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Studie 1 und Studie 2 – Implikationen der Studien zur Erfassung subjektiver

4 Subjektive Theorien expliziter Koordination – Koordination aus Perspektive der

4.4. Studie 1 und Studie 2 – Implikationen der Studien zur Erfassung subjektiver

Die Erhebung subjektiver Theorien wird als Verfahren der Phänomenbeschreibung und Theorieentwicklung empfohlen (Bartholomew et al., 2000; Froschauer & Lueger, 1998). Die subjektiven Theorien zur expliziten Prozesskoordination von Entscheidungsfindungsgruppen bildeten den Fokus der Studien 1 und 2. Zunächst wird auf die Bedeutung der wesentlichen Ergebnisse der Studien eingegangen. Anschließend werden ihre Implikationen für das weitere Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Arbeit diskutiert.

4.4.1. Bedeutung der Ergebnisse

Ausgangspunkt der ersten beiden Studien war die Überlegung, dass explizite Prozesskoordination nicht geschieht, sondern aktiv von Personen mit der Intention zur Koordination eingesetzt wird. Diese persönlichen Koordinationsintentionen wurden als handlungsleitende Kognitionen bzw. subjektive Theorien bezeichnet. Das Ziel der ersten beiden Studien bestand in der Rekonstruktion der subjektiven Koordinationstheorien und geht der Untersuchung der beobachtbaren Aspekte der Koordinationshandlungen (Studie 3) voraus. Die subjektiven Koordinationstheorien geben Auskunft über die Intentionalität und die Reflexivität der Koordination. Es wurde überprüft, welche Koordinationshandlungen koordinierenden

Personen bekannt sind, mit welchem Ziel die Handlungen eingesetzt werden und welche Wirkung als daraus resultierend wahrgenommen wird. Durch die Beantwortung dieser Fragen sollte sowohl das Konstrukt expliziter Prozesskoordination im Hinblick auf folgende Wirksamkeitsuntersuchungen differenziert als auch die Entwicklung von entsprechenden Beobachtungsverfahren ermöglicht werden. Dabei wurde der Forderung nach maximaler struktureller Variation der Perspektiven (vgl. Kleining & Witt, 2001) nachgekommen, indem unterschiedliche Personengruppen befragt wurden: Experten/-innen und Nicht-Experten/-innen der Koordination (vgl. Zempel, 2002). Durch die Kontrastierung ihrer subjektiven Koordinationstheorien werden sowohl Aussagen über allgemeines handlungssteuerndes Wissen über Gruppenkoordination als auch über spezielle, erfahrungsbedingte handlungssteuernde Kognitionen möglich.

In Studie 1 wurden subjektive Koordinationstheorien von Nicht-Experten/-innen der Gruppenkoordination erhoben. Es konnte gezeigt werden, dass ihr allgemeines, nicht-erfahrungsgebundenes, handlungssteuerndes Wissen zur Koordination einer Gruppenentscheidungsfindung im wesentlichen Handlungen expliziter Prozesskoordination (Handlungsanleitungen, Strukturierungen des Problemlöseprozesses und Konfliktvermeidung) beinhaltet. Diese Verhaltensweisen sind explizit, da sie den Interaktionsprozess durch deutliche verbale Instruktionen (z.B. Rederechte vergeben, Regeln festlegen) oder Strukturierungen (z.B. Fragen stellen, Zusammenfassen, Wiederholen oder Pro- und Kontra-Listen erstellen) koordinieren, mit Koordinationsabsicht ausgeführt werden (vgl. Espinosa et al., 2004) und verbal kommuniziert werden (vgl. Wittenbaum et al., 1998). Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Postulaten Wittenbaums et al. (1998), wonach unsichere Gruppenaufgaben mit herausfordernden Zielen und notwendiger interdependenter Zusammenarbeit vermehrt expliziter Koordination bedürfen.

Allerdings zeigte sich auch, dass die subjektiven Theorien der Nicht-Experten/-innen, neben einigen spezifischen Koordinationshandlungen, hauptsächlich Funktionen der diskussionsleitenden Person (z.B. für Gleichberechtigung sorgen, Streit vermeiden, für Konsens und Kompromiss sorgen) und

Verhaltensweisen, die nicht ausgeführt werden sollten (z.B. nicht selbst Stellung beziehen) beinhalten.

Darüber hinaus fällt auf, dass die Koordinationsmechanismen Wiederholen, Zusammenfassen und Fragen stellen in den Antworten auf die explorative Frage nach konkreten Koordinationshandlungen nur selten genannt wurden.

Anschließend wurden in Studie 2 die erfahrungsbedingten subjektiven Koordinationstheorien von in der Gruppenkoordination erfahrenen Führungskräften und Moderatoren/-innen erhoben. Es zeigte sich, dass die Experten/-innen, im Gegensatz zu den Schüler/-innen in Studie 1, neben ihren Funktionen in der Koordination vor und während der Koordination Annahmen über das Verhalten der zu koordinierenden Gruppenmitglieder treffen, die sie in die Wahl der geeigneten Koordinationsmechanismen einbeziehen. Die Experten/-innen berichteten im Vergleich zu den Nicht-Experten/-innen mehr explizite Koordinationsmechanismen (Handlungsanleitungen, Fragen, Strukturierungen), die als Koordinationshandlungen teilweise sowohl hierarchisch als auch sequentiell bzw. in Form eines Herstellungswissens organisiert sind: Ausgehend von der Wahrnehmung eines Koordinationsanlasses wird eine Koordinationshandlung ausgeführt, woran sich die Wahrnehmung einer Konsequenz der Koordinationshandlung anschließt. Anhand des Vergleiches der Ergebnisse der beiden Studien kann in Anlehnung an Müller (2003) davon ausgegangen werden, dass subjektive Theorien durch Erfahrung veränderbar sind.

Den subjektiven Theorien der Nicht-Experten/-innen und Experten/-innen ist gemein, dass der Umgang mit Interessenskonflikten während des Gruppen(entscheidungs)prozesses einen wesentlichen Bestandteil der Koordination darstellt. Da Interessenskonflikte ein Merkmal von Gruppenentscheidungen sind, sollte nicht nur die Koordination des Informationsaustausches, sondern auch des Konfliktausgleichs, Gegenstand der Koordinationsforschung werden. Die Ergebnisse beider Studien weisen darauf hin, dass die Koordination des Konfliktausgleichs insbesondere durch explizite Prozesskoordination (z.B. Verbalisierung von Emotionen und Gefühlen, Vergabe von Rederechten, Ermahnen) möglich ist.

Neben dem Einbezug des Umgangs mit Konflikten fällt in beiden Studien auf, dass im Hinblick auf die Koordination des Informationsaustauschs plausibel erscheinende Mechanismen (Fragen, Zusammenfassen, Wiederholen, Themenliste erstellen) nur teilweise genannt werden. Die Nicht-Experten/-innen berichten Mechanismen wie Pro- und Kontraliste erstellen, Argumente im Wechsel vortragen lassen oder thematisch strukturieren. Die Experten/-innen betonten die Bedeutung des Stellens von Fragen und der Formulierung von Zielen. Der in der Moderation jedoch häufig empfohlene Mechanismus des Zusammenfassens bisher genannter Äußerungen wurde nicht genannt. Ebenso selten wurden Methoden zur Sicherung des Besprochenen durch Wiederholung oder Verschriftlichung genannt.

Bezug nehmend auf das Ziel der Präzisierung des Konzepts der expliziten Prozesskoordination werden in Tabelle 5 alle bisher eruierten Mechanismen zur expliziten Koordination des Entscheidungsprozesses zusammengefasst.

Tabelle 5: Mechanismen expliziter Prozesskoordination von Gruppenentscheidungsprozessen Vor der

Interaktion Während der Interaktion

Handlungs-anleitungen Strukturierungen Fragen Andere Ziel klären

Im Folgenden werden die Implikationen der Studien 1 und 2 für das weitere Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Arbeit beschrieben.

4.4.2. Implikationen für das weitere Vorgehen

Die Ergebnisse der Studien 1 und 2 zeigen, welche Mechanismen zur expliziten Koordination von Gruppenentscheidungsprozessen eingesetzt werden können. Offen bleibt allerdings, zu welchen Konsequenzen der Einsatz dieser Mechanismen führt. Daher muss im Folgenden überprüft werden, ob der Informationsaustausch und die Entscheidungsfindung durch die Verwendung expliziter Koordinationsmechanismen tatsächlich verbessert werden.

Dazu wird in Studie 3 ein Experiment dargestellt, in dem zwei Mechanismen expliziter Prozesskoordination auf ihre Wirksamkeit überprüft wurden.

Angesichts der Vielzahl berichteter expliziter Koordinationsmechanismen liegt es außerdem nahe, deren tatsächlichen Einsatz im Verlauf von Gruppenentscheidungsprozessen zu verfolgen. Daher wird in Kapitel 6 die Entwicklung eines Klassifikationssystems beschrieben, welches die Erfassung expliziter und impliziter Koordinationsmechanismen in Gruppendiskussionen erlaubt. Dadurch wird die systematische Untersuchung des Auftretens und Wechselspiels von expliziten und impliziten Koordinationsmechanismen möglich. Somit können einerseits Bedingungen und Konsequenzen des Mechanismeneinsatzes geprüft werden.

Andererseits können erfolgreiche und nicht erfolgreiche Entscheidungsgruppen bezüglich ihrer Koordination verglichen werden.

5 Studie 3: Der Einfluss von Koordinationsmechanismen auf die