• Keine Ergebnisse gefunden

Die ‘kulturelle Nähe’ zwischen den IT-Unternehmen und ihren Kunden, Zulieferern und Konkurrenten

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 127-135)

4 Empirischer Teil

4.4 Kulturelle Embeddedness: Zwischen portugiesischer und internatio- internatio-nalen Unternehmenskulturen

4.4.1 Die ‘kulturelle Nähe’ zwischen den IT-Unternehmen und ihren Kunden, Zulieferern und Konkurrenten

Ein großer Teil der befragten Unternehmer hat während der Interviews auf die größere Be-deutung der ‘kulturellen Nähe’ im Vergleich zu einer ‘räumlichen Nähe’ – wenn auch mit anderen

128 Worten – hingewiesen (Frage 33 im Fragebogen, siehe Anhang 4). Zwar bestehen die meisten Geschäftsbeziehungen in geringer metrischer Distanz, aber für den unternehmerischen Erfolg wird der kulturellen Nähe und damit verbunden einem Vertrauensverhältnis zu den Kunden und Zulieferern eine größere Relevanz beigemessen. Die vertrauensvollen Kontakte stärken nämlich die Fähigkeit, schnell auf Wünsche der Kunden einzugehen und motivieren dadurch auch zu Innovationen.

In dem Befragungsergebnis (Abb. 18) bestätigt sich, was im Theoriekapitel über die Rolle von Vertrauen und einer kulturellen Einbettung der Unternehmen geschrieben worden ist. Vertrau-ensvolle Beziehungen sind gerade bei Produkten und Dienstleistungen, wie sie die Mehrzahl der befragten IT-Unternehmen anbieten, Voraussetzung für dauerhafte Geschäftsbeziehungen mit den jeweiligen Kunden.

Keines der befragten Unternehmen erbringt Leistungen für den direkten privaten Konsum.

Vielmehr fungieren alle als Lieferanten für andere Unternehmen (z. B. Banken, Einzelhändler, Fernsehsender etc.) und/oder sie bieten Dienstleistungen an, die ebenfalls von Unternehmen oder auch staatlichen Einrichtungen nachgefragt werden, deren Wirkung also nur mittelbar bei privaten Endnutzern eintritt. Die Komplexität der Produkte und Dienstleistungen bewirkt in der Regel auf beiden Seiten, also bei Anbietern und Nachfragern, eine hohe Erwartung an die Quali-tät der Produkte und die Verlässlichkeit der Dienstleistung. Der Anbieter erhofft sich Folgeauf-träge, während der Kunde wiederum mit dem Produkt oder der Dienstleistung seinen eigenen wirtschaftlichen Erfolg verbessern möchte, sodass die optimale Nutzung für ihn fundamental ist.

Als Konsequenz daraus ergeben sich oftmals enge Beziehungen zwischen Anbietern und Kun-den. So folgen auf den Verkauf einer Softwareapplikation für den Anbieter zumeist Wartungs- und Update-Arbeiten, die je nach Vereinbarung zu weiteren Einnahmen führen können, oder die Einrichtung eines IT-Systems bei einem Kunden erzwingt automatisch nachfolgende Wartungs-aufträge. Alle diese Anbieter-Käufer-Beziehungen benötigen für eine längerfristige erfolgreiche Zusammenarbeit eine Vertrauensbasis. Wenn dabei die ‘gleiche Sprache’ gesprochen wird, er-leichtert dies die Herausbildung von Vertrauen, da die Akteure jeweils die andere Seite besser einschätzen können, sodass Risiken minimiert werden. Es ist somit verständlich, dass die Befrag-ten der kulturellen Nähe eine sehr große Bedeutung zuweisen, indem mehr als 50% der Unter-nehmen ‘kulturelle Nähe’ uneingeschränkt oder überwiegend als wichtig erachten (vgl. Abb. 18).

129 Abb. 18: Die Bedeutung kultureller Nähe zu Kunden als Voraussetzung für

vertrauensvol-le Beziehungen

Quelle: Eigene Erhebung

Bei der Frage nach der Bedeutung von kultureller Nähe zum Kunden und der daraus erwach-senden schnelleren Reaktionsfähigkeit des befragten Unternehmens, auf Produktwünsche einge-hen zu können, ergibt sich ein ähnliches Bild. Annähernd die Hälfte der Befragten bejaht diese Frage. So ist es gerade bei komplexen Produkten, die jeweils beim Kunden angepasst werden müssen, erleichternd, wenn es zu keinen oder nur geringen Verzögerungen in der Verständigung kommt.

Aufgrund der Komplexität der angebotenen Produkte und Dienstleistungen ist ein intensiver Austausch zwischen Anbieter und Nachfrager fast der ‘Normalfall‘. Noch wichtiger ist dies bei jeder Form von Beratungsleistung. Es zeigt sich, dass die Arbeit von Beratungsteams direkt beim Kunden vor allem dazu dient, Missverständnisse zu vermeiden oder spezielle Unternehmenskul-turen zu verstehen. So sagt ein Interviewpartner:

„Ja, ich glaube, dass Nähe wichtig ist, zumindest bei zwei unserer angebotenen Dienstleistungen, es sind Dienstleistungen, die Nähe erfordern. Es hängt von den internen Unternehmensprozessen [unserer Kunden] ab, ich muss mich auf deren interne Unternehmensprozesse einstellen, ich muss meine Dienst-leistung an deren guten Unternehmensprozesse anpassen und die weniger guten in Frage stellen. Aber anpassen muss ich mich. Und das verlangt Nähe. Dass ich meine eigenen Dienstleistungen als Standard parat habe um sie in anderen Märkten verkaufen zu können, geht aber nicht“ (IT-L+B_13).

130 Abb. 19: Die Bedeutung kultureller Nähe zu Kunden für eine schnelle Reaktion auf

Pro-dukt-/ Dienstleistungswünsche

Quelle: Eigene Erhebung

In diesem Beispiel wird die Bedeutung unternehmensspezifischen Kultur betont. Es lassen sich unternehmensspezifische Verfahrensweisen und Normen beschreiben, die eben auch unter-nehmensspezifische individuelle Anpassungen von Dienstleistern oder Produktanbietern erfor-dern (können) (vgl. Abb. 19). Daraus ergeben sich in Konsequenz auch unterschiedliche Anpas-sungserfordernisse für die Akteure. Neben einer ‘allgemeinen’ kulturellen Nähe sind auch unternehmensspezifische Kulturen zu berücksichtigen, um für beide Seiten ein optimales Ergeb-nis zu ermöglichen. Deutlich wird aber ebenfalls, dass die kulturelle Nähe in diesem Fall auch eine räumliche Nähe impliziert, denn nur so lässt sich die Unternehmenskultur in den jeweiligen

‘betreuten’ Unternehmen ‘erfühlen’. Räumlich Nähe ist somit die Voraussetzung, um kulturelle Nähe erzeugen zu können.

Betrachtet man die Relevanz von kultureller Nähe zum Kunden und der daraus potentiell re-sultierenden erhöhten Bereitschaft zu innovieren, ergibt sich ein etwas weniger eindeutiges Bild (vgl.

Abb. 20). Die Zahl derer, die diesen Zusammenhang als entscheidend ansehen, ist deutlich gerin-ger als bei den Fragen nach der Relevanz für dauerhafte Geschäftsbeziehungen und schnelle Re-aktion auf Kundenwünsche. Hier kommt sicherlich zum Tragen, dass einige Unternehmen stär-ker auf Kundeninformationen für die eigene Innovationsfähigkeit angewiesen sind, während andere Unternehmen wiederum kaum auf diese Gruppe zurückgreifen, sondern stärker mit Zulie-ferern oder anderen Netzwerkpartnern zusammenarbeiten.

131 Abb. 20: Die Beziehung zwischen kultureller Nähe zu Kunden und Motivation zu

inno-vieren

Quelle: Eigene Erhebung

Bei dem Fragenkomplex ‘Kulturelle Nähe und Zulieferer’ erschließen sich noch weniger deut-liche Zusammenhänge. Sowohl bei der Frage, ob die kulturelle Nähe zu den Zulieferern notwen-dig sei, um schneller auf eine veränderte Produktnachfrage zu reagieren, als auch bei der Frage, ob dies bei der Realisierung von Innovationen hilft, sind die Antworten ohne erkennbare Ten-denz (vgl. Abb. 21 und Abb. 22).

Abb. 21: Kulturelle Nähe zu Zulieferern und Reaktionsgeschwindigkeit auf Produktnach-fragen

Quelle: Eigene Erhebung

132 Zuliefererbeziehungen wurden sehr unterschiedlich von den Befragten charakterisiert. Es gab eine Breite von Antworten, die von reinen Geschäftsbeziehungen auf der einen bis zu echten Netzwerkpartnerschaften auf der anderen Seite reichte. Dadurch ergeben sich logischerweise unterschiedliche Bewertungen in der Bedeutung der Zulieferer. In Bezug auf die veränderten Produktnachfragen potentieller Kunden ist ebenfalls eine begrenzte Bedeutung der Zulieferer zu erwarten, da primär die Eigenleistung des jeweiligen Anbieters gefragt ist und weniger die schnel-le Abfrage von Zuliefererbeiträgen für den jeweiligen Produktwunsch bzw. dessen Veränderung.

Auch in Verbindung zur Realisierung von Innovationen lässt sich nur bei annähernd einem Viertel der befragten Unternehmen eine Relevanz feststellen. Je nachdem, wie stark die Unter-nehmen mit ihren Zulieferern kooperieren, ist auch die kulturelle Nähe zu denselben mehr oder weniger wichtig.

Abb. 22: Bedeutung kultureller Nähe zu Zulieferern für die Realisierung von Innovatio-nen

Quelle: Eigene Erhebung

Dass die Bedeutung der Zulieferer jedoch nicht völlig irrelevant ist, zeigt sich im intensiven Austausch von Wissen und Informationen (vgl. Abb. 23). Die Hälfte der Unternehmen sieht in Bezug auf Wissensbildung diese Nähe als entscheidend an. Dies ist nicht zuletzt auf die Eigen-schaften von Wissen bzw. Informationen zurückzuführen, deren Kontextgebundenheit eine kul-turelle Nähe zwischen den beiden Seiten vorteilhaft macht. Dies ist vor allem bei tacit knowledge von großer Bedeutung, da dieses oftmals erst im Zusammenspiel mit den anderen Akteuren ent-stehen kann bzw. fruchtbar wird.

Deutlich verneint wurde, dass kulturelle Nähe zu Konkurrenten einen Einfluss auf Koopera-tionen habe und den unternehmerischen Erfolg erhöhe. Das bedeutet aber nicht, dass es keinerlei

133 Kooperationen zwischen den Unternehmen gibt. Im Gegenteil wurde von verschiedenen Unter-nehmen erwähnt, dass es durchaus zu Kooperationen zwischen ihnen und Konkurrenten kommt.

Jedoch ist dies eher die Ausnahme und meistens durch Projektzwänge bestimmt.

Abb. 23: Die Beziehung zwischen kultureller Nähe zu Zulieferern und erleichtertem Aus-tausch von Wissen und Informationen

Quelle: Eigene Erhebung

Dass die Beziehungen zwischen Konkurrenten durchaus zwiespältig sein können, zeigt das Bespiel des Unternehmens IT-L_37. Es benutzt das Betriebssystem Windows von Microsoft als Plattformbasis für die eigene Softwareapplikation. Jedoch besitzt Microsoft ein Tochterunter-nehmen, das eine vergleichbare Softwareapplikation herstellt und ebenfalls in Portugal vertreibt.

Somit steht das befragte Unternehmen vor dem Dilemma, mit einem Zulieferer zusammenarbei-ten zu müssen, der Informationen aus dieser Partnerschaft für eigene Zwecke missbrauchen könnte, indem er diese an das eigene Tochterunternehmen weitergibt. Dies ist somit ein gutes Beispiel dafür, inwieweit die annähernde Monopolstellung von Microsoft im Bereich der Be-triebssysteme dazu führt, dass Unternehmer zur Kooperation mit Microsoft gezwungen sind, obwohl es für sie als schwächere Partner dadurch auch zu einer existenzbedrohenden Situation werden kann, sofern Microsoft vergleichbare Softwareapplikationen auf den Markt bringen wür-de.

Anders sieht es bei der Frage nach dem Einfluss auf die eigene Innovationsleistung aus. Die kulturelle Nähe zu den Konkurrenten ermöglicht es den Unternehmen schneller zu begreifen, wie jene arbeiten (vgl. Abb. 24). Dadurch ist es für die betroffenen Unternehmer leichter abzu-schätzen, wie ihre Konkurrenten in Zukunft agieren bzw. auf eigene Produktinnovationen reagie-ren (vgl. Abb. 25). Allerdings wurde von einigen Unternehmern betont, dass die Konkurreagie-renz im

134 Prinzip keinen Orientierungspunkt darstelle, da man sich selbst als innovationsführend in den jeweiligen (nationalen) Marktsegmenten sieht und somit der Maßstab nicht durch die Konkurrenz bestimmt wird (vgl. Interview IT-L_28; S_32; IT-B_21).

Abb. 24: Kulturelle Nähe zu Konkurrenten und Reaktionsgeschwindigkeit auf deren In-novationen

Quelle: Eigene Erhebung

Abb. 25: Die kulturelle Nähe zu Konkurrenten als Motivation für eine schnellere Markt-realisierung von Innovationen

Quelle: Eigene Erhebung

135 Primär in den Beziehungen zu ihren Kunden und abgeschwächt zu Zulieferern und Konkurren-ten wird deutlich, dass kulturelle Nähe zu diesen eine wichtige Rolle für den wirtschaftlichen Er-folg der befragten Unternehmen spielt und sogar die Bedeutung topographischer Nähe überstei-gen kann.

Vertrauen ist in diesem Zusammenhang einer der Schlüssel für das Verständnis von kultureller Nähe, indem es den Unternehmen den Zugang auf Kunden und Zulieferer ermöglicht und damit positiv auf den eigenen wirtschaftlichen Erfolg wirkt. Selbst die kulturelle Nähe zu den eigenen Konkurrenten kann helfen, um eigene Innovationen eher zur Marktreife zu bringen und auch auf Innovationen der Konkurrenz zu reagieren.

Dass diese kulturelle Nähe nicht nur in Beziehungen zwischen zwei Wirtschaftsakteuren wirk-sam ist, sondern weiter gefasst werden muss, soll im Folgenden näher beschrieben und analysiert werden.

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 127-135)

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE