• Keine Ergebnisse gefunden

Implizite und explizite Koordinationsmechanismen – Das Modell von Espinosa,

3 Koordination von Gruppen

3.3. Theoretische Konzepte der Gruppenkoordination

3.3.2. Implizite und explizite Koordinationsmechanismen – Das Modell von Espinosa,

Espinosa, Lerch und Kraut (2004) definieren Koordination als Management von Dependenzen. Sie unterscheiden Koordination als Ziel vom Koordinationsprozess an sich (vgl.

Tabelle 2): Zur Erreichung des Ziels der Koordination, d.h. zur Bewältigung gegenseitiger Abhängigkeiten, nutzen die Gruppenmitglieder Koordinationsmechanismen. Diese Mechanismen werden danach unterschieden, inwieweit ihr Einsatz explizit oder implizit ist. Zu den expliziten Mechanismen werden die Organisation der Aufgabe durch Programme (Zeitpläne, festgelegte Abläufe) und Kommunikation gezählt. Auf eine ähnliche Systematik wurde bereits in früheren Arbeiten hingewiesen (Fussell et al., 1998). Diese Mechanismen werden als explizit bezeichnet, weil sie mit Koordinationsabsicht ausgeführt werden:

“..., explicit coordination mechanisms can be defined as those mechanisms explicitly employed by a team to help manage task dependencies” (Espinosa et al., 2004, S. 111).

Diese Definition der Explizitheit erscheint allerdings zirkulär und erlaubt außer der Intentionalität der Koordination keine weitere Unterscheidung von impliziter Koordination.

Implizite Koordinationsmechanismen entstehen durch Gruppenkognition, die auf geteilten mentalen Modellen7 basiert (Espinosa et al., 2004). Sie werden nicht absichtlich zur Koordination verwendet.

7 Als geteilte mentale Modelle werden Wissensstrukturen der Gruppenmitglieder bezeichnet, die sie befähigen, richtige Erklärungen und Erwartungen der Aufgabe zu bilden (Cannon-Bowers, Salas & Converse ,1993, zit. n.

Gurtner et al., in press). Geteilte mentale Modelle beziehen sich nicht nur auf die Aufgabe, sondern auch auf die Gruppenmitglieder, die vorhandene Technologie, die Umgebung sowie auf Metakognition und Interaktion (Tschan

& Semmer, 2001).

“…, we define implicit coordination mechanisms as those that are available to team members from shared cognition that enable them to explain and anticipate task states and member actions, thus helping them manage task dependencies.” (Espinosa et al., 2004, S.112 ).

Explizite und implizite Koordinationsmechanismen sind nicht unabhängig voneinander, so bestimmt beispielsweise das Niveau der Teamkognition bzw. der Grad des geteilten Gruppenwissens den Bedarf expliziter Absprachen (Espinosa et al., 2004). Explizite Koordinationsmechanismen bedürfen mehr Zeit und Anstrengung (z.B. formale Besprechungen;

Erstellen von Plänen) und werden, insbesondere unter Zeitdruck, eher durch implizite Mechanismen substituiert (Espinosa et al., 2004). Dieser Zusammenhang wird im Modell (vgl.

Abbildung 4) durch die Doppelpfeile zwischen den expliziten und impliziten Mechanismen repräsentiert.

Espinosa und Kollegen ziehen demnach den bewussten Einsatz eines Koordinationsmechanismus als Kriterium zur Bestimmung des Grades der Explizitheit heran.

Weitere Merkmale beider Koordinationsmechanismen erläutern die Autoren nicht. Trotz dieser konzeptuellen Schwäche von Explizitheit ist das aufgestellte Rahmenmodell der Teamkoordination und Teamleistung (vgl. Abbildung 4) im Hinblick auf Koordination eine notwendige Erweiterung des klassischen Input-Prozess-Output-Modells (vgl. Abbildung 2).

In dem Rahmenmodell wird Koordination einerseits als Prozess (durch explizite und implizite Koordinationsmechanismen) und andererseits als Ergebnis (z.B. Strategie) betrachtet.

Sowohl die Koordinationsmechanismen als auch die Koordination als Ergebnis mediieren die Wirkung der Inputfaktoren auf die Gruppenleistung, wobei zunächst die Koordinationsmechanismen die Beziehung zwischen den Inputfaktoren und der Koordination als Ergebnis vermitteln. Allerdings stellt Koordination zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für gute Gruppenleistung dar, andere Voraussetzungen müssen in Abhängigkeit der Aufgabe ebenfalls erfüllt werden (Espinosa et al., 2004).

Abbildung 4: Integriertes Rahmenmodell der Teamkoordination und Leistung (Espinosa et al., 2004, S. 110 &118)

Darüber hinaus weist das Modell auf die situative Effektivität der Koordinationsmechanismen hin: Wesentlich für die Angemessenheit der Mechanismen sind die Koordinationsanforderungen der Gruppenaufgabe. So besteht beispielsweise bei mangelnder Komplexität und fehlender Interdependenz der Teilaufgaben kein Koordinationsbedarf.

Allerdings werden im Modell keine Angaben zur funktionalen oder normativen Beziehung einzelner Aufgabenanforderungen und bestimmter Koordinationsmechanismen postuliert.

Darüber hinaus sind beide Koordinationsmechanismen sind nicht in gleicher Wiese geeignet, um die mit unterschiedlichen Aufgabenerfordernissen wechselnden Koordinationsanforderungen erfolgreich zu handhaben (Espinosa et al., 2004).

“…, a team will employ a mix of coordination mechanisms that it deems most suitable to manage task dependencies in a given context. [… ] task, team, and context variables influence the number, complexity, and types of dependencies that are present in the task

Various task

- Team cognition Coordination Input Variables

and, consequently, which coordination mechanisms are used by team members to manage these dependencies” (Espinosa et al., 2004, S. 114).

Im Hinblick auf explizite Koordination scheint die Betrachtung von Kommunikation als Koordinationsmechanismus sehr oberflächlich, da keine Aussagen darüber getroffen werden, welches Gruppenmitglied wann wie kommunizieren muss, um den Gruppenprozess explizit zu koordinieren. Espinosa und Kollegen postulieren lediglich, dass Kommunikation insbesondere bei komplexen intellektuellen Aufgaben mit unklaren Interdependenzen und in frühen Phasen der Zusammenarbeit notwendig ist (Espinosa et al., 2004). Neben der undifferenzierten Betrachtung von Kommunikation als explizitem Koordinationsmechanismus ist der Einsatz non- und paraverbaler Kommunikation auch als implizitem Koordinationsmechanismus denkbar, indem sich die Gruppenmitglieder beispielsweise per Blickkontakt verständigen oder im Verlauf ihrer Zusammenarbeit lernen, minimale Botschaften zu senden und zu verstehen.

Die konzeptuelle Unterscheidung von impliziter und expliziter Koordination wird von Grote und Kollegen (2003) kritisiert. Sie konstatieren, dass es zwar einige interessante Forschungen zu diesem Thema gäbe, diese jedoch keine geeigneten Indikatoren liefere, beide Koordinationsmechanismen konkret voneinander zu trennen. Neben der fehlenden Funktionalität bemängeln sie die unklaren Definitionen und somit auch Operationalisierungen von Implizitheit und Explizitheit. Wird beispielsweise in einer Gruppe deutlich und direkt miteinander kommuniziert, dann wird dies oft als Indikator für explizite Koordination verwendet, mag aber für implizite Koordination auch teilweise zutreffen, wenn dabei z.B. ungefragt Informationen an andere Personen weitergegeben werden (Grote et al., 2003). Grote und Kollegen/-innen (2003) schlagen keine Alternative für eine andere bzw. eine erweiterte Definitionen expliziter und impliziter Koordination vor, sondern postulieren, dass die Arbeitsbeanspruchungen der Aufgabe die Koordinationsanforderungen innerhalb des Teams bedingen. Das Einbeziehen von Arbeitsanforderungen in ein Koordinationsmodell erscheint sinnvoll, da Koordination zielgerichtet und aufgabenabhängig ist: Je nach Aufgabe und Kontext

ist ein anderer Koordinationsmechanismus effektiv. Ein entsprechendes Modell zum Zusammenhang von Arbeitsanforderungen bzw. Arbeitsbeanspruchung und Koordination schlagen Grote et al. jedoch nicht vor. Vor dem Hintergrund bisheriger Forschung scheint es nicht angemessen, die konzeptionelle Differenzierung zwischen expliziter und impliziter Koordination aufgrund noch nicht präzisierter Definitionen und erfolgreicher Operationalisierungen zu verwerfen. Insbesondere die Forschung zur Interaktion in risikoreichen Arbeitsumgebungen konnte zeigen, dass je nach situativen Anforderungen entweder implizite oder explizite Koordination effizient waren (Sexton, 2004), so dass sich die Konzeptionalisierung impliziter versus expliziter Koordination bereits bewährt hat, auch wenn ihre Operationalisierung nicht einfach ist (Boos, Kolbe & Strack, 2006).

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass Kommunikation sowohl zur expliziten als auch zur impliziten Gruppenkoordination eingesetzt werden kann. Zur Untersuchung der Funktionalität von Kommunikation im Hinblick auf Koordination muss die Dimension der Explizitheit präzisiert sowie überlegt werden, inwieweit Explizitheit als einziges Unterscheidungskriterium der Koordinationsmechanismen ausreichen ist. Dazu wird im Folgenden die Taxonomie der Koordinationsmechanismen von Wittenbaum, Vaughan und Stasser (1998) herangezogen.

3.3.3. Das Modell der Koordinationsmodi von Wittenbaum, Vaughan