feldphase nie ein Widerwort gegenüber dem Wirt vernommen wurde.

Nachdem nun sowohl die Position des Touristen, als auch die des Hüttenwirtes rekonstruiert ist, richtet sich das Augenmerk hier auf die anderen Teilnehmer an der „Veranstaltung“ Berghütte. Die Rekonstruktion ihrer Positionen und Perspektiven im hierarchischen Gefüge ist nicht so klar ersichtlich wie bei den beiden Extremen, dem „Oben“ und dem „Unten“. Der Bergführer hat dabei noch die am deutlichsten erkennbare Position. Auch er steht, ähnlich dem Wirt, innerhalb der Welt der Hütte sehr weit oben. Er kann als die zweite Kraft neben dem Wirt angesehen werden und ist sogar, wie weiter oben bereits gezeigt wurde, durch den offiziellen Titel legitimiert. Dennoch ist davon auszugehen, dass auch im Selbstverständnis des Bergführers der Wirt die „letzte Instanz“ darstellt. Denn auch ein Bergführer gehorcht einem Wirt, auch wenn es sich dabei um außerhalb der Hütte liegende Aspekte oder Probleme handelt. Meines Erachtens lässt sich dieses Verhältnis darauf zurückführen, dass ein Bergführer den dauerhaften Wohnsitz des Wirtes in den Bergen als ausreichenden Grund dafür anerkennt, dass dieser zwar ein regional begrenztes, aber dafür das ausdifferenzierteste Wissen von allen Mitgliedern dieser Welt hat. Dies muss er mit Blick auf die Verantwortung gegenüber seinen Kunden berücksichtigen und sich somit der Hierarchie fügen, sie dadurch aber auch reproduzieren.

Berggeher und Wanderer unterscheiden sich in ihrer Position meiner Ansicht nach nur graduell. Ihre Position in der kleinen Lebens-Welt ist die Mitte. Sie erkennen beide die höheren Positionen des Wirtes und des Bergführers an. Da sie in dieser Welt noch eher als der Tourist „sozialisiert“ sind, werden von ihrer Seite durch

240 Hier sei nochmals auf die Abfolge von Externalisierung, Objektivierung und Internalisierung verwiesen wie sie Berger und Luckmann (2000) beschreiben.

241 Dazu gehören dann zum Beispiel die Fähigkeit der Wettervorhersage, speziell für die Region, oder die richtige Einschätzung von Wegen, obwohl er selbst schon länger nicht mehr dort gewesen ist.

242 Weber (1976), S. 122.

dementsprechendes Verhalten und Handeln die Verhältnisse noch intensiver erlebt und in ihren Sinnzuschreibungen weitergegeben als beim Touristen. Sie grenzen sich beide von ihm als dem „Stadtmenschen“ ab und verfügen effektiv auch über ein umfangreicheres Wissen als dieser. Jedoch besitzen sie auf der anderen Seite natürlich ein geringeres Wissen als der Wirt und der Bergführer. Ob nun ein Berggeher oder ein Wanderer die höhere Position in der Hierarchie einnimmt liegt vordergründig am internalisierten Wissen über die kleine Lebens-Welt. Es lassen sich aber auch andere soziale Komponenten ausmachen, die einen Wanderer in eine höhere Position bringen. So kann zum Beispiel das Gehen schwerer Touren im höheren Alter oder Erzählungen von schweren Touren in der Vergangenheit (was dann die Verwendung von älterem, also technisch nicht so ausgereiftem, Material einschließt) zur Folge haben, dass einer bestimmten Person eine höhere Position im sozialen Gefüge der Berghütte eingeräumt wird, als ihr aufgrund ihres geäußerten Wissens zukommen würde. Der Respekt, den man einer bestimmten Person entgegenbringt, kann diese also zum Beispiel höher stellen. Dies geschieht meiner Ansicht nach meist bei den zwei Typen des Berggehers und des Genusswanderers.

Um in der Weberschen Tradition zu bleiben, können der Berggeher und der Genusswanderer dann als die „Anhänger“ im Sinne der charismatischen und als die

„Untertanen“ im traditionalen Sinne angesehen werden.243 Sie erledigen zwar nicht praktische Aufgaben für der Wirt, aber durch ihr wiederholtes Erscheinen auf den Hütten legitimieren sie die Existenz der Berghütten und auch die Position des Wirtes.