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Formelle und Informelle Netzwerkbeziehungen

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 154-157)

4 Empirischer Teil

4.6 Die Innovationsnetzwerke der befragten IT-Unternehmen .1 Die Rollen unterschiedlicher Netzwerktypen

4.6.2 Formelle und Informelle Netzwerkbeziehungen

Man kann unterscheiden zwischen formellen Kooperationen, die z. B. durch Verträge geregelt sind, und informellen Beziehungen, die z. B. auf mündlichen Vereinbarungen basieren. Annä-hernd die Hälfte der befragten IT-Unternehmen nennt beide Typen parallel. Ausschließlich in-formelle Beziehungen werden nur in 12 % der Netzwerkkontakte genannt. Erklärbar wird dies durch die unterschiedlichen Bedeutungen, die die jeweiligen Netzwerkpartner für die Befragten haben. Sobald neben einem ‘bloßen’ Informations- oder Wissensaustausch auch konkretere Pro-jekte oder Aufträge zwischen zwei oder auch mehreren Akteuren ausgehandelt werden, sind ver-tragliche Vereinbarungen unvermeidbar.

Interviewer: „Werden die Kooperationen mit ihren Zulieferern und Kunden formalisiert?“

Interviewpartner: „Immer wenn es zu einem Projekt wird, ja. Normalerweise beginnen sie informell, und wenn es dann gut läuft, werden sie formalisiert. Wenn sie informell sind, dann weil sie noch in einer Inkubationsphase sind“ (Interview IT-L_35).

Damit soll nicht gesagt sein, dass informelle Beziehungen nicht tragfähig für Netzwerkbezie-hungen sind oder so von den Interviewpartnern eingeschätzt werden, sondern vielmehr wird deutlich, dass eine Vertragsabsicherung eher als Absicherung des gemeinsamen Weges angesehen

155 wird und der Vertrag nur dann in Anspruch genommen wird, wenn es ‘schlecht läuft’. Die alltäg-liche Zusammenarbeit basiert dagegen im Wesentalltäg-lichen auf den vertrauensvollen Beziehungen zwischen den jeweils beteiligten Akteuren (vgl. Interview S_36). Die Beziehungsqualität zwischen den Akteuren ist für den Erfolg einer Kooperation von größerer Bedeutung als die Art der juri-stischen Form. Dies wird von so gut wie keinem der Interviewpartner in Frage gestellt.

Interviewpartner: Die Kooperationen sind formell, aber es gibt eine gewisse Informalität in Bezug auf die Handhabung der Kooperation. Es ist klar, dass Kooperationen zwischen Unternehmen von Personen gemacht werden. Und es ist klar, so sehr ich es [eine Partnerschaft] auch haben möchte, ich habe immer einen leichteren Zugang zu jemandem im Arbeitsalltag, mit dem ich mich identifizieren kann. Mit jeman-dem, mit dem ich einen Witz machen kann, der Fan des gleichen Fußballclubs ist, mit dem ich von Zeit zu Zeit essen gehe, über den ich Marktinformationen bekomme. Es ist offensichtlich, dies alles sind inmelle Beziehungen. Jetzt, letztendlich was es als Basis und Unterstützung geben muss, es muss eine for-melle Beziehung geben und diese forfor-melle Beziehung wird durch technische Zertifizierungen, durch Un-ternehmenszertifizierungen... und die Produzenten selbst erkennen dies an und ermutigen die Unternehmen ihre Mitarbeiter fortzubilden und zu zertifizieren, damit sie, wenn sie auf den Markt gehen, sagen können, ich bin ein von Microsoft, oder SAP oder HP oder Compaq anerkanntes Unternehmen. Somit gibt es immer diese beiden Komponenten“ (Interview IT-L_34).

Für den Unternehmer in diesem Beispiel stellt die formelle Ebene eine Möglichkeit dar durch eine Zertifizierung die eigene Reputation zu erhöhen, während die informelle Ebene einen Mehr-wert durch die ‘ähnliche Chemie’ zwischen den zwei Akteuren kreieren kann. Dies bestätigt auch folgende Interviewszene:

Interviewpartner: „Aber natürlich haben wir drei oder vier persönliche Schlüsselkontakte. Z. B. haben wir zwei sehr starke persönliche Beziehungen zu Microsoft in Redmond (USA), mit denen wir periodisch sprechen und die uns viele Informationen geben, begleitet von einigen Personen, die hier in Portugal sind...“

Interviewer: „Aber der Kontakt ist mit Redmond und nicht mit Microsoft Portugal?

Interviewpartner: „Nein, wir haben auch Kontakte mit denen von Lissabon, aber der Mehrwert ist un-terschiedlich. Die Informationen, die hier in Lissabon [gemeint ist der Standort von Microsoft Portugal in Oeiras] mitgeteilt werden, sind für alle. Ich kann sie heute bekommen und mein Konkurrent morgen. Die Kontakte nach Redmond, von denen ich spreche, das sind Kontakte zu Personen, die hier in Portugal gearbeitet haben und die nach Redmond gegangen sind und zu denen wir eine starke Beziehung hatten.

Mit denen haben wir z. B. das TV Cabo-Projekt [Kabelfernsehen] gestartet, etc. Und dann haben wir im Lauf der Zeit die Beziehung verfestigt, die es uns erlaubt und erleichtert an Informationen zu gelangen, die relativ wichtig sind und Entscheidungen bei uns in der Firma (S_36) beeinflussen. Und dann gibt es noch drei oder vier entscheidende persönliche Kontakte aus der portugiesischen Unternehmerwelt, dass heißt, wir hatten Kontakt zu einer [Unternehmens-]Gruppe, die eine Gruppe mit einigem Gewicht in Portugal ist, die Cofina, mit der wir einige Beziehungen haben. Wir sind aus Marktgründen raus aus der Partnerschaft, aber halten die Verbindungen. Und sie geben uns Zugang zu verschiedenen Informationen.

156 Sie waren Manager in einigen Unternehmensteilen der Cofina-Gruppe, damals, mit denen wir weiterhin eine relativ starke Beziehung pflegen und die für uns als Unternehmen wichtig sind. Es gibt uns Zugang zu bestimmten Informationen, die entscheidend sind. Und dann hat jeder hier drin noch seine Beziehun-gen und Netze. Wenn wir etwas wissen wollen, über zwei oder drei Kontakte kommen wir dahin“ (Inter-view S_36).

Für diese Unternehmer erbringen einmal begonnene Netzwerkbeziehungen dauerhafte Vortei-le, da über die rein professionelle Ebene hinaus persönliche Bindungen entstanden sind, die von essentiellem Nutzen für das eigenen Unternehmen sind.

Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen bzw. zwischen den Unternehmens-kulturen zeigen sich auch in der Art, wie formelle Abmachungen als Voraussetzung für Koopera-tionen angesehen werden. Während z. B. die international tätigen Unternehmen, aber auch die größeren IT-Unternehmen insgesamt, so gut wie jede nennenswerte Kooperation formalisieren, sind kleinere Unternehmen eher bereit, diese Kooperationen möglichst lang auf informeller Ebe-ne zu führen. Die Formalisierung von KooperatioEbe-nen bedeuten oftmals für diese UnterEbe-nehmen einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand, den sie zu vermeiden suchen. Bemerkenswert ist, dass kleinere Unternehmen mehrfach betonten, dass sie insbesondere im Verhältnis zu den grö-ßeren wie z. B. Microsoft mit vertraglichen Vereinbarungen arbeiten müssen. Dabei ist ihnen bewusst, dass diese Vereinbarungen im Konfliktfall nur begrenzt Schutz bieten, da Microsoft in einem Rechtsstreit den ‘längeren finanziellen Atem’ hätte (vgl. IT-L_37). Andererseits verringert im Normalfall die Formalisierung der Kooperationen die Notwendigkeit einer stärkeren infor-mellen Vertrauensbasis. So betont der Unternehmer S_32, dass es erhebliche Vertrauensunter-schiede zwischen den kleinen Partnern und den großen Partnern gibt. Das größere Vertrauen wird den kleineren zumeist portugiesischen Unternehmen entgegengebracht, die vorrangig für den heimischen Markt produzieren, während zu den größeren eine geringere Vertrauensbasis besteht, die aber auch aufgrund der bereits genannten Formalisierungen für die Zusammenarbeit weniger notwendig ist.

Andererseits bedeuten internationale Unternehmenskulturen in den Netzwerkbeziehungen auch eine wesentliche Vereinfachung im Hinblick auf die Offenheit des Partnerunternehmens und damit auf seine Berechenbarkeit. So äußert sich ein Unternehmer in Bezug auf die Herkunft von Impulsen für Innovationen folgendermaßen:

Interviewer: „ Wie entstehen neue Ideen?“

Interviewpartner: „Die Ideen kommen entweder aus uns bekannten Strukturen, die wir bei uns anzu-wenden versuchen, oder...“

Interviewer: „Von Kunden? Intern?“

Interviewpartner: „Mehr über Partner. Z. B. Microsoft oder manchmal andere Kontakte, die ich habe.

Aber in jedem Fall durch internationale Praktiken. Natürlich meistens mehr durch [den Kontakt zu] Multi-nationals als eigentlich durch... es ist für uns schwieriger an nationale Firmen heranzukommen und zu

ver-157 stehen, wie sie funktionieren. Weil sie abgeschotteter sind, wir sind es nicht... leichter verstehen wir, wie eine Multinational funktioniert. Die Menschen sind offener in der Informationsweitergabe. (Interview S_36)

An dieser Stelle wird erneut sichtbar, wie stark kulturelle Prägungen Netzwerkbeziehungen zwischen Unternehmen und ihren Partnern beeinflussen. Sichtbar wird aber auch, dass die inter-nationalisierten IT-Unternehmen tendenziell eine höhere Offenheit gegenüber Neuem bzw.

Fremdem haben als die Mehrheit der portugiesischen Unternehmen. Da ein enger Zusammen-hang zwischen Bildung und der Fähigkeit zu Vertrauen bzw. der Offenheit für Veränderungen besteht, ist das unterschiedliche Verhalten der Untenehmen wahrscheinlich auf den unterschied-lich hohen Bildungsstand der Beschäftigten zurückzuführen. So haben bei den befragten IT-Unternehmen insgesamt mehr als zwei Drittel der Beschäftigten einen Universitätsabschluss, wobei in 25 % der Unternehmen der Anteil sogar auf über 90 % steigt. Dabei lässt sich kein we-sentlicher Unterschied zwischen multinationalen und rein portugiesischen Unternehmen feststel-len. Damit unterscheiden sie sich aber deutlich vom Durchschnitt der Beschäftigten in Portugal, da bei diesen lediglich 15% einen Universitätsabschluss besitzen (INSTITUTO NACIONAL DE

ESTATÍSTICA 2007).

Unabhängig vom formellen oder informellen Charakter der Zusammenarbeit sind die meisten Beziehungen von langer Dauer (89 %). Lediglich 11 % der Netzwerkkontakte sind auf den Zeit-raum des jeweiligen Projekts beschränkt. Somit zeigt sich, dass die Befragten die Bedeutung von Netzwerken richtig einzuschätzen wissen, indem sie eine gewisse Dauerhaftigkeit als Vorausset-zung für das Entstehen von Vertrauen erkennen. Während Informalität und Dauerhaftigkeit ei-ner Netzwerkbeziehung grundlegende Erklärungen für das Funktionieren von Netzwerken geben (vgl. auch Kap. 2.3.2, S. 33), soll im folgenden Kapitel stärker auf die Bedeutung der Netzwerke für die Innovationsfähigkeit der IT-Unternehmen eingegangen werden.

4.6.3 Die Bedeutung von Netzwerkbeziehungen für die Innovationsfähigkeit der

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