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Die befragten Unternehmen und die räumliche Distanz zu den Kunden Die meisten befragten Unternehmen verkaufen ihre Produkte und Dienstleistungen auf dem

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 116-122)

4 Empirischer Teil

4.3 Die befragten Unternehmen in ihren räumlichen Verknüpfungen Ausgehend vom Standort der befragten Unternehmen und deren mehrheitlichen

4.3.1 Die befragten Unternehmen und die räumliche Distanz zu den Kunden Die meisten befragten Unternehmen verkaufen ihre Produkte und Dienstleistungen auf dem

nationalen Markt (Abb. 13 und Tab. 12, S. 102). Dieser Markt lässt sich nach der eigenen Region (bis ca. 50 km Umkreis) und dem sonstigen Inland differenzieren. Dabei zeigt sich eine Domi-nanz des regionalen Verkaufsmarktes. So verkaufen die Hälfte der befragten Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen zu 60 % und mehr in die eigene Region. Hierbei spielt der jewei-lige Inlandstandort des eigenen Unternehmens offensichtlich eine wichtige Rolle. So liegt der Hauptabsatzmarkt der Unternehmen, die in der Metropolregion Lissabon ihren Sitz haben, in der Regel auch in dieser Region. Nur zwei Unternehmen im Nordwesten des Landes, eines im Me-tropolraum Porto und eines in Póvoa de Varzim, sind ebenfalls überwiegend auf Kunden in der eigenen Region ausgerichtet.

Der Hauptgrund für die enge räumliche Verbindung liegt zumeist in der Art des Produktes und/oder der Dienstleistung bzw. in der Art der Nachfrager. Die Mehrzahl der angebotenen Produkte und Dienstleistungen sind aufgrund ihrer IT-Spezifität komplex und wissensintensiv,

117 ähnliches gilt auch für die Abnehmer. Anbieter und Abnehmer konzentrieren sich mehrheitlich in der Metropolregion Lissabon.

Abb. 13: Die befragten Unternehmen und die räumliche Verteilung der Kunden

Quelle: Eigene Erhebung

118 Hingegen haben die stärker durch traditionelle Industriezweige geprägten Landesteile Norte mit der Metropolregion Porto und Centro durch die wachsende Bedeutung der hochrangigen und unternehmensnahen Dienstleistungen in der Metropolregion Lissabon relativ an Gewicht verlo-ren, was folgender Ausschnitt aus einem Interview im Taguspark eindrücklich belegt:

Interviewpartner: „Ja, ich denke ja, wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass Lissabon im Verhält-nis zu Porto mit einer hoher Dynamik gewachsen ist. Wir, die wir vor einiger Zeit noch zwei Niederlas-sungen hatten, Porto und Lissabon, und wir, die wir in Porto gegründet worden sind, kennen den Markt.

In der Zwischenzeit ist dieser Markt, diese 20 % die wir jetzt in Porto haben... hatten wir bereits 93/94.

Das Umsatzvolumen ist das gleiche. Aber jetzt haben wir 80 % in Lissabon. Das ist unglaublich, wir hät-ten in beiden Metropolen wachsen sollen. Wir haben dort auch Verkäufer, die Bemühungen sind dort wie hier gleich.

Interviewer: „Vielleicht hat es was mit der unterschiedlichen Industrie zu tun?“

Interviewpartner: „Es hat was mit unserem Angebot zu tun.“

Interviewer: „Die traditionelle Industrie ist mehr in der Mitte und im Norden und die Nachfrage nach Dienstleistungen ist mehr hier.“

Interviewpartner: „Ja, wer unsere Dienstleistungen kauft, ist hier. Aber er könnte auch dort sein. Bei-spielweise, welche Bank24 hat ihren Sitz in Porto?“ (Interview IT-L_2;)25

Bei vielen Dienstleistungen ist die Arbeit vor Ort beim Kunden essentiell, wenn nicht sogar Bedingung, um den Kunden zu halten bzw. um die Dienstleistung erbringen zu können. Insbe-sondere bei Unternehmensberatungen ist diese Form der Arbeit üblich. Während auch hier der Hauptmarkt im Großraum Lissabon liegt, werden die restlichen Kunden in den anderen Lan-desteilen für die Zeit eines Projektes vor Ort durch entsandte Teams betreut.

„Sie [die räumliche Nähe] ist natürlich sehr wichtig. Für Unternehmensberatung und Dienstleister gibt es immer eine enge Beziehung. Wie ich gesagt habe, wir beschäftigen ca. 1000 Mitarbeiter, und von denen sind 400 hier [am Sitz] und der Rest beim Kunden. Wir haben ein großes Projekt mit 150 Mitarbeitern in der Direktion von Chaves [Nordostportugal], wir haben eine weitere Gruppe in Palmela [Halbinsel Setú-bal], wir haben 60 oder 70 in Porto. Alles ein wenig über das ganze Land verteilt...“ (Interviewpartner IT-L_29).

Alternativ haben einige größere Unternehmen neben ihrem Hauptsitz in Lissabon noch einen Nebensitz in der Metropolregion Porto, um den dortigen Markt leichter zu erschließen (vgl. Kap.

3.2).

Liegt jedoch der Unternehmenssitz der Befragten außerhalb der Metropolregion Lissabon, fällt auf, dass zumeist nicht die eigene Region als Hauptabsatzmarkt genannt worden ist, sondern

24 Tatsächlich haben alle portugiesischen Banken, mit Ausnahme von Banif, die in Funchal (Madeira) ihren Sitz hat, ihren Hauptsitz in Lissabon.

25 Im Folgenden immer eigene Übersetzung.

119 der sonstige Inlandsmarkt (S_18, S+B_11, IT-L_37 und S_27). Betrachtet man die Produkte bzw. die Dienstleistungen dieser Unternehmen genauer, dann erklärt sich die räumliche Struktur ihres Absatzgebietes. All diese Unternehmen bieten Produkte und Dienstleistungen für Einzel-händler oder Verwender mit Betrieben kleinster bis mittlerer Dimension, die im Low-Tech-Bereich tätig sind. Der Markt der außerhalb der Metropolregionen gelegenen Anbieter verteilt sich annä-hernd entsprechend der Bevölkerungsverteilung im Land und weniger nach regionalen Dienstlei-stungs- oder Industriekonzentrationen. Weiterhin ist eine große persönliche Kundennähe, wie z.

B. bei den Unternehmensberatungen, für diese Befragten weniger wichtig, da sie teilweise kom-plette Softwarepakete anbieten, die durch kommerziell getrennte Vertriebsorganisationen zum Kunden gebracht werden. Die Bestimmung des Unternehmenssitzes folgt somit nicht dem Ab-satzmarkt sondern zumeist persönlichen Präferenzen des Unternehmensleiters, beispielsweise weil dieser in der Region studiert, das Unternehmen in räumlicher Nähe zum Studienort gegrün-det oder familiäre Wurzeln am Standort hat (vgl. Interview S_27, IT-L_37, S+B_25). Ein weiterer wichtiger Faktor für die Standortwahl dieser Unternehmen ist die Rekrutierung von Mitarbeitern.

Im Umfeld der Universitätsstandorte Porto, Braga/Guimarães und Coimbra mit Informatik-fächern bzw. Ingenieurstudiengängen ergibt sich ein potentieller Mitarbeiterpool durch Absol-venten einschlägiger Studiengänge. Die Nähe zum Studienort bzw. die familiären Bindungen sind für einen Verbleib von Absolventen in der Heimatregion von großer Relevanz, sodass selbst ein deutlich höheres Gehalt in der Metropolregion Lissabon für die meisten keinen ausreichenden Anreiz bietet. Umgekehrt bedeutet dies für die örtlichen Unternehmen, dass sie zwar von niedri-geren Gehältern profitieren können, jedoch andererseits nicht auf Absolventen aus der Metropol-region Lissabon oder Bewerber aus anderen Landesteilen zählen können (vgl. Interview S_27), da Absolventen im Lissabonner Raum deutlich höhere Gehälter erzielen können. Wie stark dieser Gehaltsunterschied ist, zeigt die folgende Aussage eines Interviewpartners in der Metropolregion Lissabon:

„Wenn ich zu S_27 [Standort ist Braga] komme und sage, Mitarbeiter, wie viel verdienst Du? ‘Ich ver-diene 100’. O.K. dann zahle ich Dir 150 und du kommst zu uns nach Lissabon... und machst dieses und jenes Projekt, dann kämen 10 oder 20. Ich könnte S_27 morgen schließen, wenn ich wollte. Die CPC in Porto oder die RioDois sind große Unternehmen im Norden, aber es ist nicht schwer Mitarbeiter von dort zu rekrutieren. Höchstens die, die schon Familie haben, oder Kinder in der Schule... Aber junge Men-schen, die sind leicht zu rekrutieren.“ (Interviewpartner IT-L_29).

Die Unternehmen S_3 (Coimbra), S+H/E_24 (Ericeira) und S_8 (Almada) (vgl. Abb. 13) nehmen aufgrund ihrer sehr speziellen Softwareprodukte eine Sonderstellung ein, da sie ihre Hauptabsatzmärkte im Ausland haben und somit weder die eigene Region noch der Rest des Landes als Markt von Bedeutung sind. Das Unternehmen H/E_1 (Lissabon) wiederum stellt vor allem elektronische Bauteile her, die ausschließlich industriell genutzt werden können, sodass sein

120 Hauptabsatzmarkt in den traditionellen Industrieregionen des Landes liegt und weniger in der Dienstleistungsmetropolregion Lissabon.

Somit lassen sich folgende geographische Bedeutungszusammenhänge erschließen. Sofern Unternehmen Geräte oder Dienste anbieten, wofür Kundennähe oder intensive Vermittlung (Be-ratung) nötig sind, suchen sie die räumliche Nähe zu ihrem Absatzmarkt. Dieser befindet sich im Fall Portugal vorrangig in der Metropolregion Lissabon, sodass die Mehrheit der Unternehmen dort ihren Hauptsitz hat. Verdeutlicht wird dies auch durch die Verlagerung eines Unterneh-menssitzes von Porto nach Lissabon aufgrund der größeren Marktbedeutung der Hauptstadtregi-on (IT-L_2). Einzige Alternative sind Filialen im Norden oder aber die direkte Betreuung des Kunden vor Ort durch mobile Teams.

Die restlichen Unternehmen, deren Markt nicht auf eine Region fokussiert ist, haben ihren Sitz in der Ursprungsregion belassen, sodass bei diesen zumeist die Gründungsgeschichte für die Lage des Standortes entscheidend war. Davon unabhängig sind innerregionale Standortverlage-rungen innerhalb der Metropolregion Lissabon durchaus gängig, da es dann zumeist um be-triebswirtschaftliche Standortoptimierungen geht und weniger weil es die Nähe zu Kunden oder Zulieferern erfordert.

Inwieweit eine Standortwahl auch durch regionalpolitische Faktoren mitbestimmt werden kann, verdeutlicht das Bespiel des Unternehmens S+H/E_24. Gegründet wurde es 1996 in Lis-sabon als Spin-off aus einem bestehenden Unternehmen. Durch die Expansion wurde 2002 ein Standortwechsel notwendig. Die Nutzung von EU-Beihilfen für einen neuen Standort war nur unter der Bedingung möglich, dass die Ansiedlung außerhalb der NUTS II-Region Lissabon statt-fände.

Interviewpartner: „Wir nahmen damals eine Karte der Region und schauten, welche Standorte im Umkreis von ca. 50 km oder einer maximalen Entfernung von 45 min. vom Flughafen Lissabon möglich wären. Ericeira wurde relativ schnell als Standort interessant. Es liegt am Wasser, ideal zum Surfen, von Lissabon sehr gut zu erreichen, attraktive Wohnlage, günstige Bauflächen. All dies sprach für diesen Ort.

Es hätte aber auch irgendwo anders im Umkreis von Lissabon sein können.“ (Interview S+H/E_24).

Bewusst wird von diesem Unternehmer in Kauf genommen, dass sein Unternehmen nicht mehr in der Metropolregion Lissabon liegt, sondern ca. 20 km jenseits von deren Nordgrenze26. Für potentielle Mitarbeiter, die in der Metropolregion Lissabon studiert haben oder dort wohnen, liegt dieses Unternehmen nach Aussage des Befragten bereits an der Peripherie der jeweiligen mental map, sodass dieser Unternehmer trotz der objektiven Nähe zur Metropolregion Lissabon

26 Bemerkenswerterweise wird Ericeira voraussichtlich im Jahr 2008 durch einen direkten Autobahnanschluss mit Lissabon verbunden, sodass eine weitere raum-zeitliche Annäherung zu erwarten ist.

121 Schwierigkeiten hat gute Mitarbeiter zu rekrutieren. So merkt er weiter an, dass IT-Unternehmen, die in räumlicher Nachbarschaft zu den Universitäten sitzen, die Studenten leichter erreichen können, wodurch das Arbeitskräfteangebot an sehr guten Studenten relativ schnell ausdünnt.

Viele Studenten spekulieren auf ein hohes Gehalt und weniger auf eine interessante Arbeitsstelle.

Diese Schwierigkeiten versucht der Unternehmer durch verschiedene Maßnahmen zu relativie-ren. Zum einen ist er dazu übergegangen auch nicht studierte Mitarbeiter einzustellen, die intern eine Ausbildung erfahren, und zum anderen hilft er potentiellen Mitarbeitern bei der Wohnungs-suche bzw. unterstützt sie, indem er als Bürge für Kredite beim Häuserkauf vor Ort eintritt, was einen erheblichen Anreiz darstellen kann. So ist die Schaffung von Eigentum in Portugal gerade unter jungen Menschen sehr beliebt, zumal Mietwohnraum rar und verhältnismäßig teuer ist.

Bemerkenswert ist weiterhin, dass er verschiedene Mitarbeiter aus dem Ausland (Niederlande, Groß Britannien, Frankreich, u.a.) gewinnen konnte, die im Gegensatz zu den potentiell inländi-schen Mitarbeitern weniger Vorbehalte gegenüber dem Kleinstadtambiente an der ‘Peripherie’

haben. Das Beispiel macht deutlich, dass es vorrangig nicht um räumliche Distanzen geht, son-dern vielmehr mentale oder besser kulturelle Einflussfaktoren geht, die bei der Wahl von Arbeits- und Lebensmittelpunkt eine wichtige Rolle spielen.

Abb. 14: Die Bedeutung der räumlichen Nähe zum Kunden27

Quelle: Eigene Erhebung

27 Die Aussage, die zu bewerten war, hieß: „Die räumliche Nähe in Bezug auf meine Kunden ist für mich sehr wichtig, um rasch auf Produktnachfragen reagieren zu können.“

122 Ein etwas anderes Bild von der Bedeutung der räumlichen Nähe zu den Kunden ergibt sich bei der Analyse der Frage, ob die räumliche Nähe zu einem Kunden sehr wichtig ist, um die Nachfrage nach einem Produkt schnell befriedigen zu können (vgl. Abb. 14).

Während nur 9 von 29 Befragten uneingeschränkt zustimmen und 3 mit Einschränkung, ist für eine Mehrheit die räumliche Nähe nur ‘teilweise/eher nicht’ (10) oder ‘überhaupt nicht’ von Bedeutung (6). Eine Erklärung für diese gegensätzlichen Einschätzungen ist nur durch eine nähe-re Diffenähe-renzierung nach Unternehmenstypen bzw. nach denähe-ren Produkten und/oder Dienstlei-stungen möglich.

Das Unternehmen S+H/E_14 z. B. produziert elektronische Geräte (und passende Software), welche in den Kassensystemen der Einzelhändler benutzt werden. Für seine Kunden ist daher bei einem Ausfall des Produktes ein schneller Ersatz wichtig, sodass dieser Hersteller über ein Logi-stikunternehmen den Austausch landesweit innerhalb von 24 Stunden garantiert. Anders sieht es z. B. bei Softwareproduzenten aus. Sie müssen entweder innerhalb kürzester Zeit persönlich vor Ort sein, um ein Problem zu lösen, oder aber sie können das Problem Online und aus der Ferne beheben.

Die räumliche Nähe hängt somit von verschiedenen Faktoren ab und ist daher auch in der IT-Branche nur in Teilen ‘unwichtig’ geworden. So verlangen Beratungsleistungen in der Regel eine große räumliche Nähe zum Kunden. Ähnliches gilt auch für IT-Systemanbieter, da diese gerade bei ausfallsensiblen Systemen, wie z. B. Bankensoftware, in kürzester Zeit vor Ort sein müssen, um das Problem zu beheben. Softwareanbieter, die ein ‘geschlossenes’ Produkt verkaufen, sind weniger nähefixiert. Dadurch wird ein einheitliches Bild erschwert bzw. es muss jeweils nach den einzelnen Unternehmenstypen differenziert werden, um die Bedeutung von räumlicher Nähe zu klären.

4.3.2 Die befragten Unternehmen und die räumliche Distanz zu den Zulieferern

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 116-122)

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