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Zielgruppenbestimmung

Im Dokument Innovatives Bankmarketing (Seite 184-187)

III. Erfolgsstrategien im Direct Banking

12. Der Ansatz einer ganzheitlichen Direct Banking Strategie

12.3. Planungs- und Organisationsphase („Designphase”)

12.3.4. Zielgruppenauswahl

12.3.4.4. Zielgruppenbestimmung

Weil die elektronischen Vertriebswege eine wesentlich schnellere Reaktion auf die Entwick-lung der Finanzmärkte erlauben als konventionelle Wertpapierorders, konzentrieren sich die wertpapieraffinen Privatkunden zunehmend auf Direktbanken. Das hat auch Auswirkungen auf die Orderhäufigkeit. Direktbankkunden sind weitaus stärker am Börsengeschehen beteiligt als herkömmliche Filialbankkunden. Konkrete Zahlen liefert die Stadtsparkasse München. Ihre Wertpapierkunden erteilen den Kundenbetreuern durchschnittlich 7,5 Auf-träge pro Jahr. Bei den Teilnehmern am direkten Ordersystem hat sich diese Zahl dagegen mit 13,5 Kauf- oder Verkaufsorders annähernd verdoppelt.712 Vor allem aufgrund der niedrigeren Transaktionsgebühren schichten Direktbankkunden ihre Wertpapierbestände deutlich häufiger um als die Filialkunden.713

Das Ertragspotenzial eines Online-Kunden fällt pro Jahr um etwa 50 € höher aus als das einer Offline-Kundenbeziehung, hat die LBBW in einer internen Studie nachgewiesen.

Bei dieser Berechnungsmethode wurden sowohl die reduzierten Kosten als auch die höheren Erlöse berücksichtigt.714

Kundenprofil analysieren und aufzeigen, nicht aber das zukünftige Potenzial, das sich hinter einer Kundenverbindung verbirgt. Jeder Kunde verändert sich aber im Zeitablauf.

So kann beispielsweise das Haushaltsnettoeinkommen eines Kunden aufgrund beruflicher Beförderung ansteigen, oder das Interesse an Fondssparplänen plötzlich verloren gehen.716 Die Citibank und die ING-DiBa wenden sich recht eindeutig an die Zielgruppe des optimalen Service suchenden Kunden. Bei maxblue, der comdirect bank, aber auch den beiden Discount Brokern CortalConsors und DAB bank sind die Geschäftsbemühungen auf die Zielgruppe der vorrangig konditionsbewussten Kunden ausgerichtet. Die American Express Bank und die Santander Direkt Bank richten sich dagegen als typische Produktbanken je nach Produkt und Markt an völlig verschiedene Zielsegmente aus.717 Charles Schwab, der größte US-amerikanische Online-Broker, zieht dagegen vor allem solche Anleger an, die an einem One-Stop-Shopping718 interessiert sind bzw. spezielle Zukunftssicherungs-pläne und Anlageprodukte erwarten.719 Dagegen werden Anbieter, die künftig noch allen Kundengruppen alles anbieten wollen, scheitern. Zielgruppenorientierung ist vielmehr eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg im Direct Banking. Das gilt sowohl für die Direktbanken als auch für die Discount Broker.720 In Abbildung 3-47 sind noch einmal die Faktoren der Zielgruppenbestimmung dargestellt.

12.3.4.4.1. Begründung für die vorläufige Konzentration auf bestimmte Zielgruppen

Direktbanken sind überwiegend auf mittlere und höhere Einkommensbezieher ausgerichtet.

Als Indikator kann dazu unter anderem das durchschnittliche Einlagevolumen pro Kunde dienen, das erheblich über dem Marktdurchschnitt liegt. Wenn sich Direktbanken jedoch an vorwiegend wohlhabende Privatkunden wenden, warum dann nicht gleich an den Gesamtmarkt? Die Begründung für die vorläufige Konzentration auf vergleichsweise wenige Zielgruppen läuft auf vier Aspekte hinaus.

► „Abnutzung”

Zum einen ist das Argument der „Abnutzung“ hervorzuheben. Die moderne Marketing-lehre vertritt die Auffassung, dass der Kontakt mit dem Kunden im richtigen Zeit-punkt aufzunehmen ist. Dahinter steht der Gedanke, dass bestimmte Kundengruppen, die vorab angesprochen werden, unter Umständen in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine genaue Zielgruppenansprache kann unter diesem Aspekt daher als Verzicht auf kurzfristige Wachstumsmaximierung zugunsten einer langfristigen Wachstumsmaximierung interpretiert werden.

► „Abstimmung”

Das zweite Argument für eine klare Zielgruppendefinition besteht darin, dass Markt-segment und Leistungsspektrum aufeinander abgestimmt werden müssen. Je breiter das Marktsegment definiert wird, desto flexibler muss das Leistungsspektrum ausgestaltet werden. So konnte beispielsweise bei neugegründeten Direktbanken, die mittelfristig eine relativ breite Produktpalette implementieren wollten, ein stufenweises Vorgehen beobachtet werden. In der Markteintrittsphase strebten diese Institute vorerst eine Zweitbankverbindung an und beschränkten ihr Angebot zunächst auf einige Schlüsselprodukte, wie etwa ein Tagesgeldkonto. Zu einem späteren Zeit-punkt wurde dann das Produktprogramm um ein Girokonto ergänzt und damit zur Hausbankverbindung gewechselt.721 Wer sich bemüht, allen alles zu bieten, der muss auch allen Preisvorstellungen, allen Serviceanforderungen, sowie der zunehmenden Komplexität von Beratungsthemen gerecht werden. Je breiter das Spektrum der Kunden gerät, die eine Direktbank zu bedienen sucht, desto komplizierter wird unausweichlich der Betreuungsaufwand. Umgekehrt können Direktbanken ihre betriebliche Komplexität vermindern, indem sie nur in Angebote und Produkte investieren, die für ihre Zielkunden interessant sind.

► „Ressourcen”

Schließlich kann die Zielgruppenauswahl durch die finanziellen Ressourcen des Anbieters eingeschränkt sein. Auch in diesem Fall sind die Direktbanken gezwungen, sich zumindest in der Markteintrittsphase erst einmal ihre vordring-lichen Zielgruppen aus dem Gesamtmarkt der Bankkunden herauszuschneiden.

So verfügte beispielsweise die ehemalige Bank GiroTel über einen vergleichsweise geringen Werbeetat und konnte sich deshalb nicht an alle Kundengruppen wenden.722

► „Rentabilität”

Wird bei der Neukundengewinnung undifferenziert verfahren, wirkt sich das zudem negativ auf die Rentabilität aus. So zeigt sich, dass die meisten Direktbanken ihre Kunden wenigstens drei bis vier Jahre lang binden müssen, um überhaupt rentabel zu sein. Wie die Bankpraxis zeigt, springt ein großer Teil der Neukunden jedoch schon wesentlich früher wieder ab. Jede Direktbank, die der Strategie folgt, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Kunden zu akquirieren – ohne Rücksicht darauf, ob sich mit ihnen langfristige Geschäftsbeziehungen knüpfen lassen –, muss demnach mit unangenehmen Überraschungen rechnen. Direktbanken, die sich hochgradiger

Kundentreue erfreuen, wissen bereits, dass sie ihre Anstrengungen auf jene Kunden richten müssen, denen sie kontinuierlich einen überragenden Wert liefern können.

12.3.4.4.2. Erweiterung der Zielgruppe

Die Direktbanken und Discount Broker sprechen zwar eine wirtschaftlich interessante, aber zahlenmäßig doch eng begrenzte Zielgruppe an. Aufgrund strategischer Überlegungen können diese daher gezwungen sein, ihre bisherige Geschäftspolitik zu überdenken. Obwohl die unter Punkt 12.3.4.4.1. angeführten Gründe für eine vorläufige Konzentration auf bestimmte Zielgruppen sprechen, erscheint bei langfristiger Betrachtung eine Erweiterung der Zielgruppe durchaus sinnvoll bzw. unumgänglich. Die damit verbundene Ausweitung des Angebotes an Bankdienstleistungen führt die Direktbanken und Discount Broker jedoch in ein Dilemma, denn die Spezialisierung der verschiedenen Anbieter geht dadurch immer mehr verloren. Schon jetzt haben viele Direktbanken ihre erstmals gefundene Zielgruppe erweitert und sind damit in mehreren Kundensegmenten aktiv. Dennoch decken die meisten Direktbanken bislang nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtprivatkundensegment ab (siehe Abbildung 3-48).723

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