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Wissenskonstruktionen kommerzieller Programme

Im Dokument in der Deutschen Gesellschaft für (Seite 100-104)

In der Zusammenschau der Ergebnisse lässt sich – in Anlehnung an den Be-griff Data-Mining – ein ‚Mining von Sonderwissen‘ verschiedener Bereiche rekonstruieren, um es für die Apps nutzbar zu machen. Das Sonderwissen sollte hinter den Kulissen, also im Rahmen der App-Entwicklung, gut in Tech-nologie ,übersetzbar‘ sein und vor den Kulissen, also im Kontakt mit den Nut-zer*innen und Kund*innen, als soziales und kulturelles Kapital verwertbar sein. Weiterhin ließ sich sowohl auf der Ebene der Konstruktion als auch auf der der Repräsentation eine Orientierung an der Erzeugung von Sonderwissen mittels der Apps rekonstruieren. Zusammenfassend scheinen sich hier eigene Expertensysteme zu etablieren, die nicht nur eigenes Sonderwissen (mittels der Nutzer*innendaten und -statistiken), sondern auch eigene Standards bezüglich des Wissens generieren, welche sich teilweise explizit von bisherigen wissen-schaftlichen Standards bzw. von der bisherigen Praxis der Handlungsbereiche abgrenzen.

Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage nach den Irritationsmomen-ten für die jeweiligen Professionen und deren institutionalisiertes Wissen (Hitzler, 1998), wenn Innovation und Wissenserzeugung von Firmen verein-nahmt werden, die das Wissen als ‚Baustoff‘ benutzen und weniger reflexive, komplexe und uneindeutige Wissensbestände aktivieren und anerkennen.

Natürlich verfolgen die Firmen, die ‚Lern- und Bildungsapps‘ anbieten, wirtschaftliche Interessen. Dieses Konzept des selbstgesteuerten informellen Lernens passt, so kann man mit Gnahs (2016) argumentieren, sehr gut zur „ne-oliberalen Logik“, in welcher „möglichst viel in kürzester Zeit zu erledigen und möglichst keine Zeit zu verschwenden“ sei, indem man überall selbststän-dig und zu jeder Zeit lernen kann (ebd.: S. 111). Es stellt sich die Frage, wie sich die Praxis des informellen Lernens Erwachsener im Umgang mit Apps entwickelt, die eine solche Art der Kuratierung von Wissensbeständen vorneh-men. Gerade wenn das informelle Lernen in der Erwachsenbildung mit kon-struktivistischen Lerntheorien in Zusammenhang gebracht wird (u.a. Rohs

2013, S. 83–84), ist zu fragen, ob in diesen Lernsettings nicht das abgelöst geglaubte behavioristische Lernen wieder Einzug hält (siehe zur Konstruktion des behavioristischen Lernens in der Technologie auch Klinge 2018).

Was Esposito (2013) bei der Wissenserzeugung durch Maschinen und der Konstruktion von entsprechenden Nutzungsmodellen problematisiert, ist das Fehlen der doppelten Kontingenz von Kommunikation (aber auch der Wis-senserzeugung). Problematisch für Lern- und Bildungsprozesse wird es, wenn Dinge dazu konstruiert sind, Reize hervorzurufen: „Der Mensch antwortet nicht mehr auf die Herausforderungen durch die Dinge. Er reagiert vielmehr auf eine bereits zugerichtete Welt“ (Dörpinghaus und Uphoff 2012, S. 165).

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Jana Wienberg

Erlebte Resonanz im Weiterbildungsgeschehen –

Im Dokument in der Deutschen Gesellschaft für (Seite 100-104)