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Wirtschaftsstil und Unternehmenskultur

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 57-60)

2.4 Innovative Milieus und regionale Cluster oder metropolitane Konzentration?

2.4.5 Wirtschaftsstil und Unternehmenskultur

In veränderter Form greifen Max WEBER (1904 (1934)) und Werner SOMBART (1928) in ihren Erkenntnissen zum ‘modernen Kapitalismus’ die Thematik wieder auf. WEBER weist in seinem klassisch gewordenen Aufsatz ‘Die protestantische Ethik und der ‘Geist’ des Kapitalismus’ auf den wesentlichen Einfluss einer einheitlichen Ethik und der daraus folgenden Lebensführung für die Herausbildung des ‘modernen Kapitalismus’ hin. SOMBART geht sogar einen Schritt weiter und prägt in seiner Methodologie zum ‘modernen Kapitalismus’ drei Grundbegriffe: Wirtschafts-geist (Wirtschaftsgesinnung), Wirtschaftsordnung und Technik. Deren Zusammenspiel und die Einordnung der Wirtschaft als Teil der Kultur sind wesentliche Erkenntnisse seiner Arbeit und bilden die Voraussetzung für die Lehre vom Wirtschaftsstil in den 1920er und 1930er Jahren (vgl.

KAUFHOLD, 1996: 26).

Die Wirtschaftsstilforschung in dieser Zeit kann im Wesentlichen durch zwei Hauptzweige charakterisiert werden:

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• Der eine versteht den Wirtschaftsstil als Ausdruck des ‘Zeitgeistes’ in der Wirtschaft.

• Der andere schafft durch die Charakterisierung des Wirtschaftsstilbegriffs die Grundlage für eine epochenspezifische Wirtschaftstheorie.

Und obwohl diese Forschung durch den Krieg und durch die Übernahme angelsächsischer Wirtschaftstheorien in den 1960er Jahren fast vollständig verschwunden ist, hat sie bis heute nichts von ihrer Bedeutung verloren. So wird in zunehmenden Maße erkannt, dass neben den bisherigen zumeist untersozialisierten Wirtschaftstheorien vor allem die kulturellen Einflussfakto-ren für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und auch von Nationalstaaten von beson-derer Bedeutung sind. Gerade nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Gesellschaften und nach dem Aufstieg Südostasiens zu einer mächtigen Wirtschaftsregion ist eine neue Debatte über die Bedeutung kultureller Eigenheiten nationaler Gesellschaften entstanden (vgl.

FUKUYAMA, 1995b: ; HUNTINGTON, 1998).

Für den Volkswirtschaftler Rainer KLUMP bietet die Wirtschaftsstilforschung in Ergänzung zu sonstigen ökonomischen Theorien den Vorteil, dass sie sich im Gegensatz zu diesen nicht auf den engeren wirtschaftlichen Bereich beschränkt, sondern durch die Erfassung der gesellschaftli-chen wie kulturellen Veränderungen eine befriedigendere Antwort auf mittel- und langfristige Wirtschaftsentwicklungen geben kann (vgl. KLUMP, 1996: 16f.).

Ein ähnliches Resümee zieht auch Ronald INGLEHART aus Max WEBERS Konzept der prote-stantischen Ethik, welches er zwar in seiner damaligen Ausprägung als überholt ansieht, dessen generelle Erkenntnis, dass ‘Kultur das Wirtschaftswachstum prägt’ aber weiterhin gültig ist (vgl.

INGLEHART, 1998: 108).

Die Darstellung der Genese des Wirtschaftsstilbegriffs dient an dieser Stelle weniger dazu eine Beschreibung des portugiesischen Wirtschaftsstils zu initiieren als vielmehr zu zeigen, dass es einen engen Zusammenhang zwischen nationalem wirtschaftlichen Erfolg und den räumlich-zeitlich spezifischen kulturellen Bedingungen gibt. Insofern ist es legitim zu fragen, inwiefern die kulturellen Rahmenbedingungen in Portugal die untersuchten Innovationsnetzwerke der IT-Unternehmen beeinflussen.

Neben einer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Kultur z. B. für den generellen Wirt-schaftsstil von Unternehmen wird der Kulturbegriff auch im Zusammenhang mit dem Handeln einzelner Unternehmen benutzt. Dieser als ‘Unternehmenskultur’ bezeichnete Begriff lässt sich jedoch wie der allgemeine Kulturbegriff kaum einheitlich definieren. Wie unterschiedlich der Be-griff benutzt und verstanden wird, zeigen die verschiedenen Unternehmenskulturkonzeptionen, die Sandra JOCHHEIM in ihrer Dissertation (2002) ‘Von der Unternehmenskultur zum Netzwerk von Subkulturen’ vorstellt und kritisiert.

59 Grundlegende Voraussetzung für ein Bestehen von Unternehmenskulturen ist die Annahme, dass Unternehmen eine Art Mikrogesellschaft darstellen, sodass bei den Mitarbeitern gewisse gemeinsame Verhaltensweisen beobachtet werden können, die das Unternehmen von anderen unterscheiden (vgl. STADLER, 2004: 16).

Je nach theoretischem Ansatz lassen sich in Anlehnung an JOCHHEIM (2002: 140) und STADLER (2004: 16) im Kern folgende Bestimmungsfaktoren für eine spezifische Unterneh-menskultur beschreiben:

• die Existenz von Artefakten (Architektur, Möbel, etc.), verbalen Symbolen (unternehmens-spezifische Sprache in Form von Geschichten, Erzählungen, Anekdoten, Mythen, Slogans, etc.) und nonverbaler Symbolen (Riten wie Betriebsausflüge, öffentliche Zeremonien wie z.

B. Mitarbeiterprämierungen; materielle Statussymbole z. B. Firmenwagen, Bürogröße, Frei-zeiteinrichtungen, Kleidungsstil, etc.);

• grundlegende gemeinsame Annahmen z. B. zu Arbeitsprozessen, die durch Lernprozesse internalisiert werden und zur Orientierung innerhalb des Unternehmens dienen;

• ein System geteilter Bedeutungen/Lebensformen, sodass ein Unternehmen oder eine Organi-sation eine eigenständige Subkultur im System der Gesamtgesellschaft und des Wirtschaftssy-stems darstellt;

• die Fähigkeit, Probleme evolutionär durch Lernprozesse zu lösen und diese als kollektives Wissen zur Verfügung zu stellen oder aber in Reaktion auf externe Ereignisse Veränderungen in der Unternehmenskultur bewusst zu initiieren.

Vergleicht man den allgemeinen Kulturbegriff und den Unternehmenskulturbegriff, so wird deutlich, dass die Definitionsschwierigkeiten innerhalb der Unternehmenskulturkonzeptionen wesentlich durch die theoretische Brille der jeweiligen Betrachter bedingt sind. Gerade im Hin-blick auf die Einbettung von Unternehmen in ihr gesellschaftliches Umfeld erscheint eine system-theoretische Herabstufung der Unternehmenskultur zur Unternehmenssubkultur sinnvoll. Weder konstruiert ein Unternehmen seine eigene Unternehmenskultur, losgelöst von seinem gesell-schaftlichen und wirtgesell-schaftlichen Umfeld, noch lassen sich Unternehmenskulturen ohne Anpas-sung in Betriebe übertragen, die sich an anderen Standorten befinden, da sie dort zwangsläufig in Interaktion mit der umgebenden Gesellschaft treten müssen.

Dennoch ist eine unternehmensspezifische Betrachtung sinnvoll, da gerade dieser letzte Über-tragungsweg von Werten, Prozessen und Verhaltensweisen die Chance bietet, innovationsunter-stützende Faktoren in anderen Betrieben des gleichen Konzerns zu übertragen und damit auch die jeweils umgebende fremde Makrokultur zu beeinflussen. Zudem erleichtert es die Interaktion zwischen den verschiedenen Konzernteilen und reduziert Reibungsverluste, wenn möglichst viele Teile eines Konzerns die gleiche Sprache benutzen. Schließlich stellen Unternehmenssubkultur

60 und die sie umgebende Makrokultur wesentliche Grundlagen für die Einbettung der Unterneh-men in einer Region dar.

Um die Bedeutung von kulturellen Einflussfaktoren auf die Innovativität von Unternehmen empirisch untersuchen zu können, ist eine Beschränkung auf einen aussagekräftigen Indikator notwendig. Der im nächsten Kapitel vorgestellte Vertrauensbegriff verspricht ein wirksamer In-dikator sein zu können.

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 57-60)

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