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Urbanization Economies und Metropolregionen

Im Dokument Innovationsnetzwerke in Portugal (Seite 51-54)

2.4 Innovative Milieus und regionale Cluster oder metropolitane Konzentration?

2.4.2 Urbanization Economies und Metropolregionen

Betrachtet man aus wirtschaftsgeographischer Perspektive Standortentscheidungen von Un-ternehmen und deren räumliche Konzentration, sind seit jeher urbane Räume bevorzugte Nieder-lassungsziele (vgl. für Portugal FREUND, 1981). Während in vergangenen Jahrhunderten Pro-duktion und Verkauf zumeist räumlich eng beieinander liegen mussten, weil der Transport oftmals teuer und die Lagerungsfähigkeit vieler Produkte gering war, ermöglichen die neuen Transport- und Informationstechniken ab Mitte des 20. Jahrhundert auch weiter entfernt liegen-de Produktionsstandorte. Die Abwanliegen-derung von Industrien aus liegen-den städtischen Zentren an die Peripherie – oder gar in ländliche Räume – wird dabei aber vielfach durch nicht-emittierenden Produktions- und Dienstleistungsunternehmen kompensiert, die gerade im Hinblick auf moderne hochqualifizierte Arbeitskräfte städtische oder zumindest suburbane Räume bevorzugen.

Gründe für die Ansiedlung von Betrieben in urbanen Räumen sind im Wesentlichen auf die positiven Effekte, wie leistungsfähige und gut ausgebaute Verkehrs- und Kommunikationsinfra-struktur, großer potentieller Absatzmarkt, eine hohe Konzentration an potentiellen gut ausgebil-deten Arbeitskräfte, hohe Bevölkerungsdichte, Vielfalt der Bildungseinrichtungen und einem quantitativ und qualitativ höherwertigem Kultur- und Freizeitangebot zurückzuführen. Diese auch als Urbanisationsvorteile (urbanization economies) bezeichneten Wirkungen werden noch durch die räumliche Nähe zu anderen Betrieben ergänzt. Durch die räumliche Nähe zu Zulieferern, Dienstleistern und Weiterverarbeitern werden sog. Lokalisationsvorteile (localization economies) er-zielt. Lokalisationsvorteile wirken darüber hinaus auch dahingehend ballungsverstärkend, dass sie einen Anreiz für weitere Unternehmensansiedlungen und Neugründungen darstellen. Bemer-kenswert ist, dass bei diesen beiden von Edgar M. Hoover erstmals beschriebenen Begriffen, urbanization economies und localization econonomies, er bereits die Bedeutung der urbanen Zentren als Lebensorte der qualifizierten Arbeitskräfte erkennt, während er die Industrien mit den tendenziell niedrig qualifizierten Berufen aus den Zentren an die Peripherie verdrängt werden sieht (vgl.

HOOVER, 1937: 108).

Neben den harten Standortvorteilen gibt es aber auch weiche Standortvorteile. Diese ergeben sich aus den intensivierten Informations- und Wissensflüssen, den Kommunikations- und Ab-stimmungsprozessen zwischen lokalen Akteuren und den bereits genannten informellen face-to-face-Kontakten, die für die eigene Innovationsfähigkeit der Betriebe von zunehmender Bedeutung sind. Und weil diese Agglomerationsvorteile erst ab einer gewissen Mindestverdichtung auftreten, indem der Nutzen der räumlichen Konzentration die aufzuwendenden Kosten übersteigt, profi-tieren insbesondere Metropolen und -regionen von den Urbanisationsvorteilen, weil sie eine hohe

52 Auslastung von Infrastruktureinrichtungen gewährleisten und vielfältige Verflechtungen aufwei-sen. Dass diese Ballung von Bevölkerung, Infrastruktur und Industrie auch negative Auswirkun-gen hat, ist unbestritten. Gerade weil aber durch die vielfache Verdrängung und Verlagerung der stark emittierenden Industrien aus diesen Ballungsräumen, der Wiedereroberung von obsoleten innerstädtischen Industrieflächen, Güterbahnhöfen und Hafenflächen, eine Verbesserung der Kerngebiete in den Ballungsräumen erreicht werden konnte, erleben diese eine Revitalisierung und einen Attraktivitätsschub. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Metropolen und Metropol-regionen seit Mitte der 1980er Jahre ein breit diskutierter Untersuchungsgegenstand in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit geworden sind (vgl. BLOTEVOGEL, 2001: 157; KEMPER, 2006: 1).

Tab. 1: Konzeptionelle Ansätze der Metropolenforschung

Ansätze Leitautoren

Beschreibende, systemanalytische Ansätze D. Pumain, N. Cattan, D. Rebitzer

Geopolitische Ansätze R. Brunet, K. Kunzmann

Neoklassisch-institutionenökonomische Ansätze P. Hall, S. Sassen, Ch. Jensen-Butler, R. Camagni, A. Shachar

Polit-ökonomische Ansätze Welthierarchie (Weltsystemtheorie) Globalisierungstheoretische Ansätze Regulationstheoretische Ansätze

Globale Hierarchien im „Raum der Flüsse“

I. Wallerstein, Ch. Chase-Dunn, P. Taylor J. Friedmann, R. Cohen, D. Meyer P. Knox, St. Krätke

D. Smith, M. Timberlake, P. Taylor, J. Beaverstock, M. Castells

Kulturalistische Ansätze A. King, G. Fuchs

Quelle: verändert nach BLOTEVOGEL 2001, 161

Verschiedene Definitionen dienen heute als Grundlage für die Bestimmung und Analyse von Metropolen und auch Metropolregionen. BLOTEVOGEL (2001: 161) gruppiert die aktuellen Be-griffsdefinitionen in beschreibend-systemanalytische, geopolitische, neoklassisch-institutionenökonomische, polit-ökonomische, globalisierungstheoretische, regulationstheoreti-sche und kulturalistiregulationstheoreti-sche Ansätze (Tab. 1.).

Ohne auf alle Ansätze einzeln eingehen zu können, soll zumindest auf die ökonomisch orien-tierten Ansätze näher eingegangen werden. Insbesondere die Arbeiten von FRIEDMANN, TAYLOR

und SASSEN haben, aufbauend auf dem Weltstadtbegriff von Peter HALL, die Diskussion um Metropolen und deren Bedeutung in den 1980er und 1990er Jahren maßgeblich beeinflusst.

„Grundlage dieser neuen Metropolen-Diskurse ist die Erkenntnis, dass die ökonomische Globalisie-rung und die neuen Informationstechnologien keineswegs räumliche Gebundenheiten und Konzentratio-nen völlig aufgelöst haben, sondern dass große Städte zu Knotenpunkten der weltweiten Ströme der Aus-tauschbeziehungen, zu Zentren von Kontroll-, Macht- und Regulierungsfunktionen wurden.

53 Multinationale Wirtschaftsunternehmen benötigen die Infrastruktur der spezialisierten Dienstleistungen dieser Knotenpunkte.“ (KEMPER, 2006: 12f.)

Während John FRIEDMANN (1986) noch mit dem Begriff ‘Weltstadt’ arbeitet, wo sich die Hauptquartiere des Finanzsektors, von multinationalen Unternehmen und wissensintensiver un-ternehmensorientierter Dienste konzentrieren, benutzt Saskia SASSEN (1991) den neuen Begriff der Global City. In ihrer Definition nehmen die ‘Kommandofunktionen’ an Bedeutung ab, wäh-rend sie insbesondere die ‘Kontroll- und Dienstleistungsfunktionen’ als wichtig erachtet. Daher spricht sie auch von global service centres’, da es die hochrangigen unternehmensbezogenen Dienst-leistungen (darunter besonders die Finanzdienste) sind, die in diesen Städten zu finden sind und sie aus der Masse an demographisch großen Städten herausragen lassen. Eines der Charakteristika dieser Städte ist, dass sie in hohem Maß untereinander vernetzt sind.

„Yet beyond these long-standing functions, today’s global cities are (1) command points in the organization of the world economy; (2) key locations and marketplaces for the leading industries of the current period – finance and specialized services for firms; and (3) major sites of the smaller geographic scales of both trans- and subnational regions. Furthermore, whether at the global or at the regional level, these cities must inevitably engage each other in fulfilling their functions, as the new forms of growth seen in these cities are a result of these networks of cities. There is no such entity as a single global city” (SASSEN, 2000: 4).

Einen Schritt weiter geht die Gruppe von Forschern um Peter TAYLOR. Sie entwickelten eine Systematik, mit der sie die Vernetzung von über 200 Städten weltweit analysierten. Ihre These ist, dass es zu den von Sassen benannten Faktoren noch weitere wichtige Charakteristika gibt, die diese Städte vom Rest unterscheidet. Erstens wird in Anlehnung an CASTELLS (2001: Kap. 6) bei den weltweiten Unternehmensnetzwerken, von spaces of flows statt von spaces of places gesprochen, da es die Ströme zwischen den beteiligten Städten sind, die deren Konnektivität zueinander bele-gen. Solche Ströme betreffen Kapital, Information, Technologie, organisatorische Interaktion, Bilder, Töne und Symbole. Zweitens wird wie bei Sassen ein Schwerpunkt auf die Gruppe der hochrangigen unternehmensbezogenen Dienstleistungen gelegt und drittens deren Rolle als Zen-trum für Innovation und Kreativität in den wissensbasierten Ökonomien.

Allen drei Ansätzen gemeinsam ist, dass sie Rankings für die Städte aufstellen. Dabei ist das Ranking von der TAYLOR-Gruppe am elaboriertesten und berücksichtigt stärker Städte aus der

‘zweiten’, ‘dritten’ und ‘vierten Reihe’, denen bei Friedmann und in Teilen bei Sassen eine gerin-gere Bedeutung in der weltweiten Vernetzung beigemessen wird. Lissabon taucht zum Beispiel in diesem Ranking in der Gruppe der Städte auf, die Teilfunktionen einer World-City aufweisen (vgl. TAYLOR und HOYLER, 2000).

Kritisch anzumerken ist, dass diese Ansätze sich mehrheitlich im wesentlichen auf die Steue-rung und Kontrolle in den Dienstleistungsbranchen beschränken, sodass z. B. von Edward SOJA

(2000, 224f.) zu recht kritisiert wird, dass der sich ebenfalls stark globalisierende sekundäre

Wirt-54 schaftssektor keine Berücksichtigung findet, obwohl es weltweit sehr bedeutsame und dynami-sche Stadtregionen gibt, in denen diese Industrien vorherrdynami-schend sind (vgl. YEOH, 2005)11.

Auffallend in dieser Metropolendebatte ist, dass für viele Metropolen aus der zweiten, dritten oder vierten Reihe das Umland eine fundamentale Bedeutung für die Metropolfunktion hat. Eine Reihe von europäischen Metropolen qualifiziert sich nicht durch die demographische Größe der Kernstadt zu einer Global City, sondern erst im Zusammenhang mit dem Umland. Bespiele sind Frankfurt als Zentrum der Metropolregion Rhein-Main oder Düsseldorf, das oft stellvertretend für Rhein-Ruhr genannt wird, aber auch Lissabon, wie in dieser Arbeit verdeutlicht werden soll, oder Zürich. So belegt dies Bodo FREUND für Frankfurt:

„Typically, the Rhine-Main region has been taken as the example of a region where city and suburbs form a continuum.

In this respect, and not only for high-rise office towers in downtown Frankfurt, Rhine-Main is the most ‘Americanised’ Re-gion of Germany. (…) Frankfurt is a dwarf global city (650.000 inhabitants), drawing its strength from economic activities in suburban municipalities and even from other towns in the region” (FREUND, 2002: 130).

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