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2. Gütergewerbereform und Historismus

2.2 Gütergewerbereform

2.2.2 Artikel des Blackwood’s Edinburgh Magazine

Der oben bereits erwähnte Artikel des Blackwood’s Edinburgh Magazines aus dem Jahr 1837 zog das Resümee aus der Besprechung des finalen Reports des Selected Commit-tee on Arts and Manufactures, dass die Erklärungsversuche über die Prinzipien der Kunst von Bowring als Mitglied des Board of Trade nicht überzeugend seien.42 Insgesamt zeigt sich der Artikel von den Auffassungen des Komitees in vielerlei Hinsicht nicht begeistert.

Der Artikel spricht davon, dass das Komitee keine gute Meinung über die Königliche Aka-demie fördere und tritt im Folgenden ausführlich im Sinne der AkaAka-demie für eine Trennung von Kunst und Arbeit ein. Mit der Darstellung des Artikelinhalts soll die Position der Akade-mie im Verlauf des Aushandlungsprozesses eingehender wiedergegeben werden.

Ziel der Güterproduktion sei das Ornament im Unterschied zur Hochkunst, dessen Ziel es sei, durch Unterweisung und Gefallen unser Verständnis zu leiten. Die einzige Gemein-samkeit zwischen Kunst und Herstellung sei das Zeichnen. Da die Verbindung dieser bei-den Bereiche nicht funktioniere, wäre der Ornamentist nur ein halber Künstler und würde nur zur Hälfte seine Arbeit ausführen können. Die Regeln seiner Profession seien strikt, während jene der Kunst frei seien.

Der zukünftige Lehrplan der Normal School of Design sah vor, die Schülerschaft Anti-ken und die elgin marbles studieren zu lassen, doch dies sei dem Artikel nach falsch. Da sie keine KünstlerInnen werden würden, sollten sie sich mit etwas Geringerwertigem

aus-41 Quinn 2013, S. 70: Das eigentliche Motiv des Diskurs wäre Kunst, Herstellung und Konsum durch das Thema Geschmack zu verbinden. Dem steht die hier vorgetragene Interpretation gegenüber, da gerade der Bezug auf die nicht quantifizierbare Kategorie Geschmack eine Spaltung von talentiert und untalen-tiert ermöglicht und die Monopolstellung der Akademie in Ausbildungsfragen festigt. Dadurch wird die Verbindung von Kunst und Herstellung erschwert.

42 Historical Painting 1837, S. 188–189.

einandersetzen, wie dem Zeichnen von Pflanzen oder der Aneignung von generellem Wis-sen. Beim Zeichnen nach der Natur dürfe dem Artikel nach aber keine Nachahmung statt-finden, denn hier, und das ist der Hauptpunkt, komme der wesentliche Unterschied von Hochkunst und ornamentaler Gestaltung zur Sprache: Ornamentkunst sei nicht mimetisch.

Die größte Annäherung der beiden Bereiche finde bei den Entwürfen für Arabesken statt.

Sollte es dabei aber zu gegenständlichen Darstellungen kommen, wie von Vögeln oder Ungeheuern, solle viel Fantasie und Abstraktion mit rein spielen. Dann wird die Argumen-tation in einer langen Fußnote weiter vorangetrieben, denn man wolle nicht missverstan-den wermissverstan-den. Bis hierher treffen wir bereits auf eine ganze Reihe von Annahmen über Kunst: Der Zweck dürfe nicht im Herstellen liegen, man dürfe sich nicht mit alltäglichen Aufgaben beschäftigen und die frei Regelanwendung wird explizit erwähnt, wobei hier mit Regeln auch Vorbilder gemeint sind.

Laut der Fußnote des Artikels sei Architekturornament dem Bereich der Hochkunst zu-zuschlagen. Architekten seien selbst Künstler und hätten die Bauverzierung, wenn nicht selbst geschaffen, so doch selbst ausgesucht. Im ersten Fall wären sie Bildhauer und so-mit hätte die Bildhauerei dieselben Ziele wie die Architektur, was sie zu Schwesterkünsten mache. Zusammen mit der Malerei seien sie die drei Grazien der Bildenden Künste. Ne-ben dem Bauschmuck werden weitere Objekte dem Feld der Hochkunst zugesprochen, wo die Bildhauerei einen Anteil hat. Dazu gehören Objekte zur Repräsentation, zum Ge-denken, zur Belohnung und wo teure Materialien eingesetzt werden. Da die Bildhauerei im Prinzip ganz allgemein die dreidimensionale Gestaltung jedweder Objekte umfasst, muss der Artikel davon sprechen, welche Objekte wiederum nicht dazu gehören würden, auch wenn sie gestaltet worden seien. Der ganze Bereich des Alltäglichen gehöre nicht zum Be-reich der Hochkunst. Zwar seien etruskische Vasen nicht aus kostspieligem Material her-gestellt, sie seien jedoch Gegenstände des Gedenkens und damit nicht dem Bereich des alltäglichen Lebens zuzuschlagen. Auch Schilde würden dem Erinnern dienen und seien in großen Schlachten benutzt worden und seien damit auch nicht alltäglicher Natur. Damit endet die ausführliche Fußnote und der Artikel macht sich daran zu erklären, warum die Zeitgenossen die englischen Produktentwürfe nicht wertzuschätzen wüssten. Die beson-dere Stellung des Ornaments als verbindende Mittlerin ist hier zwar nicht zum ersten Mal angesprochen, doch eine weitere Erläuterung in Zusammenhang mit den Gattungshierar-chien ist angerissen. Die Verbindung zwischen der Losgelöstheit lebenspraktischer Bezü-ge im künstlerischen Handeln und der Gattungshierarchie wird außerdem evident.

Die geringe Wertschätzung für die englischen Produktentwürfe liege dem Artikel nach an der Verbindung von Kunst und Herstellung, die im schlechtesten Falle noch dazu füh-ren könne, dass Kartons von Raffael oder das Fries des Parthenon auf Pudding-Teller ap-pliziert würden. Old china wiederum finde das Wohlgefallen der Bevölkerung, weil, neben der guten Form, Tiere und Menschen nicht naturgetreu dargestellt seien. So ist die im Arti-kel wiedergegebene Meinung konsequent, wenn im weiteren argumentiert wird, dass es den Herstellenden kein Gewinn sei, für alle zugängliche Kunstausstellungen zu besuchen und die elgin marbles zu studieren. Vielmehr sei es gewinnbringend die Bordüren, Muster und Farben alter Messbücher zu konsultieren und natürlich Arabesken. Auch die freigeleg-ten Schätze von Herculaneum und Pompeji seien wertvoll, wobei das Augenmerk auf die Verzierung und nicht auf die Bilder gelegt werden solle. In einer weiteren über zwei Seiten reichenden Fußnote wird die Aussage eines vor das Selected Commitee geladenen Sach-verständigen diskutiert. Er behauptet zusammengefasst, dass rechte Winkel nicht schön sein könnten. Dem tritt der Artikel entgegen und lobt die Klassische Säulenordnung, die al-lerdings immer wieder nicht richtig ins Bild gesetzt werden würde, weil deren Abbildungen nicht aus der Zentralperspektive geschehe. Die Wiederholung oder Reflexion einer Hälfte, wie sie in Wandaufrissen antiker Tempel vorkommt, zeugt von der perfekten Ordnung, die immer gefällt. Das Kaleidoskop solle vom Ornamentisten ausprobiert werden, weil es ebenfalls diese Ordnung unter Beweis stelle.

Mit dem Hinweis auf die Klassische Säulenordnung wird die Fußnote geschlossen und der letzte Abschnitt zum Verhältnis von Kunst und Getaltung beginnt. Indem ein Designer den Golf von Neapel an eine Zimmerwand male, überschreite er die Grenze hin zum Künstler. Das Auge sei dankbar dafür auf türkischen Teppichen keine gegenständlichen Abbildungen zu finden, damit es sich erholen könne. Zeichenunterricht sollten die Hand-werker aber bekommen, er könne als eine Art Stennographie-Schrift benutzt werden.

Wenn jemand dem Artikel nach für die Verfolgung seiner Profession die höchste mentale Kultivierung brauche, dann sei es der Künstler. Die Trennung zwischen Kunst und Hand-werk zeige dem Künstler seine wirkliche Erhabenheit. Dementsprechend fährt der Artikel fort: Den mechanics sollten komplizierte Maschinen zum studieren vorgelegt werden, aber nicht die Medici-Venus.

An diesen Punkten wird die zugrundeliegende Betonung der geistigen Komponenten beim Kunstschaffen augenscheinlich, die im Status der KünstlerIn als Genie gipfelt. Weiter beschäftigt sich der Artikel, wie eingangs erwähnt, mit den Aussagen Bowrings zu Kunst,

die nicht als qualifiziert angesehen werden. Im letzten Abschnitt wird an konkreten Beispie-len auf die Vorwürfe eingegangen, dass die Königliche Akademie als private Institution öf-fentliche Unterstützung zum Beispiel in Form von Räumlichkeiten nutzen kann. Dies war vor allem die Argumentationslinie der UtilitaristInnen im Selected Committee, um eine In-tervention von Seiten des laissez-faire Staates zu rechtfertigen.

Der Artikel bezieht klar Stellung für die Unabhängigkeit der Königlichen Akademie und für eine Trennung von Kunst und Handwerk und vertritt eine Kunstauffassung des Klassi-zismus. Auch sieht er eine Gemeinsamkeit von Ornament und Hochkunst, die in der Ge-staltung von Arabesken liegt. Gegen eine oberflächliche Verbindung setzt er sich dann aber zur Wehr, bei der Werke der Hochkunst auf Gegenstände des täglichen Lebens ap-pliziert würden. Festzuhalten ist weiter, dass das Ornament von Beginn der Diskussion an eine zentrale Rolle spielte.