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4 Subjektive Theorien expliziter Koordination – Koordination aus Perspektive der

4.2. Studie 1: Subjektive Theorien der Koordination: Die naive Perspektive der

4.2.2. Ergebnisse

Zunächst werden die Ergebnisse des Manipulation Checks berichtet. Anschließend werden die Befunde des explorativen Studienteils und der standardisierten Befragung dargestellt.

Manipulation Check – Überprüfung des Verständnisses der Aufgabe

Bevor die eigentlichen Ergebnisse der Studie betrachtet werden konnten, wurde untersucht, ob das Szenarium die beabsichtigte Situation induziert hat bzw. inwieweit die Teilnehmer/-innen das Szenarium sowie das darin beschriebene Problem verstanden hatten.

Dazu wurden die Antworten auf die erste offene Frage „Vor welchen Schwierigkeiten steht Stefan?“ analysiert.

Wie sollte die Situation verstanden werden?

Die Situation sollte als ein komplexes Problemlöse- und Entscheidungsfindungsproblem verstanden werden. Die moderierende Person des Schülersprechers soll sich inhaltlich nicht beteiligen, sondern ausschließlich als Vermittlerin zwischen Repräsentanten/-innen gegnerischer Interessen handeln. Sie soll sich neutral verhalten, ihre eigene Meinung zurückhalten und den Diskussionsprozess durch sachliche, rein vorgehensbezogene Äußerungen strukturieren. Als Schülersprecher hat Stefan keine formale Autorität, er kann deshalb das Gespräch nur durch gelungene Moderationsbeiträge leiten.

Wie wurde die Situation verstanden?

Die von den Schülern/-innen genannten Schwierigkeiten konnten von der Autorin in acht Kategorien systematisiert werden. Diese sind der Abbildung 7 zu entnehmen sind. Nahezu zwei Drittel (62,9%) benannten die Neutralität des Schülersprechers als wichtig. Ein Viertel (25,7%) der Schüler/-innen bezeichneten weiterhin die Zurückhaltung der eigenen Meinung als wichtige Herausforderung. Als weitere Schwierigkeiten wurden Fairness, für Ruhe und Sachlichkeit sorgen, Diskussion könnte unangenehm und emotional werden und sich nicht beeinflussen lassen genannt. Diese genannten Aspekte entsprechen dem oben geschilderten Soll-Verständnis der Situation.

Nur ein/e Teilnehmer/-in benannte die Vertretung der Meinung der Schüler/-innen als Probleminhalt. Dies ist eine falsche Interpretation der Situation, da der Schülersprecher die Aufgabe hat, sich eigentlich unparteiisch zu verhalten und die Interessen beider Parteien gleichermaßen zu berücksichtigen. Da jedoch nur eine Person diesen Aspekt erwähnt hat und keine weiteren falschen Interpretationen berichtet wurden, kann davon ausgegangen werden, dass das im Szenario dargestellte Problem angemessen verstanden wurde.

Wie aus Abbildung 7 ersichtlich ist, wurde von über einem Drittel (40%) der Teilnehmer/-innen auch der innere Konflikt des Schülersprechers erwähnt, der einerseits als Schüler ein klares eigenes Interesse hat (Fortbestand der Arbeitsgemeinschaft), anderseits er sein Interesse nicht zeigen und sich als Moderator nur (neutral) verhalten darf. Diese Interpretation geht ebenfalls aus dem Szenario hervor, die Offensichtlichkeit dieses Problems wurde allerdings nicht in diesem Ausmaß erwartet. Es ist daher zu erwarten, dass sich diese Problemsicht auch in den Antworten auf die Frage nach den konkreten Verhaltensweisen des Schülersprechers niederschlagen wird.

62,9

Abbildung 7: Relative Häufigkeiten der kategorisierten Antworten auf die Frage: Vor welchen Schwierigkeiten steht Stefan? Mehrfachnennungen möglich.

Insgesamt haben die Schüler/-innen das im Szenario beschriebene Problem in hohem Maße verstanden. Sie haben erkannt, dass sich der Schülersprecher neutral und unparteiisch verhalten muss und seine eigene Meinung zurückstellen sollte. Außerdem haben die Teilnehmer/-innen zusätzlich Stefans inneren Konflikt erkannt. Die fehlende Autorität und die damit verbundene einzige Möglichkeit des Schülersprechers, die Diskussion durch gelungene vorgehensbezogene Beiträge zu leiten, wurde größtenteils nicht erkannt.

Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der explorativen Analyse der berichteten Verhaltensweisen beschrieben.

Ergebnisse des explorativen Untersuchungsteils

Nachdem die Schüler/-innen sich das Szenario durchgelesen und die Manipulation Check-Frage beantwortet hatten, sollten sie in der Beantwortung der eigentlichen Untersuchungsfrage beschreiben, welche Verhaltensweisen der Schülersprecher während der Diskussion zeigen solle, damit alle Interessen der beteiligten Personen berücksichtigt würden, alle Vertreter/-innen zu Wort kämen und kein Streit, sondern ein Ergebnis entstünde, welches von

beiden Parteien getragen werden könne. Sie sollten dabei nicht Stefans persönliche Charaktereigenschaften, sondern sein konkretes Verhalten während der Diskussion berichten.

Die Antworten der Probanden/-innen wurden von einer in inhaltsanalytischen Auswertungsmethoden erfahrenen Mitarbeiterin kategorisiert. Eine studentische Hilfskraft, die blind gegenüber dem Ziel der Untersuchung war, überprüfte die entstandenen Kategorien auf Plausibilität und unternahm einen ersten Kodierdurchgang. Anschließend wurden die Kategorien von der Untersuchungsleiterin überarbeitet. Alle Antworten wurden von ihr und einer weiteren Kodiererin danach erneut kodiert (Kappa von .71 bis .99). Insgesamt wurden 201 kodierbare Verhaltensweisen berichtet.

Die berichteten Verhaltensweisen ließen sich drei Hauptkategorien zuordnen:

Handlungsanleitungen, Strukturierung des Problemlöseprozesses und Konfliktvermeidung. Diese Hauptkategorien werden im Folgenden näher beschrieben.

Handlungsanleitungen

Die Handlungsanleitungen beinhalten Verhaltensweisen, mit denen die Diskussionsteilnehmer/-innen zu konkreten Handlungen aufgefordert werden. Dazu zählen:

Argumente zu Beginn oder im Wechsel vortragen lassen, Rednerliste erstellen bzw. Rederechte vergeben, ausreden lassen bzw. nicht unterbrechen, Regeln festlegen sowie Zeitlimit setzen. Abbildung 8 zeigt die Handlungsanleitungen und ihre relativen Nennungshäufigkeiten.

24,6

Argumente zu Beginn oder im Wechsel vortragen lassen

Rednerliste, Rederechte vergeben

ausreden lassen Regeln festlegen Zeitlimit setzen

Abbildung 8: Häufigkeiten der Handlungsanleitungen. Mehrfachnennungen möglich.

Strukturierung des Problemlöseprozesses

Zur Strukturierung des Problemlöseprozesses gehören Verhaltensweisen, mit denen der Informationsaustausch strukturiert wird. Darunter fallen Handlungen wie Zusammenfassen und Wiederholen, Fragen stellen, thematisch strukturieren, Punkte sammeln bzw. Pro- und Kontra-Liste erstellen und Lösungen sammeln. Abbildung 9 zeigt die genauen Häufigkeiten dieser Kategorien.

21,7

Thematisch strukturieren Fragen, Nachfragen Wiederholen Zusammenfassen Lösungen sammeln

Abbildung 9: Häufigkeiten der Strukturierungen des Problemlöseprozesses. Mehrfachnennungen möglich.

Konfliktvermeidung

Die Oberkategorie Konfliktvermeidung beinhaltet solche Handlungen, durch die Konflikte während der Diskussionen vermieden werden sollen. Wie aus

Abbildung 10 zu entnehmen ist, gehören dazu die Kategorien Gleichberechtigung bzw. jeden zu Wort kommen lassen, für Ruhe und Ordnung sorgen, Einbinden ruhiger Diskussionsteilnehmer/-innen, Streit vermeiden sowie auf Konsens bzw. Kompromiss hinarbeiten.

31,9

für Ruhe und Ordnung sorgen für Kompromiss oder Konsens sorgen

Einbinden ruhiger Teilnehmer/-innen

Abbildung 10:Häufigkeiten der Kategorien zur Konfliktvermeidung.Mehrfachnennungen möglich.

Darüber hinaus schlugen wenige Probanden/-innen vor, Vorschläge zur Einigung zu machen (4,3%) oder die eigene Meinung zu vertreten (1,4%). 21,7% der Schüler/-innen berichteten zudem Verhaltensweisen, die der Schülersprecher nicht zeigen sollte, z B. nicht die eigene Meinung sagen, nicht selber Stellung beziehen, eigene Kommentare - außer zum organisatorischen Ablauf - vermeiden.

Nachfolgend werden die Ergebnisse zur Einschätzung der Nützlichkeit vorgegebener Verhaltensweisen berichtet.

Ergebnisse der standardisierten Befragung

Im Anschluss an den explorativen Part der Studie wurden den Teilnehmer/-innen konkrete Verhaltensweisen expliziter Prozesskoordination (vgl. Tabelle 3) vorgegeben. Sie sollten auf einer fünfstufigen Skala (1 ... überhaupt nicht sinnvoll, 5 ... sehr sinnvoll) einschätzen, für wie sinnvoll sie es halten, wenn der Schülersprecher diese Handlungen während der Diskussion zeigen würde.

Zusammenfassung der Items

Mit Blick auf eine übersichtliche Auswertung wurden die Items: nach einer Information fragen, eine Person nach einer Information fragen, nach einer Meinung fragen, eine Person nach Ihrer Meinung fragen und nach Konsens fragen entsprechend der Oberkategorie (vgl. Tabelle 3) zusammengefasst zu Fragen stellen.

Bisher Gesagtes zusammenfassen und ein Ziel formulieren wurde zusammengefasst zu Zusammenfassung und Zielformulierung.

Die eigene Meinung sagen, einem unterbreiteten Vorschlag zustimmen oder diesen ablehnen und etwas Gesagtes bewerten wurde zusammengefasst zu eigene Meinung sagen.

Nicken und den Kopf schütteln wurden zu Nonverbalen Verhaltensweisen und etwas Gesagtes begründen oder erklären und Interpretation des Gesagten zu Erklärungen zusammengefasst.

Schließlich wurden Metakommunikation, Aktives Zuhören und das Gespräch kurz unterbrechen zu andere Verhaltensweisen zusammengefasst.

Ergebnisse

Abbildung 11 zeigt die Nützlichkeitseinschätzungen dieser Verhaltenskategorien. Als sinnvollste Verhaltensweisen werden Zusammenfassen und Ziele formulieren (M = 4,45, SD = 0,61) eingeschätzt, gefolgt von Vorgehensvorschlägen (M = 4,17, SD = 0,96), t(65) = 2,55, p < 0.05,

zweiseitig), Fragen stellen (M = 3,88, SD = 0,61), t(51) = 2,72, p < 0,01, zweiseitig), sowie Aufforderungen (M = 3,56, SD = 1,04), t(52) = 1,9, p =,06, zweiseitig). Als am wenigsten sinnvoll werden nonverbale Äußerungen wie Kopfschütteln und Nicken (M = 2,09, SD = 0,77) und die eigene Meinung äußern (M = 1,86, SD = 0,86) angesehen.

Abbildung 11: Mittelwerte der eingeschätzten Nützlichkeit der vorgegebenen Verhaltensweisen.Anmerkung: Die Skala reichte von 1... überhaupt nicht sinnvoll bis 5...sehr sinnvoll; *** bedeutet einen signifikanten Unterschied auf dem 0,001-Niveau, ** auf dem 0,01-Niveau und * auf dem 0,05-Niveau.

Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Verhaltensweisen, die der expliziten Prozesskoordination dienen, von den Probanden/-innen als sinnvolle bis sehr sinnvolle Handlungen während der Problemdiskussion angesehen werden. Plausibel ist auch der Befund, dass die weniger expliziten, nonverbalen Verhaltensweisen als deutlich weniger sinnvoll betrachtet werden. Als am wenigsten sinnvolle Koordinationshandlung in der Moderation einer Problemdiskussion wird das Bekunden der eigenen Meinung angesehen.

Auf die Bedeutung und die Implikationen der Ergebnisse der explorativen und der standardisierten Befragung wird im Folgenden eingegangen.

***