• Keine Ergebnisse gefunden

Soziale Bedenken 1. Kritik

Im Dokument Innovatives Bankmarketing (Seite 99-102)

III. Erfolgsstrategien im Direct Banking

10. Kritische Beurteilung des Direct Banking

10.4. Problemfelder im Direct Banking

10.4.4. Soziale Bedenken 1. Kritik

Auch gegen die konsequente Anwendung des Direct Banking-Prinzips wurden in der Literatur Bedenken laut. Dabei richtet sich die Kritik weniger gegen die mit dieser modernen Form des Bankgeschäfts erzielten Ergebnisse, sondern es werden in erster Linie soziale Bedenken geäußert.

10.4.4.1.1. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Das erste dieser Argumente bezieht sich darauf, dass Mitarbeiter im Rahmen ihrer tele-fonischen Kundengespräche vom Vorgesetzten an dessen Telefon-Terminal jederzeit abgehört werden können. So beinhalten moderne Telefonanlagen Steuerungs- und Kontroll-instrumente, mit denen sich im Call Center sicherstellen lässt, dass die Teamleiter in den meist telefonischen Kommunikationsprozess zwischen Mitarbeiter und Kunden eingebunden sind („Call-Monitoring-Verfahren“).369 Durch das „Einklinken“ in die Kundengespräche geht es vor allem darum, noch bestehende Servicedefizite zu erkennen und gegebenenfalls Schulungs-maßnahmen für das Personal einzuleiten. Andererseits lässt sich die Gesprächstechnik des Servicemitarbeiters am Telefon optimieren. Die „ständige Überwachung des einzelnen“370 ist somit in erster Linie als Hilfe gedacht. Diese Form der Hilfestellung kann jedoch von den Mitarbeitern auch negativ aufgefasst werden, so dass Zweifel an einer humanen Arbeits-atmosphäre bestehen können.371

Neben der Überwachungsproblematik, stützen sich weitere Bedenken darauf, dass die Beschäftigten im Direktbankgeschäft eine besondere Verletzlichkeit aufweisen, weil sie „hohen physischen und psychischen Belastungen“372 ausgesetzt sind, oder, dass die Monotonie der Arbeit zu Unzufriedenheit führt. Auch dürften sich die Lärm-, Licht- und Luftverhältnisse

in einem Großraumbüro negativ auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirken.373 Darüber hinaus erweisen sich die Teilzeitstruktur und der Rund-um-die-Uhr-Schichtbetrieb als große Hindernisse, Betriebsversammlungen abzuhalten, da die Arbeitszeiten der Betriebsräte und der Beschäftigten deutlich voneinander abweichen.374

In einer Studie der hessischen Arbeitsschutzverwaltung wurde der Nachweis erbracht, dass die Arbeitsbedingungen in Call Centern besonders hart sind und zu erhöhtem Stress führen.

Die Arbeitsplätze in Call Centern sind oft sehr beengt, für Pausen bleibt in hektischen Phasen wenig Zeit und die Arbeit selbst ist wenig abwechslungsreich. Medizinische Untersuchungen gelangten zu dem Ergebnis, dass die Produktion von Stresshormonen, die Blutfett- und Blut-zuckerwerte sowie die Herzfrequenz selbst in der Freizeit vergleichsweise hoch ausfallen.375 10.4.4.1.2. Drohende soziale Isolation

Auch die Gefahr einer drohenden sozialen Isolation der Beschäftigten im Direktbank-geschäft ist ein weiteres wesentliches Argument, welches gegen Direct Banking spricht. Die Service-Mitarbeiter im Call Center sind zwar in kommunikationsfördernden Großraumbüros untergebracht, jedoch grundsätzlich voneinander separiert.376 Da die Mitarbeiter während der Kommunikation mit Kunden überwiegend via Kopfhörer mit integrierten Sprecheinheiten ausgestattet sind, bieten sich während der im Schichtbetrieb zu absolvierenden Arbeitszeit nur wenig Kontaktmöglichkeiten untereinander.

10.4.4.1.3. Ungeschütztes Beschäftigungsverhältnis

Ein großer Vorteil von Direktbanken liegt darin, sehr flexibel auf die teilweise extremen Nachfrageschwankungen der Finanzmärkte reagieren zu können Hierin liegt aber auch eine Gefahr für die Mitarbeiter. Beispielsweise geht ein im Direktbankgeschäft zu beobachtender Trend dahin, dass die Direktbanken ihren Personalbedarf im Rahmen von Dauerarbeitsver-hältnissen möglichst gering zu halten versuchen. Zunehmend sind Bemühungen erkennbar, den Mitarbeitern befristete Arbeitsverträge anzubieten. Beispielsweise werden für den telefonischen Kundenservice im Call Center bevorzugt Studierende akquiriert.377 Die Lockerung der Einstellungskriterien im Direct Banking kann demnach mit der Lockerung des Beschäftigungsverhältnis gleichgesetzt werden. Bei der Einführung des Direct Banking wurden neue Strukturen geschaffen. Daher ändert sich auch der Rechtstatus der Beschäftigten.

So gelten für die Beschäftigten bei einer Direktbank andere Rechts- und Schutzvorschriften, die im Vergleich zum Arbeitsverhältnis bei einer Filialbank erheblich geringer sein können.

10.4.4.1.4. Schlechte Karrieremöglichkeiten

Bei vielen Direktbankmitarbeitern besteht außerdem die Befürchtung schlechter Karriere-möglichkeiten. Dahinter steht der Gedanke, dass das Direct Banking gedanklich mit Dequalifikation verbunden wird.

10.4.4.2. Stellungnahme

Dem Inhalt dieser Einwände ist durchaus zuzustimmen. Die hieraus gezogene Konsequenz, dass Direct Banking deshalb abzulehnen, wäre jedoch falsch. Den sozialen Bedenken könnte

nämlich im Rahmen des Direktbankgeschäfts Rechnung getragen werden. So lassen sich einige dieser Probleme durch eine veränderte Arbeitsplatzgestaltung sowie organisatorische Veränderungen lösen, etwa durch eine strikte Einhaltung der Pausenzeiten.378

10.4.4.3. Lösungsansätze

Zum Kritikpunkt „ständige Überwachung“ ist anzumerken, dass es sich bei dem „Einklinken“

in Telefongespräche lediglich um gezielte Stichproben handelt, die zudem fast ausschließ-lich in der Einlernungsphase der Mitarbeiter Anwendung finden. Darüber hinaus gilt der Teamleiter als fachlicher, nicht aber als disziplinarischer Vorgesetzter des gesamten Teams.

Besondere Beachtung verdient auch der Vorwurf einer „fehlenden humanen Arbeits-atmosphäre“. Der Raum als Arbeitsplatz beeinflusst ganz erheblich die Motivation bzw.

den Leistungswillen der Bankmitarbeiter und wirkt sich überdies auf die Produktivität der gesamten Leistungserstellung einer Direktbank aus. Deshalb müssen neben organisatorischen und kostenmäßigen Aspekten arbeitsphysiologische, arbeitspsychologische und soziologische Aspekte beim Großraumbüro Berücksichtigung finden.379

Die Gefahr sozialer Vereinsamung bei der Arbeit in einem Call Center war zu Beginn der 1990er Jahre eine oft genannte Befürchtung, die durchaus berechtigt war und ist. Um einer drohenden Vereinsamung vorzubeugen ist es im Direktbankgeschäft besonders wichtig, dass die Kommunikation unter den Mitarbeitern gefördert wird. In der Praxis dürfte sich die Einführung von Mitarbeitersitzungen als geeignetes Mittel zur Unterstützung sozialer Kommunikation erweisen. Aber auch durch die Nutzung einer leistungsfähigeren Telekom-munikationstechnik könnte Isolationstendenzen entgegengewirkt werden. In Ergänzung zu e-Mail und Telefon könnte der künftige Einsatz von Videokonferenzsystemen den Kontakt zu Kollegen und Kunden wesentlich persönlicher gestalten. Außerdem könnten Workshops durchführt werden, in denen über alle Hierarchieebenen hinweg die gemeinsame Erarbeitung von Verbesserungsmaßnahmen im Mittelpunkt steht. Eine andere Möglichkeit wäre, in regelmäßigen Abständen eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern zum gemeinsamen

„business lunch“ mit der Geschäftsleitung einzuladen.380

Zum Themenpunkt „ungeschütztes Beschäftigungsverhältnis“ bleibt anzumerken: Es muss sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber geprüft werden, welche unterschied-lichen Interessen bestehen und mit welcher Beschäftigungsform sich diese Interessen in Einklang bringen lassen.

Um schließlich die Befürchtung schlechterer Karrieremöglichkeiten gänzlich aus dem Wege zu räumen, könnte man ein „Recht auf betriebliche Weiterbildung“ festlegen. Auch den Direktbanken selbst muss an einer Weiterqualifizierung ihrer Mitarbeiter gelegen sein, da sich nur auf diesem Wege die hohen Produktivitätsvorteile des Direct Banking erhalten lassen. So könnten beispielsweise den Call Center-Mitarbeitern genauso wie allen anderen Beschäftigten Fernlehrgänge oder Intensivkurse angeboten werden. Außerdem ist darauf zu achten, dass das Aufgabengebiet der Service-Mitarbeiter nicht unnötig auf monotone Arbeiten reduziert wird.

In der Praxis sollten sich Beispiele dafür finden lassen, wie eine Anreicherung der Tätigkeiten

zu erzielen wäre. Als positives Signal bietet sich auch die Erleichterung des Wiedereinstiegs in den Beruf nach einer Kinderpause an.

10.4.5. Die Gefahr einer unzureichend gelungenen Positionierung

Im Dokument Innovatives Bankmarketing (Seite 99-102)