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5 Studie 3: Der Einfluss von Koordinationsmechanismen auf die

5.2. Fragestellung und Ableitung der Hypothesen

5.3.2. Ziele und Design

Ziel dieses Experiments ist es, zu untersuchen, ob der Einsatz expliziter Koordinationsmechanismen durch eine/n inhaltlich neutrale/n Moderator/-in während des Entscheidungsfindungsprozesses Einfluss auf verschiedene Ergebnisvariablen hat. Im Folgenden werden die relevanten Output-Variablen sowie die entsprechenden Hypothesen spezifiziert.

Entscheidungsgüte (AV1)

Sechs Variablen, die in der Terminologie des IPO-Modells als Output bezeichnet werden, sollen näher untersucht werden. Hackman und Morris (1975) unterscheiden zwischen performanzbezogenen und anderen Ergebnissen des Gruppenprozesses (vgl. 2.1.2). Zu ersteren zählt vor allem die Entscheidungsgüte, die im Experiment als AV1 erfasst wird. Eine Verbesserung der Entscheidungsqualität ist neben dem Wissenszuwachs die Art des Qualitätsgewinns, den man sich durch den Einsatz einer Gruppe erhofft (Kerschreiter et al., 2003). In Bezug auf die AV1 werden folgende Hypothesen getestet:

H1-1: Das Stellen von Informationsfragen verbessert die Entscheidungsgüte.

H1-2: Das Wiederholen von Informationen verbessert die Entscheidungsgüte.

H1-3: Es lassen sich Interaktionseffekte des Informationserfragens mit dem Informationswiederholen in Bezug auf die Entscheidungsgüte finden.

Bewertung des optimalen Kandidaten (AV2)

Nach dem funktionalen Modell der Gruppenentscheidungen müssen die verschiedenen Entscheidungsalternativen kritisch bewertet werden (Hirokawa, 1985; Orlitzky & Hirokawa, 2001). Die letztlich beste Entscheidung wird von der Gruppe schließlich ausgewählt. Im organisationalen Alltag ist der Entscheidungsfindungsprozess nach der Diskussion nicht unbedingt endgültig abgeschlossen. Beispielsweise können die Entscheidungsalternativen für die weitere Begutachtung in eine Rangreihe gebracht werden. Denkbar ist auch, dass sich während der Umsetzung der getroffenen Entscheidung unvorhergesehene Schwierigkeiten ergeben. Dann kommen eventuell zuvor verworfene oder weniger positiv bewertete Entscheidungsalternativen wieder ins Spiel. In diesen Fällen spielt die Bewertung derselben eine wichtige Rolle für den weiteren Entscheidungsprozess. Es scheint daher angebracht, die Einschätzung der Gruppenmitglieder bezüglich der Eignung der optimalen Alternative zu erfassen, unabhängig davon, ob sie letztendlich gewählt wurde oder nicht. Besonders im letzten Fall kann eine verbesserte Beurteilung nach der Diskussion entscheidende Konsequenzen für den weiteren Verlauf eventuell folgender Entscheidungsprozesse haben. Als AV2 wird ein Vergleich der Bewertung der optimalen Entscheidungsalternative vor und nach der Gruppendiskussion vorgenommen und überprüft, inwieweit der Einsatz expliziter Koordinationsmechanismen zu einer positiven Einschätzung der korrekten Entscheidungsalternative führt.

Die entsprechenden Hypothesen lauten:

H2-1: Das Stellen von Informationsfragen verbessert die Bewertung der Eignung des optimalen Kandidaten von vor zu nach der Diskussion.

H2-2: Das Wiederholen von Informationen verbessert die Bewertung der Eignung des optimalen Kandidaten von vor zu nach der Diskussion.

H2-3: Es lassen sich Interaktionseffekte des Informationserfragens mit dem Informationswiederholen in Bezug auf die Bewertung der Eignung des optimalen Kandidaten von vor zu nach der Diskussion finden.

Informationsaustausch (AV3)

Als ein wesentlicher Grund für den häufigen Befund, dass Gruppenentscheidungen qualitativ nicht hochwertig sind, wird der schlechte Informationsaustausch während des Entscheidungsfindungsprozesses angesehen So werden insbesondere ungeteilte Informationen, die den Erkenntnisgewinn und das Synergiepotential der Gruppe ermöglichen würden, im Gegensatz zu geteilten Informationen, weniger häufig in den Diskussionsprozess eingebracht und wiederholt (Kerschreiter et al., 2003; Larson et al., 1994; Stasser & Titus, 1985).

Der Einsatz expliziter Koordinationsmechanismen soll dazu dienen, dass für die Entscheidung wesentliche Informationen in die Diskussion eingebracht und während der Diskussion nicht verloren gehen. Es wird angenommen, dass durch das systematische Erfragen und Wiederholen das Einbringen und Diskutieren der ungeteilten Informationen verbessert wird.

Dazu werden folgenden Hypothesen getestet:

H3-1: Das Stellen von Informationsfragen verbessert den Informationsaustausch während der Diskussion.

H3-2: Das Wiederholen von Informationen verbessert den Informationsaustausch während der Diskussion.

H3-3: Es lassen sich Interaktionseffekte des Informationserfragens mit dem Informationswiederholen in Bezug auf den Informationsaustausch während der Diskussion finden.

Zufriedenheit mit dem Ergebnis der Diskussion (AV4)

Ergebnisse, die über die konkrete Leistung der Gruppe hinausgehen, werden im IPO-Modell nicht spezifiziert (vgl. 2.1.2). Hackman und Morris (1975) nennen einige mögliche Variablen, fügen aber hinzu, dass es neben diesen auch eine Reihe weiterer relevanter Outcomes geben kann. McGrath hingegen (1991, S. 154) geht davon aus, dass alle Gruppen im Sinne dreier wichtiger Funktionen agieren: das Erfüllen der Projektziele (production), die Gruppenerhaltung (well-being) und die Unterstützung einzelner Gruppenmitglieder (member support).

Individuen arbeiten in Gruppen auch in der Erwartung positiver sozio-emotionaler Effekte. Es ist davon auszugehen, dass die Gruppenmitglieder ihre Gruppenarbeit zufrieden beenden wollen, was sich wiederum positiv auf das zukünftige Funktionieren der Gruppe auswirken kann (Fuller & Aldag, 2001). Auch Sundstrom, De Meuse und Futrell (1990) postulieren, dass die Effektivität einer Arbeitsgruppe sowohl aus der Leistung (Performance) als auch aus Zufriedenheit der Gruppenmitglieder und deren Bereitwilligkeit, die Arbeit mit der Gruppe fortzusetzen (Viability) besteht. Wesentlich ist dabei die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder mit dem Entscheidungsprozess, da ihre Unzufriedenheit ihr Verhalten in zukünftigen Diskussion verändern kann (Poole & Hirokawa, 1996). Die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder wird daher als weitere abhängige Variable aufgenommen. In Anlehnung an Fuller und Aldag (2001) wird in die Zufriedenheit mit dem Ergebnis (AV4), mit dem Prozess (AV5) und dem/der Moderator/-in (AV6) erfasst. Die Hypothesen bezüglich der Zufriedenheit mit dem Ergebnis lauten:

H4-1: Das Stellen von Informationsfragen verbessert die Zufriedenheit mit dem Ergebnis der Diskussion.

H4-2: Das Wiederholen von Informationen verbessert die Zufriedenheit mit dem Ergebnis der Diskussion.

H4-3: Es lassen sich Interaktionseffekte des Informationserfragens mit dem Informationswiederholen in Bezug auf die Zufriedenheit mit dem Ergebnis finden.

AV5 stellt die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder mit dem Verlauf der Diskussion dar.

Folgende Vorhersagen werden getestet:

H5-1: Das Stellen von Informationsfragen verbessert die Zufriedenheit mit dem Verlauf der Diskussion.

H5-2: Das Wiederholen von Informationen verbessert die Zufriedenheit mit dem Verlauf der Diskussion.

H5-3: Es lassen sich Interaktionseffekte des Informationserfragens mit dem Informationswiederholen in Bezug auf die Zufriedenheit mit dem Verlauf finden.

Zusätzlich wurden über AV6 die Zufriedenheit mit dem/der Moderator/-in erfasst und folgende Hypothesen getestet:

H6-1: Das Stellen von Informationsfragen verbessert die Zufriedenheit mit dem/der Moderator/-in.

H6-2: Das Wiederholen von Informationen verbessert die Zufriedenheit mit dem/der Moderator/-in.

H6-3: Es lassen sich Interaktionseffekte des Informationserfragens mit dem Informationswiederholen in Bezug auf die Zufriedenheit mit dem/der Moderator/-in finden.

Alle aufgestellten Hypothesen werden in Tabelle 6 zusammengefasst.

Tabelle 6: Überblick über die Hypothesen

Gruppen, in denen ein/e Moderator/-in zusätzlich zu ausgewählten allgemeinen Gesprächsleitungsregeln Informationsfragen stellt, zeigen

- eine erhöhte Entscheidungsgüte (H1-1),

- eine höhere Bewertung der Eignung des optimalen Kandidaten von vor zu nach der Diskussion (H2-1),

- besseren Informationsaustausch (H3-1)

- höhere Zufriedenheit mit dem Ergebnis (H4-1),

- höhere Zufriedenheit mit dem Verlauf (H5-1)

- sowie höhere Zufriedenheit mit dem/der Moderator/-in (H6-1).

Wiederholen von Informationen (UV2):

Gruppen, in denen ein/ Moderator/-in zusätzlich zu ausgewählten allgemeinen Gesprächsleitungsregeln bereits genannte Information wiederholt zeigen

- eine erhöhte Entscheidungsgüte (H1-2),

- eine höhere Bewertung der Eignung des optimalen Kandidaten von vor zu nach der Diskussion (H2-2),

- einen besseren Informationsaustausch (H3-2),

- höhere Zufriedenheit mit dem Ergebnis (H4-2),

- höhere Zufriedenheit mit dem Verlauf (H5-2)

- sowie höhere Zufriedenheit mit dem/der Moderator/-in (H6-2).

Interaktionen

In Gruppen, in denen ein/e Moderator/-in zusätzlich zu ausgewählten allgemeinen Gesprächsleitungsregeln Informationsfragen stellt und Informationen wiederholt, lassen sich Interaktionseffekte finden in Bezug auf

- die Entscheidungsgüte (H1-3),

- die Bewertung der Eignung des optimalen Kandidaten von vor zu nach der Diskussion (2-3),

- den Informationsaustausch (H3-3),

- die Zufriedenheit mit dem Ergebnis (H4-3),

- die Zufriedenheit mit dem Verlauf (H5-3)

- sowie die Zufriedenheit mit dem/der Moderator/-in (H6-3).

Zur Untersuchung der entwickelten Hypothesen wurde ein Laborexperiment durchgeführt, bei dem Drei-Personen-Gruppen mit Unterstützung eines/er Moderator/-in eine Hidden-Profile-Aufgabe bearbeiten mussten. In einer individuellen Vorbereitungszeit machten sich die Gruppenmitglieder mit der Aufgabe vertraut. Währenddessen wurde der/die Moderator/-in durch ein spezielles Training auf seine/ihre Rolle vorbereitet. Anschließend kamen alle Teilnehmer/-innen für die Gruppendiskussion zusammen, die auf Video aufgezeichnet wurde. Nach Beendigung der Diskussion bearbeiteten die Teilnehmer/-innen verschiedene Fragebögen.

Die Hypothesen wurden in einem 2x2faktoriellen Between-Groups-Design geprüft. Die erste experimentelle unabhängige Variable (UV) stellte Informationen erfragen (UV1: keine Fragen stellen vs. Fragen stellen) und die zweite Variable Informationen wiederholen (UV2: keine Informationen wiederholen vs. Informationen wiederholen) dar, mit jeweils dichotomer Ausprägung. Beide unabhängigen Variablen werden im Abschnitt 5.3.4 genauer beschrieben.

Tabelle 7 ist der Versuchsplan zu entnehmen.

Tabelle 7: Versuchsplan des Experiments

UV1: Informationsfragen stellen

Ja Nein

Ja Experimentalgruppe 3 Experimentalgruppe 2 UV2:

Informationen wiederholen

Nein Experimentalgruppe 1 Kontrollgruppe 0

Insgesamt wurden 66 Gruppen zu je vier Personen untersucht. Davon entfallen sieben Gruppen auf den Pretest. Neun Gruppen mussten aufgrund Problemen in der Videoaufzeichnung (fehlender Ton) ausgeschlossen werden und bei zwei weiteren Gruppen wurde im Anschluss an den Versuch festgestellt, dass die einige Gruppenmitglieder instruktionswidriges Verhalten gezeigt hatten (Erinnerungsfragebogen während der Diskussion benutzt bzw. während der Diskussion mitgeschrieben), diese beiden Gruppen wurden ebenfalls ausgeschlossen. Daher wurden 48 Gruppen in die Auswertung einbezogen, 12 pro Bedingung.

Die Gleichverteilung auf die vier Experimentalbedingungen konnte gewährleistet werden, weil die oben geschilderten Probleme graduell auftraten und für jede auszuschließende Gruppe eine weitere erhoben wurde. Die Zuteilung der Gruppen zu den Bedingungen erfolgte randomisiert (vgl. Rack & Christophersen, 2006).