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Die Litoralisierung Portugals und die Bedeutung der beiden Metropolregionen Während im vorherigen Kapitel einige wirtschaftliche Grundzüge Portugals insgesamt

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 79-84)

darge-stellt worden sind, soll in diesem Abschnitt zum einen der Gegensatz „Küstenraum – Binnen-land“ und zum anderen die Bedeutung der beiden Metropolregionen thematisiert werden.

Seit Jahrzehnten findet Abwanderung von Bevölkerung (und Unternehmen) aus dem Landes-inneren in die Küstenräume statt. Bereits für die 1970er Jahren konstatierten sowohl Bodo FREUND (1981: Kap. 6) als auch Peter WEBER (1980) eine Dominanz des Küstenraumes zwi-schen Lissabon und Porto in Bezug auf die industrielle Entwicklung und im Kontrast dazu die Rückständigkeit der innerportugiesischen Distrikte. „Deutlich hebt sich der Küstenraum als industria-lisierte Zone von dem beinahe industriefreien Hinterland ab: in den sechs Küstendistrikten (Setúbal, Lis-sabon, Leiria, Aveiro, Porto, Braga), die einen Flächenanteil von 21,6 % einnehmen, arbeiteten (1973) 81,5

% aller Industriebeschäftigten“ (WEBER, 1980: 112). Und weiter: „Somit lässt sich die Industriestruk-tur Portugals (...) insgesamt dadurch charakterisieren, dass durch die Öffnung des Marktes nach außen ein modernisierter (häufig vom ausländischen Kapital entscheidend getragener) Sektor verstärkt zu den gün-stigeren Küstenstandorten zieht, während die traditionellen Wirtschaftsbereiche isoliert (und häufig hoff-nungslos veraltet) im portugiesischen Hinterland zurückbleiben“ (ebd. 115). In der portugiesischen Fachliteratur und auch in der medialen Öffentlichkeit wird daher von einer ‘Litoralisierung’ (litora-lização) des Landes gesprochen. „In den letzten Jahrzehnten kann man, bezogen auf die räumliche Ver-teilung, eine ununterbrochene Konzentrationsbewegung der Bevölkerung auf die Küstenzone beobachten, wobei insbesondere die Metropolregionen von Lissabon und Porto vom Wachstum profitierten. Von 1960 bis 1991 haben die NUTS III-Regionen mit positiven Werten ca. 1,8 Millionen Einwohner hinzuge-wonnen, sodass sie inzwischen 71,6 % der Bevölkerung stellen. Dieser Prozess der Litoralisierung war in einer ersten Phase das Ergebnis der Abwanderung vom Lande, während in jüngerer Zeit stärker das posi-tive natürliche Wachstum dieser Gebiete entscheidend ist, wobei die Migrationssalden weiterhin positiv sind. Während man eine generelle Verstädterung beobachten kann, entvölkern sich die ländlichen Regio-nen zunehmend. Dabei ist inzwischen eine verstärkte Migration in die wichtigsten städtischen Zentren außerhalb der Metropolregionen zu beobachten“ (GASPAR et al., 2001: 233, eigene Übersetzung ).

80 Neben dem Zustrom in die beiden Metropolen des Landes, Lissabon und Porto, sind in zu-nehmendem Maße in jüngerer Zeit auch Wanderungen in die suburbanen Räume der Metropol-regionen und in die Mittelstädte zu beobachten (vgl. Abb. 7 und Abb. 8). Dabei ist nicht nur die Dynamik der Zuwanderung ungebrochen, innerhalb der Metropolregionen kommt es zugleich zu intraregionalen Verlagerungen von Bevölkerung, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen (vgl. Tab. 4). Während die beiden Kernstädte Lissabon und Porto bereits seit mehr als zwei De-kaden an Bevölkerung verlieren, ist die Suburbanisierungstendenz weiterhin ungebrochen.

Abb. 7: Metropolregion Lissabon (Área Metropolitana): Bevölkerungsentwicklung von 2001 bis 2006

Quelle: Eigene Darstellung nach INSTITUTO NACIONAL DE ESTATÍSTICA 2007)

Aber auch innerhalb des suburbanen Raumes kommt es zu räumlichen Verschiebungen des Wachstums. Während von den 1950er bis 1970er Jahre insbesondere die industriell geprägte Con-celhos19, wie Amadora, Loures und Barreiro Bevölkerung gewannen, stagnieren sie in den letzten

19 Die portugiesischen Concelhos stellen funktional und räumlich eine Mischform zwischen Gemeinde und Kreis dar. Sie sind teilweise größer von der Fläche als Gemeinden in Deutschland, aber nicht so groß gefasst, wie es

deut-81 Jahren sogar an Einwohnern20. Hingegen gewinnen die Concelhos Sintra, Cascais, Mafra und Oeiras im nordwestlichen Umland der Hauptstadt Bevölkerung und vor allem wirtschaftliche Bedeutung hinzu. Wesentliche Gründe hierfür sind eine landschaftlich reizvolle Lage, die Wertschätzung der Wohn- und Lebensqualität durch die höheren Einkommens- und Bildungsschichten sowie die Nähe zu den Arbeitsplätzen in den modernen Dienstleistungsunternehmen und High-Tech-Industriebetrieben.

Tab. 4: Unternehmenssitze in der Metropolregion Lissabon und Halbinsel Setúbal

Concelho 2005 1999

Grande Lisboa und zwar: 249 063 238.107

Amadora 20 120 21.628

Cascais 22 451 21.022

Lisboa 89 703 93.481

Loures 22 086 21.038

Mafra 8 595 7.165

Odivelas 16 037 15.726

Oeiras 18 005 17.640

Sintra 39 626 35.696

Vila Franca de Xira 12 440 11.876

Península de Setúbal und zwar: 84 029 80.324

Alcochete 1 464 1.334

Almada 19 947 19.158

Barreiro 8 737 7.943

Moita 6 583 7.243

Montijo 5 598 5.400

Palmela 6 898 6.123

Seixal 15 830 15.616

Sesimbra 4 686 4.685

Setúbal 14 286 12.822

Insgesamt 333092 318431

Quelle: INE 2007: Online-Statistik am 13 Juni 2007

In abgeschwächtem Maße gilt dies auch für die südlich des Tejo gelegenen Concelhos Almada, Seixal und Sesimbra. Almada gewinnt dabei insbesondere durch seine Gemeinden (Freguesias)

sche Kreise sind. Viele Funktionen deutscher Gemeinden fallen in den Kompetenzbereich der Concelho-Verwaltung (município, Câmara Municipal).

20 Vila Franca de Xira und Seixal werden an dieser Stelle nicht genannt obwohl sie ebenfalls in dieser Zeit an Be-völkerung gewannen. Sie haben aber, im Gegensatz zu den anderen industriell geprägten Concelhos, keine Bedeu-tungsverluste zu verzeichnen, bzw. können sogar von den jüngeren wirtschaftlichen Entwicklungen profitieren.

82 Caparica und Costa da Caparica. Sie profitieren neben der teilweise landschaftlich reizvollen Lage am Meer auch von der Ansiedlung der Universidade Nova mit ihren technischen Fächern (Informa-tik, Ingenieurwissenschaften, etc.) in Caparica und damit verbunden auch durch die Ansiedlung von High-Tech-Unternehmen in räumlicher Nähe zum Campus (z. B. NEC, EDISOFT, YDREAMS, etc.). Für die eher südöstlich gelegenen Concelhos Moita und Montijo, vor allem aber Alcochete und Palmela, hat sich die Fertigstellung der Vasco-da-Gama-Brücke 1998 auf das Bevöl-kerungswachstum ausgewirkt, da diese vorher schlecht mit Lissabon und dem Norden verbunde-nen Concelhos eine deutliche Reduzierung der Zeitdistanz zu Lissabon erfahren haben und damit als Wohnstandort für Pendler und auch als Produktions- und Dienstleistungsstandort interessant geworden sind.

Abb. 8: Metropolregion Porto: Bevölkerungsentwicklung von 2001 bis 2006

Quelle: Eigene Darstellung nach INSTITUTO NACIONAL DE ESTATÍSTICA 2007

Eine ähnliche Situation lässt sich für die Metropolregion Porto feststellen (vgl. Abb. 8). Die Kernstadt Porto verliert seit Jahrzehnten Bevölkerung und wurde inzwischen durch den südlich des Douro gelegenen städtisch geprägten Concelho Vila Nova de Gaia demographisch überholt.

Anders als Lissabon verliert Porto auch an Bedeutung, was den Sitz von Unternehmen anbetrifft.

Während Lissabon mit fast 90.000 Unternehmenssitzen weiterhin doppelt so viele Sitze beher-bergt wie der nächst kleinere Concelho Sintra mit annähernd 40.000, wird Porto (33.776) auch in dieser Hinsicht von Vila Nova de Gaia (28.731) fast eingeholt (vgl. Tab. 5).

Diese Entwicklung ist nicht zuletzt bereits durch die sehr viel stärker flächenhaft-diffuse Streuung von Betrieben im gesamten Großraum zurückzuführen, die, wie Bodo FREUND konsta-tiert, bereits seit 30 (heute 40) Jahren küstenparallel zu einer Ausdehnung dieses Wirtschaftsrau-mes auf rund 100 km, von Viana do Castelo im Norden bis Aveiro im Süden und ca. 50 km land-einwärts führt (vgl. FREUND, 1995: 289). Porto hat somit nie eine vergleichbar dominante Rolle in seiner Region gespielt, wie dies für Lissabon gilt.

83 Tab. 5: Unternehmenssitze in der Metropolregion Porto

Concelho 2005 1999

Grande Porto 138 115 129 898 Espinho 3 971 3 821 Gondomar 15 834 15 100 Maia 12 507 11 172 Matosinhos 17 493 16 392 Porto 33 776 36 599 Póvoa de Varzim 7 428 6 466 Valongo 9 986 7 797 Vila do Conde 8 389 6 906 Vila Nova de Gaia 28 731 25 645 Quelle: INE 2007: Online-Statistik am 13 Juni 2007

3.3 Zusammenfassung und Bewertung

Nach Jahren des dynamischen Wachstums in den 1990ern ist Portugals Wirtschaft seit der Jahrtausendwende in zunehmenden Maße durch Konkurrenten aus Osteuropa und Fernost in Wettbewerbsschwierigkeiten geraten, da nicht in ausreichendem Maße eine Reduzierung der ar-beitsintensiven traditionellen Industrien erfolgte. Eine sich abschwächende Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der tradierten industriellen Produktion und eine zu geringe Dynamik in den ‘neuen Technologien’ bzw. bei den ‘wissensintensiven Dienstleistungen’ werden eine wirtschaftliche Annäherung an das Mittelfeld der EU nur langsam ermöglichen. Lediglich die Metropolregion Lissabon hat das Potential schneller wirtschaftlich zu wachsen, da in dieser Region alle wesentli-chen ‘wissensintensiven Dienstleistungen’ und ein Großteil der ‘neuen Technologien’ verfügbar sind.

Mit diesen ‘wissensbasierten’ Teilen der Wirtschaft und seiner systemischen Struktur als Na-tionalem Innovationssystem (NIS) wird sich der anschließende empirische Teil der Arbeit be-schäftigen, um daraus Erkenntnisse bezüglich eines grundsätzlichen Wandels der nationalen Ökonomie gewinnen zu können. Darauf aufbauend könnte durch das Aufdecken von Schwächen und Stärken im Innovationssystem (Kap. 4.7) eine mittelfristige wirtschaftliche Entwicklung des Landes prognostiziert werden.

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