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Ein Differenzierungsvorschlag basierend auf Varianten der Relationierung von Vermittlung und

Im Dokument in der Deutschen Gesellschaft für (Seite 42-45)

differenzierte Betrachtung des Lernens Erwachsener in seiner Breite verunmöglicht

2 Ein Differenzierungsvorschlag basierend auf Varianten der Relationierung von Vermittlung und

Aneignung

Wie könnten Kategorien zur Differenzierung des über Bildungsveranstaltun-gen hinausreichenden entgrenzten Lernens Erwachsener gebildet werden, ohne dass bereits vorab ein bestimmtes Format des Lernens als Normalform gesetzt und alle anderen Formate lediglich hinsichtlich ihrer Entsprechung zu ihr bzw.

der Abweichung von ihr gedeutet werden? Voraussetzung hierfür wäre eine Vergleichsgröße, die selbst nicht bereits eine der verglichenen Formen ist. Be-nötigt würde ein tertium comparationis. Vorstellbar wären eine ganze Reihe von Vergleichsgrößen, anhand derer sich die Breite des Lernens Erwachsener differenzierend aufschließen ließe.2 Ich will im Folgenden lediglich einen, aus der Entgrenzungsdebatte der 1990er Jahre hervorgegangenen, Vorschlag auf-greifen und einige seiner Konsequenzen ausloten. Es handelt sich um das im Projekt „Umgang mit Wissen“ (Kade/Seitter 2007) entwickelte theoretische Konzept der pädagogischen Kommunikation (Kade 2004).

Ausgangspunkt der im Horizont dieser Theorie vorgenommenen Typisie-rung von Formaten der InstitutionalisieTypisie-rung von Lernen ist die Annahme, dass sich soziale Situationen des Lernens Erwachsener dadurch konstituieren, dass Vermittlung und Aneignung als zwei Operationsweisen voneinander unter-schieden und aufeinander bezogen werden (vgl. Abb. 3). Immer dann, wenn bzw. überall dort, wo der Unterschied zwischen Vermittlung und Aneignung und das Verhältnis zwischen Vermittlung und Aneignung als bedeutsam be-rücksichtigt werden, wird Lernen zu einer relevanten Größe.

2 Vgl. etwa Reischmann 2009.

Abb. 3: Pädagogische Kommunikation als Relationierung von Vermittlung und Aneignung (eigene Darstellung)

Varianten der Institutionalisierung des Lernens im Erwachsenenalter lassen sich im Horizont dieser Grundbestimmung dort identifizieren, wo die Unter-scheidung und Relationierung von Vermittlungs- und Aneignungsoperationen in unterschiedlicher Art und Weise erwartbar (gemacht) werden. Auf dieser Grundlage lassen sich unterschiedliche soziale Settings des Umgangs mit Ler-nen ausmachen (vgl. Tabelle 1). Settings der Interaktion unter Anwesenden sind dadurch gekennzeichnet, dass die vermittelnden und die aneignenden Per-sonen zur selben Zeit am selben Ort körperlich anwesend sind, so dass sie sich unmittelbar wechselseitig wahrnehmen und sich in Folge dessen auch wech-selseitig aufeinander beziehen können. Für Settings im Format der medialen Kommunikation ist dagegen die räumliche Distanz zwischen Vermittelnden und Aneignenden konstitutiv. Verbunden ist damit auch die Möglichkeit einer zeitlichen Entkopplung der Vermittlungs- und Aneignungsaktivitäten. Den-noch ist wie bei der Interaktion unter Anwesenden auch für die mediale Kom-munikation konstitutiv, dass ein gemeinsamer Bezug auf dieselben Mitteilun-gen stattfindet. Settings im Format der indirekten Relationierung sind dageMitteilun-gen durch die Abwesenheit sowohl von (medialer) Kommunikation als auch von unmittelbarer wechselseitiger Wahrnehmung gekennzeichnet. Vermittlung und Aneignung werden zwar auch in diesem Format noch aufeinander bezo-gen, aber nur indirekt, vermittelt über das Arrangieren und Ausgestalten von Lernverhältnissen. Das Wesen der Relationierung zwischen Vermittlung und Aneignung besteht hier gerade darin, dass kein kommunikativer Austausch stattfindet.3

3 Die hier verwendete Unterscheidung sozialer Settings der Relationierung von Vermitt-lung und Aneignung ergibt sich aus der Verknüpfung eines Vorschlags zur Differen-zierung von Vermittlungsformen von Christiane Hof und eines Vorschlags zur Diffe-renzierung von Settings der Wissensvermittlung von Jochen Kade und Wolfgang Seit-ter. Zur Diskussion dieser Vorschläge vgl. Dinkelaker 2018, S. 92ff.

Zur Frage nach den Konturen von Erwachsenenbildung/Weiterbildung 43

Tab. 1: Verwendete Kategorisierung im Grundriss „Lernen Erwachsener“

Mein Interesse an der vergleichenden Betrachtung möglicher Sortierungen von Formen des Lernens Erwachsener entstand im Zuge der Arbeit an einem ein-führenden Grundriss zum Lernen Erwachsener (Dinkelaker 2018). Der Rück-griff auf diese Differenzierung von Settings der Relationierung von Vermitt-lung und Aneignung diente dort dazu, verschiedene Formate der Institutiona-lisierung des Lernens Erwachsener einander vergleichend gegenüberzustellen (vgl. Tabelle 1).

Neben den bereits seit dem 19. Jahrhundert etablierten, vermittlungsdomi-nierten Formaten der Lernstätte, der Bildungsveranstaltung und der medialen Wissensvermittlung lassen sich mit dieser Kategorisierung auch die erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts pädagogisierten, stärker aneignungs-fokussierten Formate wie die biographische Krise, die Beratung oder das Zer-tifikat in ihrer jeweiligen Spezifik und in ihrer Relation zum Gesamtzusam-menhang des Felds einordnen.

Über die in diesem einführenden Band exemplarisch dargestellten eindeu-tig lernbezogenen Settings hinaus wären allerdings bei der Diskussion von For-maten des Lernens Erwachsener auch noch solche hybriden Settings zu be-rücksichtigen, in denen sich das Geschehen der Vermittlung und Aneignung von Wissen mit anderen Formen des Umgangs mit Wissen so vermischt, dass gar nicht mehr eindeutig entschieden werden kann, ob es im gegebenen Mo-ment eigentlich noch um die Strukturierung von Lernen geht oder doch schon um etwas anderes (vgl. Dinkelaker 2008). Der Umgang mit Lernen wird in solchen Situationen flexibel in Vollzüge des sozialen Lebens eingebunden, was nicht nur eine engere Verschränkung von Lernen und Alltag ermöglicht, sondern zugleich eine reflexive Verständigung über Ansprüche und Grenzen des Lernens erschwert. Solchen hybriden Settings kommt im Kontext des so-genannten informellen Lernens eine wesentliche Bedeutung zu. Wird auch diese Unterscheidung von explizit-intensiven und hybrid-uneindeutigen Set-tings (Kade/Seitter 2007) mit berücksichtigt, so ergibt sich ein Tableau von 12 je unterschiedlich strukturierten Settings der Institutionalisierung des Lernens im Erwachsenenalter (vgl. Tabelle 2).

Tab. 2: Dimensionen der Differenzierung von Formen des Lernens Erwachse-ner

Betrachtet man die mit einer solchen Sortierung erschlossene Vielfalt von In-stitutionalisierungsvarianten, so dürften die Einschränkungen anschaulich werden, die sich ergeben, wenn allein das aus dem Angelsächsischen impor-tierte Schema des formal learning als Schablone verwendet wird, um Lernkon-texte miteinander zu vergleichen. Ein in sehr spezifischer Weise organisiertes Format der Verknüpfung von Bildungsveranstaltung und Zertifikat wird hier als Normalform definiert. Davon abweichend wird mit dem non-formal learn-ing die eigentlich in der deutschen Erwachsenenbildung prominentere Variante von Bildungsveranstaltungen ohne Verknüpfung mit Zertifikaten als die weni-ger zentrale, aber noch zentrumsnahe Form des Lernens definiert. Alle anderen Formate (rechnerisch sind das 10 weitere Varianten) fallen dagegen unter-schiedslos unter die undifferenzierte Sammelkategorie des informellen Ler-nens, obwohl sie sich, was die Vermittlungs- und Aneignungsverhältnisse an-geht, systematisch voneinander unterscheiden.

3 Varianten der Bestimmung der Konturen von

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