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3. Biographisches

3.3 William Morris und The Oxford and Cambridge Magazine

Morris las bereits 1853, also zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, Ruskins The Stones of Venice zum ersten Mal. Später widmete sich Morris Ruskins Edinburgh Lectures.138 Zu dieser Zeit studierte Morris in Oxford und lernte dort Edward Burne-Jones kennen, ein wei-teres Gründungsmitglied der Firma. Auch dies sollte eine Freundschaft werden, die ein Le-ben lang hielt und sich nicht auf die Zusammenarbeit bei Morris & Co. beschränkte. 1854 besuchte Morris Belgien und Nordfrankreich, wo er die Kathedralen von Amiens, Beau-vais, Chartres und Rouen besichtigte.139

Bis Morris im Büro von Street Webb traf, unternahm er noch zusammen mit Burne-Jo-nes und einem weiteren Freund eine Reise nach Frankreich. Wieder ging es unter ande-rem zu denselben gotischen Kathedralen wie zuvor. In einem langen Brief, in welchem er von seiner Reise berichtete, zeigte sich Morris begeistert von der Schönheit eines Tales, dass für ihn geeignet erschien, den Hintergrund zu einer von Chaucers Geschichten abge-ben zu können.140 Zu dieser Zeit probierte er sich in Prosa aus und las Geoffrey Chaucer und Thomas Malory141, zwei Schriftsteller aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die für die Konstruktion des Englischen auch in seiner romantischen Auslegung bis heute prägend sind. Chaucer verwendete damals untypischer Weise die englische Sprache in der Dich-tung und Malory tradierte die Erzählungen von König Artus und der Tafelrunde weiter.142 Neben Morris Unternehmung sich bei Street als Architekt ausbilden zu lassen, begann er zusammen mit Burne-Jones das Zeitschriften-Projekt The Oxford and Cambridge Magazi-ne, das einen ersten Höhepunkt seiner Ambitionen in der Schriftstellerei darstellt.143

Wir kommen auf die Frankreich-Reisen zurück, da zwei der Beiträge von Morris in der Zeitschrift dort ihren Ursprung haben. Der eine Beitrag trägt den Titel The churches of

138 Mackail 1901, S. 38 f.; Burne-Jones 1906 I, S. 99.

139 Ebd., S. 48.

140 Ebd., S. 71 f., 76.

141 Ebd., S. 61 und 81.

142 Vgl. die Prioress’s Tale Wardrobe (101) von 1858, die Burne-Jones aus besagter Geschichte nach Chaucer bemalte.

143 Zu dem Zeitschriftenprojekt: Mackail 1901, S. 87–98.

Northern France und ist eine Beschreibung der Kathedrale von Amiens.144 Die gotischen Kathedralen Nord-Frankreichs sind für Morris die schönsten Bauwerke auf der Erde.

Durch die Augen der Erbauer betrachtet, könne er in das Mittelalter zurückblicken. Mit viel Pathos spricht Morris davon, wie er sie genauso liebe, wie die großen Männer, Maler und Poeten von heute. Er sähe in den Blättern, Pflanzen und Gesichtern ihre Gedanken in Stein gemeißelt und durch die Schläge der Hämmer und Spuren des Meißels ihre Ge-schichten verewigt. Dies ist Teil seiner Präambel, auf die eine sachliche Beschreibung des Bauwerks folgt, wobei er sich vor allem auf das Bildwerk am Westwerk konzentriert.

Im zweiten Beitrag, der sich mit Kirchenbau beschäftigt, steht ein fiktiver Steinmetz im Mittelpunkt, der während seiner Arbeit immer wieder in Träumereien verfällt, die Morris be-schreibt und die nach seinem Erwachen auch Eingang in sein Bildwerk finden.145 Damit beschreibt Morris einen für ihn charakteristischen Prozess in der Entstehung von goti-schen Kathedralen, bei der der Handwerkende und sein Arbeitsalltag im Vordergrund ste-hen. Davon abgesehen stehen Freundschaft und Tot im Mittelpunkt der Handlung. Morris beschreibt den Werksetzungsprozess als mindestens antizipierend und abbildend. Da die ausführende Person hier nicht als Genie ausgezeichnet wird, sondern als Handwerkende, kommt dieses Vermögen im Gegensatz zur Konstruktion von Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft und im Einklang mit der anthropologischen Bestimmung des Arbeitsprozes-ses allen zu.

Die vier anderen Beiträge, mit denen sich Morris unter anderem am The Oxford and Cambridge Magazine beteiligt hatte, sind aus der Perspektive von Kunst und Arbeit zu ver-nachlässigen. Sie wurden auch genauso wie The story of the unkwon church in die Kate-gorien Erzählungen und Dichtung eingeordnet, wobei The churches of Nothern France in die Kategorie Essay eingeordnet worden war. In dieser Kategorie befanden sich auch Bei-träge wie Mr. Macaulay, ein fünfteiliger Beitrag von Thomas Carlyle, Unhealthy Employ-ments, Woman, her duties Education, and Position oder The Work of young men in the present age. Sie wurden als Beiträge mit sozialem Inhalt aufgefasst.146 Zwei Tagebuchein-träge von Cormell Price, ein Schulfreund von Burne-Jones, zeigen die Gedanken hinter der Artikelauswahl: „Ted, Top, and Fulford came over to tea and supper. Had much talk with Top about architecture and organization of labour. Discussed the tone of reviews in general, and ‘Blackwood’ in particular. It is unanimously agreed that there is to be no

144 Morris 1856, S. 99–114.

145 Ebd., S. 28–32.

146 Flemming s. a., abgerufen unter: http://www.rossettiarchive.org/docs/ap4.o93.raw.html [20.12.2018].

shewing off, no quips, no sneers, no lampooning in our Magazine.“147 Top oder Topsy war der Spitzname von Morris. In dieser Aussage wird explizit erwähnt, dass Architektur und die Organisation von Arbeit diskutiert wurden. Auch darin können wir ein Aufgreifen von Ruskins Ideen sehen, der wie oben herausgearbeitet, besonders mit dem architektoni-schen Ornament eine Brücke von der Sphäre der Kunst zu lebenspraktiarchitektoni-schen Bezügen, hier die Organisation von Arbeit, geschlagen hatte.

Der Eintrag vom 9. September 1855 beleuchtete das Selbstverständnis des Organisa-tionsteams des The Oxford und Cambridge Magazines, das eher soziale als politische In-halte verbreiten wollte: „Saw Ted and Topsy. Talked chiefly about the review. Politics to be almost eschewed: to be mainly Tales, Poetry, friendly Critiques, and social articles.”148 Price und Charles Faulkner, einer der zukünftigen Partner von Morris & Co., kamen beide aus Birmingham und waren diejenigen, die den Studierenden von den verheerenden Zu-ständen in den Arbeitendenvierteln der Großstadt aus erster Hand berichteten.149 Zusam-men schrieben sie den Artikel Unhealthy EmployZusam-ments, in dem sie sich mit unnötig gefahr-vollen Arbeitsplätzen und dem Thema öffentlicher Gesundheit auseinandersetzten. In The Work of young men in the present age und Lancashire and Mary Barton mahnt Price die Notwendigkeit sozialer Reformen an, besonders gerichtet an seine eigene Generation, und führt außerdem die Folgen von Überbevölkerung und Armut für England der Leser-schaft vor Augen.150

Einer von drei Beiträgen von Burne-Jones zu dem Magazin trägt den Titel The Cou-sins, a Tale. Im Vordergrund handelt die Geschichte von einer Liebesbeziehung und im Hintergrund werden, sozial engagiert, die Privilegien der Aristokratie der Verletzlichkeit der verarmten Bevölkerungsteile Londons gegenübergestellt.151 Burne-Jones schrieb Ruskin direkt an, ob auch er einen Artikel beisteuern wolle, die Januar-Ausgabe anbei. Doch mit einem Verweis auf seine begrenzten zeitlichen Kapazitäten lehnte Ruskin ab, fügte aber noch einige lobende Worte über das Magazin hinzu.152 Burne-Jones war sehr enthusias-tisch darüber, dass ihm Ruskin, der von ihm verehrte Autor, überhaupt antwortete, auch wenn es zu keiner Zusammenarbeit kam.

147 Zit. n. Mackail 1901, S. 81.

148 Ebd.

149 Ebd., S. 64.

150 Flemming s. a., abgerufen unter: http://www.rossettiarchive.org/docs/PriceFaulkner001.raw.html, http://www.rossettiarchive.org/docs/Price003.raw.html,

http://www.rossettiarchive.org/docs/Price002.raw.html [20.12.2018].

151 Maccarthy 2011, S. 53 f.

152 Mackail 1901, S. 89 f.

Anhand der Darstellung des Zeitschriftenprojekts The Oxford and Cambridge Magazi-ne konnte sowohl für Morris, als auch für den Rest der Gruppe eiMagazi-ne große Nähe zu den Ideen von Ruskin über das Verhältnis von Kunst und Arbeit festgestellt werden. Außerdem wurde sich sozial engagiert für die prekäre Lage der Arbeiterschaft interessiert. Für Morris ist ein Interesse an den gotischen Kathedralen Frankreichs festzuhalten und für frühe eng-lische Volksdichtung.