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Veränderte Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen in der Bankpraxis als Herausforderung für das Direct Banking

Im Dokument Innovatives Bankmarketing (Seite 33-42)

II. Grundlagen des Direct Banking

5. Bedeutung des Direct Banking

5.1. Veränderte Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen in der Bankpraxis als Herausforderung für das Direct Banking

Die Aktualität, Bedeutung und Relevanz des Direct Banking ergibt sich aus einer Reihe sozialer, technischer, rechtlicher und ökonomischer Veränderungen, die in ihren Grundlagen dargestellt werden sollen.51 Die vorstehende Übersicht 2-6 enthält – ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben – die wichtigsten Herausforderungen für das Direct Banking, sowie einige zusätzliche Faktoren, die ergänzend Gewicht erlangen können.

5.1.1. Ökonomische Veränderungen

Die Vertreter der deutschen Kreditwirtschaft haben es in der Vergangenheit – allen Widrig-keiten zum Trotz – stets verstanden, ihre Geschäftsvolumina und Erträge kontinuierlich zu steigern. Dieses stabile Geschäft hat ein Umdenken in der Vertriebspolitik nicht notwendig gemacht. Gerade in den letzten Jahren setzte jedoch ein tiefgreifender struktureller Veränderungsprozess bislang ungeahnten Ausmaßes ein.52 Sichtbare Zeichen sind u. a.:

• die Verschlechterung der Ertragssituation bei den Bankinstituten im Vergleich zu den Vorjahren

• der Margen- und Gebührenverfall im klassischen Bankgeschäft

• die höheren Geldeinstandskosten für die Kreditinstitute

• der Aufbau von Überkapazitäten

• die steigende Kostenbelastung

• die erhebliche Verschärfung des Wettbewerbs

Die Ursachen hierfür liegen in grundlegenden Umfeldveränderungen, wie z.B.:53

► Globalisierung und Liberalisierung der internationalen Finanzmärkte

Die gesamten europäischen Finanzmärkte befinden sich derzeit in einer Phase der Deregulierung und Globalisierung. Dadurch ergibt sich mehr und mehr eine Los-lösung des Bankgeschäfts von den traditionellen Grenzen wie Raum und Zeit.54

► Der Wechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt

In den frühen 1970er Jahren konnte noch von einer Verkäufermarktsituation gesprochen werden, denn die Kreditinstitute konnten damals noch großen Wert auf solche Produkte legen, die ihren eigenen Interessen entsprachen.55 Mittlerweile hat sich der deutsche Markt für Finanzdienstleistungen immer mehr vom Verkäufer- zum Käufermarkt entwickelt.56

► Das Auftreten neuer Wettbewerber

Der ohnehin starke Wettbewerb hat sich noch dadurch verschärft, dass nicht nur Finanzinstitute sondern zunehmend auch Anbieter aus dem Bereich der „near-“ und

„non-banks“, Telekommunikationsanbieter und große Softwareunternehmen in den Bankenmarkt eingedrungen sind und sich bestimmte lukrative Bereiche und das damit verbundene Geschäft sichern (siehe Abbildung 2-7).58

► Wachsende Bedeutung alternativer Vertriebswege

Das typische deutsche Vertriebssystem der Banken war jahrzehntelang durch die eindeutige Dominanz des stationären Vertriebswegs geprägt. Direkte Vertriebswege hingegen – sieht man vom Briefverkehr ab – hatten eine völlig untergeordnete Bedeutung. Indem sich die

Industriegesellschaft zu einer Dienstleistungs-, Hochtechnologie- und Wissensgesellschaft veränderte, vollzog sich ein grundlegender Wandel in der Bankenlandschaft.

Als Reaktion auf die geänderten Rahmenbedingungen versuchen viele Banken und Sparkassen, ihre Servicequalität und Effizienz durch moderne Managementmethoden und verstärkten Technikeinsatz zu steigern. Gleichzeitig arbeiten sie intensiv daran, eine Steigerung der Eigenkapitalrentabilität zu erzielen und die Leistungserstellung insgesamt produktiver zu gestalten. Dabei sind konsequentes Outsourcing sowie hohe Rationalisierungsinvestitionen in alternative Vertriebskanäle (z.B. Direct Banking) und in moderne Informationstechnologien die am häufigsten zu beobachtenden Maßnahmen (siehe Abbildung 2-8).59

5.1.2. Soziokulturelle Veränderungen 5.1.2.1. Veränderungen

Die Vergangenheit war geprägt von einer für Banken und Sparkassen beruhigenden Konstellation. Die Vorfahren vererbten regelmäßig die Bankverbindung an ihre Nachkommen.

Vielfach kamen nur die etablierten Anbieter als Kreditinstitute in Betracht, weil sie aufgrund des Images eines Marktführers über hervorragende Ausstrahlungseffekte verfügten. Das Bild des Privatkunden hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend geändert. Die Kreditwirt-schaft sieht sich mittlerweile einem neuen Kundensegment gegenüber, dem „individualisierten Verbraucher“. Es hat sich eine veränderte Anspruchsgesellschaft herausgebildet, die sich ihrer lebenslang gültigen Handlungsmaximen und Verhaltensmuster entledigt hat.60

5.1.2.2. Faktoren des Wertewandels

Das neue Selbstverständnis des Bankkunden wie des Verbrauchers generell ist auf folgende Ursachen zurückzuführen:

► Höhere Bildungsgrad der Konsumenten

Es hat eine ganz erhebliche Niveauverschiebung des Bildungsgrades in der Bevöl-kerung stattgefunden.61 Immer mehr Bankkunden haben Abitur oder verfügen über einen Hochschulabschluss.

► Zukünftige Erbengeneration

Die heranwachsende Kundengeneration verfügt zunehmend über ererbte und nicht selbst geschaffene Vermögenswerte.62 Aufgrund der allmählichen Verschiebung in der Altersstruktur werden bereits heute oder in den nächsten zwei Jahren bundesweit etwa 0,92 Billionen € durch Erbschaften an die jüngere Generation übertragen.63 Dies bedeutet eine durchschnittliche Vermögensverlagerung von 510.000 € je Erbfall.64

► Verbesserte Informationsmöglichkeiten

Der Verbraucher wird schon heute und in den kommenden Jahren noch mehr, durch ein umfangreiches und hochwertiges Informationsangebot immer besser ausgestattet und kann so seine Grundkompetenz in Bankfragen entsprechend stärken.65 Dies ist nicht zuletzt auch ein Verdienst der Medien, deren unabhängige und neutrale Bericht-erstattung rund um das Thema „Geld“ in den vergangenen Jahren eine erhebliche Verbesserung erfahren hat.66

► Verschiebung der Relation Arbeitszeit/Freizeit

Durch Einführung neuer Arbeitsformen ist es zu einer Verschiebung der Relation Arbeitszeit/Freizeit gekommen. Immer mehr Menschen verbinden ein ausgeprägtes Leistungsstreben mit einem gewissen Freizeitwert.

► Hohe Technologiefreundlichkeit

Letztendlich ist auch in technischer Hinsicht ein Entwicklungs- und Reifeprozess erkennbar. Den modernen Bankkunden bereitet die Nutzung neuer Medien auf breiter Front immer weniger Probleme.67

5.1.2.3. Beeinflussung der Bank-Kunde-Beziehung

Vor diesem Hintergrund wird sich die Kunde-Bank-Beziehung grundlegend ändern. Die Grundbedürfnisse der Kunden bleiben zwar im Wesentlichen dieselben, jedoch ist mit einer veränderten Einstellung der Verbraucher zu Finanzdienstleistungen und Finanzdienst-leistern zu rechnen, die wie folgt zum Ausdruck kommt:68

► Abnehmende Kundenloyalität

Die Kundenloyalität gegenüber Banken wird tendenziell abnehmen, die Bereitschaft zum Wechsel der Bankverbindung dagegen steigen. Der emanzipierte Bankkunde wird bereits einige wenige negative Erfahrungen zum Anlass nehmen, um die Bank zu wechseln.69 Auch werden Privatkunden zunehmend Geschäftsverbindungen zu mehreren Kreditinstituten unterhalten. Der moderne Privatkunde wird künftig für einzelne Bankgeschäfte vermehrt solche Unternehmen auswählen, die für ihn die optimale Problemlösung anbieten. Dieses vagabundierende Käuferverhalten könnte letztlich die Auflösung des traditionellen Hausbankprinzips bewirken.70

► Forderung nach Transparenz und Offenheit

Auch werden die Kunden von den Kreditinstituten mehr Transparenz und Offenheit fordern.71 Früher war es beispielsweise oft nur gegen den Widerstand der Hausbank möglich, konzernfremde Produkte zu kaufen. Heute fühlen sich immer mehr Banken dazu verpflichtet, dem Bedürfnis nach Fremdprodukten nachzukommen.72

► Individualisierungsstreben

Die Kunden werden sich außerdem immer mehr den Versuchen entziehen, sie in Gruppen und Segmentierungen einzupassen. Ihr Bedarf an Produkten und Dienstleis-tungen wird sich zunehmend individualisieren. So wird der Bankkunde künftig einer-seits Standardprodukte verlangen, wie zum Beispiel Girokonto oder Kreditkarten, andererseits wird er hin und wieder persönliche Beratung erwarten, zum Beispiel bei umfangreichen und komplexen Produkten im Kredit- und Anlagegeschäft, bei Erbvorgängen oder auch bei Versicherungsfragen.73

► Wachsendes Anspruchsniveau der Kunden

Der Bankkunde von heute entwickelt ein höheres Anspruchsniveau. Er wird künftig nicht mehr einfach akzeptieren, welche Finanzdienstleistungen ihm angeboten werden, sondern erwarten, dass das Angebot an seine individuellen Vorstellungen angepasst wird.74

► Streben nach Gleichberechtigung

Der Bankkunde möchte mit sämtlichen finanziellen Anliegen zur Bank kommen dürfen, ohne dabei als Bittsteller angesehen zu werden. Im Gegenteil, sein Ziel wird es sein, von den Kreditinstituten als gleichberechtigter und geachteter Marktpartner anerkannt zu werden.75

► Flexiblere Nachfrage von Öffnungs- bzw. Bereitschaftszeiten von Geldinstituten Zugleich wird ein deutlich höherer Nachfragedruck von Kundenseite entstehen, Bank-geschäfte jederzeit erledigen zu können.76 Versperrte Zugangsmöglichkeiten werden künftig nicht mehr stillschweigend hingenommen.

► Gestiegene Rationalität bei Anlage- und Kreditentscheidungen

Der Bankkunde wird tendenziell kritischer, was in einem ausgeprägten Zins-, Preis- und Qualitätsbewusstsein zunehmend zum Ausdruck kommt. Die Bereitschaft des Kunden, nur für tatsächlich beanspruchte Leistungen einen Preis zu bezahlen wird steigen und auch die Privatkunden werden ohne Konkurrenzangebote einzuholen, immer seltener Anlage- und Finanzierungsentscheidungen treffen.77

In Fortsetzung obiger Argumentation wird Direct Banking für Banken immer interessanter.

Denn der moderne Bankkunde präferiert zunehmend die Eigenschaften: schnell, einfach, zuverlässig, fair, sicher, günstig, bequem und damit typische Eigenschaften jener Anbieter, die sich im Direktbankgeschäft positionieren.78

5.1.3. Technologische Veränderungen 5.1.3.1. Veränderungen

Lange Zeit bestand praktisch die einzige Möglichkeit der personalisierten Kommunikation mit Kunden, abgesehen vom direkten Verkaufsgespräch in der Bank und gelegentlichen Telefonaten, im Dialog per Brief und verwandten Formen des Direct-Mails. Nun setzen sich aber immer neue Medien durch, die eine direkte, zweiseitige Kommunikation ermöglichen.

Neue Anwendungen, deren Realisierung noch vor wenigen Jahren für unmöglich angesehen wurden, sind bereits realisiert oder stehen unmittelbar bevor.79

Unverkennbar ist, dass der technische Fortschritt bereits einen durchgreifenden Struktur-wandel80 im Privatkundengeschäft ausgelöst hat.81 Ergänzt wird diese Entwicklung um das Aufkommen elektronischer Medien und Kommunikationsnetze. Neueste Forschungs-ergebnisse eröffnen hier völlig neue Horizonte für die interaktive Kommunikation mittels Multimedia Messaging Systeme (MMS), interaktiven Fernsehens (iTV), Videoconferencing oder Live-Text-Chat.82

5.1.3.2. Ursachen

Es sind insbesondere vier Faktoren ursächlich für den Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie: Prozessor, Speicher, Kompression und Miniaturisierung.

Erst durch die Miniaturisierung von Bauteilen und Geräten sowie die Entwicklungssprünge bei Chipkarten (smart cards) wurde beispielsweise der mobile Einsatz vollwertiger Computer und Datenübertragungsgeräte möglich. Die immer raschere Entwicklung führte zu einer sprunghaft ansteigenden Leistungsfähigkeit der Hardware bei gleichem oder sogar fallendem Preisniveau.83

5.1.3.3. Auswirkungen des Technologiesprungs

Ebenso wie die vorgenannten ökonomischen und soziokulturellen Veränderungen werden diese technischen Entwicklungen wesentliche Auswirkungen auf das Bankgeschäft haben.

Im Einzelnen anzusprechen sind folgende Punkte:

► Räumliche Flexibilität

Durch moderne Technologien wird es dem Kunde möglich sein, praktisch von jedem Ort aus direkt mit seiner Bank zu kommunizieren.84 Beispielsweise wird es in naher Zukunft zum Standard im Bankgeschäft gehören, mittels neuer Kommunikations-medien wie dem Internet Finanzdienstleistungen unabhängig von Landesgrenzen anzubieten.85

► Höhere Transparenz

Auch werden die neuen Kommunikationsmedien das Gebühren- und Provisions-geschäft transparenter gestalten. Insgesamt wird die Nutzung neuer Kommunikations- und Telekommunikationstechniken zu einer größeren Marktübersicht des Bankkunden führen.86 Neue Medien und Kommunikationstechniken werden grundlegend andere, effizientere Formen der Beschaffung benötigter Informationen ermöglichen.87

► Trend zur stärker automatisierten Abwicklung von Bankdienstleistungen

Ferner wird es hinsichtlich des Angebots an Bankdienstleistungen einen erheblichen Wandel geben.88 Mit Hilfe neuer Technologien wird es gelingen, nicht nur den Zahlungsverkehr, sondern auch jene Produkte und Dienstleistungen, die hochgradig kompliziert sind, zu automatisieren.89

► Neue Zugangswege

Außerdem wird der zunehmende Einsatz von Computer- und Telekommunikations-technik immer neue Zugangsmöglichkeiten zum Kunden ermöglichen.90 Optionale Zugangsmöglichkeiten bestehen bereits per Internet, Personal Digital Assistant (PDA), WAP, SMS oder Telefon.

► Verbesserter Service

Immer häufiger werden im Bankgewerbe Kommunikationstechnologien eingesetzt, die den Kundenservice qualitativ verbessern können. Um die dem Kunden gebotene Dienstleistungsqualität weiter zu verbessern müssen Banken den technologischen Entwicklungsstand fortlaufend beobachten. Nur so lassen sich Chancen und Trends frühzeitig analysieren und aufgreifen.

5.1.4. Rechtlich-politische Veränderungen

In den vergangenen Jahren spielten die rechtlich-politischen Rahmenbedingungen eine große Rolle im Bankgeschäft. Zwischenzeitlich gab es Situationen, wo dem Kreditgewerbe von Gesetzgeber und Rechtsprechung eine Vielzahl von Mehrkosten aufgebürdet wurden.

Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang die Einführung der Zinsabschlagsteuer sowie die zahlreichen publizierten Urteile in Bezug auf die Beraterhaftung zu nennen.91

Mittlerweile hat ein Umdenken stattgefunden, so dass manche Restriktionen nicht mehr so groß sind wie früher. Zwar räumen Verbraucherschutzgesetzgebung und Rechtsprechung dem Kunden zunehmend mehr Rechte gegenüber den Kreditinstituten ein,92 gleichzeitig ist aber bei allen Verantwortlichen die Absicht zu erkennen, den Entwicklungstrends im Bank-geschäft nicht im Wege stehen zu wollen.

Als Beispiel für einen solchen Entwicklungstrend ist das Direct Banking zu nennen. Voraus-setzung hierfür war, dass zur Legitimation von Kundenaufträgen nicht mehr nur allein die handschriftliche Unterschrift, sondern auch alternative Varianten zugelassen wurden. Da eine persönliche Legitimation „face to face“ nicht länger nötig ist und die moderne Telekommuni-kation auch eine Telelegitimation erlaubt, ist Direct Banking erst möglich geworden.93 5.2. Der Stellenwert des Direct Banking

Der Begriff „Direct Banking“ gehört mittlerweile sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch in der Bankpraxis zum Standardrepertoire.94 Das Direct Banking als eigenständiger Vertriebsweg und als Zusatzservice zum Filialvertrieb ist ein Thema, das seit einiger Zeit die Kreditinstitute, aber auch die Öffentlichkeit außerordentlich stark beschäftigt. Die Diskussion über den Stellenwert des Direct Banking nimmt mehr und mehr zu, was auch darin zum Aus-druck kommt, dass in der einschlägigen Fachpresse oder im Rahmen publikumswirksamer Symposien zu diesem Thema innovative Konzepte dargestellt, adäquate Strategien erläutert und visionäre Zukunftsperspektiven ausgearbeitet werden. Direct Banking ist allerdings weniger als Revolution, sondern mehr als ein Schritt in Richtung orts- und zeitunabhängiger Inanspruchnahme von Bankdienstleistungen durch den Kunden zu verstehen.95 Abbildung 2-9 verdeutlicht den rasant wachsenden Stellenwert des Direct Banking, der insbesondere auch an der stetigen Leistungsausweitung sichtbar wird.

5.2.1. Der Stellenwert des Direct Banking in der wissenschaftlichen Diskussion Direktbanken sind kein neues Thema für die Medien. In ihrer jetzigen Form sind sie seit Beginn der 1990er Jahre bekannt und spätestens seit 1994/95 ein vieldiskutiertes Thema in der Wissenschaft. Bereits vor einigen Jahren wurden Direktbanken als „Modeerscheinung“

bezeichnet und manche „Experten“ hatten ein rasches Ende der Direct Banking-Welle vor-hergesagt. Dies hat sich nicht bewahrheitet. In diesem Sinne wurden ab Mitte der 1990er Jahre, also mit dem verstärkten Aufkommen von Direktbanken in Deutschland, erstmalige Lösungen für diese Vertriebsform entwickelt. Heute enthält die Literatur eine Fülle von Hinweisen, wie Direct Banking erfolgreich betrieben werden kann. Diese stammen zumeist von leitenden Mitarbeitern der Direktbanken und von Beratern, die seit einigen Jahren in diesem Geschäftsfeld tätig sind. Praktische Hilfe seitens außenstehender Experten gibt es nur bedingt.

5.2.2. Der Stellenwert des Direct Banking in der Bankpraxis

Immer mehr Bankkunden wollen einen von der Öffnungszeit unabhängigen Zugriff auf ihre Bank, um jederzeit finanzielle Entscheidungen treffen und Transaktionen nach Belieben durchführen zu können. Angesichts dieses veränderten Anspruchsverhaltens gewinnt das Direct Banking einen besonderen Stellenwert in der Bankpraxis. Für die Kreditinstitute hat dies folgende Auswirkungen:96

Kreditinstitute ohne Zweigstellennetz

Das Direct Banking bietet sich insbesondere für ausländische Kreditinstitute als Gestaltungs-alternative an, in den vielfach als „overbanked“ bezeichneten deutschen Bankenmarkt einzutreten, ohne einen Mitwettbewerber übernehmen oder einen zeitintensiven und vor allem kostspieligen Neu-aufbau eines flächendeckenden Filialnetzes vornehmen zu müssen.97Diesen Weg hat beispielsweise die Banco Santander mit der Errichtung eines eigenständigen Direktbankinstituts in Form einer Tochter-gesellschaft beschritten.

Kreditinstitute mit sehr niedriger Zweigstellendichte

Das Direktbankgeschäft bietet auch Chancen für Spezialinstitute, die bisher unter einem Mangel an Filialen litten. Wettbewerbern wie zum Beispiel aus dem Non- und Near-Bank-Bereich98 eröffnet sich die Möglichkeit über Direct Banking einen eigenständigen und kostengünstigen Vertriebsweg aufzubauen und damit in angestammte Geschäftsfelder der Universalbanken einzudringen. So nutzt etwa die CC-Bank die Akzeptanz und Attraktivität des Direct Banking für den gezielten Aufbau von Zweitbankverbindungen.

Kreditinstitute mit regional gebundenem Wirkungskreis

Darüber hinaus kann das Direct Banking mitunter für Bankengruppen mit regional gebundenen Wirkungskreis (z.B. Sparkassen) nachteilig sein. Mittels moderner Direktmarketing-Instrumente können die regional ungebundenen Direktbanken mit vertretbarem Kostenaufwand effektiv gegen ihre in der Fläche präsenten Mitwettbewerber vorgehen und deren Kunden abwerben.102

Kreditinstitute mit eher regional begrenzter Zweigstellendichte

Auch für Finanzdienstleister, deren Filialnetz eher regional begrenzt ist, stellt die Errichtung einer eigenständigen Direktbank in Form einer Tochtergesellschaft die einzige Gestaltungsmöglichkeit dar, ihre geographische Randlage zu überwinden. So ist beispielsweise die HVB Group im Süden der Bundesrepublik durch die HypoVereinsbank stark vertreten. Bundesweit existiert aber nur ein schwach ausgebautes Filialnetz. Die geschickte Kombination von Filial und Direct Banking-Angeboten hat die HVB Group zu einer deutschlandweit erreichbaren Bankengruppe werden lassen.

Kreditinstitute mit hoher Zweigstellendichte

Direct Banking stellt insbesondere die Bankengruppen mit dichten Zweigstellennetzen vor besondere Herausforderungen, denn die klassischen Markteintrittsbarrieren gegenüber neuen Wettbewerbern (z.B. Standortvorteile) verlieren durch diese neue Vertriebsform zunehmend an Bedeutung.99 Für dezentral organisierte Finanzdienstleister wie die genossenschaftliche Bankengruppe besteht somit die Gefahr,100dass der strategische Wettbewerbsvorteil der Kundennähe relativ geringer wird.101

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